RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
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36 Wiener Jahre<br />
grüßten - Darwinismus und Haeckelianismus vermieden worden:<br />
«Die materialistische Auffassung von dem, was Darwin<br />
gefunden hat, führt dazu, aus der Verwandtschaft des Menschen<br />
mit den Tieren Vorstellungen zu bilden, die den Geist da<br />
verleugnen, wo er im Erdendasein in seiner höchsten Form, im<br />
Menschen erscheint. Die Goethe'sche Auffassung führt dazu,<br />
in der tierischen Gestaltung eine Geistschöpfung zu sehen, die<br />
nur noch nicht die Stufe erreicht hat, auf welcher der Geist als<br />
solcher leben kann. Was im Menschen als Geist lebt, das schafft<br />
in der tierischen Form auf einer Vorstufe.» Steiner folgert, daß<br />
der materialistisch vereinseitigte Darwinismus «an der<br />
Goethe'schen Denkungsart gesunden» müsse (636, 86f.).<br />
Aus christlicher Sicht interessiert die Frage, wie Goethes Monismus<br />
sich aufsein Gottesbild auswirkt. Die Antwort fällt ähnlich<br />
aus wie bei Spinoza, den Goethe schon früh und ausgiebig<br />
studiert hat: Goethes Monismus führt im Blick auf Gott zum<br />
Pantheismus, zur Vorstellung des göttlichen Wesens von<br />
Mensch und Natur und des im Natürlichen wahrnehmbaren<br />
Gottes.<br />
«Wer die Natur als göttliches Organ leugnen will, der leugne<br />
nur gleich alle Offenbarung», schreibt er in den «Aphorismen»<br />
(Goethe 1982, 44). Sein Gedicht «Vermächtnis» beginnt mit<br />
der Strophe: «Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!/ Das Ew'ge<br />
regt sich fort in allen,/ Am Sein erhalte dich beglückt!/ Das Sein<br />
ist ewig: denn Gesetze/ Bewahren die lebend'gen Schätze,/ Aus<br />
welchen sich das All geschmückt» (a.a.O., 62f.). Im «Prooemion»<br />
von 1816, das Ernst Haeckel als Einleitung eines Kapitels<br />
seiner monistischen Kampfschrift «Die Welträtsel» abdruckt,<br />
heißt es: «Was war' ein Gott, der nur von außen stieße/<br />
Im Kreis das All am Finger laufen ließe?/ Ihm ziemt's, die Welt<br />
im Innern zu bewegen,/ Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,/<br />
So daß, was in Ihm lebt und webt und ist,/ Nie seine Kraft, nie<br />
seinen Geist vermißt» (Haeckel 1984,349).<br />
Max Lackmann hat in seinem Buch «Ich warne vor Goethe»<br />
daraufhingewiesen, wie sehr Goethe dem Humanitätsideal des<br />
autonomen, sich selbst zur Sphäre des Göttlichen erhebenden<br />
Menschen verfallen ist, das mit dem Pantheismus untrennbar