RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
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Wiener Jahre 35^<br />
Alle Einzelpflanzen, alle Einzelerscheinungen sind nur Metamorphosen<br />
(Verwandlungen) der hinter ihnen stehenden Urgestalt.<br />
Geist und Stoff sind eine Einheit, und zwar ist der Geist<br />
das prägende Prinzip (vgl. 625, lOlff.). Steiner greift diese Vorstellung<br />
auf und entwickelt sie weiter, indem er nicht wie<br />
Goethe «bei den Pflanzen stehen» bleibt (214, 57), sondern<br />
auch für den Menschen und den gesamten Kosmos eine «Uridee»<br />
annimmt, die durch evolutionäre Höherentwicklung in<br />
ihrer Reinheit erreicht werden müsse. Der gegenwärtige, sinnlich<br />
wahrnehmbare, sichtbare Mensch sei nur eine Durchgangsstufe<br />
auf dem langen Weg zum «Geistesmenschen».<br />
Zusammen mit dem Menschen strebe der gesamte Kosmos in<br />
einem Prozeß, der riesige Zeiträume umfasse, seiner «Vergeistigung»<br />
zu (vgl. 601,294ff.+306).<br />
Einen grundlegenden Unterschied zu Goethe sieht Steiner<br />
darin, daß Goethe in seiner Bestimmung der Geisteswelt nicht<br />
weit genug gegangen sei: «In dieser Anknüpfung hat man zwar<br />
viel Gelegenheit, zu zeigen, wie die Natur geistig ist, weil<br />
Goethe selbst nach einer geistgemäßen Naturanschauung gestrebt<br />
hat; man hat aber nicht in ähnlicher Weise Gelegenheit,<br />
über die rein geistige Welt als solche zu sprechen, weil Goethe<br />
die geistgemäße Naturanschauung nicht bis zur unmittelbaren<br />
Geistanschauung fortgeführt hat» (636,124f.) Diese «unmittelbare<br />
Geistanschauung» versucht Steiner selber zu erringen,<br />
und zwar durch ein «sinnlichkeitsfreies Denken», welches der<br />
später von ihm entwickelte anthroposophische Erkenntnisweg<br />
ermöglichen soll.<br />
Trotz solcher Kritik an Goethe ist Steiner grundsätzlich des<br />
Lobes für den klassischen Dichter voll, der seiner Meinung<br />
nach als Naturforscher viel zu lange verkannt wurde: «Mir wurde<br />
Goethe zum Galilei der Organik» (636, 84). Um einen Organismus<br />
in seinem Wesen zu erkennen, sei es nicht richtig, ihn<br />
in seine Bestandteile zu zerlegen und zu analysieren, sondern<br />
vielmehr, intuitiv seine Ganzheit zu erfassen. Hätte man auf<br />
Goethe gehört, dann wäre der Geist nicht aus der Natur herausgenommen<br />
und die materialistische Vereinseitigung im -<br />
bezüglich des Evolutionsgedankens von Steiner durchaus be-