RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
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Kindheit und Jugend 2]_<br />
bung des Menschen in den Bereich des Übersinnlichen hinein<br />
und damit der satanischen Verführung der Schlange (vgl.<br />
1. Mose 3, Iff.) entspricht, läßt sich nicht durch rein äußerliche<br />
Parallelen in Form geometrischer Gesetze rechtfertigen.<br />
Außer in der Geometrie sucht Steiner die Rechtfertigung seiner<br />
hellseherischen Schau im katholischen Kultus, den er als<br />
Ministrant in Neudörfl miterlebt. Er schreibt: «Wir Schulknaben<br />
hatten den Ministranten- und Chordienst zu verrichten bei<br />
Messen, Totenfeiern und Leichenbegängnissen. Das Feierliche<br />
der lateinischen Sprache und des Kultus war ein Element, in<br />
dem meine Knabenseele gerne lebte (...) Der Bibel- und Katechismus-Unterricht,<br />
den der Pfarrer erteilte, war weit weniger<br />
wirksam innerhalb meiner Seelenwelt als das, was er als Ausübender<br />
des Kultus tat in Vermittelung zwischen der sinnlichen<br />
und der übersinnlichen Welt» (636,21f.).<br />
Hier fallt auf, daß Steiner nicht von der katholischen Dogmatik,<br />
sondern vom äußeren Kultus der katholischen Messe beeindruckt<br />
ist. Später wird er die Feierlichkeit kultischer Handlungen<br />
auch bei heidnischen Mysterienreligionen entdecken<br />
und - etwa in der Menschenweihehandlung der «Christengemeinschaft»<br />
- mit christlich-kultischen Elementen vermischen.<br />
Ein «dogmatisches Christentum» lehnt er zeitlebens ab. Auch<br />
hierbleibt ihm der Weg zu einem biblisch-christlichen Glauben<br />
verschlossen.<br />
Über die katholischen Geistlichen, denen er in seiner Neudörfler<br />
Zeit begegnet, äußert er sich unterschiedlich. Frühe interne<br />
Äußerungen stehen zu späteren öffentlichen im Widerspruch.<br />
So heißt es in den Aufzeichnungen für Edouard Schure<br />
vom September 1907: «Den kirchlichen Kultus lernte ich zwar<br />
kennen, indem ich zu Kultushandlungen als sogenannter Ministrant<br />
zugezogen wurde, doch war nirgends, auch bei den<br />
Priestern nicht, die ich kennenlernte, eigentliche Frömmigkeit<br />
und Religiosität vorhanden. Dagegen traten mir fort und fort<br />
gewisse Schattenseiten des katholischen Klerus vor Augen»<br />
(262, 7). Ähnlich kritisch äußert er sich in seinem «Autobiographischen<br />
Vortrag» vom 4.2.1913.<br />
In seinen späten autobiographischen Aufzeichnungen, die im