RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE

RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE

04.07.2013 Aufrufe

170 Die Anthroposophie Rudolf Steiners astralischen Leib. Dieser Vorgang wird von Steiner als «Luzifer-Ereignis» bezeichnet und mit der Schilderung in 1. Mose 3 gleichgesetzt. «Ihr werdet sein wie Gott» (1. Mose 3,5) - wäre dieser Satz später - an das Ich gerichtet - gehört und befolgt worden, dann hätte er in ruhiger Weise die Entwicklung des Menschen zum Geistesmenschen fortgesetzt. So aber, an den astralischen Leib gerichtet, geriet die gesamte Entwicklung durcheinander. Der Mensch wurde tiefer als geplant in die Materie verstrickt, und Ahriman, als polarer Gegensatz zum übergeistigen Luzifer, redet ihm ein, es gebe nichts als Materie. Der physische Leib wurde sichtbar. Egoismus, Krankheit, Lüge und die Möglichkeit zum Bösen traten in die Welt. «Der Christus» - Steiner gebraucht fast immer diese Formulierung mit Artikel - soll die Verstrickung in die Materie wieder aufheben und die Wiedervergeistigung des Menschen und des Kosmos einleiten. Wer ist «der Christus» nach anthroposophischem Verständnis? Er ist der «Logos» (Wort), die «Summe der sechs Elohim (Götter als Mehrzahl; d.Vierf.), die mit der Sonne vereinigt sind, die also die Erde mit ihren Gaben geistig beschenken» (103,130). Von ihnen hat sich Jahwe als siebter Elohim (Gott), als Beherrscher der Mondengeister, die als verhärtende, entwicklungshemmende Prinzipien tätig sind, abgespalten. Hier finden wir bei Steiner deutliche Anklänge an antike Naturmythologien (Natur-Sagen), an die (marcionitische) Trennung von Jahwe und Christus sowie allgemein an polytheistische Vorstellungen. Darüber hinaus vertritt die Anthroposophie eine - historisch gedehnte - Form des Synkretismus (Religionsvermischung). Denn jene hohe Sonnenwesenheit, die sich als «der Christus» in «Jesus» verkörpert, hat vorher schon andere Figuren der Religionsgeschichte als «Hüllen» benutzt, um ihre lichtvollen Impulse in die Menschheitsgeschichte hineinzugeben: Vishva-Karman bei den Indern, Ahura-Mazdao bei den Persern, «Ich bin» und die Elemente bei den Hebräern, Mysterieneingeweihte bei den Griechen und Römern. Die Verkörperung des Christus in Jesus nun ist Höhepunkt

Die Anthroposophie Rudolf Steiners 171 und Abschluß aller anderen Verkörperungen, weil hierdurch der entscheidende Impuls (Anstoß) zur Wiedervergeistigung und Emporentwicklung in die Menschheit einfließt. Der Ertrag aller bisherigen Verkörperungen fließt hier zusammen. Weil eine Individualität diese Fülle nicht fassen kann (sie würde die physische Leiblichkeit sprengen), sind zunächst zwei Jesusknaben zur Ausbildung der einzelnen Leiber notwendig, und zwar einer, der die indische Buddha-, und einer, der die persische Zarathustra-Strömung verkörpert. Mit zwölf Jahren ist die notwendige Reife erlangt. Beide Knaben fließen in eine Individualität zusammen, wobei der physische Leib des einen stirbt. Bei der Jordantaufe verläßt das Zarathustra-Ich den Jesusleib, und das Christus-Ich, der Christus-Sonnengeist tritt - symbolisiert durch die Taube - in ihn ein. Dieser Christus wird nun zum Verkünder des «Ich», das auch als «Kyrios» («Herr») bezeichnet wird. Der Mensch soll den «Gott in sich» finden und dadurch zum wahren Ich-Menschentum, zur Freiheit des Geisteslebens und zur Selbstbestimmung aufsteigen. Durch die Predigt des Christus erfolgt die Bewußtmachung des Ich, durch seine Heilungen die Auferweckung des Ich im Menschen. Die Anthroposophie ist ein Kult des Ich. Bibelstellen wie Galater 2,19f . («Ich lebe; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in rrüY») werden so umgedeutet, daß zwar mein niederes Ich gestorben sei, aber Christus als mein höheres Ich auferstehe (vgl. Bock 1981,86). Ja, die Buchstaben des Wortes «ICH» werden - etwa in Rittelmeyers Schrift «Christus» - geradezu mit der Abkürzung für «Jesus Christus» gleichgesetzt (Rittelmeyer 1936,92). Christus wird nicht mehr als reales (wirkliches), persönliches Gegenüber, sondern gewissermaßen als Teil des Menschen gesehen. Damit aber ist die Selbstvergottung des Menschen auf die Spitze getrieben. Nach anthroposophischem Verständnis liefert der Christus selbst den Impuls zur Selbstvergottung, Selbststeigerung, Wiedervergeistigung und Weiterentwicklung des Menschen und des Kosmos - und zwar durch das «Mysterium von Golgatha». Hier gibt es nun für Steiner ein Ereignis von zentraler Bedeu-

Die Anthroposophie Rudolf Steiners 171<br />

und Abschluß aller anderen Verkörperungen, weil hierdurch<br />

der entscheidende Impuls (Anstoß) zur Wiedervergeistigung<br />

und Emporentwicklung in die Menschheit einfließt. Der Ertrag<br />

aller bisherigen Verkörperungen fließt hier zusammen. Weil<br />

eine Individualität diese Fülle nicht fassen kann (sie würde die<br />

physische Leiblichkeit sprengen), sind zunächst zwei Jesusknaben<br />

zur Ausbildung der einzelnen Leiber notwendig, und<br />

zwar einer, der die indische Buddha-, und einer, der die persische<br />

Zarathustra-Strömung verkörpert. Mit zwölf Jahren ist die<br />

notwendige Reife erlangt. Beide Knaben fließen in eine Individualität<br />

zusammen, wobei der physische Leib des einen<br />

stirbt.<br />

Bei der Jordantaufe verläßt das Zarathustra-Ich den Jesusleib,<br />

und das Christus-Ich, der Christus-Sonnengeist tritt - symbolisiert<br />

durch die Taube - in ihn ein. Dieser Christus wird nun<br />

zum Verkünder des «Ich», das auch als «Kyrios» («Herr») bezeichnet<br />

wird. Der Mensch soll den «Gott in sich» finden und<br />

dadurch zum wahren Ich-Menschentum, zur Freiheit des Geisteslebens<br />

und zur Selbstbestimmung aufsteigen. Durch die<br />

Predigt des Christus erfolgt die Bewußtmachung des Ich, durch<br />

seine Heilungen die Auferweckung des Ich im Menschen.<br />

Die Anthroposophie ist ein Kult des Ich. Bibelstellen wie Galater<br />

2,19f . («Ich lebe; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt<br />

in rrüY») werden so umgedeutet, daß zwar mein niederes Ich gestorben<br />

sei, aber Christus als mein höheres Ich auferstehe (vgl.<br />

Bock 1981,86). Ja, die Buchstaben des Wortes «ICH» werden<br />

- etwa in Rittelmeyers Schrift «Christus» - geradezu mit der<br />

Abkürzung für «Jesus Christus» gleichgesetzt (Rittelmeyer<br />

1936,92). Christus wird nicht mehr als reales (wirkliches), persönliches<br />

Gegenüber, sondern gewissermaßen als Teil des<br />

Menschen gesehen. Damit aber ist die Selbstvergottung des<br />

Menschen auf die Spitze getrieben.<br />

Nach anthroposophischem Verständnis liefert der Christus<br />

selbst den Impuls zur Selbstvergottung, Selbststeigerung, Wiedervergeistigung<br />

und Weiterentwicklung des Menschen und<br />

des Kosmos - und zwar durch das «Mysterium von Golgatha».<br />

Hier gibt es nun für Steiner ein Ereignis von zentraler Bedeu-

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