RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
124 Anthroposophische Gesellschaft heiligen'; die reichen Rentnerinnen, die sich damals in komfortablen Häusern um das Goetheanum angesiedelt hatten, schwelgten beim Kaffee in mystischem und weniger mystischem Tratsch; die Jugend arbeitete, lärmte, lachte, verliebte sich und machte sich nichts aus Mystik; man wollte Steiner nicht verzeihen, daß er diesen 'Zigeunern' warme Zustimmung entgegenbrachte» (zit. nach Wehr 1993,250). Belyj zählt auch die zahlreichen «Fronten» auf, denen sich Steiner- insbesondere im Jahr 1915 - gegenübergestellt sieht: «... er kämpfte gegen unsere äußere Trägheit, und er unternahm viele Schritte, damit die Schweizer Regierung entgegen der beharrlichen Forderung gewisser Geheimdienste uns nicht des Landes verwiese; er kämpfte gegen verschiedene okkulte Strömungen, die durch offene und maskierte Verleumdungen 'sein' Dornach unterminierten (Jesuiten, Protestanten, verschiedene okkulte Gesellschaften); er kämpfte mit dem ihn einkreisenden Spießbürgertum und mit den spezifischen Krankheiten der Anthroposophischen Gesellschaft; er kämpfte mit dem Mangel an Geld und an Menschen, die fähig waren, den Bau zu vollenden; er kämpfte für die Jugend gegen die Alten; und er mäßigte unsere herausfordernde Haltung 'den Alten zum Trotz'!» (zit. nach Wehr 1993,252). Hinzu kommen Verleumdungen - außer den von Besant vorgebrachten auch die von manchen Kreisen genährte Behauptung, Steiner sei ein Hochverräter: Er habe bei seinem vertraulichen Gespräch am 27.8.1914 mit dem Chef des deutschen Generalstabs, Generaloberst Helmuth von Moltke, diesen falsch und womöglich sogar «okkult» beeinflußt, so daß er die entscheidende Marne-Schlacht verloren habe. Steiner sei somit sogar indirekt mitschuldig am mangelnden Kriegsglück der Deutschen. Man kann sich denken, wie solche Gerüchte in der Kriegszeit auf ihre Hörer wirken. Inmitten einer solchen düsteren Lage gibt es für Steiner doch einen Lichtblick, der freilich seinerseits auch Anlaß zu manchen Verdächtigungen liefert bzw. diese bestätigt: Am 24.12.1914 heiratet er standesamtlich seine langjährige Mitarbeiterin Marie von Sivers. Daß die Freundschaft mit dieser weit
Anthroposophische Gesellschaft bis in seine erste Ehe mit Anna Steiner, verwitwete Eunike, zurückreicht, wurde schon gesagt. Jetzt, drei Jahre nach Anna Steiners Tod, wird die Beziehung zu Marie von Sivers offiziell besiegelt. 1917-1918: Goetheanismus und Goetheanum. Der Dreigliederungsgedanke Im Oktober 1917 gelingt Rudolf Steiner ein genialer Kunstgriff: Er entschließt sich, seine anthroposophische Weltanschauung «Goetheanismus» und seinen Dornacher Tempel «Goetheanum» zu nennen. Damit hofft er, die Herzen des deutschen Bildungsbürgertums zu gewinnen, das - bis heute - sehr an Goethe hängt. Und man muß feststellen: Das ist ihm teilweise gelungen. Wer denkt schon an finsteren Okkultismus, wenn er den Namen des «größten deutschen Dichters» hört? Und doch findet man diesen, wenn man tiefer nachgräbt, bei Goethe fast genauso ausgeprägt wie bei Steiner. Wenn Steiner seinen Dornacher Bau «Goetheanum» nennt, dann assoziiert er dabei die Metamorphosen-Lehre des Dichters, die Lehre von der ständigen Verwandlung aller Dinge. Und diese soll ja auch in der anthroposophischen Baukunst zum Ausdruck gebracht werden. Weil alle Dinge ständig in der Verwandlung, «im Fließen» (Heraklit) sind, sollen sie auch entsprechende Formen erhalten. So erklärt sich z.B. die auffallende Tatsache, daß anthroposophische Häuser in der Regel kaum rechte Winkel besitzen, sondern fließende, sich wandelnde Formen. In der Vorstellung vom «Fließen» wirkt sich übrigens auch Steiners relativistische, keine vorgegebenen Werte anerkennende Philosophie seines ethischen Individualismus aus. Seine Freiheitsphilosophie steht auch Pate in der Konzeption einer «Dreigliederung des sozialen Organismus», die er ab dem Jahre 1917 entwirft. Ausgelöst wird diese durch die Frage eines hochgestellten Mitglieds der Anthroposophischen Gesellschaft, den Münchner Reichsrat Otto Graf Lerchenfeld. Er bittet Steiner im Juni 1917, dem deutschen Volk einen Ausweg
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Anthroposophische Gesellschaft<br />
bis in seine erste Ehe mit Anna Steiner, verwitwete Eunike,<br />
zurückreicht, wurde schon gesagt. Jetzt, drei Jahre nach Anna<br />
Steiners Tod, wird die Beziehung zu Marie von Sivers offiziell<br />
besiegelt.<br />
1917-1918: Goetheanismus und Goetheanum.<br />
Der Dreigliederungsgedanke<br />
Im Oktober 1917 gelingt Rudolf Steiner ein genialer Kunstgriff:<br />
Er entschließt sich, seine anthroposophische Weltanschauung<br />
«Goetheanismus» und seinen Dornacher Tempel<br />
«Goetheanum» zu nennen. Damit hofft er, die Herzen des deutschen<br />
Bildungsbürgertums zu gewinnen, das - bis heute - sehr<br />
an Goethe hängt. Und man muß feststellen: Das ist ihm teilweise<br />
gelungen. Wer denkt schon an finsteren Okkultismus,<br />
wenn er den Namen des «größten deutschen Dichters» hört?<br />
Und doch findet man diesen, wenn man tiefer nachgräbt, bei<br />
Goethe fast genauso ausgeprägt wie bei Steiner.<br />
Wenn Steiner seinen Dornacher Bau «Goetheanum» nennt,<br />
dann assoziiert er dabei die Metamorphosen-Lehre des Dichters,<br />
die Lehre von der ständigen Verwandlung aller Dinge.<br />
Und diese soll ja auch in der anthroposophischen Baukunst<br />
zum Ausdruck gebracht werden. Weil alle Dinge ständig in der<br />
Verwandlung, «im Fließen» (Heraklit) sind, sollen sie auch entsprechende<br />
Formen erhalten. So erklärt sich z.B. die auffallende<br />
Tatsache, daß anthroposophische Häuser in der Regel kaum<br />
rechte Winkel besitzen, sondern fließende, sich wandelnde Formen.<br />
In der Vorstellung vom «Fließen» wirkt sich übrigens<br />
auch Steiners relativistische, keine vorgegebenen Werte anerkennende<br />
Philosophie seines ethischen Individualismus aus.<br />
Seine Freiheitsphilosophie steht auch Pate in der Konzeption<br />
einer «Dreigliederung des sozialen Organismus», die er ab<br />
dem Jahre 1917 entwirft. Ausgelöst wird diese durch die Frage<br />
eines hochgestellten Mitglieds der Anthroposophischen Gesellschaft,<br />
den Münchner Reichsrat Otto Graf Lerchenfeld. Er<br />
bittet Steiner im Juni 1917, dem deutschen Volk einen Ausweg