Verfassungsschutzbericht 2004 - Brights - Die Natur des Zweifels

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58 R E CHTSE X TREMI S TI SCHE B E S TREBUNGEN Verbot der F.A.F. „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.“ (HNG) Demonstrationen dest größere Teile hiervon zu erreichen, ideologische Ausrichtungen zu bestimmen oder Kampagnen festzulegen. Um diese Defizite zu beseitigen, bildeten sich locker strukturierte Zusammenschlüsse von Kameradschaften, von den Neonazis meist als „Aktionsbüro“ oder „Aktionsbündnis“ bezeichnet. Mittlerweile existieren acht solcher Zusammenschlüsse. Die wichtigsten mit überregionaler Bedeutung sind das seit 1997 aktive „Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland“ mit seinem Sprachrohr „Aktionsbüro Norddeutschland“ und das „Aktionsbüro Mitteldeutschland“ - auch „Nationaler Widerstand Berlin-Brandenburg“ genannt. Nicht zuletzt dank dieser „Büros“ und „Bündnisse“, die mit ihren gut aufbereiteten Homepages Bausteine der virtuellen Vernetzung sind, gelang es den Neonazis, Kampagnen mit Parolen wie „Weg mit Hartz IV - Weg mit dem System“, „Keine Agenda 2010“ oder „Keine Steuergelder für den Synagogenbau“ durchzuführen. Am 22. Januar hat das Bayerische Staatsministerium des Innern einen unter der Bezeichnung „Fränkische Aktionsfront“ (F.A.F.) agierenden Zusammenschluss von Neonazis aus Mittelfranken verboten. Grund für das Verbot war u. a. die Wesensverwandtschaft der F.A.F. mit dem Nationalsozialismus. Von den wenigen noch verbliebenen neonazistischen Vereinen spielt bundesweit nur noch die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.“ (HNG) eine Rolle. 1979 gegründet und seit 1991 von Ursula MÜLLER geleitet, ist die HNG mit rund 600 Mitgliedern nach wie vor die größte neonazistische Organisation in Deutschland. Ihr gehören aber auch Vertreter aus anderen Lagern des Rechtsextremismus an. Das Engagement für den Verein erschöpft sich meist in der Zahlung des Mitgliedsbeitrags. Die HNG besitzt aber dennoch eine in der zersplitterten neonazistischen Szene nicht zu unterschätzende integrierende Funktion. Dies zeigt sich auch bei der immer gut besuchten Jahreshauptversammlung, an der 2004 rund 130 Personen teilnahmen. Die HNG unterstützt inhaftierte Rechtsextremisten insbesondere ideell. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Inhaftierte sich während seiner Haftzeit aus der rechtsextremistischen Szene löst. Ziel ist es, ihn nach der Freilassung wieder nahtlos in die Szene zu integrieren. Diesem Zweck dienen auch die monatlich erscheinenden „Nachrichten der HNG“. Diese Publikation enthält u. a. eine „Gefangenenliste“, mit deren Hilfe Kontakte zu „nationalen Gefangenen“ geknüpft werden sollen. Neonazis werden in der Öffentlichkeit insbesondere durch ihre zahlreichen Demonstrationen wahrgenommen. In diesem Jahr fanden 87 Demonstrationen (2003: 84) mit Teilnehmerzahlen zwischen 13

R E CHTSE X TREMI S TI SCHE B E S TREBUNGEN 59 und 3.800 Personen (bei der zentralen Heß-Kundgebung, s. u.) statt. Themenschwerpunkte waren die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesregierung. Neben Veranstaltungen gegen die „Agenda 2010“ fanden insbesondere im 2. Halbjahr zwölf von Rechtsextremisten angemeldete Demonstrationen unter dem Motto „Weg mit Hartz IV“ statt. Die Beteiligung daran lag bei durchschnittlich ca. 50 bis 70 Personen. Das bedeutendste alljährliche Ereignis für Neonazis und rechtsextre- Rudolf-Heßmistische Skinheads ist seit Jahren der Gedenkmarsch zum Tod des Gedenkmarsch Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß 13 in Wunsiedel (Bayern). Seit 2001 sind die Teilnehmerzahlen kontinuierlich gestiegen. Am 21. August marschierten etwa 3.800 Personen (2003: 2.600) durch den Ort. Etwa 20 Prozent der Teilnehmer kamen aus dem Ausland (vgl. auch Kap. VIII). Demonstration am 21. August in Wunsiedel Neonazis beteiligten sich verstärkt auch an bürgerlichen Protestkundgebungen - insbesondere gegen die Sozialreformen der Bundesregierung - und Podiumsveranstaltungen. Sie versuchten, diese für ihre Selbstdarstellung und zur „Besetzung politischer Themenfelder“ zu instrumentalisieren oder zumindest zu stören. So nahmen Neonazis vielfach an „Montagsdemonstrationen“ teil, z. B. am 2. August in Magdeburg. Weiter beteiligten sich Neonazis auch an einer von Gewerkschaften und Sozialverbänden durchgeführten Demonstration gegen die Sozialreformen der Bundesregierung am 3. April in Stuttgart. Es gelang ihnen aber nicht, diese Demonstrationen zu steuern oder zu beeinflussen. Das Verhältnis weiter Teile der Neonazi-Szene zur NPD (vgl. Kap. V, Nr. 1) hat sich gewandelt. Die bisher dominierende anlassbezogene Zusammenarbeit ist einer starken Annäherung gewichen. Bereits bei der 1. Mai-Demonstration in Berlin - zu der der NPD-Vorsitzende Udo VOIGT und der Neonazi Thomas WULFF für die „Freien Nationalisten“ gemeinsam mobilisierten - hatte sich das gewandelte Verhältnis zwischen etlichen Neonazis und der NPD öffentlich abgezeichnet (vgl. hierzu auch Kap. V, Nr. 1). Allerdings vertritt die Neonazi-Szene keine einheitliche Position gegenüber der NPD. So führte der Hamburger Rechtsextremist Christian WORCH als Konkurrenzveranstaltung in Leipzig ebenfalls eine 1. Mai-Demonstration durch, an der sich 900 Personen beteiligten. 13 Beteiligung an demokratischen Veranstaltungen Verhältnis zur NPD BERICHT Heß verstarb am 17. August 1987 in Berlin-Spandau. 2004

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und 3.800 Personen (bei der zentralen Heß-Kundgebung, s. u.) statt.<br />

Themenschwerpunkte waren die Wirtschafts- und Sozialpolitik der<br />

Bun<strong>des</strong>regierung. Neben Veranstaltungen gegen die „Agenda 2010“<br />

fanden insbesondere im 2. Halbjahr zwölf von Rechtsextremisten angemeldete<br />

Demonstrationen unter dem Motto „Weg mit Hartz IV“<br />

statt. <strong>Die</strong> Beteiligung daran lag bei durchschnittlich ca. 50 bis 70 Personen.<br />

Das bedeutendste alljährliche Ereignis für Neonazis und rechtsextre- Rudolf-Heßmistische<br />

Skinheads ist seit Jahren der Gedenkmarsch zum Tod <strong>des</strong> Gedenkmarsch<br />

Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß<br />

13 in Wunsiedel (Bayern). Seit<br />

2001 sind die Teilnehmerzahlen<br />

kontinuierlich gestiegen. Am<br />

21. August marschierten etwa<br />

3.800 Personen (2003: 2.600)<br />

durch den Ort. Etwa 20 Prozent<br />

der Teilnehmer kamen aus dem<br />

Ausland (vgl. auch Kap. VIII). Demonstration am 21. August in Wunsiedel<br />

Neonazis beteiligten sich verstärkt auch an bürgerlichen Protestkundgebungen<br />

- insbesondere gegen die Sozialreformen der Bun<strong>des</strong>regierung<br />

- und Podiumsveranstaltungen. Sie versuchten, diese<br />

für ihre Selbstdarstellung und zur „Besetzung politischer Themenfelder“<br />

zu instrumentalisieren oder zumin<strong>des</strong>t zu stören. So nahmen<br />

Neonazis vielfach an „Montagsdemonstrationen“ teil, z. B. am 2. August<br />

in Magdeburg. Weiter beteiligten sich Neonazis auch an einer<br />

von Gewerkschaften und Sozialverbänden durchgeführten Demonstration<br />

gegen die Sozialreformen der Bun<strong>des</strong>regierung am 3. April<br />

in Stuttgart. Es gelang ihnen aber nicht, diese Demonstrationen zu<br />

steuern oder zu beeinflussen.<br />

Das Verhältnis weiter Teile der Neonazi-Szene zur NPD (vgl. Kap. V,<br />

Nr. 1) hat sich gewandelt. <strong>Die</strong> bisher dominierende anlassbezogene<br />

Zusammenarbeit ist einer starken Annäherung gewichen. Bereits bei<br />

der 1. Mai-Demonstration in Berlin - zu der der NPD-Vorsitzende Udo<br />

VOIGT und der Neonazi Thomas WULFF für die „Freien Nationalisten“<br />

gemeinsam mobilisierten - hatte sich das gewandelte Verhältnis<br />

zwischen etlichen Neonazis und der NPD öffentlich abgezeichnet<br />

(vgl. hierzu auch Kap. V, Nr. 1).<br />

Allerdings vertritt die Neonazi-Szene keine einheitliche Position gegenüber<br />

der NPD. So führte der Hamburger Rechtsextremist Christian<br />

WORCH als Konkurrenzveranstaltung in Leipzig ebenfalls eine<br />

1. Mai-Demonstration durch, an der sich 900 Personen beteiligten.<br />

13<br />

Beteiligung an<br />

demokratischen<br />

Veranstaltungen<br />

Verhältnis zur NPD<br />

BERICHT<br />

Heß verstarb am 17. August 1987 in Berlin-Spandau. <strong>2004</strong>

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