Verfassungsschutzbericht 2004 - Brights - Die Natur des Zweifels
Verfassungsschutzbericht 2004 - Brights - Die Natur des Zweifels Verfassungsschutzbericht 2004 - Brights - Die Natur des Zweifels
22 V ERF A S S UNG S S CHUTZ UND D EMOKRA TIE I. Verfassungsschutz im Grundgesetz Das Grundgesetz (GG) für die Bundesrepublik Deutschland gewährt den Bürgerinnen und Bürgern eine Vielzahl von Freiheitsrechten. Dazu gehören das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG), Versammlungs– (Art. 8 GG) und Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG). Diese Rechte stehen selbst Gegnern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Staates zu. Eine klare Grenze bei der Inanspruchnahme dieser Rechte ist allerdings dort zu ziehen, wo deutlich erkennbar wird, dass sie dazu missbraucht werden, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu untergraben und damit das Fundament dieser Freiheitsrechte zu beseitigen. Die leidvollen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Ende der Weimarer Republik, deren Verfassung keine wirksamen Abwehrmechanismen vorsah, haben dazu geführt, dass im Grundgesetz das Prinzip der wehrhaften und abwehrbereiten Demokratie verankert worden ist. „Wehrhafte Dieses Prinzip ist durch drei Wesensmerkmale gekennzeichnet: Demokratie“ 1 - die Wertegebundenheit, d. h., unser Staat bekennt sich zu Werten, denen er eine besondere Bedeutung beimisst und die deshalb nicht zur Disposition stehen, - die Abwehrbereitschaft, d. h., der Staat ist gewillt, diese wichtigsten Werte gegenüber extremistischen Positionen zu verteidigen, und - die Vorverlagerung des Verfassungsschutzes, d. h., der Staat reagiert nicht erst dann, wenn Extremisten gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Das Prinzip der wehrhaften und abwehrbereiten Demokratie findet in einer Reihe von Vorschriften des Grundgesetzes deutlichen Ausdruck: 1 - Art. 79 Abs. 3 GG bestimmt, dass wesentliche Grundsätze der Verfassung – darunter der Schutz der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG – unabänderlich und damit einer Änderung auch durch den Verfassungsgesetzgeber entzogen sind. - Nach Art. 21 Abs. 2 GG können Parteien vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden, wenn sie darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Jesse, Eckhard: Der Verfassungsschutzauftrag der abwehrbereiten Demokratie: Theorie und Praxis, und Lange, Hans-Gert: Verfassungsschutz in der Demokratie - ein Instrument zur Sicherung des inneren Friedens, beide in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie und Rechtsextremismus (Reihe: Texte zur Inneren Sicherheit), Bonn 1992, S. 7 ff. und S. 19 ff.
V ERF A S S UNG S S CHUTZ UND D EMOKRA TIE 23 - Art. 9 Abs. 2 GG bestimmt, dass Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten sind. - Nach Art. 18 GG kann das Bundesverfassungsgericht die Verwirkung bestimmter Grundrechte aussprechen, wenn sie zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden. - Art. 73 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG sind Grundlage für die Einrichtung und Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. II. Verfassungsschutzbehörden – Aufgaben und Befugnisse Hauptsächliche Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bun- Aufgaben des und der Länder ist nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG) die Sammlung und Auswertung von Informationen über - Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben, - sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes für eine fremde Macht, - Bestrebungen im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, - Bestrebungen im Geltungsbereich des Bundesverfassungsschutzgesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Die Verfassungsschutzbehörden gewinnen die zur Erfüllung ihrer Informations- Aufgaben für sie wichtigen Informationen in erster Linie aus offen gewinnung zugänglichen Quellen. Sofern das nicht möglich oder nicht effektiv ist, dürfen sie sich im Rahmen gesetzlich genau festgelegter Befugnisse und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit so genannter nachrichtendienstlicher Mittel zur Informationsbe- BERICHT 2004
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22 V ERF A S S UNG S S CHUTZ UND D EMOKRA TIE<br />
I. Verfassungsschutz im Grundgesetz<br />
Das Grundgesetz (GG) für die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland gewährt<br />
den Bürgerinnen und Bürgern eine Vielzahl von Freiheitsrechten.<br />
Dazu gehören das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG),<br />
Versammlungs– (Art. 8 GG) und Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG).<br />
<strong>Die</strong>se Rechte stehen selbst Gegnern der freiheitlichen demokratischen<br />
Grundordnung unseres Staates zu. Eine klare Grenze bei der<br />
Inanspruchnahme dieser Rechte ist allerdings dort zu ziehen, wo<br />
deutlich erkennbar wird, dass sie dazu missbraucht werden, die freiheitliche<br />
demokratische Grundordnung zu untergraben und damit<br />
das Fundament dieser Freiheitsrechte zu beseitigen.<br />
<strong>Die</strong> leidvollen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Ende der<br />
Weimarer Republik, deren Verfassung keine wirksamen Abwehrmechanismen<br />
vorsah, haben dazu geführt, dass im Grundgesetz das<br />
Prinzip der wehrhaften und abwehrbereiten Demokratie verankert<br />
worden ist.<br />
„Wehrhafte <strong>Die</strong>ses Prinzip ist durch drei Wesensmerkmale gekennzeichnet:<br />
Demokratie“ 1<br />
- die Wertegebundenheit, d. h., unser Staat bekennt sich zu<br />
Werten, denen er eine besondere Bedeutung beimisst und<br />
die <strong>des</strong>halb nicht zur Disposition stehen,<br />
- die Abwehrbereitschaft, d. h., der Staat ist gewillt, diese<br />
wichtigsten Werte gegenüber extremistischen Positionen<br />
zu verteidigen, und<br />
- die Vorverlagerung <strong>des</strong> Verfassungsschutzes, d. h., der<br />
Staat reagiert nicht erst dann, wenn Extremisten gegen gesetzliche<br />
Bestimmungen verstoßen.<br />
Das Prinzip der wehrhaften und abwehrbereiten Demokratie findet<br />
in einer Reihe von Vorschriften <strong>des</strong> Grundgesetzes deutlichen<br />
Ausdruck:<br />
1<br />
- Art. 79 Abs. 3 GG bestimmt, dass wesentliche Grundsätze<br />
der Verfassung – darunter der Schutz der Menschenwürde,<br />
Art. 1 Abs. 1 GG – unabänderlich und damit einer Änderung<br />
auch durch den Verfassungsgesetzgeber entzogen sind.<br />
- Nach Art. 21 Abs. 2 GG können Parteien vom Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht<br />
für verfassungswidrig erklärt werden, wenn<br />
sie darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische<br />
Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.<br />
Jesse, Eckhard: Der Verfassungsschutzauftrag der abwehrbereiten Demokratie: Theorie und<br />
Praxis, und Lange, Hans-Gert: Verfassungsschutz in der Demokratie - ein Instrument zur Sicherung<br />
<strong>des</strong> inneren Friedens, beide in: Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>des</strong> Innern (Hrsg.), Wehrhafte<br />
Demokratie und Rechtsextremismus (Reihe: Texte zur Inneren Sicherheit), Bonn 1992, S. 7 ff.<br />
und S. 19 ff.