Verfassungsschutzbericht 2004 - Brights - Die Natur des Zweifels

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174 L INK S E X TREMI S TI SCHE B E S TREBUNGEN Sie agitierten dabei unterschiedlich aggressiv: Während die „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP) routiniert ein „Ende des Sozialraubs“ verlangte, forderte die trotzkistische Gruppe „Linksruck“ lautstark den Sturz der Bundesregierung 59 - verbunden mit dem Ruf nach einer „neuen Linkspartei“. Auch die PDS versuchte, den Protest für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Führende Funktionäre der Partei schlugen vor, „auf die Erfahrungen der DDR-Bürgerrechtsbewegung zurückzugreifen und sofort einen Runden Tisch der Betroffenen, von Regierung, Gewerkschaften, Arbeitslosen- und Wohlfahrtsverbänden sowie der Kirche einzurichten.“ Strategen der Partei werteten die Straßenproteste, an denen sich zahlreiche ihrer Mitglieder und Anhänger beteiligten, in bewusster Anspielung auf die Ereignisse des Jahres 1989 als möglichen Beginn einer „neuerlichen Transformation der Gesellschaft“. 60 Solche Vereinnahmungsbemühungen erwiesen sich jedoch für die Dynamik der „Montagsdemonstrationen“ als eher abträglich. Linksextremisten nutzten die Proteste vorrangig dazu, sich selbst und damit ihre Zerstrittenheit untereinander darzustellen, wobei die Hauptkonfliktlinie gegenüber dem Dominanzstreben der MLPD gezogen wurde. Als Folge eines heftigen verbalen Schlagabtausches trat rasch eine Spaltung der „Bewegung“ ein, die z. B. in Berlin bereits am 23. August zu zwei getrennten „Montagsdemonstrationen“, sodann zu zwei konkurrierenden „Bundesweiten Vernetzungstreffen“ führte. Insgesamt, so urteilten selbst Linksextremisten, blieben die diversen, „durch Machtkämpfe und Kompetenzgerangel geprägten“ Vorbereitungs- und Aktionsbündnisse eine „Domäne der Funktionäre und Hobbypolitiker“; „Normalos“ hätten sich nur selten dahin „verirrt“ und wenn, dann „nur einmal und nie wieder“. 61 Die bundesweite Demonstration „Gegen Sozialraub, Agenda 2010 und Hartz IV“ am 6. November in Nürnberg war die letzte bedeutsame Protestaktion des Jahres. Daran nahmen bei friedlichem Verlauf bis zu 7.000 Menschen teil, darunter ein etwa 1.000 Personen umfassender „Antikapitalistischer Block“, dieser bildete gleichzeitig den Höhepunkt autonomer Mobilisierungsbemühungen gegen den „Sozialabbau“. Im Zusammenhang mit den „Montagsdemonstrationen“ waren Autonome hingegen nicht prägend in Erscheinung getreten. Sie zählten weder zu den Initiatoren noch zu den Organisatoren der Straßenproteste; selbst ihre Beteiligung war marginal und beschränkte sich 59 Vgl. „Linksruck“ Nr. 181 vom 7. Juli 2004, S. 1. 60 Vgl. „Neues Deutschland“ (ND) vom 19. August 2004, S. 4. 61 Siehe Fn. 57.

L INK S E X TREMI S TI SCHE B E S TREBUNGEN 175 zum Teil darauf, tatsächliche oder vermeintliche „Nazis“ aus den Kundgebungen zu drängen. 3. Kampagne von Linksextremisten gegen Kernenergie Linksextremisten riefen auch im Jahr 2004 zur Teilnahme an Protestaktionen gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie auf. Ihr Einfluss auf die überwiegend von Nichtextremisten getragene Anti- Atom-Bewegung blieb jedoch gering. Unmissverständlich machten gewaltbereite Linksextremisten die weiter bestehende, letztlich systemüberwindende Stoßrichtung ihres Kampfes deutlich. So hieß es in einem auf Juli 2004 datierten Aufruf „militanter atomkraftgegnerinnen reloaded (mar)“ im Vorfeld des Castor-Transportes Anfang November: „Nach wie vor sind die Autonomen ein wichtiger Teil des Anti-Atom- Widerstandes, so wie der Kampf gegen die Atomkraft ein Teil unseres linksradikalen Selbstverständnisses ist. Doch ein gemeinsamer Widerstand mit dem Minimalkonsens gegen Atomkraftnutzung ist uns zu wenig! ... Seit Jahren stagniert in Teilen der Anti-Atom-Bewegung die inhaltliche Kritik am kapitalistischen Gesamtkonstrukt, bleibt bei der quasi personalisierten Kritik an den großen Betreiberfirmen und der Regierung stehen und richten den Fokus lediglich auf den Aspekt Umweltschutz. Als Teil der Autonomen Gruppen ziehen wir hieraus jedoch nicht etwa die Konsequenz, diesen Teilbereich aufzugeben und nicht mehr ins Wendland zu fahren. Im Gegenteil, vielmehr sehen wir hier einen Raum, um weiterführende gesellschafts- und staatskritische Inhalte darzustellen. Dabei suchen wir nicht ein neues revolutionäres Subjekt im Wendland. Aber es gibt hier eine Anzahl von Menschen, die offen für produktive Kritik sind, weil sie hinter der Fassade der vermeintlichen Demokratie zumindest die Auswirkungen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ausgemacht haben und diese nicht hinnehmen wollen. Hier können wir anknüpfen, ein Stück zusammen gehen und neue Strukturen schaffen aus denen eine gemeinsame Gegenkraft entstehen kann.“ („INTERIM“ Nr. 604 vom 28. Oktober 2004, S. 8) Die insgesamt sechs Castor-Transporte aus Deutschland in die Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) verliefen nahezu störungsfrei. BERICHT 2004

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zum Teil darauf, tatsächliche oder vermeintliche „Nazis“ aus den<br />

Kundgebungen zu drängen.<br />

3. Kampagne von Linksextremisten gegen Kernenergie<br />

Linksextremisten riefen auch im Jahr <strong>2004</strong> zur Teilnahme an Protestaktionen<br />

gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie auf. Ihr<br />

Einfluss auf die überwiegend von Nichtextremisten getragene Anti-<br />

Atom-Bewegung blieb jedoch gering.<br />

Unmissverständlich machten gewaltbereite Linksextremisten die<br />

weiter bestehende, letztlich systemüberwindende Stoßrichtung ihres<br />

Kampfes deutlich. So hieß es in einem auf Juli <strong>2004</strong> datierten Aufruf<br />

„militanter atomkraftgegnerinnen reloaded (mar)“ im Vorfeld<br />

<strong>des</strong> Castor-Transportes Anfang November:<br />

„Nach wie vor sind die Autonomen ein wichtiger Teil <strong>des</strong> Anti-Atom-<br />

Widerstan<strong>des</strong>, so wie der Kampf gegen die Atomkraft ein Teil unseres<br />

linksradikalen Selbstverständnisses ist. Doch ein gemeinsamer Widerstand<br />

mit dem Minimalkonsens gegen Atomkraftnutzung ist uns<br />

zu wenig! ... Seit Jahren stagniert in Teilen der Anti-Atom-Bewegung<br />

die inhaltliche Kritik am kapitalistischen Gesamtkonstrukt, bleibt bei<br />

der quasi personalisierten Kritik an den großen Betreiberfirmen und<br />

der Regierung stehen und richten den Fokus lediglich auf den Aspekt<br />

Umweltschutz. Als Teil der Autonomen Gruppen ziehen wir hieraus<br />

jedoch nicht etwa die Konsequenz, diesen Teilbereich aufzugeben und<br />

nicht mehr ins Wendland zu fahren. Im Gegenteil, vielmehr sehen wir<br />

hier einen Raum, um weiterführende gesellschafts- und staatskritische<br />

Inhalte darzustellen. Dabei suchen wir nicht ein neues revolutionäres<br />

Subjekt im Wendland. Aber es gibt hier eine Anzahl von Menschen,<br />

die offen für produktive Kritik sind, weil sie hinter der Fassade<br />

der vermeintlichen Demokratie zumin<strong>des</strong>t die Auswirkungen der kapitalistischen<br />

Wirtschaftsordnung ausgemacht haben und diese<br />

nicht hinnehmen wollen. Hier können wir anknüpfen, ein Stück zusammen<br />

gehen und neue Strukturen schaffen aus denen eine gemeinsame<br />

Gegenkraft entstehen kann.“<br />

(„INTERIM“ Nr. 604 vom 28. Oktober <strong>2004</strong>, S. 8)<br />

<strong>Die</strong> insgesamt sechs Castor-Transporte aus Deutschland in die Wiederaufarbeitungsanlagen<br />

(WAA) La Hague (Frankreich) und Sellafield<br />

(Großbritannien) verliefen nahezu störungsfrei.<br />

BERICHT<br />

<strong>2004</strong>

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