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07 - Lösung

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Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

<strong>Lösung</strong>svorschlag Fall 7<br />

A. Lang (L) könnte gegen Tuxedo (T) einen Anspruch auf Zahlung<br />

von 17.000 DM gemäß § 433 Abs. 2 BGB haben.<br />

Dazu müsste zwischen L und T ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) zustande<br />

gekommen sein, in welchem eine Kaufpreiszahlungspflicht<br />

von 17.000 DM vereinbart wurde. L und T haben sich jedoch nur<br />

auf einen Kaufpreis i.H.v. 12.000 DM geeinigt. Die in dieser Höhe<br />

bestehende Kaufpreisforderung ist durch die Zahlung des T erfüllt<br />

worden und damit erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.<br />

Ergebnis: L hat gegen T keinen Anspruch auf Zahlung von<br />

17.000 DM gemäß § 433 Abs. 2 BGB.<br />

B. L könnte gegen T einen Anspruch auf Herausgabe der Damenkleider<br />

gemäß § 985 BGB haben.<br />

Dazu müsste T noch Besitzer der Kleider sein. Diese befinden<br />

sich aber in der Pfandkammer der Gerichtsvollzieherin. T ist deshalb<br />

nicht mehr Besitzer der Kleider.<br />

Ergebnis: L hat gegen T keinen Anspruch auf Herausgabe der<br />

Damenkleider gemäß § 985 BGB.<br />

C. L könnte gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung<br />

Erinnerung gemäß § 766 Abs.1 Satz 1 ZPO einlegen. Die Erinnerung<br />

wäre begründet, wenn die Gerichtsvollzieherin fremde Sachen<br />

nicht hätte pfänden dürfen und L noch Eigentümer der<br />

Damenkleider wäre. Nach § 808 Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher<br />

jedoch alle im Gewahrsam des Schuldners befindlichen<br />

Sachen pfänden. Gewahrsam ist die rein tatsächliche Herrschaft<br />

über Sachen. T übte bis zur Pfändung die tatsächliche Herrschaft<br />

über die Kleider aus. Die Erinnerung wäre deshalb unbegründet.<br />

D. L könnte jedoch zur Durchsetzung seiner Rechte Drittwiderspruchsklage<br />

gemäß § 771 Abs. 1 ZPO mit dem Ziel erheben,<br />

dass die Zwangsvollstreckung aus dem Titel in die Damenkleider<br />

für unzulässig erklärt wird. Diese Klage ist erfolgreich, wenn sie<br />

zulässig (I.) und begründet ist (II.).<br />

I. Die Drittwiderspruchsklage ist zulässig, wenn die allgemeinen<br />

und besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen.<br />

Insbesondere muss die Klage beim zuständigen Gericht erhoben<br />

werden. Auch darf ihr nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.<br />

Sachlich ist das Landgericht gemäß § 23 Nr. 1 ZPO, § 71 Abs. 1<br />

GVG zuständig, wenn man unterstellt, dass nicht nur die gepfändeten<br />

Gegenstände, sondern auch die Forderung, wegen welcher<br />

1<br />

Anmerkungen<br />

Die Pfändung erfolgt hier nach<br />

§ 808 Abs. 1, 2 ZPO. Die Besitzlage<br />

stellt sich dabei wie folgt dar:<br />

Der Gerichtsvollzieher erlangt bei<br />

Inbesitznahme unmittelbaren<br />

Besitz, den er dem Gläubiger<br />

vermittelt. Lässt der Gerichtsvollzieher<br />

– anders als hier – die<br />

Sache im Gewahrsam des Schuldners,<br />

dann ist der Schuldner unmittelbarer<br />

Besitzer, der Gerichtsvollzieher<br />

mittelbarer Besitzer 1.<br />

Stufe und der Gläubiger mittelbarer<br />

Besitzer 2. Stufe. Vgl. Thomas/Putzo,<br />

ZPO, § 808 Rn. 15.<br />

Mittelbarer Besitz (§ 868 BGB),<br />

Mitbesitz (§ 866 BGB) und der<br />

nicht tatsächlich ausgeübte Erbenbesitz<br />

(§ 857 BGB) stellen keinen<br />

Gewahrsam her.<br />

Achten Sie darauf, dass man in der<br />

Klausur regelmäßig nicht alle<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

prüfen muss (Schwerpunktsetzung!).<br />

Geprüft werden die Sachurteilsvoraussetzungen,<br />

die<br />

zweifelhaft sind. Zudem sind bestimmteSachurteilsvoraussetzungen<br />

in einem bestimmten<br />

Zusammenhang üblicherweise zu<br />

prüfen. Bei Rechtsbehelfen in der<br />

Zwangsvollstreckung sind dies vor<br />

allem die Zuständigkeit und das<br />

Rechtsschutzbedürfnis.


Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

gepfändet wurde, den Betrag von 5.000 € übersteigen (vgl. § 6<br />

ZPO). Ausschließlich örtlich zuständig ist das Landgericht in Köln,<br />

§§ 771 Abs. 1, 802 ZPO. Die Zwangsvollstreckung hat hier bereits<br />

begonnen, so dass das Rechtsschutzbedürfnis des L zu bejahen<br />

ist. Die Drittwiderspruchsklage ist zulässig.<br />

II. Die Drittwiderspruchsklage ist begründet, wenn L ein die Veräußerung<br />

hinderndes Recht zusteht. Als ein solches kommt hier<br />

das Eigentum des L in Betracht. Ursprünglich war L Eigentümer<br />

und ihm stünde ein die Veräußerung hinderndes Recht zu. Er<br />

könnte sein Eigentum und damit auch sein Drittwiderspruchsberechtigung<br />

aber durch Übereignung an T nach § 929 S. 1 BGB<br />

verloren haben. Dies ist der Fall, wenn die Kleider übergeben<br />

wurden (1.) und sich T und L über den Eigentumswechsel geeignet<br />

haben (2.).<br />

1. T wurde der unmittelbare Besitz an den Kleidern übertragen, so<br />

dass die Sachen dem T übergeben wurden.<br />

2. L und T müssten sich darüber hinaus über den Eigentumsübergang<br />

der Kleider HL 10-16 geeinigt haben (a.). Diese Einigung<br />

muss wirksam sein (b.).<br />

a) Ausdrücklich haben sich L und T zwar über den Verkauf, nicht<br />

aber über den Eigentumsübergang geeinigt. Die Einigung könnte<br />

aber konkludent erfolgt sein. Sie könnte zunächst stillschweigend<br />

zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrags (Trennungs- und<br />

Abstraktionsprinzip schließen nicht aus, dass eine Erklärungshandlung<br />

beide Rechtsgeschäfte umfasst) erfolgt sein. Dies ist der<br />

Fall, wenn zugleich mit der Einigung über den Kauf L und T auch<br />

bereits eine Einigung über den Eigentumsübergang der Kleider HL<br />

10-16 erzielt haben. Dies erscheint zunächst insoweit zweifelhaft,<br />

als L die Einigung wohl erst erklären will, wenn der Kaufpreis gezahlt<br />

ist. Dies kann aber dahinstehen, weil sich eine Einigung im<br />

Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrags nach<br />

§§ 133, 157 BGB ohnehin auf die verkauften Kleider HL 1-7, nicht<br />

aber auf die Kleider HL 10-16 beziehen würde. Allerdings kam die<br />

Einigung zugleich mit der Übergabe zustande, weil sich der Übergabe<br />

und Entgegennahme der Kleider im Zusammenhang mit der<br />

Zahlung von 12.000 DM die konkludente Erklärung entnehmen<br />

lässt, dass das Eigentum an den übergebenen Kleidern (HL 10-<br />

16) übergehen soll.<br />

b) Die Einigung wäre von Anfang an als nichtig anzusehen, wenn<br />

L sie wirksam angefochten hat, § 142 Abs. 1 BGB. Die Vorschriften<br />

über Willensmängel sind auf die dingliche Einigung ohne weiteres<br />

anwendbar. Dies setzt neben einem Anfechtungsgrund (aa.)<br />

voraus, dass die Anfechtung fristgemäß erklärt wird (bb.).<br />

aa) Als Anfechtungsgrund kommt ein Inhaltsirrtum i.S.d. § 119<br />

Abs. 1 1. Alt. BGB in Betracht. Ein Inhaltsirrtum ist gegeben,<br />

2<br />

Ein die „Veräußerung hinderndes<br />

Recht“ gibt es eigentlich nicht, da<br />

sogar das Eigentum gutgläubig<br />

erworben werden kann. Deshalb<br />

liegt nach herrschender Meinung<br />

ein solches Recht schon vor, wenn<br />

die Veräußerung des Vollstreckungsgegenstandeszivilrechtswidrig<br />

wäre, weil sie in den<br />

Rechtskreis des Drittwiderspruchsklägers<br />

eingreift.


Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

wenn der Erklärende bei der Abgabe einer Willenserklärung über<br />

deren Inhalt, d. h. den Bedeutungsgehalt des von ihm verwendeten<br />

Erklärungszeichens, im Irrtum war. Der Erklärende erklärt<br />

zwar, was er erklären will. Er irrt aber über die rechtliche Bedeutung<br />

seiner Erklärung. Er misst seiner Erklärung einen anderen<br />

Sinn bei, als sie – aufgrund der Auslegung – in Wirklichkeit hat. L<br />

wollte hier die übergebenen Kleider übereignen. Genau diese Bedeutung<br />

kam seinen Erklärungszeichen jedoch auch zu, weshalb<br />

kein Inhaltsirrtum vorliegt. In Betracht kommt jedoch ein Erklärungsirrtum<br />

i. S. d. § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Ein Erklärungsirrtum<br />

liegt vor, wenn der Erklärende sich bei seiner Erklärung eines<br />

eigentlich ungewollten Erklärungszeichens bedient (Versprechen,<br />

Vergreifen, Vertippen). L wollte seine Erklärung dadurch setzen,<br />

dass er als Erklärungszeichen die Kleider HL 1-7 übergibt. Stattdessen<br />

übergab er jedoch aufgrund der Verwechslung die Kleider<br />

HL 10-16. Er verwendete mithin ein nicht gewolltes Erklärungszeichen<br />

und unterlag deshalb einem Erklärungsirrtum.<br />

bb) Die Anfechtung müsste unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB) gegenüber<br />

T (§ 143 Abs. 2 BGB) erklärt werden, was vorliegend<br />

noch möglich ist.<br />

Erklärt L die Anfechtung der dinglichen Einigung, so ist er Eigentümer<br />

geblieben. Ihm stünde dann ein die Veräußerung hinderndes<br />

Recht zu.<br />

Ergebnis: Die Drittwiderspruchsklage ist zulässig und begründet,<br />

wenn L unverzüglich die Anfechtung der dinglichen Einigung erklärt.<br />

Anmerkung: Erfolgt keine Anfechtung, wäre ein Anspruch des L gegen<br />

T aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückübereignung der Kleider zu<br />

prüfen. Ein solcher Anspruch wäre grds. auch erfüllt, weil T das Eigentum<br />

an den Kleidern ohne Rechtsgrund erlangt hat (der Kaufvertrag<br />

deckt nur die Übereignung der verkauften, nicht der hier übereigneten<br />

Kleider ab). Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 434 Abs. 3 BGB<br />

(umstr., vgl. MünchKommBGB/Westermann, 5. Auflage 2008, § 434<br />

BGB Rn. 41). § 434 Abs. 3 BGB kanalisiert allein die Rechte des Käufers.<br />

Diesem sollen im Fall der Falschlieferung Gewährleistungsrechte<br />

und keine allgemeinen Rechte wegen Nichtleistung zustehen. Dies<br />

schließt nicht aus, dass der Verkäufer eine falsch gelieferte Sache nach<br />

§ 812 BGB kondiziert, weil hierdurch – entgegen teilweiser Annahme –<br />

Rechte des Käufers nicht verkürzt werden. Der Käufer wird ausreichend<br />

durch § 273 BGB geschützt. Aufgrund der Pfändung und der nachfolgend<br />

anstehenden Versteigerung kann T das Eigentum jedoch nicht<br />

zurück übertragen. Er hat Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).<br />

Dieser Anspruch wird ggf. nach § 818 Abs. 3 BGB begrenzt. Dies verdeutlicht<br />

die Schwäche eines Anspruchs nach § 812 BGB im Vergleich<br />

zu einem Anspruch nach § 985 BGB.<br />

3<br />

Zum Identitätsirrtum vgl. Boemke/Ulrici,<br />

BGB-AT, § 12 Rn. 62 f.<br />

(S. 241 f.).<br />

Wird der Drittwiderspruchsklage<br />

stattgegeben, so tritt die für unzulässig<br />

erklärte Vollstreckungsmaßnahme<br />

nicht ohne weiteres außer<br />

Kraft. Der Gerichtsvollzieher muss<br />

vielmehr erst nach Vorlage einer<br />

vollstreckbaren Ausfertigung des<br />

Urteils die Zwangsvollstreckung<br />

einstellen (§ 775 Nr. 1 ZPO) und<br />

die Vollstreckungsmaßnahmen<br />

aufheben (§ 776 ZPO). Letzteres<br />

geschieht durch Aufhebung der<br />

Pfändung, d.h. Herausgabe der<br />

Pfandsachen an den Zwangsvollstreckungsschuldner<br />

(vgl. Zöller-<br />

Stöber, § 776 Rn. 2). Unterlässt er<br />

dies, kann der Dritte Erinnerung<br />

(§ 766 ZPO) einlegen.


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Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

<strong>Lösung</strong>svorschlag Fall 7b<br />

A. Demeulemeester (D) könnte gegen T einen Anspruch auf Zahlung<br />

von 10.500 DM gemäß § 433 Abs. 2 BGB haben.<br />

Dafür müsste zwischen D und T ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) zustande<br />

gekommen sein, in welchem eine Kaufpreiszahlungspflicht<br />

von 10.500 DM vereinbart wurde. Der Vertrag kam hier jedoch nur<br />

über 9.000 DM zustande. Ein entgegenstehender Wille der D war<br />

bei objektiver Auslegung (§§ 133, 157 BGB) für den Erklärungsempfänger<br />

nicht zu erkennen. Für ihn ist die Preisauszeichnung<br />

maßgeblich. Eine etwaige Anfechtung seitens der D führt zur<br />

Nichtigkeit (§ 142 Abs. 1 BGB), aber nicht zu einem Zahlungsanspruch<br />

auf 10.500 DM. Die i.H.v. 9.000 DM bestehende Kaufpreisforderung<br />

ist durch die Zahlung des T erfüllt worden und damit<br />

erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.<br />

Ergebnis: D hat gegen T keinen Anspruch auf Zahlung von<br />

10.500 DM gemäß § 433 Abs. 2 BGB.<br />

B. D könnte jedoch zur Durchsetzung ihrer Rechte Drittwiderspruchsklage<br />

gemäß § 771 Abs. 1 ZPO erheben. Deren Zulässigkeit<br />

unterstellt, wäre sie erfolgreich, wenn sie begründet ist. Dies<br />

ist der Fall, wenn D ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht.<br />

D könnte Eigentümerin der Kleider sein. Ursprünglich war D<br />

Eigentümerin. Sie könnte jedoch ihr Eigentum durch Übereignung<br />

an T gemäß § 929 S. 1 BGB verloren haben. Die dafür erforderliche<br />

dingliche Einigung zwischen D und T liegt unproblematisch<br />

vor, weil die vertragsgegenständlichen Kleider übergeben wurden.<br />

Die Einigung wäre allerdings von Anfang an als nichtig anzusehen,<br />

wenn D sie anfechten kann, § 142 Abs. 1 BGB. Voraussetzung<br />

hierfür ist ein Anfechtungsgrund. D hat hier aber genau die<br />

Kleider übereignet, die sie übereignen wollte. Dass der Preis<br />

falsch angegeben war, berührt ihren Willen zur dinglichen Übereignung,<br />

welche von der schuldrechtlichen Einigung zu trennen<br />

ist, nicht (keine Fehleridentität). Sie unterlag deshalb keinem<br />

Irrtum. Eine Anfechtung kommt deshalb nicht in Betracht. D hat<br />

das Eigentum an den Kleidern verloren. Ein die Veräußerung hinderndes<br />

Recht steht ihr nicht zu. Die Drittwiderspruchsklage wäre<br />

unbegründet.<br />

C. D könnte gegen T aber einen Anspruch auf Zahlung gemäß<br />

§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB haben. Dazu müsste T etwas<br />

durch Leistung ohne rechtlichen Grund erlangt haben.<br />

I. T hat Eigentum und Besitz an den Kleidern erlangt.<br />

II. Dies müsste durch Leistung erfolgt sein. Leistung ist jede bewusste<br />

und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Mit<br />

4<br />

Die Anfechtung führt nicht dazu,<br />

dass nun ein Vertrag über die<br />

Kleidung zu einem Preis von<br />

10.500 DM zustande käme: die<br />

Anfechtung kassiert nur, sie<br />

reformiert nicht. Dem T ist aber<br />

jedenfalls ein Anspruch gegen D<br />

auf Abschluss eines Kaufvertrages<br />

zu dem von D gewollten Preis<br />

(10.500 DM) zu gewähren.<br />

Umstritten ist andererseits, ob sich<br />

der Anfechtende auf das ursprünglich<br />

von ihm Gewollte einlassen<br />

muss: will jemand Gegenstand A<br />

kaufen, verspricht sich und erhält<br />

Gegenstand B zum gleichen Preis,<br />

so kann er zwar nach h.M. anfechten,<br />

muss sich aber an dem ursprünglich<br />

Gewollten festhalten<br />

lassen und Gegenstand A abnehmen.<br />

Vgl. dazu Lobinger, AcP<br />

1995, 274; Spieß, JZ 1985, 593<br />

und Müller, JuS 2005, 18.<br />

Fehleridentität oder Fehlerkongruenz<br />

wird bejaht, wenn nicht nur<br />

das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft,<br />

sondern auch das<br />

dingliche Erfüllungsgeschäft durch<br />

den Willensmangel bestimmt ist.<br />

Sie ist insbesondere bei arglistiger<br />

Täuschung (§ 123 BGB) anzunehmen.<br />

Bei § 119 Abs. 1 BGB ist<br />

hingegen zu differenzieren: ein<br />

Irrtum bzgl. des Preises schlägt<br />

nicht auf das dingliche Geschäft<br />

durch. Denn die Gegenleistung ist<br />

gar kein Bestandteil der dinglichen<br />

Einigung. Ein Irrtum über die Person<br />

des Geschäftsgegners kann<br />

hingegen zu Fehlerkongruenz<br />

führen, soweit die Sache einer<br />

konkreten Person verkauft und<br />

übereignet wird.


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LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

der Übereignung der Kleider wollte D ihre Pflicht aus dem Kaufvertrag<br />

erfüllen. Sie hat mithin geleistet.<br />

III. Die Leistung müsste ohne Rechtsgrund erfolgt sein. Als<br />

Rechtsgrund kommt vorliegend der Kaufvertrag in Betracht. Dieser<br />

könnte jedoch von Anfang an als nichtig anzusehen sein,<br />

wenn er wirksam angefochten worden ist, § 142 Abs. 1 BGB.<br />

1. Als Anfechtungsgrund könnte hier ein Erklärungsirrtum i.S.d.<br />

§ 119 Abs. 1 2. Alt. BGB vorliegen. Ein Erklärungsirrtum ist gegeben,<br />

wenn der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt<br />

nicht abgeben wollte. Der Erklärende erklärt nicht das, was<br />

er erklären will. Er benutzt ein Erklärungszeichen, das er nicht benutzen<br />

will. Hier waren die Preisetiketten vertauscht worden. Der<br />

Verkäufer wollte eine Willenserklärung über diesen Preis nicht<br />

abgeben. Es liegt ein Fall vor, der denen des Verschreibens und<br />

Versprechens ähnelt. D unterlag einem Erklärungsirrtum.<br />

2. Eine Anfechtungserklärung ist noch fristgerecht, d.h. unverzüglich<br />

(§ 121 Abs. 1 BGB) möglich.<br />

IV. § 812 Abs. 1 BGB verpflichtet den Empfänger zur Herausgabe<br />

des Erlangten. Die Herausgabe ist hier nicht mehr möglich, weil<br />

die Kleider gepfändet worden sind. Nach deren Verwertung können<br />

die Kleider endgültig nicht mehr herausgegeben werden. Deshalb<br />

ist gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Dabei ist<br />

der objektive Verkehrswert der Kleider zu ersetzen, mithin 10.500<br />

DM. Die Verpflichtung zum Wertersatz wäre aber ausgeschlossen,<br />

soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist, § 818 Abs. 3<br />

BGB. Entreicherung tritt nur ein, wenn die Bereicherung wertmäßig<br />

im Vermögen des T nicht mehr vorhanden ist. Den Besitz an<br />

den Kleidern hat T eingebüßt, das Eigentum wird T in der<br />

Zwangsversteigerung verlieren. Deshalb ist seine Bereicherung<br />

auf den ersten Blick weggefallen. Der Gläubiger des T wird in Höhe<br />

des Versteigerungserlöses befriedigt. Diesen Geldbetrag hätte<br />

T jedoch jedenfalls aufwenden müssen. T hat insoweit Aufwendungen<br />

erspart und ist deshalb nicht entreichert.<br />

Anmerkung: Wird in der Zwangsversteigerung nicht der volle Verkehrswert erlöst (wovon auszugehen ist),<br />

hat D nach dem Wortlaut des Gesetzes insoweit das Nachsehen. T ist in Höhe des Mindererlöses entreichert.<br />

Auch in der Insolvenz des T wäre D im Nachteil: ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB wäre nur gewöhnliche<br />

Insolvenzforderung. D erhielte nur die Quote. In beiden Fällen ist sie besser beraten, wenn sie den Vertrag<br />

gelten lässt und die erlangten 9.000 DM behält. – Diese sich bei wortlautgetreuer Gesetzesanwendung ergebenden<br />

Konsequenzen versucht man bei Rückabwicklung nichtiger Austauschverträge (teilweise) zu korrigieren,<br />

um z. B. das Risiko des Mindererlöses in der Versteigerung sachgerecht bei T zu verorten (zu bedenken<br />

ist, dass selbst ein Mindererlös in einer bestimmten Höhe nur erzielt wurde, weil die Kleider objektiv einen<br />

erhöhten Wert besitzen). Das RG entwickelte hierzu die Saldotheorie, welche – in unterschiedlicher Fortentwicklung<br />

und Abänderung – auch BGH und h. L. folgen. Daneben werden noch weitere Ansichten vertreten,<br />

welche u. a. an den Wertungen des § 346 Abs. 2, 3 BGB (§§ 350, 351 BGB a. F.) ansetzen. Einzelheiten dazu<br />

im entsprechenden LEO-Block zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen.<br />

5<br />

Anmerkung: Die <strong>Lösung</strong> zum<br />

Komplex B beruht auf einem Sachverhaltsverständnis,<br />

nach welchem<br />

sich D und T letztlich für jedes<br />

Kleid über den dort verzeichneten<br />

Preis einigen und die 9000 DM nur<br />

der rechnerische Gesamtbetrag ist,<br />

ohne dass hierüber eine eigene<br />

Einigung erfolgt. Wäre der Gesamtpreis<br />

Gegenstand der Einigung,<br />

läge ein (offener)<br />

Kalkulationsirrtum (Irrtum bei der<br />

Willensbildung) vor, zu dessen<br />

rechtlicher Behandlung vgl. Boemke/Ulrici,<br />

BGB-AT, § 12 Rn. 74 ff.


Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

Die Entreicherung des T um den gezahlten Kaufpreis i.H.v.<br />

9.000 DM wird mit seiner Bereicherung i.H.v. 10.500 DM saldiert.<br />

Ergebnis: D hat gegen T einen Anspruch auf Zahlung von<br />

1.500 DM gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB.<br />

6


Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

<strong>Lösung</strong>svorschlag Fall 7c<br />

A. Gibson (G) könnte gegen T einen Anspruch auf Zahlung der<br />

Wertdifferenz gemäß § 433 Abs. 2 BGB haben.<br />

Zwischen G und T ist ein Kaufvertrag zustande gekommen. Fraglich<br />

ist aber, ob sich G und T auf einen Kaufpreis i.H.v. 8.000 DM<br />

geeinigt haben oder ob der wahre DM-Preis vereinbart wurde.<br />

Durch Auslegung der Parteierklärungen (§§ 133, 157 BGB) ist zu<br />

klären, ob die Kalkulationsgrundlage oder die Preisangabe vorrangig<br />

sein sollen. Sollte die Kalkulationgrundlage nach dem Willen<br />

der Parteien vorrangig sein, so ist die tatsächliche<br />

Preisvereinbarung nur eine unbeachtliche falsa demonstratio. Hier<br />

wurde die Kalkulationsgrundlage jedoch nicht offengelegt. Durch<br />

Auslegung kann deshalb nicht ermittelt werden, welche Berechnung<br />

Vorrang haben soll. Es kann deshalb nicht auf die Kalkulationsgrundlage<br />

abgestellt werden.<br />

Ergebnis: G hat gegen T keinen Anspruch auf Zahlung der Wertdifferenz<br />

gemäß § 433 Abs. 2 BGB.<br />

B. Eine Vertragsanpassung auf den höheren Preis gemäß § 313<br />

Abs. 1 BGB scheitert daran, dass es sich bei der Vorstellung, die<br />

sich als falsch herausstellt (§ 313 Abs. 2 BGB) um eine gemeinsame<br />

Vorstellung beider Parteien handeln muss.<br />

C. G könnte jedoch zur Durchsetzung ihrer Rechte Drittwiderspruchsklage<br />

gemäß § 771 Abs. 1 ZPO erheben. Deren Zulässigkeit<br />

unterstellt ist sie erfolgreich, wenn sie begründet ist. Dafür<br />

muss G ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehen. G könnte<br />

Eigentümer der Waren sein. Ursprünglich war dies der Fall. Allerdings<br />

hat G sein Eigentum zunächst durch Übereignung<br />

verloren. Die zwischen G und T bestehende Einigung über den<br />

Eigentumsübergang könnte als von Anfang an nichtig anzusehen<br />

sein, wenn sie wirksam angefochten worden ist, § 142 Abs. 1<br />

BGB. Als Anfechtungsgrund kommt hier der Kalkulationsirrtum<br />

der G in Betracht. Dieser wirkt sich aber allenfalls auf den Kaufvertrag<br />

aus. Die Übereignung ist nicht anfechtbar, weil der Kaufpreis<br />

nicht Gegenstand der Übereignungserklärung ist. Deshalb<br />

kann G nicht anfechten. Ihr steht kein die Veräußerung hinderndes<br />

Recht zu. Die Drittwiderspruchsklage der G wäre unbegründet.<br />

D. G könnte gegen T einen Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung<br />

gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB haben.<br />

I. T hat Eigentum und Besitz an der Ware aufgrund einer Leistung<br />

der G erhalten.<br />

7<br />

Lesen Sie zum Kalkulationsirrtum<br />

den Rubel-Fall in RGZ 105, 406.<br />

Lässt sich ein Vorrang einer der<br />

beiden Möglichkeiten nicht ermitteln,<br />

ist der Vertrag nichtig wegen<br />

Dissenses. Eine Anfechtung<br />

kommt nach heute ganz h.M. nicht<br />

in Betracht, vgl. BGHZ 139, 177.<br />

Ausführlich Boemke/Ulrici, BGB-<br />

AT, § 12 Rn. 72-76 (S. 245-248).<br />

Das ergibt sich aus der Formulierung<br />

"Grundlage des Vertrages"<br />

und aus der Abgrenzung zu § 119<br />

Abs. 2 BGB: Wer hier einseitige<br />

Vorstellungen ausreichen lässt, löst<br />

die Bindung an den vereinbarten<br />

Vertragsinhalt auch beim Motivirrtum<br />

auf. Das wollte die Schuldrechtsreform<br />

gerade nicht<br />

bewirken.


Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

II. Dies müsste ohne Rechtsgrund geschehen sein. Den Rechtsgrund<br />

bildet der geschlossene Kaufvertrag. Dieser ist aber von<br />

Anfang an als nichtig anzusehen, wenn er wirksam angefochten<br />

wurde, § 142 Abs. 1 BGB. Dies setzt einen Anfechtungsgrund<br />

voraus. Als Anfechtungsgrund kommt ein Kalkulationsirrtum in<br />

Betracht. Da T die Kalkulationsgrundlage der G nicht erkennen<br />

konnte, handelt es sich um einen verdeckten Kalkulationsirrtum.<br />

Dieser gewährt nach den gesetzlichen Vorschriften<br />

(§§ 119 ff. BGB) kein Recht zur Anfechtung, weil die zugrunde<br />

liegende Kalkulation nur Teil der Willensbildung der einen Vertragspartei<br />

ist und außerhalb des Rahmens des eigentlichen<br />

Rechtsgeschäfts bleibt (Motivirrtum). Zudem soll derjenige, der die<br />

Kalkulation (allein) vorgenommen hat, auch das entsprechende<br />

Risiko tragen. Mithin hat G mit Rechtsgrund geleistet.<br />

III. Das Festhalten am Kaufvertrag durch T könnte aber eine unzulässige<br />

Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellen. Eine unzulässige<br />

Rechtsausübung läge jedoch nur vor, wenn T den<br />

Kalkulationsfehler positiv erkannt hat und die Vertragsdurchführung<br />

für den anderen Teil schwerwiegende wirtschaftliche Folgen<br />

hätte und deshalb unzumutbar ist. Gleiches gilt in entsprechender<br />

Anwendung von § 162 BGB, wenn der andere Teil sich der<br />

Kenntnis treuwidrig verschließt, d. h. einen sich aufdrängenden<br />

Kalkulationsfehler ignoriert. Auch in diesem Fall muss aber Unzumutbarkeit<br />

der Vertragsdurchführung vorliegen. Für eine Kenntnis<br />

des T fehlen Anhaltspunkte. Auch war die Abweichung nicht so<br />

gravierend, dass sie sich aufdrängen musste, zumal es hier auch<br />

keinen allgemeinen Marktpreis für das Produkt als Vergleichsmaßstab<br />

gibt. Zudem fehlt jeder Hinweis auf schwerwiegende<br />

wirtschaftliche Folgen für G. Ein Verlust von 2.666,- DM dürfte sie<br />

nicht ruinieren. Eine unzulässige Rechtsausübung ist zu verneinen.<br />

Ergebnis: G hat gegen T keinen Anspruch auf Herausgabe der<br />

Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB.<br />

8<br />

Anders ist es oben im Fall 7b, wo<br />

der Wille, zu einem bestimmten<br />

Preis zu verkaufen, korrekt gebildet<br />

und der Preis nur unrichtig verlautbart<br />

wurde.<br />

Vgl. BGHZ 139, 177 ff.<br />

Vgl. BGHZ 139, 184 f.<br />

Das ist in den Börsenkurs-Fällen<br />

anders: Wenn hier der Preis vom<br />

Marktpreis abweicht, fällt das eher<br />

auf.


Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

Aktuelle Urteile zum Kalkulationsirrtum<br />

OLG Stuttgart v. 21.10.2009 – 3 U 64/09 (juris): Bei einem offen gelegen Kalkulationsirrtum muss durch<br />

Auslegung ermittelt werden, was von den Parteinen gewollt war; eine Anfechtung scheidet aus.<br />

OLG Brandenburg v. 23.3.2005 - 4 U 158/04, BauR 2005, 1066 (Bieterangebot im Rahmen öffentlicher<br />

Ausschreibung: Kalkulationsirrtum des Bieters und Notwendigkeit unverzüglicher Anfechtung; Schadenersatzanspruch<br />

des Auftraggebers nach Zuschlag auf ursprüngliches Angebot und Ausführungsverweigerung;<br />

Entscheidungsgründe bei juris):<br />

„1. Ein echter Erklärungsirrtum i.S.d. § 119 Abs. 1 BGB liegt im Unterschied zum unbeachtlichen Motivirrtum<br />

vor, wenn eine fehlerhafte Preisangabe in einem Übertragungsfehler begründet liegt.<br />

„2. Die Anfechtung muss unverzüglich erklärt werden (§ 121 BGB ). Ist Rechtsrat erforderlich, kann noch<br />

eine Frist von 14 Tagen notwendig sein. Eine erst 8 Wochen nach Erkennen des Fehlers erklärte Anfechtung<br />

ist jedenfalls verspätet.<br />

3. Hat ein Bieter in einem Angebot gegenüber dem (öffentlichen) Auftraggeber den Einheitspreis aus einem<br />

anderen Angebot übernommen, dabei aber versehentlich nur die Lohnkosten ohne die Materialkosten eingesetzt,<br />

den Auftraggeber nach der Submission über das Versehen informiert und angeboten, den Auftrag<br />

zu einem korrigierten Preis auszuführen, jedoch eine ausdrückliche Anfechtung vermieden, so kann der<br />

(öffentliche) Auftraggeber, der dem Bieter den Zuschlag auf sein ursprüngliches Angebot erteilt hat, gegen<br />

ihn Kosten der Ersatzvornahme als Schadenersatz geltend machen, wenn der Bieter die Ausführung verweigert<br />

und der Auftraggeber deshalb gekündigt hat.“<br />

OLG Hamm, NJW-RR 2006, 65 (Prozessvergleich: Keine Unwirksamkeit eines Abfindungsvergleichs wegen<br />

eines Berechnungsfehlers des Sachverständigen bei der Bemessung des Erwerbsschadens): „Der<br />

Vergleich ist auch nicht aufgrund der erklärten Anfechtung unwirksam. Der Tatbestand des § 119 Abs. 1<br />

BGB ist nicht erfüllt. Die Beklagte befand sich bei ihrer Erklärung nicht über deren Inhalt im Irrtum; sie wollte<br />

auch eine Erklärung dieses Inhalts abgeben. Da beide Parteien davon ausgingen, dass der Sachverständige<br />

A das fiktive Nettoeinkommen für 2003 richtig berechnet hatte und dies zur Grundlage des Vergleichs<br />

machten, liegt auch nicht der Fall des § 119 Abs. 2 BGB vor. Dieser Anfechtungsgrund setzt einen einseitigen<br />

Kalkulationsirrtum voraus, während hier ein gemeinschaftlicher Irrtum über die von den Parteien als<br />

richtig vorausgesetzte, vom Sachverständigen durch seine Berechnung geschaffenen Geschäftsgrundlage<br />

gegeben ist; hier gelten allein die Regelungen über den Wegfall/das Fehlen der Geschäftsgrundlage (BGH<br />

NJW 1986, 1348; Palandt-Sprau a.a.O., § 779, Rn. 26).“<br />

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