02.07.2013 Aufrufe

06 - Lösung _neu_

06 - Lösung _neu_

06 - Lösung _neu_

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

III. Der Kaufvertrag könnte jedoch als von Anfang an nichtig anzusehen<br />

sein, wenn er wirksam angefochten wurde, § 142 Abs. 1<br />

BGB. Dies setzt voraus, dass die Anfechtung nicht generell ausgeschlossen<br />

ist, d. h. das Rechtsgeschäft muss anfechtbar sein<br />

(1.). Außerdem muss ein Anfechtungsgrund bestehen (2.).<br />

1. Da G hier eine Erklärung anfechten will, die in einem Schweigen<br />

besteht, stellt sich die Frage, ob die auf Willenserklärungen<br />

zugeschnittenen §§ 119 ff. BGB überhaupt zur Anwendung gelangen<br />

können. Eine Anfechtung ist ohne weiteres möglich, wenn das<br />

Schweigen kraft Parteivereinbarung als Willenserklärung anzusehen<br />

ist. Aber auch in den Fällen, in denen Schweigen als Zustimmung<br />

anzusehen ist und deshalb vergleichbar einer<br />

Willenserklärung Rechtswirkungen zeitigt, sind die §§ 119 ff. BGB<br />

analog nach h. M. anwendbar. Der Schweigende soll nicht stärker<br />

gebunden sein als wenn er ausdrücklich zugestimmt hätte. Deshalb<br />

muss die Anfechtung eines Schweigens grundsätzlich als<br />

zulässig angesehen werden.<br />

2. Es müsste ein Anfechtungsgrund vorliegen. In Betracht<br />

kommt ein Irrtum des G über die rechtliche Tragweite des Schweigens<br />

(§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB – Inhaltsirrtum). Wäre dieser Anfechtungsgrund<br />

beachtlich, so würde das die mit dem<br />

kaufmännischen Bestätigungsschreiben verknüpfte Fiktionswirkung,<br />

welche den Gepflogenheiten des Handelsverkehrs Rechnung<br />

tragen soll, konterkarieren. Deshalb verneint die ganz<br />

herrschende Ansicht eine hierauf gestützt Anfechtung und zieht<br />

eine Parallele zum unbeachtlichen Rechtsfolgeirrtum. G konnte<br />

den Vertrag deshalb nicht anfechten.<br />

Exkurs zur Anfechtung beim kfm. Bestätigungsschreiben<br />

1. Einigkeit besteht darüber, dass eine Anfechtung wegen eines Irrtums über die<br />

Bedeutung des Schweigens nicht möglich ist. Es handelt sich dabei um einen<br />

unbeachtlichen Rechtsfolgeirrtum (s.o.).<br />

2. Eine Anfechtung wegen Drohung oder arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1<br />

BGB) ist regelmäßig nicht erforderlich, weil die Wirkungen des kaufmännischen<br />

Bestätigungsschreibens wegen fehlender Schutzwürdigkeit des Erklärenden nicht<br />

eintreten (vgl. oben Prüfungspunkt III 2 b ee).<br />

3. Ein Anfechtungsrecht ergibt sich aber auch nicht daraus, dass nach Auffassung<br />

des Empfängers das Bestätigungsschreiben und die vorherige Vereinbarung nicht<br />

übereinstimmen. Denn diese Abweichungen sollen vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben<br />

gerade „aufgefangen“ werden!<br />

4. Umstritten ist hingegen, ob der Empfänger des kaufmännischen Bestätigungsschreibens<br />

anfechten kann, weil er sich über den Inhalt des Schreibens geirrt und<br />

deshalb geschwiegen hat. Eine Literaturmeinung (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt,<br />

HGB, § 346 Rn. 33) bejaht hier die Anfechtungsmöglichkeit und einen Anfechtungsgrund<br />

gemäß § 119 Abs. 1 BGB analog. Der Empfänger dürfe nicht schlechter<br />

gestellt werden als er stünde, wenn er seinen Willen ausdrücklich erklärt hätte.<br />

Die Gegenansicht lehnt eine Anfechtbarkeit ab. Der Absender soll in seinem Vertrauen<br />

geschützt sein, dass der Empfänger das Schreiben richtig liest. Da das<br />

Schreiben spätere Beweisschwierigkeiten vermeiden soll, muss es auch sorgfältig<br />

gelesen werden. Eine Anfechtung lässt sich deshalb mit dem Zweck des kaufmännischen<br />

Bestätigungsschreibens nicht vereinbaren.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!