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06 - Lösung _neu_

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Wiss. Mit. RA Dr. Bernhard Ulrici<br />

Sachverhalte und <strong>Lösung</strong>en bauen auf den Unterlagen von Prof. Dr. Tim Drygala aus dem SS 2009 auf<br />

LEO BGB-I – Rechtsgeschäftslehre und Allgemeines Schuldrecht (Sommersemester 2011)<br />

b) Dem G könnte aber der Einwand fehlender rechtsgeschäftlicher<br />

Vertretungsmacht des E abgeschnitten sein, wenn ein Fall von<br />

Rechtsscheinsvollmacht gegeben ist.<br />

aa) Die Vertretungsmacht des E könnte sich aus einer Duldungsvollmacht<br />

ergeben. Eine solche liegt nach der ständigen Rechtsprechung<br />

des BGH dann vor, wenn der Vertretene es wissentlich<br />

geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt,<br />

und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben<br />

dahin versteht und verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde<br />

bevollmächtigt ist. Vorliegend wusste G nichts von den<br />

Geschäften des E. Eine Duldungsvollmacht kommt deshalb nicht<br />

in Betracht.<br />

bb) Die Vertretungsmacht des E könnte sich aber aus einer Anscheinsvollmacht<br />

ergeben. Ob das Rechtsinstitut der Anscheinsvollmacht<br />

anzuerkennen ist, ist umstritten. Während die<br />

Anscheinsvollmacht in Rechtsprechung und Lehre überwiegend<br />

anerkannt ist und dabei auf den in § 173 BGB, § 56 HGB zum<br />

Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken verwiesen wird, lehnt eine<br />

Meinung in der Literatur diese Form der Rechtsscheinsvollmacht<br />

unter anderem deshalb ab, weil das deutsche Recht als Rechtsfolge<br />

einer Sorgfaltspflichtverletzung nur Schadensersatz zuspreche,<br />

aber keinen Vertragsschluss anordne. Dieser Streit könnte<br />

hier indes dahinstehen, wenn E kein Anscheinsbevollmächtigter<br />

war. Die Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene<br />

das Handeln des in seinem Namen Auftretenden zwar nicht kennt<br />

oder duldet, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen<br />

müssen und verhindern können. Der Rechtsschein einer Bevollmächtigung<br />

setzt dabei ein Verhalten von gewisser Dauer und<br />

Häufigkeit voraus. Dafür ist hier aber nichts ersichtlich. Insbesondere<br />

setzt die Anscheinsvollmacht voraus, dass der Geschäftsgegner<br />

nach Treu und Glauben annehmen darf, der als Vertreter<br />

Handelnde sei bevollmächtigt. Dazu muss dieser die Tatsachen<br />

kennen, aus denen sich der Rechtsschein der Bevollmächtigung<br />

ergibt. Auch an dieser Kenntnis fehlt es hier. Mithin ergab sich die<br />

Vertretungsmacht des E auch nicht aus Anscheinsvollmacht. Es<br />

fehlt an einem G zuzurechnenden Antrag.<br />

II. Der Kaufvertrag könnte jedoch aufgrund der auf Handelsbrauch<br />

(§ 346 HGB) beruhenden Grundsätze des kaufmännischen<br />

Bestätigungsschreibens zustande gekommen sein. Danach ist<br />

es im Handelsverkehr üblich, Vertragsabschlüsse, die das Ergebnis<br />

mündlich geführter Vertragsverhandlungen sind, schriftlich zu<br />

bestätigen. Der Empfänger des Bestätigungsschreibens muss einem<br />

solchen Schreiben unverzüglich widersprechen, wenn er<br />

nicht an seinen Inhalt gebunden werden will. Die Grundsätze des<br />

kaufmännischen Bestätigungsschreibens erfassen dabei auch die<br />

Fälle, in denen nach mündlichen Vertragsverhandlungen noch<br />

überhaupt kein Vertrag zustande gekommen ist (sog. konstitutives<br />

kaufmännisches Bestätigungsschreiben).<br />

Zur Duldungsvollmacht vgl. Boemke/Ulrici,<br />

BGB-AT, § 13 Rn. 65<br />

(S. 289 f.).<br />

Vgl. BGHZ 5, 111, 116 = NJW<br />

1952, 657; BGH NJW 2005, 2985<br />

= WM 2005, 1520; BGH NJW<br />

2007, 987, 988.<br />

Zur Anscheinsvollmacht vgl.<br />

Boemke/Ulrici, BGB-AT, § 13<br />

Rn. 66 f. (S. 290).<br />

Vgl. BGH NJW 1981, 1728; Elleberger<br />

in Palandt, §§ 172 Rn. 11;<br />

Kropholler, BGB, § 167 Rn. 5.<br />

So insbesondere Flume, BGB AT,<br />

§ 49 Rn. 4; Medicus, BGB AT, Rn.<br />

971.<br />

Vgl. BGH NJW-RR 1998, 1111 =<br />

WM 1998, 819.<br />

Vgl. BGH WM 1956, 154; BGH<br />

NJW 2007, 987, 988.<br />

Dazu Schärtl, JA 2007, 567; Petersen,<br />

Jura 2003, 687; Steding, JA<br />

1998, 288; Deckert, JuS 1998, 121.<br />

Auf dem letztlich vergleichbaren<br />

Gedanken beruht § 362 HGB, der<br />

vorliegend jedoch nicht hilfreich ist,<br />

weil seine Anwendung auf Geschäftsbesorgungsverträgebeschränkt<br />

ist. § 362 HGB gilt somit<br />

nicht für Kaufverträge.

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