Andrea Bertschi-Kaufmann/Hansjakob Schneider - Leseforum.ch

Andrea Bertschi-Kaufmann/Hansjakob Schneider - Leseforum.ch Andrea Bertschi-Kaufmann/Hansjakob Schneider - Leseforum.ch

02.07.2013 Aufrufe

Online-Plattform für Literalität Andrea Bertschi-Kaufmann/Hansjakob Schneider Lese- und Schreibkompetenzen fördern - ein neues Forschungsprojekt des Zentrums LESEN Im Anschluss an die dürftigen Resultate der Schweizer Jugendlichen in der Lesestudie PISA 2000 ist in der Schweiz eine engagierte Debatte geführt worden über Vorkehrungen zur Verbesserung der Leseleistungen. Die eingeforderten Massnahmen betreffen insbesondere die Schule. Sie sind zum Teil aufgenommen im PISA-Aktionsplan, welchen die eidgenössische Kommission der Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) als Ergebnis von Folgestudien und im Anschluss an die Beratung mit Expertinnen und Experten verabschiedet hat. Die Diskussionen in den Bildungsverwaltungen und in den Schulen schliessen meist hier an. Was die Empfehlungen für den Unterricht betrifft, wird z.B. gefordert, dass die Schule sich stärker auf das Unterrichten und Überprüfen von Lesekompetenzen im Sinne der PISA-Tests konzentrieren solle. Alternativ dazu stehen Konzepte der Leseförderung, die eher auf die Verbesserung der Lesemotivation von Schülerinnen und Schülern abzielen. Über die tatsächlichen Effekte der unterschiedlich ausgerichteten För-dermassnahmen ist allerdings noch wenig bekannt. In Kooperation mit dem Departement Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau BKS führt nun das Zentrum LESEN der Fachhochschule Aargau in den nächsten Jahren ein Forschungsprojekt durch, das sich mit fachdidaktischen Konzepten der Lese-und Schreibförderung beschäftigt und das nach der Wirkung von verschiedenen Methoden auf die Lese-und Schreibmotivationen und -kompetenzen fragt. Beteiligt sind weiter die Pädagogische Hochschule Solothurn und Bibliomedia Schweiz. Eine Interventionsstudie über die Wirkung von zwei Unterrichtsformen Das Projekt ist als sogenannte Interventionsstudie konzipiert: Untersucht werden die Wirkungen von zwei verschiedenen fachdidaktischen Zugängen: Dabei handelt es sich einerseits um ein Lese- und Schreibtraining, das bestimmte Fertigkeiten gezielt fördern soll («angeleitetes Fördern»). Für das Lesen beispielsweise wird sich dieses Training unter anderem an den PISA-Tests und -Normen orientieren. Demgegenüber betrifft der zweite fachdidaktische Zugang offenere Formen der Lese- und Schreibförderung, wie sie etwa in Bertschi-Kaufmann beschrieben sind. 1 Welcher Zugang zeigt nun welche Wirkung? Und wie wirkt die Kombination von beiden Vorgehensweisen, also ein Unterricht, der offene Formen der Lese- und Schreibförderung mit stark strukturierten und eng geführten Trainings kombiniert? Das Forschungsdesign sieht zwei sogenannte Ex-perimentalgruppen mit Schulklassen vor, für deren Lehrerinnen und Lehrer Weiterbildungen zu zunächst offenen, später auch angeleiteten Formen der Förderung stattfinden (Experimentalgruppe 1) oder ausschliesslich zu angeleiteten Formen der Förderung (Experimentalgruppe 2). Demgegenüber stehen die Klassen der Kontrollgruppe, deren Lehrerinnen und Lehrer in keine besondere Weiterbildung einbezogen sind und die sich am herkömmlichen Unterricht orientieren. Diese Lehrpersonen werden also zum Beispiel mit Lesebuchtexten arbeiten oder mit der ganzen Klasse gemeinsam ein Buch lesen und behandeln. Unsere Untersuchung konzentriert sich zum einen auf Primarschulklassen im dritten und vierten Schuljahr, zum anderen auf Klassen im siebten und achten Schuljahr, und dies in jenem Typ der Sekundarstufe I, welche die geringsten Anforderungen stellt (im Kanton Aargau: Realschule). Für die beiden hier erfassten Lesealter ist bekannt, dass Einbrüche der Lesemotivationen und ein - teils vorübergehender - Rückgang der Leseaktivität besonders verbreitet ist. 2 Die Wirkungen und die möglichen Veränderungen, die als Folge der unterschiedlichen Fördermassnahmen beobachtet werden, interessieren also gerade in jenen Phasen, welche für die Leseförderung eine besondere Herausforderung darstellen. Die Abbildung auf Seite 12 zeigt das Design im Überblick: Erhebungen werden zu vier Zeitpunkten durchgeführt. Dabei wird ein Teil der Interventionen (offene Formen der Förderung) bei der Experimentalgruppe 1 von Anfang an realisiert. Während dieses www.leseforum.ch | www.forumlecture.ch 1

Online-Plattform für Literalität<br />

<strong>Andrea</strong> <strong>Berts<strong>ch</strong>i</strong>-<strong>Kaufmann</strong>/<strong>Hansjakob</strong> <strong>S<strong>ch</strong>neider</strong><br />

Lese- und S<strong>ch</strong>reibkompetenzen fördern - ein<br />

neues Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt des Zentrums LESEN<br />

Im Ans<strong>ch</strong>luss an die dürftigen Resultate der S<strong>ch</strong>weizer Jugendli<strong>ch</strong>en in der Lesestudie PISA 2000 ist in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz eine engagierte Debatte geführt worden über Vorkehrungen zur Verbesserung der Leseleistungen.<br />

Die eingeforderten Massnahmen betreffen insbesondere die S<strong>ch</strong>ule. Sie sind zum Teil<br />

aufgenommen im PISA-Aktionsplan, wel<strong>ch</strong>en die eidgenössis<strong>ch</strong>e Kommission der<br />

Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) als Ergebnis von Folgestudien und im Ans<strong>ch</strong>luss an<br />

die Beratung mit Expertinnen und Experten verabs<strong>ch</strong>iedet hat. Die Diskussionen in den<br />

Bildungsverwaltungen und in den S<strong>ch</strong>ulen s<strong>ch</strong>liessen meist hier an. Was die Empfehlungen für den<br />

Unterri<strong>ch</strong>t betrifft, wird z.B. gefordert, dass die S<strong>ch</strong>ule si<strong>ch</strong> stärker auf das Unterri<strong>ch</strong>ten und<br />

Überprüfen von Lesekompetenzen im Sinne der PISA-Tests konzentrieren solle. Alternativ dazu<br />

stehen Konzepte der Leseförderung, die eher auf die Verbesserung der Lesemotivation von S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />

und S<strong>ch</strong>ülern abzielen. Über die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Effekte der unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> ausgeri<strong>ch</strong>teten<br />

För-dermassnahmen ist allerdings no<strong>ch</strong> wenig bekannt.<br />

In Kooperation mit dem Departement Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau BKS führt nun<br />

das Zentrum LESEN der Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Aargau in den nä<strong>ch</strong>sten Jahren ein Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt dur<strong>ch</strong>,<br />

das si<strong>ch</strong> mit fa<strong>ch</strong>didaktis<strong>ch</strong>en Konzepten der Lese-und S<strong>ch</strong>reibförderung bes<strong>ch</strong>äftigt und das na<strong>ch</strong><br />

der Wirkung von vers<strong>ch</strong>iedenen Methoden auf die Lese-und S<strong>ch</strong>reibmotivationen und -kompetenzen<br />

fragt. Beteiligt sind weiter die Pädagogis<strong>ch</strong>e Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Solothurn und Bibliomedia S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Eine Interventionsstudie über die Wirkung von zwei Unterri<strong>ch</strong>tsformen<br />

Das Projekt ist als sogenannte Interventionsstudie konzipiert: Untersu<strong>ch</strong>t werden die Wirkungen von<br />

zwei vers<strong>ch</strong>iedenen fa<strong>ch</strong>didaktis<strong>ch</strong>en Zugängen: Dabei handelt es si<strong>ch</strong> einerseits um ein Lese- und<br />

S<strong>ch</strong>reibtraining, das bestimmte Fertigkeiten gezielt fördern soll («angeleitetes Fördern»). Für das<br />

Lesen beispielsweise wird si<strong>ch</strong> dieses Training unter anderem an den PISA-Tests und -Normen<br />

orientieren. Demgegenüber betrifft der zweite fa<strong>ch</strong>didaktis<strong>ch</strong>e Zugang offenere Formen der Lese-<br />

und S<strong>ch</strong>reibförderung, wie sie etwa in <strong>Berts<strong>ch</strong>i</strong>-<strong>Kaufmann</strong> bes<strong>ch</strong>rieben sind. 1 Wel<strong>ch</strong>er Zugang zeigt<br />

nun wel<strong>ch</strong>e Wirkung? Und wie wirkt die Kombination von beiden Vorgehensweisen, also ein<br />

Unterri<strong>ch</strong>t, der offene Formen der Lese- und S<strong>ch</strong>reibförderung mit stark strukturierten und eng<br />

geführten Trainings kombiniert?<br />

Das Fors<strong>ch</strong>ungsdesign sieht zwei sogenannte Ex-perimentalgruppen mit S<strong>ch</strong>ulklassen vor, für deren<br />

Lehrerinnen und Lehrer Weiterbildungen zu zunä<strong>ch</strong>st offenen, später au<strong>ch</strong> angeleiteten Formen der<br />

Förderung stattfinden (Experimentalgruppe 1) oder auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> zu angeleiteten Formen der Förderung<br />

(Experimentalgruppe 2). Demgegenüber stehen die Klassen der Kontrollgruppe, deren<br />

Lehrerinnen und Lehrer in keine besondere Weiterbildung einbezogen sind und die si<strong>ch</strong> am<br />

herkömmli<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>t orientieren. Diese Lehrpersonen werden also zum Beispiel mit<br />

Lesebu<strong>ch</strong>texten arbeiten oder mit der ganzen Klasse gemeinsam ein Bu<strong>ch</strong> lesen und behandeln.<br />

Unsere Untersu<strong>ch</strong>ung konzentriert si<strong>ch</strong> zum einen auf Primars<strong>ch</strong>ulklassen im dritten und vierten<br />

S<strong>ch</strong>uljahr, zum anderen auf Klassen im siebten und a<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>uljahr, und dies in jenem Typ der<br />

Sekundarstufe I, wel<strong>ch</strong>e die geringsten Anforderungen stellt (im Kanton Aargau: Reals<strong>ch</strong>ule). Für die<br />

beiden hier erfassten Lesealter ist bekannt, dass Einbrü<strong>ch</strong>e der Lesemotivationen und ein - teils<br />

vorübergehender - Rückgang der Leseaktivität besonders verbreitet ist. 2 Die Wirkungen und die<br />

mögli<strong>ch</strong>en Veränderungen, die als Folge der unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Fördermassnahmen beoba<strong>ch</strong>tet<br />

werden, interessieren also gerade in jenen Phasen, wel<strong>ch</strong>e für die Leseförderung eine besondere<br />

Herausforderung darstellen.<br />

Die Abbildung auf Seite 12 zeigt das Design im Überblick:<br />

Erhebungen werden zu vier Zeitpunkten dur<strong>ch</strong>geführt. Dabei wird ein Teil der Interventionen (offene<br />

Formen der Förderung) bei der Experimentalgruppe 1 von Anfang an realisiert. Während dieses<br />

www.leseforum.<strong>ch</strong> | www.forumlecture.<strong>ch</strong><br />

1


Jahres übernimmt die Experimentalgruppe 2 die Funktion einer Kontrollgruppe. Im 2. Jahr erhält die<br />

Experimentalgruppe 2 auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> angeleitete Formen der Förderung. Zum selben Zeitpunkt<br />

beginnt dieselbe Intervention in der Experimentalgruppe 1, bei der die offenen Formen der<br />

Förderung aber parallel weitergeführt werden. Neben diesen beiden Gruppen ist au<strong>ch</strong> die erwähnte<br />

kleinere Kontrollgruppe vorgesehen, um explorativ die Wirkungen der Interventionsarrangements<br />

mit einer gar ni<strong>ch</strong>t beeinflussten Gruppe zu verglei<strong>ch</strong>en. Zu Beginn des Projekts, vor der<br />

Interventionsphase, findet zum ersten Messzeitpunkt (tO) die Bestimmung der Ausgangslage statt.<br />

Zum Zeitpunkt t1 gegen Ende des ersten Untersu<strong>ch</strong>ungsjahres lässt si<strong>ch</strong> also die Wirkung der offenen<br />

Formen der Förderung im Verglei<strong>ch</strong> mit den beiden Kontrollgruppen abs<strong>ch</strong>ätzen. Zum<br />

Zeitpunkt t2 zeigt si<strong>ch</strong> die Wirkung eines kombinierten Arrangements (Experimentalgruppe 1)<br />

gegenüber der Intervention, die einzig auf angeleiteten didaktis<strong>ch</strong>en Formen basiert<br />

(Experimentalgruppe 2) und gegenüber einem Arrangement ohne Intervention (Kontrollgruppe).<br />

Dur<strong>ch</strong> die vers<strong>ch</strong>iedenen Erhebungszeitpunkte können demna<strong>ch</strong> die Wirkungen der Interventionen<br />

im zeitli<strong>ch</strong>en Verlauf erfasst werden. Die Wirkung der Interventionen wird gemessen an den<br />

Veränderungen in den abhängigen Variablen «Einstellungen», «Verhalten» und «Kompetenz».<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungsanlage: Offene Leseförderung und/oder Anleitung mittels Training<br />

Die Interventionen, die in den im Untersu<strong>ch</strong>ungsplan vers<strong>ch</strong>ieden eingeteilten S<strong>ch</strong>ulklassen erfolgen,<br />

betreffen didaktis<strong>ch</strong>e Massnahmen, mit wel<strong>ch</strong>en der Umgang mit Texten, mithin die Lese- und<br />

S<strong>ch</strong>reibpraxis der Kinder und der Jugendli<strong>ch</strong>en angeregt werden.<br />

Als offene Gestaltungen des Lesens und S<strong>ch</strong>reibens gelten jene Arrangements, die ein interessegeleitetes<br />

Lesen, die individuelle Auswahl von Lesemedien und Lektüren und die eigenständige Gestaltung<br />

der Lesetempi und der Lese- und S<strong>ch</strong>reibwege zulassen und anregen. Sie ri<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> der<br />

emotionalen Dimension der Lesekompetenz 3 aus und fördern Affinitäten zur Lesetätigkeit, die oft als<br />

Lesevergnügen, Leselust und je na<strong>ch</strong>dem au<strong>ch</strong> als ästhetis<strong>ch</strong>e Leseerfahrung bezei<strong>ch</strong>net werden. Zu<br />

den wi<strong>ch</strong>tigsten Elementen gehören u.a. - ein breites und mögli<strong>ch</strong>st attraktives Bu<strong>ch</strong>- und<br />

Medienangebot, wel<strong>ch</strong>es Lesestoffe für unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e (u.a. au<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terspezifis<strong>ch</strong>e) Interessen<br />

und vers<strong>ch</strong>iedene Lesefertigkeiten anbietet: anspru<strong>ch</strong>svolle poetis<strong>ch</strong> gestaltete Texte und<br />

sol<strong>ch</strong>e, die nieders<strong>ch</strong>wellig zugängli<strong>ch</strong> sind und zur Unterhaltungsliteratur für Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>e<br />

gehören, Sa<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er, Comics und multimediale Versionen. Hilfrei<strong>ch</strong> ist hier besonders die<br />

Zusammenarbeit mit Bibliomedia S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Die Projektplanung in der Übersi<strong>ch</strong>t<br />

2004 / 13 -ein-neues-Fors<strong>ch</strong>ungs-des.pdf 2


- freie Lesezeiten, die im Stundenplan regelmässig vorgesehen sind und während derer zum einen<br />

Leseanimationen, Anregungen zu Lektüren stattfinden, in denen zum anderen aber vor allem Zeit<br />

und Raum für die individuellen Lektüren bleibt.<br />

- eine ausgiebige Vorlesepraxis, in wel<strong>ch</strong>er den Kindern und Jugendli<strong>ch</strong>en Texte so präsentiert werden,<br />

dass sie hörend und je na<strong>ch</strong>dem au<strong>ch</strong> mitge-staltend mit Texten vertraut werden.<br />

- das Führen eines Lesetagebu<strong>ch</strong>s und damit die enge Verbindung von Lesen und S<strong>ch</strong>reiben in persönli<strong>ch</strong><br />

gestalteten Dokumenten, in denen die Leserinnen und Leser Erfahrungen mit ihren Lektüren,<br />

erinnerte Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tenteile oder Fakten erzählend und kommentierend festhalten. Unter<br />

angeleiteten Formen des Lesens und S<strong>ch</strong>rei-bens verstehen wir jene enger konzipierten Fördermassnahmen,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Strategien im Umgang mit S<strong>ch</strong>rift entwickeln und stabilisieren sollen. Sie<br />

2004 / 13 -ein-neues-Fors<strong>ch</strong>ungs-des.pdf 3


etreffen die Lesefertigkeit, das Textverstehen, das S<strong>ch</strong>reiben na<strong>ch</strong> Anleitung und zielen in erster<br />

Linie auf die kognitiven Dimensionen der Lesekompetenz. Im Zentrum stehen hier<br />

- Leseübungen, eine wiederholt nutzbare Anlage mit Übungssets. Hier werden insbesondere Wahrnehmungsfähigkeiten<br />

und -fertigkeiten im Hinblick auf eine verbesserte Lesete<strong>ch</strong>nik und das<br />

Sinnverstehen ges<strong>ch</strong>ult. Zur Anwendung kommen insbesondere sol<strong>ch</strong>e Übungsarrangements, die<br />

spieleris<strong>ch</strong> als Leseparcours ausgestaltet werden können.<br />

- Anleitungen zum Textverstehen, mit wel<strong>ch</strong>en Lesewege im einzelnen Text vorges<strong>ch</strong>lagen und von<br />

Station zu Station strukturiert werden<br />

- und in Ergänzung dazu au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>reibaufgaben, wel<strong>ch</strong>e differenzierte Anforderungen stellen und<br />

damit den unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Leistungsmögli<strong>ch</strong>keiten der Kinder und Jugendli<strong>ch</strong>en innerhalb der<br />

Klassen Re<strong>ch</strong>nung tragen, u.a. Aufgaben zur Unterstützung bzw. Erweiterung von Satzbildung, von<br />

Textplanung und Worts<strong>ch</strong>atz.<br />

Erhebungsmethoden<br />

Erhoben werden bei den S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>ülern zu vers<strong>ch</strong>iedenen Zeitpunkten Einstellungen<br />

zum Lesen und S<strong>ch</strong>reiben, Häufigkeiten des privaten Lesens und S<strong>ch</strong>reibens, sowie Lese- und<br />

S<strong>ch</strong>reibkompetenzen. Ebenso muss zu Beginn der Studie die kul-tur- und spra<strong>ch</strong>freie<br />

Intelligenzleistung gemessen werden, denn dieser Faktor hat si<strong>ch</strong> bisher als der stärkste Prädiktor für<br />

die Leseleistungen herausgestellt. 4 Als Erhebungsinstrument wird der spra<strong>ch</strong>-und kulturfreie<br />

Grundintelligenztest CFT 20 verwendet. 5<br />

Neben der Intelligenz wird in unserer Studie au<strong>ch</strong> die Variable «sozioökonomis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t» kontrolliert,<br />

denn der Einfluss der sozialen Zugehörigkeit auf die literale Sozialisation und die literalen Kompetenzen<br />

ist umfassend dokumentiert. 6<br />

Die Dimension «Einstellung zum Lesen und S<strong>ch</strong>reiben» wird in einem Fragebogen für S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />

und S<strong>ch</strong>üler erhoben. Dort finden si<strong>ch</strong> beispielsweise Frageblöcke über die Quantität des privaten<br />

Lesens und S<strong>ch</strong>reibens, das persönli<strong>ch</strong>e Beteiligt-Sein beim Lesen, über Leseinteraktionen in der<br />

Familie sowie die Einstellung der Kinder/Jugendli<strong>ch</strong>en dazu u.s.w. Im Fragebogen werden aber au<strong>ch</strong><br />

andere Berei<strong>ch</strong>e erfasst, wie etwa Mediennutzung oder Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>-terrollenvorstellungen und<br />

andere. 7<br />

Für die Kompetenzmessungen im Lesen und S<strong>ch</strong>reiben verwenden wir vers<strong>ch</strong>iedene Tests:<br />

Das Lesen auf Satzebene bilden wir einerseits mit dem sogenannten Stolperwörtertest von Wilfried<br />

Metze (weiterentwickelt von Hans Brügelmann) ab, einem Instrument, das von der 3. Klasse an bis<br />

ins Erwa<strong>ch</strong>senenalter eingesetzt werden kann. 8<br />

Für das Textverstehen verwenden wir andrerseits den Leseverständnistest für Elementars<strong>ch</strong>üler. 9<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist am Zentrum Lesen die Erstellung eines Testinstruments in Arbeit, das si<strong>ch</strong> einerseits<br />

an den kognitiv ausgeri<strong>ch</strong>teten PISA-Aufgaben orientiert, das aber andererseits zusätzli<strong>ch</strong><br />

Dimensionen enthalten soll, die das Ausmass des Verstehens von Motiven und Gefühlen von<br />

handelnden Personen erfassen.<br />

Die S<strong>ch</strong>reibkompetenzen versu<strong>ch</strong>en wir über Selbsteins<strong>ch</strong>ätzungen der Kinder/Jugendli<strong>ch</strong>en zu<br />

erfassen. Die Ausarbeitung eines lei<strong>ch</strong>t handhabbaren objektiven Erhebungsinstruments zur<br />

Erfassung von S<strong>ch</strong>reibkompetenzen ist momentan no<strong>ch</strong> in der Planungsphase.<br />

Ziel der Studie ist, die Wirkung von offenen bzw. angeleiteten Formen der Förderung von Lesen und<br />

S<strong>ch</strong>reiben auf die Motivation und die Kompetenzen von S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>ülern zu erfors<strong>ch</strong>en.<br />

Dazu werden die Veränderungen bezügli<strong>ch</strong> Einstellungen, Verhalten und Leistungen über zwei<br />

S<strong>ch</strong>uljahre hinweg zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen Untersu<strong>ch</strong>ungsgruppen statistis<strong>ch</strong> vergli<strong>ch</strong>en.<br />

Die didaktis<strong>ch</strong>en Materialien, die im Projekt entwickelt und erprobt werden, stehen später allen Interessierten<br />

zur Verfügung.<br />

1 <strong>Berts<strong>ch</strong>i</strong>-<strong>Kaufmann</strong>, <strong>Andrea</strong>: Lesen und S<strong>ch</strong>reiben in einer Medienumgebung. Die literalen Aktivitäten von<br />

Primars<strong>ch</strong>ulkindern. Aarau: Sauerländer 2 2003.<br />

2 Vgl. Harmgarth, Friederike: Lesegewohnheiten - Lesebarrieren. Gütersloh: Bertelsmann 1997.<br />

2004 / 13 -ein-neues-Fors<strong>ch</strong>ungs-des.pdf 4


3 Hurrelmann, Bettina: Prototypis<strong>ch</strong>e Merkmale der Lesekompetenz. In: Groeben, Norbert; Hurrelmann,<br />

Bettina (Hrsg.): Lesekompetenz. Bedingungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim: Juventa 2002, 275-86.<br />

4 Z.B. Artelt, Cordula; Stanat, Petra; <strong>S<strong>ch</strong>neider</strong>, Wolfgang; S<strong>ch</strong>iefele, Ulri<strong>ch</strong>: Lesekompetenz: Testkonzeption<br />

und Ergebnisse. In: Deuts<strong>ch</strong>es Pisa-Konsortium (Hrsg.): PISA<br />

2000. Basiskompetenzen von S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>ülern im internationalen Verglei<strong>ch</strong>. Opladen: Leske +<br />

Budri<strong>ch</strong><br />

2001, 69-137, hier 129; Ramseier, Eri<strong>ch</strong>; Brühwiler, Christian: Herkunft, Leistung und Bildungs<strong>ch</strong>ancen im<br />

gegliederten Bildungssystem: Vertiefte PISA Analyse unter Einbezug der kognitiven Grundfähigkeiten. In:<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Zeits<strong>ch</strong>rift für Bildungswissens<strong>ch</strong>aften 25 (2003) 1, 23-58, hier 36.<br />

5 Weiss, Rudolf: Grundintelligenztest Skala 2 : CFT 20. Brauns<strong>ch</strong>weig: Westermann 1998.<br />

6 Z.B. Hurrelmann, Bettina; Hammer, M.; Niess, F.: Lesesozialisation. Band 1: Leseklima in der Familie. Eine<br />

Studie der Bertelsmann Stiftung. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 1993; Coradi Vellacott, Maja; Wolter,<br />

Stefan C: Soziale Herkunft und Chancenglei<strong>ch</strong>heit. In: Bundesamt für Statistik; Konferenz der kantonalen<br />

Erziehungsdirektoren (Hrsg.): Die Grundkompetenzen der Jugendli<strong>ch</strong>en - Nationaler Beri<strong>ch</strong>t der Erhebung PISA<br />

2000. Neu<strong>ch</strong>âtel: Bundesamt für Statistik 2002, 90-112.<br />

7 Vgl. Kassis, Wassilis; <strong>S<strong>ch</strong>neider</strong>, <strong>Hansjakob</strong>: Inner- und aus-sers<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>e Determinanten der<br />

Lesesozialisation. In: Medienwissens<strong>ch</strong>aft S<strong>ch</strong>weiz 2/2003, 50-57.<br />

8 Backhaus, Axel; Brügelmann, Hans; Knorre, Simone; Metze, Wilfried: Fors<strong>ch</strong>ungsmanual Stolperwörter-<br />

Lesetest (http://www.uni-siegen.de/-agprim/lust, 15.6. 2004).<br />

9 Lenhard, Wolfgang; <strong>S<strong>ch</strong>neider</strong>, Wolfgang: ELFE - ein Leseverständnistest für Elementars<strong>ch</strong>üler<br />

(http://www.elfe-lesetest.de, 14.7.2004).<br />

Das Projekt in der Übersi<strong>ch</strong>t<br />

«Lese- und S<strong>ch</strong>reibkompetenzen fördern» Ein Projekt der Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Aargau, Zentrum Lesen,<br />

in Kooperation mit dem Departement Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau, der<br />

Pädagogis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Solothurn und mit Bibliomedia S<strong>ch</strong>weiz<br />

Na<strong>ch</strong> den Ergebnissen aus PISA 2000 ist die Dringli<strong>ch</strong>keit der Verbesserung von Spra<strong>ch</strong>- und<br />

S<strong>ch</strong>riftfähigkeiten offenkundig. Die EDK s<strong>ch</strong>lägt denn au<strong>ch</strong> Massnahmen vor; über deren<br />

tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Effekte weiss man allerdings no<strong>ch</strong> wenig. Insbesondere ist strittig, mit wel<strong>ch</strong>er Art<br />

von Förderkonzepten bessere und stabilere Lese- und S<strong>ch</strong>reibfähigkeiten bei Kindern und<br />

Jugendli<strong>ch</strong>en errei<strong>ch</strong>t werden können: mit einer offenen, animierenden Förderung oder mit<br />

Trainingsformen, bei denen systematis<strong>ch</strong> geübt wird. Das Projekt strebt hier eine Klärung an, auf<br />

deren Grundlage Ents<strong>ch</strong>eide in der Bildungsplanung und in der Unterri<strong>ch</strong>tspraxis getroffen werden<br />

können. In einer Interventionsstudie mit zweierlei Experi-mentalgruppen werden Effekte der<br />

Förderung in den bezügli<strong>ch</strong> Lernmotivationen problematis<strong>ch</strong>en Altersphasen ermittelt. Das Projekt<br />

untersu<strong>ch</strong>t je 14 Klassen im 374. und 778. S<strong>ch</strong>uljahr im Rahmen von Anlagen, in wel<strong>ch</strong>en offene<br />

und angeleitete Spra<strong>ch</strong>förderung realisiert und auf ihre Wirkungen bei den Lernenden überprüft<br />

wird. Leistungsmessungen erfolgen zu vers<strong>ch</strong>iedenen Zeitpunkten und mit unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />

Verfahren.<br />

Im engen Zusammenhang mit den Fors<strong>ch</strong>ungsarbeiten entwickelt das Projekt zudem Handrei<strong>ch</strong>ungen<br />

zur Lese- und S<strong>ch</strong>reibförderung, wel<strong>ch</strong>e der breiten Praxis zur Verfügung gestellt werden.<br />

Leitung: Prof. Dr. <strong>Andrea</strong> <strong>Berts<strong>ch</strong>i</strong>-<strong>Kaufmann</strong>, Prof. Dr. <strong>Hansjakob</strong> <strong>S<strong>ch</strong>neider</strong> (Zentrum Lesen, FHA)<br />

Mitarbeit: Petra Hagendorf, Maria Riss, Thomas Sommer (Zentrum Lesen, FHA), Gerd Kruse (PH<br />

Solothurn)<br />

Projektgruppe: 64 Lehrerinnen und Lehrer aus Primär- und Reals<strong>ch</strong>ulen im Kanton Aargau<br />

Informationen: www.zentrumlesen.<strong>ch</strong><br />

2004 / 13 -ein-neues-Fors<strong>ch</strong>ungs-des.pdf 5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!