Sand im Getriebe 25 - Attac Berlin
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Kurz - das Globalisierungsprojekt ist in der Krise. Ob es<br />
über eine demokratische oder eine liberal-republikanische<br />
Präsidentschaft ein Comeback schafft, sollte man nicht<br />
ausschließen, vor allem da es einflussreiche St<strong>im</strong>men unter<br />
den Globalisierern in der US-amerikanischen Business<br />
Community gibt - darunter George Soros -, die Widerstand<br />
gegen das unilaterale Vorgehen der Bush-Administration<br />
anmelden. Unserer Ansicht nach ist dies jedoch<br />
unwahrscheinlich, und der Unilateralismus wird doch eine<br />
ganze Weile herrschen.<br />
Wir befinden uns jetzt - um es kurz zu machen - in einem<br />
historischen Strudel, der gekennzeichnet ist durch eine<br />
dauerhafte Wirtschaftskrise, die Ausbreitung globalen<br />
Widerstands, das Wiedererstarken des Machtgleichgewichts<br />
zwischen zentralen Staaten und das Wiederauftauchen<br />
akuter inter-<strong>im</strong>perialistischer Widersprüche. Wir sollten<br />
einen gesunden Respekt vor der Macht der USA haben,<br />
aber wir dürfen sie auch nicht überschätzen. Es sieht so<br />
aus, als wären die USA massiv überdehnt und als wäre<br />
das, was wie der Ausdruck von Stärke aussieht,<br />
tatsächlich strategische Schwäche.<br />
Kontakt/Infos zu diesem Artikel:<br />
Nicola Bullard, email: N.Bullard@focusweb.org<br />
Focus on the Global South. www.focusweb.org<br />
Übersetzung: Karin Ayshe<br />
Ehrenamtliches Übersetzungs-Team,<br />
coorditrad@attac.org<br />
Worum geht es in Cancún?<br />
Die Knackpunkte bei der 5. Ministerkonferenz der WTO<br />
... und der politische Hintergrund vom Krieg gegen den Terror bis zur Freihandelsdebatte<br />
von ATTAC Österreich<br />
Vom 10. bis 14. September 2003 ist es wieder so weit.<br />
Vier Jahre nach der „Battle of Seattle“, durch die die<br />
Welthandelsorganisation WTO schlagartig „berühmt“<br />
wurde, tritt die mächtigste Organisation der neoliberalen<br />
Globalisierung <strong>im</strong> mexikanischen Luxusbadeort Cancún<br />
zur 5. Ministerkonferenz zusammen. Ziel der<br />
Industrieländer ist es, die Liberalisierung auf (fast) allen<br />
Ebenen voranzutreiben und die WTO zu einer<br />
allmächtigen Weltwirtschaftsorganisation auszubauen.<br />
Die Entwicklungsländer pochen auf eine Pause <strong>im</strong><br />
Liberalisierungsprozess, um bisherige Schieflagen zu<br />
korrigieren. NGOs und soziale Bewegungen aus Nord und<br />
Süd halten die WTO generell für eine Fehlentwicklung<br />
und verlangen die Verlagerung globaler Wirtschaftspolitik<br />
auf andere Organisationen, die nicht exklusiv dem<br />
Freihandel verschrieben sind, sondern ökologisch und<br />
sozial nachhaltige Entwicklung anstreben.<br />
Globalisierungsexpress: Von Seattle über Doha nach<br />
Cancún<br />
Die 1995 gegründete Welthandelsorganisation WTO trifft<br />
sich alle zwei Jahre, um die großen Weichen für die<br />
Liberalisierung des Welthandels zu stellen. Erstmals in<br />
die Schlagzeilen geriet die WTO <strong>im</strong> Dezember 1999, als<br />
in Seattle plötzlich 50.000 DemonstrantInnen die Straßen<br />
füllten und den Konferenzeingang blockierten. Nicht nur<br />
draußen, sondern auch drinnen krachte es: Die<br />
Industrieländer zogen sich wie gewohnt in die so<br />
genannten „green rooms“ zurück, um die<br />
Abschlussdeklaration zu verfassen, doch als sie diese –<br />
wie gewohnt – den Entwicklungsländern zur Unterschrift<br />
vorlegten, sagten diese plötzlich „Njet“. So platzte die<br />
„Millenniumsrunde“ von Seattle. Bei der 4.<br />
Ministerkonferenz in Doha stand die WTO daher unter<br />
doppeltem Erfolgszwang. Zum einen musste sie die<br />
lästigen DemonstrantInnen loswerden, dies gelang durch<br />
die Verlegung des Tagungsortes in die Diktatur Qatar.<br />
Zum anderen durfte die Millenniumsrunde auf keinen Fall<br />
ein zweites Mal scheitern, das hätte vermutlich das Ende<br />
der WTO bedeutet. Um die Weltöffentlichkeit für den<br />
Hardcore-Freihandel zu gewinnen, wurde die<br />
Millenniumsrunde in „Entwicklungsrunde“ umgetauft<br />
(Doha Development Round, DDR), und es wurde so<br />
getan, als ginge es nur noch um Armutsbekämpfung.<br />
Zusätzlich schwor George W. Bush alle Gegner des<br />
Terrors auf Freihandel ein – Doha fand kurz nach dem 11.<br />
September 2001 statt. „Countering Terror with Trade“,<br />
titelte der US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick schon<br />
am 20. September einen Gastkommentar in der<br />
Washington Post. Schließlich mussten noch all jene der<br />
„Entwicklungsrunde“ zust<strong>im</strong>men, die aus der damals<br />
beginnenden globalen Rezession entkommen wollten.<br />
Trotz dieser zentnerschweren Moralbomben (Wer ist<br />
schon für Rezession? Wer will schon Terror?) wäre Doha<br />
um ein Haar geplatzt: Die Industrieländer zogen sich<br />
abermals in die Greenrooms zurück, um die „Neuen<br />
Themen“ Investitionen, Wettbewerb, Öffentliche<br />
Beschaffung und Handelserleichterungen durchzusetzen.<br />
Doch Indien blieb bis zuletzt standhaft. In der<br />
„Verlängerung“ einigte man sich schließlich darauf, dass<br />
bei der 5. Ministerkonferenz in Cancún mit<br />
Verhandlungen begonnen werde, wenn ein<br />
„ausdrücklicher Konsens“ über die<br />
Verhandlungsmodalitäten erzielt würde. Indien hatte<br />
damit den Start der neuen Runde verhindert, und die<br />
Industrieländer verkauften den Kompromiss als<br />
Riesenerfolg.<br />
Globale PR-Übung: „Die Entwicklungsrunde“<br />
Seit dem Erstarken der globalisierungskritischen<br />
Bewegung geben sich Weltbank, Währungsfonds und<br />
WTO als karitative Organisationen aus, deren oberstes<br />
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<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr. <strong>25</strong>, 24. August 2003 - 9 -