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Sand im Getriebe 25 - Attac Berlin

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zu vergleichen. Die Unterschiede zwischen der Vor- und<br />

Nach-Doha-Position warf etwas Licht auf das, was sich in den<br />

Hinterz<strong>im</strong>mern abgespielt hatte.<br />

In Bezug auf die Geschichte der Institution sind formelle,<br />

protokollierte Treffen ebenfalls äußerst wichtig, da sie jene, die<br />

später dazustoßen über die Hintergründe zur jeweils laufenden<br />

Runde informieren. Dies ist auch wichtig, weil die Sprache der<br />

WTO oft mehrdeutig ist, um unterschiedliche Positionen zu<br />

umfassen. Aufzeichnungen tragen dazu bei, mehrdeutige<br />

Formulierungen richtig auszulegen. Politisch schwächere<br />

Länder sitzen ohne solche Aufzeichnungen <strong>im</strong>mer am kürzeren<br />

Ast.<br />

6. Bilateraler Druck<br />

Die ungleiche Machtverteilung zwischen Industrieländern und<br />

der Mehrheit der Entwicklungsländer best<strong>im</strong>mt hauptsächlich<br />

darüber, ob und inwieweit die Entwicklungsländer ihre<br />

bevorzugte Position in Verhandlungen durchbringen.<br />

Obwohl Konsens theoretisch bedeutet, dass jedes einzelne<br />

Land das vorgeschlagene Paket ablehnen und dadurch die<br />

Verhandlungen blockieren kann, gelingt dies in der Praxis<br />

keinem einzigen der Entwicklungsländer, nicht einmal Indien.<br />

Jedes Entwicklungsland hat zumindest eine Schwachstelle<br />

gegenüber den USA; der EU und/oder Japan. Diese kann <strong>im</strong><br />

Export sein, in der Hilfe, den Schulden, IWF-Krediten, die<br />

zurückgehalten werden könnten, <strong>im</strong> präferenziellem Zugang<br />

(besonders die Übereinkünfte der AKP-Staaten mit der EU,<br />

oder gewisser afrikanischer Staaten mit den USA <strong>im</strong> African<br />

Growth Opportunity Act - AGOA). Bedrohung von Export und<br />

Handel sind tägliche Erfahrungen der Minister und Verhandler<br />

in Genf. Länder, die derzeit mit den USA über<br />

Freihandelsabkommen diskutieren, sind ebenfalls besonders<br />

zurückhaltend. Je nach ihrem Abhängigkeitsgrad und ihrer<br />

Verletzbarkeit dämpfen die Vertreter aus dem Süden ihren Ton<br />

in den Verhandlungen. Wenn dies nicht reicht, um Verhandler<br />

zum Schweigen zu bringen, werden sie in ihrer Position<br />

angegriffen. Des öfteren schon wurde Druck auf Länder<br />

gemacht, ihren Vertreter abzuziehen. Eine Handvoll besonders<br />

lautstarker Botschafter wurde nach Doha abberufen, was die<br />

Gruppierungen der Entwicklungsländer bedeutend geschwächt<br />

hat. Ein Beispiel dafür, das erst kürzlich <strong>im</strong> Rahmen der UNO<br />

in New York passierte, ist die Abberufung des Botschafters<br />

von Chile auf Grund seiner Opposition gegen den Irak-Krieg.<br />

Die heutige geopolitische Lage - das offene Bekenntnis der<br />

USA zum Unilateralismus - und die Demonstration<br />

militärischer Macht sind ebenfalls Faktoren, die Minister von<br />

Entwicklungsländern bei ihren WTO-Verhandlungen<br />

unweigerlich beeinflussen.<br />

Ein Diplomat aus einem amerikanischen Entwicklungsland<br />

meinte inoffiziell: "Die gegenwärtige Runde ist ebenso<br />

intransparent wie die letzte Ministerkonferenz. Um ihnen die<br />

Wahrheit zu sagen - das Problem ist, dass die<br />

Entwicklungsländer jetzt (<strong>im</strong> Vergleich zur Zeit vor Doha)<br />

durch bilateralen Druck und die geopolitische Lage schwächer<br />

sind als früher."<br />

Einem afrikanischen Diplomaten zufolge führten<br />

Anstrengungen von einigen Afrikanern, eine breitere Basis für<br />

eine kritischere Position gegenüber Subventionen in den<br />

landwirtschaftlichen Verhandlungen zu gewinnen, zu<br />

Telefonaten mit den Regierungen zu Hause. Er meinte,<br />

"Wenn die einen Anruf von einem der Knaben von<br />

Pascal Lamy erhalten, dann wissen sie schon, dass es<br />

sich um eine heikle Angelegenheit handelt". Dies hatte<br />

zur Folge, dass die Initiative fallen gelassen wurde und<br />

die Vorschläge, die jetzt am Tisch liegen, für<br />

Entwicklungsländer entsprechend ungünstig aussehen.<br />

Neuseeland: mehr Transparenz verschiebt die<br />

Verhandlungen in den Untergrund<br />

Eher unerwartet hat der neuseeländische Vertreter<br />

T<strong>im</strong>othy Groser in der TNC-Versammlung vom 9. Mai<br />

die Entwicklungsländer davor gewarnt, auf mehr<br />

Transparenz <strong>im</strong> Entscheidungsfindungsprozess zu<br />

drängen. Bei 146 Mitgliedern, warnte Groser, würde die<br />

Runde zu keinem Ergebnis kommen, wenn <strong>im</strong>mer alle<br />

Mitglieder bei allen Entscheidungen eingebunden<br />

wären. Bemühungen um mehr interne Transparenz<br />

wären kontraproduktiv, meinte er, und würden die<br />

Verhandlungen in den Untergrund drängen.<br />

Von einem als "demokratisch" geltenden Land wie<br />

Neuseeland hätte man eigentlich einen anderen Ton<br />

erwartet. Die Runde scheint auf jeden Fall schon in den<br />

Untergrund gegangen zu sein, da sie von dem<br />

Generaldirektor, Harbinson-Team und dem<br />

Vorsitzenden des Allgemeinen Rates gemeinsam mit<br />

den Hauptakteuren völlig kontrolliert wird.<br />

Zum Abschluss<br />

Falls internationale Organisationen zur Schaffung<br />

internationaler Regeln nicht ausschließlich dazu da<br />

sind, den Willen der Mächtigen zu legit<strong>im</strong>ieren, sind die<br />

derzeitigen Vorgänge in der WTO eine schl<strong>im</strong>me<br />

Verirrung in Bezug auf das Streben nach einem<br />

Miteinander, dem die Bemühungen der meisten WTO-<br />

Mitglieder gelten. Anstatt für die Schwachen da zu sein,<br />

glänzt die WTO bei der Institutionalisierung des<br />

Willens der Starken.<br />

Vielleicht lässt sich alles darauf reduzieren, was John<br />

Musonda vom "Union Network International" in<br />

Sambia sagt: "Es ist <strong>im</strong>mer die selbe koloniale<br />

Gleichung. Unserem Volk gehört nichts, wir<br />

kontrollieren nichts. Ihre Völker (des Nordens) sind<br />

entwickelt, also wollen sie den Handel ausdehnen.<br />

Unsere Völker sind nicht entwickelt, wir können den<br />

Handel nicht ausdehnen". (Khan, Farah, IPS 24. Mai<br />

2003 'Eine Strategie für das nächste WTO-Treffen in<br />

Mexiko').<br />

Der Versuch, der Mehrheit <strong>im</strong> Süden den Aktionsplan<br />

expansionshungriger Konzerne aufzudrängen, kann nur<br />

in einem Kl<strong>im</strong>a der Marginalisierung und<br />

Verschleierung, der gesetzlosen Abläufe und<br />

"Einflussnahmen" gelingen.<br />

aus Grain de Sable Nr. 406<br />

Übersetzung: Marcel Brand, Martin Regelsberger<br />

Ehrenamtliches Übersetzungs-Team, coorditrad@attac.org<br />

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<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr. <strong>25</strong>, 24. August 2003 - 24 -

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