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Sand im Getriebe 25 - Attac Berlin

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von 146 Ländern für die fünfte Ministerkonferenz <strong>im</strong><br />

September.<br />

Wichtige Merkmale bei der Vorbereitung für Cancún:<br />

1. Flexibilität - keine klare Ablaufregelung<br />

Seit März dieses Jahres gab es schon Gerüchte über den<br />

Fortgang der Vorbereitungen in Genf, insbesondere über das<br />

eventuelle Scheitern der Ministerkonferenz in Cancún und dass<br />

die Verhandlungsrunde verlängert werden müsse.<br />

Die unterschiedlichsten Ideen über die richtige Vorgangsweise,<br />

um bei den Ministerkonferenzen Konsens zu erreichen, wurden<br />

in Umlauf gesetzt: eine Erklärung, ein Kommuniqué, ein<br />

Lagebericht oder gar keine Erklärung. Aber es gab keine<br />

seriöse Diskussion über diese Themen, die alle Mitglieder<br />

einschloss. Dafür gab es dann am 8. Mai - statt einer Anhörung<br />

der Mitglieder - auf Initiative des Generaldirektors Supachai<br />

Panitchpakdi und des Vorsitzenden der Generalversammlung,<br />

Botschafter von Uruguay Carlos Perez del Castillo, ein<br />

informelles, außerprotokollarisches “Informationstreffen” von<br />

Delegationsleitern (also Botschaftern), bei dem die<br />

Anwesenden über den Ablauf "aufgeklärt" wurden.<br />

Statt eine klare Vorgangsweise für die Verhandlungen bis<br />

Cancún festzulegen, erklärte Castillo, dass wohl trotz dem<br />

starken Interesse aller Teilnehmer ”...an einem möglichst<br />

klaren und vorhersehbaren Programm für die nächsten paar<br />

Wochen...”: “Ich bin mir Ihres Verständnisses dafür sicher,<br />

dass es heute unmöglich ist, vorherzusehen wie oder wann die<br />

nächsten Schritte gemacht werden können ... Wir müssen<br />

darum ausreichend Flexibilität behalten, um den Prozess sich<br />

entwickeln zu lassen, dabei aber selbstverständlich transparent<br />

und systematisch vorgehen". (JOB (03)/88, 9. Mai 2003)<br />

Die von ihm erwähnte Flexibilität war Grund für heftige<br />

Debatten nach Doha gewesen. Die “Gruppe der<br />

gleichgesinnten Länder” (LMG), die Kuba, die<br />

Dominikanische Republik, Ägypten, Honduras, Indien,<br />

Indonesien, Jamaika, Kenia, Malaysia, Mauritius, Pakistan, Sri<br />

Lanka, Tansania, Uganda und Z<strong>im</strong>babwe einschließt, bestand<br />

darauf, dass es klare Ablaufregeln vor und während<br />

Ministerkonferenzen geben muss (WT/GC/W/471, 24. April<br />

2002). Hier einige Beispiele ihrer Vorschläge zur<br />

Vorbereitungsprozedur von Ministerkonferenzen:<br />

Jede Verhandlungsprozedur, die in der<br />

Vorbereitungsphase angewendet wird, muss vorher in<br />

einer ordentlichen Versammlung von den Mitgliedern<br />

einst<strong>im</strong>mig angenommen werden.<br />

Der Entwurf der Tagesordnung kann erst erstellt werden,<br />

nachdem die Mitglieder ihre Ansicht dazu äußern konnten.<br />

Es sollten regelmäßige formelle Sitzungen der<br />

Generalversammlung einberufen werden, um den Stand<br />

der Vorbereitungen zu erörtern und von diesen Sitzungen<br />

sollte es ein Protokoll geben.<br />

Es sollte den Delegationen ausreichend Zeit für<br />

Einsichtnahme in Textvorlagen und die Abst<strong>im</strong>mung mit<br />

ihren Regierungen gegeben werden.<br />

Der Entwurf für die Abschlusserklärung von<br />

Ministerkonferenzen sollte auf Konsens beruhen. Wo dies<br />

nicht möglich ist, müssen alle Meinungsverschiedenheiten<br />

in der Abschlusserklärung vollständig und angemessen<br />

dokumentiert sein... Wenn eine Mehrheit der<br />

Mitglieder die Erwähnung eines best<strong>im</strong>mten<br />

Punktes <strong>im</strong> Entwurf der Abschlusserklärung klar<br />

ablehnt, sollte dieser nicht in den Entwurf<br />

aufgenommen werden.<br />

Im Zuge der Vorbereitung für die<br />

Ministerkonferenz sollten sich der Generaldirektor<br />

und das WTO-Sekretariat bezüglich der einzelnen<br />

Punkte, die in der Abschlusserklärung erwogen<br />

werden, unparteiisch verhalten.<br />

Die Liste geht noch weiter und schockiert nicht wegen<br />

ihrer Forderungen, sondern weil ihre Ansprüche ganz<br />

elementar sind. Diese Verfahren sollten<br />

selbstverständlich zur Arbeitsweise jeder<br />

internationalen Institution, die sich auf Regeln stützt,<br />

gehören.<br />

Die Bemühungen der LMG waren eine Reaktion auf die<br />

schlechten Erfahrungen der Delegationen von<br />

Entwicklungsländern bei der Ministerkonferenz in<br />

Doha. Indiens damaliger Wirtschaftsminister Murasoli<br />

Maran beschreibt seine Erfahrungen während den<br />

letzten zwei Tagen des Doha-Treffens so:<br />

“Nur eine Handvoll WTO-Mitglieder wurden zu den<br />

Sitzungen (<strong>im</strong> Grünen Salon) geladen. Sogar während<br />

der Diskussionen in der Nacht vom 13. zum 14.<br />

November, der 38-Stunden Marathonsitzung, tauchten<br />

stündlich neue Texte zur Diskussion auf, ohne dass es<br />

den jeweiligen Delegationen zeitlich möglich gewesen<br />

wäre, sie ausreichend zur Kenntnis zu nehmen. Wer<br />

arbeitete diese Flut von Entwürfen aus? Und warum?<br />

Wir wissen es nicht. Quasi in letzter Minute - nach ca.<br />

37 Stunden und 45 Minuten - zogen sie, so wie der<br />

Zauberer ein Kaninchen aus dem Zylinder zieht, ein<br />

Papier hervor, und bezeichneten es als den endgültigen<br />

Entwurf.<br />

Offensichtlich war es die Strategie, erst in den frühen<br />

Morgenstunden einen Entwurf zu präsentieren, um so<br />

die anderen zu seiner Annahme zu zwingen oder<br />

zumindest ihre Positionen dem Entwurf zu nähern.<br />

Ist so etwas auf anderen internationalen Konferenzen<br />

jemals passiert? Ganz sicher nicht! Darum kann ich nur<br />

mit Schmerz und Sorge darauf hinweisen, dass jedes<br />

System, welches Entwicklungsländer in letzter Minute<br />

dazu zwingt, ein für sie bedeutsames Papier zu<br />

unterschreiben, auf keinen Fall ein faires System sein<br />

kann. Ich plädiere dringend dafür, dass die WTO unter<br />

Einbeziehung aller Mitglieder ernsthaft in sich geht und<br />

sich Gedanken über die Fairness der<br />

Vorbereitungsverfahren von Ministerkonferenzen<br />

macht.”<br />

(Ansprache be<strong>im</strong> indischen Wirtschaftsgipfel am 4.<br />

Dezember 2001)<br />

Das Positionspapier der LMG wurde von einer Gruppe<br />

von Industrieländern heftig angegriffen. Angeführt von<br />

Australien, forderte die Gruppe, darunter die Schweiz,<br />

Kanada, Korea, Mexiko, Neu Seeland, Singapur<br />

(WT/GC/W/477, 28. Juni 2002), mehr ”Flexibilität”.<br />

Sie behaupteten, dass:<br />

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<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr. <strong>25</strong>, 24. August 2003 - 21 -

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