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Sand im Getriebe 25 - Attac Berlin

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Ja zu einem globalen Investitionsabkommen, das<br />

klare Regeln für multinationale Konzerne festlegt:<br />

Sozial- und Umweltstandards, Technologietransfer,<br />

Bezug von Vorprodukten aus der lokalen Wirtschaft,<br />

Beschäftigung lokaler Arbeitskräfte, Reinvestition<br />

von Gewinnen vor Ort, normales Steuerzahlen wie<br />

lokale Kleinunternehmen. ATTAC nennt diesen<br />

Vorschlag „Standortschutzabkommen“.<br />

Das „Standortschutzabkommen“ sollte nicht in der<br />

WTO verhandelt werden, sondern <strong>im</strong> Rahmen der<br />

UNO, zum Beispiel in der UNCTAD. Die UNCTAD<br />

ist laut Eigendefinition für Handel und Investitionen<br />

und Entwicklung zuständig und verfolgt als<br />

Generalziel nicht Freihandel, sondern Nachhaltige<br />

Entwicklung.<br />

Geistige Eigentumsrechte – TRIPS<br />

Auch das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte<br />

der Rechte auf geistiges Eigentum (Trade Related Aspects<br />

of Intellectual Property Rights – TRIPS) trat mit der<br />

Gründung der WTO 1995 in Kraft. Die Industrieländer<br />

haben es mit maßgeblicher Hilfe der Industrielobby, allen<br />

voran Pharma- und Agrochemiekonzerne, und<br />

Druckausübung gegen die Mehrheit der<br />

Entwicklungsländer durchgesetzt. Im Rahmen des<br />

Gesamtpakets wurde diesen dann Versprechungen auf<br />

Vorteile <strong>im</strong> Agrar- und Textilsektor gemacht, die sich bis<br />

heute kaum erfüllt haben. Im TRIPS-Abkommen sind<br />

verschiedenste Instrumente zum Schutz des geistigen<br />

Eigentums – wie Urheberrechte und verwandte<br />

Schutzrechte, Marken, geografische Angaben oder<br />

Patente – international geregelt. Das TRIPS geht weit<br />

über das hinaus, was in vielen (Entwicklungs-)Ländern<br />

bisher üblich war. Während die Entwicklungsländer eine<br />

Abschwächung des TRIPS fordern, pochen die<br />

Industrieländer auf seine Ausweitung. Die heikelsten<br />

Punkte:<br />

Technologiekluft: Da <strong>im</strong> TRIPS-Abkommen das Ziel<br />

verfolgt wird, technologisches Know-How vor<br />

Nachahmung zu schützen, wird Ländern des Südens die<br />

Chance auf Entwicklungsaufschwung durch schnelle und<br />

kostengünstige Nachahmung bereits bekannter Techniken<br />

verwehrt. Diese Chance hatten aber sehr wohl<br />

Industrieländer wie Japan, Südkorea, die USA oder die<br />

Schweiz, die ihre eindrucksvolle wirtschaftliche<br />

Entwicklung und ihren Reichtum eben dieser<br />

technologischen Nachahmung verdanken. Daher hat sich<br />

etwa die Schweiz auch sehr lange Zeit gegen die<br />

Einführung von Patenten gewehrt. (Holland schaffte gar<br />

1869 den Patentschutz mit dem Argument wieder ab, dass<br />

Patente politisch geschaffene Monopole und daher mit<br />

dem freien Markt unvereinbar seien.) Nun soll der so<br />

gewonnene technologische Vorsprung der Industrieländer<br />

langfristig abgesichert werden. Das widerspricht dem<br />

Geist einer „Entwicklungsrunde“ diametral. Eine Zahl<br />

verrät alles: 90% aller Patente weltweit werden von<br />

westlichen Konzernen gehalten.<br />

Behinderung der Gesundheitspolitik: Obwohl Gesundheit<br />

als Menschenrecht gilt und Medikamente in vielen<br />

Ländern lange Zeit nicht als Handelswaren angesehen<br />

wurden, gewährt das TRIPS strengen Patentschutz auf<br />

Medikamente. Dadurch werden viele lebenswichtige<br />

Medikamente unerschwinglich, und zahlreichen armen<br />

Ländern ist es unmöglich, Epidemien wie AIDS, Malaria<br />

oder Cholera zu bekämpfen. Länder, die den Patentschutz<br />

verletzten, wie Südafrika, handelten sich Klagen von<br />

multinationalen Konzernen ein. Das TRIPS verhindert<br />

zwar in Notfällen nicht den Nachbau lebenswichtiger<br />

Medikamente (Generika), sehr wohl aber den Import von<br />

Generika aus Drittländern, falls es keine he<strong>im</strong>ische<br />

Generika-Produktion gibt, was bes. kleineren<br />

Entwicklungsländer schadet.<br />

Südafrika wurde 1998 von 39 Pharmakonzernen geklagt,<br />

weil es billige AIDS-Medikamente selbst herstellte. Die<br />

daraufhin ausbrechende öffentliche Debatte hatte zwar<br />

die Rücknahme der Klage zur Folge. In anderen Fällen<br />

stand allerdings nicht AIDS <strong>im</strong> Zentrum der<br />

Aufmerksamkeit, weshalb die Klagen nicht an die<br />

Öffentlichkeit gelangten und zur Verschlechterung der<br />

Gesundheitssituation in den betroffenen Ländern führten.<br />

In der Abschlusserklärung von Doha wurde armen<br />

Ländern alle nötigen Maßnahmen zum Schutz der<br />

öffentlichen Gesundheit zugestanden, auch<br />

„Parallel<strong>im</strong>porte“ aus Ländern mit Generika-Produktion.<br />

Diese Selbstverständlichkeit war die größte „Trophäe“,<br />

welche die Entwicklungsländer mit nach Hause brachten.<br />

Die konkreten Ausverhandlungen über die Korrektur des<br />

Vertragstextes hätten bis Ende 2002 abgeschlossen<br />

werden sollen, dauerten jedoch aufgrund es hartnäckigen<br />

Widerstands der USA und der Schweiz bis 30. August<br />

2003. Der Kompromiss: In Ausnahmefällen dürfen<br />

Entwicklungsländer Generika <strong>im</strong>portieren. Der generelle<br />

Patentschutz für Medikamente wird keineswegs in Frage<br />

gestellt.<br />

Biopiraterie: Ein weiterer besonders heikler TRIPS-<br />

Aspekt betrifft die genetischen Ressourcen des Planeten.<br />

Unter „Biopiraterie“ versteht man die Aneignung von<br />

biologischen Ressourcen und traditionellem Wissen durch<br />

westliche Konzerne ohne adäquate Einbeziehung und<br />

Entschädigung der Gemeinschaften, die diese Ressourcen<br />

und dieses Wissen traditionell nutzen, hervorgebracht<br />

oder entdeckt haben. Beispiele: Basmati-Reis wurde über<br />

Hunderte von Jahren durch ReisbäuerInnen <strong>im</strong> H<strong>im</strong>alaya<br />

gezüchtet, jetzt wurde er von der Firma RiceTec patentiert<br />

und gehört ihr. Der Schaden für die BäuerInnen in Asien<br />

ist enorm. Dasselbe Schicksal erlitt die Enola-Bohne in<br />

Mexiko. Durch eine kleine Manipulation „gehört“ sie jetzt<br />

einem US-Konzern. (Die Exporte aus Mexiko gingen um<br />

95% zurück.) Oder: die kosmetisch, medizinisch und als<br />

natürliches Schädlingsbekämpfungsmittel wirksamen<br />

Essenzen des indischen Neem-Baumes werden seit<br />

zweitausend Jahren für mindestens 20 Zwecke verwendet.<br />

Dank TRIPS halten westliche Konzerne 40 Patente auf<br />

den Wirkstoff Neem.<br />

Gentechnik: Das TRIPS bildet auch Patentschutz und<br />

somit die Geschäftsgrundlage für gentechnisch<br />

verändertes Saatgut, durch das multinationale Konzerne<br />

BäuerInnen weltweit in ihre Abhängigkeit bringen wollen.<br />

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<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr. <strong>25</strong>, 24. August 2003 - 14 -

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