Sand im Getriebe 25 - Attac Berlin
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Handelsbeziehungen, allen voran die zwischen EU und<br />
USA.<br />
Von Stahlzöllen bis Gentechnik:<br />
Der transatlantische Handelskrieg<br />
Der „Handelskrieg“ zwischen der EU und den USA<br />
begann mit Bananen und Hormonfleisch. Die EU verlor<br />
beide Fälle. Aber auch die USA mussten <strong>im</strong>mer wieder<br />
kräftig Federn lassen, zuletzt, als die<br />
Steuervergünstigungen für Exporteure (so genannte<br />
Foreign Sales Companies, FSC) von der WTO als<br />
Wettbewerbsverzerrung verurteilt wurden: Die EU darf<br />
nun Strafzölle <strong>im</strong> Wert von vier Milliarden Euro (!)<br />
einheben, ein absoluter Rekordwert. Die „Antwort“ der<br />
USA ließ nicht lange auf sich warten. Im Mai 2003<br />
leiteten sie Klage gegen die EU ein, weil diese Anbau und<br />
Import von gentechnisch veränderten Organismen (GMO)<br />
behindert. (Eine Klage, die umso schwerer wiegt, als<br />
weite Teile der EU-Bevölkerung GMO-Nahrung<br />
ablehnen.) Die EU haben ihrerseits die USA wegen der<br />
Position der Industrieländer<br />
(vor allem „Quads“: USA, EU, Kanada, Japan)<br />
jüngsten Stahlzölle geklagt: Der „Handelskrieg“ befindet<br />
sich somit auf dem Höhepunkt. Einige Senatoren fordern<br />
bereits einen Austritt der USA aus der WTO.<br />
An diesen Fällen ist ersichtlich, wie groß die Macht und<br />
Durchsetzungskraft der WTO ist. Die UN-Organisationen<br />
(für Umwelt, Entwicklung, Gesundheit, Ernährung oder<br />
Arbeit) haben kein vergleichbares<br />
Streitbeilegungsgremium mit so wirksamen Sanktionen.<br />
Problematisch ist aber nicht nur der Handelskrieg<br />
zwischen den USA und der EU, sondern auch der<br />
Umstand, dass Entwicklungsländer aufgrund fehlender<br />
personeller und finanzieller Ressourcen kaum Zugang zur<br />
Streitschlichtung haben. Außerdem wird in Konfliktfällen<br />
zwischen Freihandel und Umweltschutz oder<br />
Gesundheitsvorsorge erfahrungsgemäß für den Freihandel<br />
entschieden: Das deutlichste Zeichen, dass Freihandel in<br />
der WTO zum Selbstzweck avanciert ist, der alle andern<br />
Politikfelder „overrult“.<br />
Position der Entwicklungsländer<br />
(nicht einheitlich)<br />
Mehr Liberalisierung, so viel wie möglich (Ausnahme: Liberalisierungsstopp und Überprüfung bisheriger<br />
Agrarsubventionen)<br />
Liberalisierungen<br />
Industriegüter: Radikale Senkung der Zölle USA: Unterschiedliche Behandlung von EL; Zölle dienen dem<br />
Totale El<strong>im</strong>inierung bis 2015<br />
Schutz noch nicht wettbewerbsfähiger Industrien<br />
Neue Themen: Investitionen, Wettbewerb, öffentliche Keine neuen Themen; stattdessen „Implementation“ und<br />
Beschaffung, Handelserleichterungen<br />
„Special & Different Treatment“<br />
Nur geringe Lockerung des Protektionismus <strong>im</strong> Agrarbereich Streichung aller Exportsubventionen, Marktzutritt und<br />
„Development Box“<br />
Strenger Patentschutz Lockerung des TRIPS, Vorrang von öffentlicher Gesundheit,<br />
keine Patente auf Leben<br />
GATS: Volle Kraft voraus Kein Interesse am GATS, aber Hoffnung auf Gegengeschäft<br />
<strong>im</strong> Agrarbereich<br />
Sozial- und Umweltstandards:<br />
Nein zu Sozial- und Umweltstandards,<br />
EU: Ja; USA: Nein<br />
weil sie einen Wettbewerbsnachteil bedeuten<br />
Knackpunkt Landwirtschaft – AoA<br />
Das Landwirtschaftsabkommen der WTO (Agreement on<br />
Agriculture, AoA) trat 1995 gemeinsam mit der WTO in<br />
Kraft. Zuvor waren Agrarerzeugnisse lange Zeit vom<br />
GATT ausgenommen gewesen. Der Grund: Der Norden<br />
war in diesem Bereich global nicht wettbewerbsfähig und<br />
deshalb überzeugter Protektionist und Freihandelsgegner.<br />
Der Protektionismus des Nordens hat zwei Gesichter:<br />
Exportsubventionen und Importzölle.<br />
Exportsubventionen des Nordens bewirken, dass<br />
Baumwolle, Getreide, Fleisch oder Reis weit unter den<br />
Erzeugerpreisen auf dem Weltmarkt angeboten werden.<br />
Dieses Preisdumping zerstört in den armen Ländern, die<br />
sich Subventionen nicht leisten können, nicht nur die<br />
Landwirtschaft (Millionen BäuerInnen werden ihrer<br />
Existenzgrundlage beraubt), sondern auch die<br />
Weiterverarbeitung und lokale Vermarktung von<br />
Lebensmitteln. Die Nahrungsmittelproduktion vor Ort<br />
geht dadurch zurück und die Abhängigkeit von Importen<br />
steigt. Die Ernährungssituation der Bevölkerung<br />
verschlechtert sich weiter. Gleichzeitig drängen die<br />
Industrieländer die Entwicklungsländer aggressiv zu<br />
Marktöffnung. Diese Doppelmoral wird mit dem Motto<br />
„You liberalize, we subsidize“ karikiert. In Zahlen:<br />
Während drei Milliarden Menschen (die halbe<br />
Menschheit) mit weniger als 2 Dollar pro Tag<br />
auskommen müssen, erhält in der EU jede Kuh 2,5 Dollar<br />
pro Tag an Agrarsubvention.<br />
In den Entwicklungsländern sind 70% der Menschen in<br />
der Landwirtschaft beschäftigt. In Südostasien werden<br />
60% der Nahrungsmittel von Frauen produziert, in Afrika<br />
80%. Sie sind von einer globalen Liberalisierung des<br />
Agrarhandels am negativsten betroffen.<br />
Die eigenen Märkte der Industrieländer werden mit hohen<br />
Zöllen abgeschottet. Das ist bezeichnend für die Nord-<br />
Süd-Realität: Gerade in den wenigen Beriechen, wo der<br />
Süden wettbewerbfähig ist, macht der Norden auf<br />
Protektionismus. Allerdings ist dieser für<br />
Entwicklungsländer nicht so negativ (wie Subventionen),<br />
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<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr. <strong>25</strong>, 24. August 2003 - 11 -