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Sand im Getriebe 38 - Attac Berlin

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unterstützen, dann wird keine Widerstandsbewegung unserem<br />

moralischen Reinheitsgebot entsprechen.<br />

Das soll nicht heißen, dass wir Widerstandsbewegungen nicht<br />

kritisieren dürfen. Viele von ihnen leiden an einem<br />

Demokratiemangel, an einer Verherrlichung ihrer „Führer”,<br />

einem Mangel an Transparenz, einem Mangel an Vision und<br />

Zielrichtung. Aber am meisten leiden sie an ihrer<br />

Verteufelung, Unterdrückung und einem Mangel an<br />

Ressourcen.<br />

Bevor wir vorgeben wie ein moralisch hochwertiger irakischer<br />

Widerstand seinen weltlichen, feministischen, demokratischen,<br />

gewaltfreien Kampf zu führen hat, sollten wir den Widerstand<br />

auf unserer Seite verstärken, und die USA sowie die mit ihr<br />

verbündeten Staaten zwingen, sich aus dem Irak<br />

zurückzuziehen.<br />

Gegen die neoliberale Junta<br />

In den Vereinigten Staaten fand die erste militante<br />

Konfrontation zwischen der Bewegung für weltweite<br />

Gerechtigkeit und der neoliberalen Junta, wie gut bekannt ist,<br />

<strong>im</strong> September 1999 bei der WTO-Konferenz in Seattle statt.<br />

Für viele Massenbewegungen in den Entwicklungsländern, wo<br />

sie schon seit langem einsam und isoliert gekämpft hatten, war<br />

Seattle das erste erfreuliche Zeichen dafür, dass ihr Zorn und<br />

ihre Vision für eine andere Welt, von vielen Menschen in den<br />

<strong>im</strong>perialistischen Ländern geteilt wird.<br />

Im Januar 2001 kamen 20.000 AktivIstinnen, StudentInnen,<br />

FilmemacherInnen - einige der besten Köpfe dieser Welt - in<br />

Porto Alegre, in Brasilien, zusammen, um ihre Erfahrungen<br />

bei und ihre Ideen für die Konfrontation mit dem Imperium<br />

auszutauschen. Das war die historisch gewordene Geburt des<br />

Weltsozialforums. Es war das erste formale Treffen einer<br />

aufregenden, anarchischen, nicht indoktrinierten, kraftvollen,<br />

neuen Art von „Zivilgesellschaft”. Der Aufruf des<br />

Weltsozialforums lautet: „Eine andere Welt ist möglich”.<br />

Dieses Forum ist zu einer Plattform geworden, auf welcher<br />

Hunderttausende Gespräche, Debatten und Seminare<br />

mitgeholfen haben, eine Vision auszuarbeiten und ausreifen zu<br />

lassen, was für eine Art von Welt dies sein soll.<br />

WSF als Selbstzweck?<br />

Im Januar 2004, als das vierte Weltsozialforum in Mumbai, in<br />

Indien, stattfand, zog es 200.000 Delegierte an. Ich war noch<br />

nie Teil eines so kraftvollen Treffens. Es war ein Zeichen für<br />

den Erfolg des Sozialforums, dass es die großen Medien<br />

Indiens es vollkommen ignorierten. Aber das Weltsozialforum<br />

gerät in Gefahr durch seinen eigenen Erfolg. Die sichere, offene<br />

und festliche Atmosphäre des Forums hat es auch solchen<br />

PolitikerInnen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs)<br />

ermöglicht sich Gehör zu verschaffen, obwohl sie eng mit<br />

einem politischen und wirtschaftlichen System verbunden sind,<br />

welches das Forum ablehnt.<br />

Eine andere Gefahr ist, dass das Weltsozialforum, welches eine<br />

so entscheidende Rolle in der Bewegung für weltweite<br />

Gerechtigkeit gespielt hat, zum Selbstzweck wird. Allein die<br />

jährliche Organisation verbraucht die Energien einiger der<br />

besten AktivistInnen. Wenn Gespräche über Widerstand den<br />

echten zivilen Ungehorsam ersetzen, dann könnte das<br />

Weltsozialforum eine wertvolle Institution für jene werden,<br />

denen sich das Forum ursprünglich entgegenstellte. Das Forum<br />

muss stattfinden und muss wachsen, aber wir müssen Wege<br />

finden unsere Gespräche dort in konkrete Taten umzusetzen.<br />

<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr.<strong>38</strong> Seite 7<br />

Als Widerstandsbewegungen begonnen haben über nationale<br />

Grenzen hinaus zu wirken und eine echte Bedrohung<br />

darstellten, haben die Regierungen ihre eigenen Strategien<br />

entwickelt, um mit ihnen fertig zu werden. Von der<br />

Einvernahme bis zur Unterdrückung.<br />

Ich werde über drei Gefahren sprechen, welche heute den<br />

Widerstandsbewegungen drohen: die problematischen<br />

Berührungspunkte zwischen den Massenbewegungen und den<br />

Massenmedien, der Gefahr dass aus dem Widerstand eine<br />

gewöhnliche NGO wird und die Auseinandersetzungen der<br />

Widerstandsbewegungen mit zunehmend repressiven Staaten.<br />

Gefahren:<br />

1. Massenmedien<br />

Die Regierungen haben gelernt, dass die Medien <strong>im</strong>mer neue<br />

Krisen brauchen, denn sie können es sich nicht leisten, zu<br />

lange be<strong>im</strong> selben Thema zu verweilen. Wie<br />

Wirtschaftsbetriebe einen Mindest-Durchsatz von Geld<br />

brauchen, brauchen die Medien einen Mindest-Durchsatz von<br />

Krisen. Ganze Länder werden zu Nachrichten von gestern. Sie<br />

hören auf zu existieren, und die Dunkelheit wird schwärzer, als<br />

noch zu der Zeit, als sie ganz kurz <strong>im</strong> Rampenlicht standen.<br />

Wir sahen das mit Afghanistan, als die Sowjets abzogen. Und<br />

nun, nachdem die Operation „Dauerhafter Frieden“ die CIA-<br />

Figur Hamid Karzai installiert hat, ist Afghanistan wieder<br />

seinen Warlords anhe<strong>im</strong> gefallen.<br />

Eine andere CIA-Figur, Iyad Allawi, wurde <strong>im</strong> Irak installiert,<br />

und nun ist wahrscheinlich die Zeit für die Medien gekommen,<br />

sich auch von dort wieder zu entfernen.<br />

Während Regierungen die Kunst eine Krise auszusitzen<br />

perfektionieren, werden die Widerstandsbewegungen <strong>im</strong><br />

Wirbel der Krisenproduktion vermehrt dazu verführt, Wege zu<br />

finden Krisen in einem leicht verdaulichen und<br />

zuschauerfreundlichen Format herzustellen.<br />

Von jeder ernst zu nehmenden Bewegung und von jedem<br />

„Thema” wird erwartet, dass es seinen eigenen Heißluftballon<br />

starten lässt um sein Markenzeichen und seinen Zweck zu<br />

bewerben.<br />

Einzelne Verhungerte sind deshalb ein effektiveres<br />

Werbemittel zum Thema Armut, als Millionen unterernährter<br />

Menschen, die zu wenig zum Leben haben. Dämme sind erst<br />

dann für die Nachrichten interessant, wenn die von ihnen<br />

verursachten Verwüstungen gute Bilder liefern. (Dann ist es<br />

allerdings zu spät).<br />

Tagelang <strong>im</strong> ansteigenden Wasser eines Stausees zu stehen und<br />

dabei sein Haus und seine Habseligkeiten wegschw<strong>im</strong>men zu<br />

sehen, war einmal eine effektive Strategie be<strong>im</strong> Protest gegen<br />

große Dämme, aber das funktioniert nicht mehr. Die Medien<br />

langweilen sich dabei inzwischen zu Tode. Also erwartet man<br />

von den Hunderttausenden Menschen die von Dämmen<br />

vertrieben werden, dass sie sich neue Tricks einfallen lassen<br />

oder den Kampf aufgeben.<br />

Farbenfrohe Demonstrationen und Wochenendmärsche sind<br />

ein kraftvoller Ausdruck, aber sie reichen nicht aus, einen<br />

Krieg zu verhindern. Kriege werden nur dann gestoppt<br />

werden, wenn SoldatInnen sich weigern zu kämpfen, wenn<br />

ArbeiterInnen sich weigern Waffen auf Schiffe und Flugzeuge<br />

zu verladen, wenn die Menschen die wirtschaftlichen<br />

Außenposten des Imperiums boykottieren, welche ihr Netz über<br />

den ganzen Globus geworfen haben.

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