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Sand im Getriebe 38 - Attac Berlin

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Die Frage ist:<br />

Ist „Demokratie” noch demokratisch?<br />

Sind demokratische Regierungen den Menschen die sie gewählt<br />

haben zur Rechenschaft verpflichtet? Und, was besonders<br />

bedeutsam ist, ist die Öffentlichkeit in demokratischen<br />

Ländern für die Taten ihres Sarkars verantwortlich?<br />

Wenn man darüber nachdenkt, erkennt man, dass die Logik,<br />

die dem Krieg gegen den Terrorismus und jene welche dem<br />

Terrorismus zugrunde liegen, genau die gleichen sind. Beide<br />

lassen gewöhnliche Menschen für die Taten ihres Sarkars<br />

leiden. Al-Kaida nahm die Leben von Menschen in den USA<br />

aus Rache für die Taten ihres Staates in Palästina, Saudi-<br />

Arabien, Irak und Afghanistan. Die US Regierung ließ die<br />

Menschen in Afghanistan mit Tausenden Toten für die Taten<br />

der Taliban zahlen und die Menschen <strong>im</strong> Irak mussten mit<br />

Hunderttausenden Toten für die Taten Saddam Husseins<br />

zahlen.<br />

Der entscheidende Unterschied ist, dass niemand Al-Kaida, die<br />

Taliban oder Saddam Hussein gewählt hat. Aber der Präsident<br />

der Vereinigten Staaten ist gewählt worden (oder na ja... , wenn<br />

man das so nennen will).<br />

Die Regierungschefs von Italien, Spanien und Großbritannien<br />

sind gewählt worden. Könnte man deshalb nicht argumentieren,<br />

dass die BürgerInnen dieser Länder mehr Verantwortung für<br />

die Taten ihrer Regierungen zu tragen haben, als die Iraker für<br />

die Taten eines Saddam Husseins oder die AfghanInnen für<br />

jene der Taliban?<br />

Wessen Gott entscheidet was ein „gerechter Krieg” ist, und was<br />

nicht? George Bush Senior hat einmal gesagt: „Ich werde mich<br />

niemals für die Vereinigten Staaten entschuldigen. Es<br />

interessiert mich nicht, was die Fakten sind.” Wenn der<br />

Präsident des mächtigsten Landes auf dieser Welt sich nicht<br />

mehr darum kümmert muss, was die Fakten sind, dann können<br />

wir ziemlich sicher sein, dass wir in ein <strong>im</strong>perialistisches<br />

Zeitalter eingetreten sind.<br />

Also, was bedeutet die Macht der Zivilgesellschaft in einer<br />

<strong>im</strong>perialistischen Zeit? Bedeutet sie überhaupt etwas? Existiert<br />

sie überhaupt?<br />

Die Wahlen und die Börse<br />

In diesen angeblich demokratischen Zeiten geht das<br />

konventionell politische Denken davon aus, dass die Macht des<br />

Volkes durch Wahlen manifestiert wird. In Dutzenden von<br />

Ländern werden heuer Wahlen abgehalten. Die meisten (aber<br />

nicht alle)Länder werden die Regierung bekommen, für welche<br />

sie gest<strong>im</strong>mt haben. Aber werden sie jene Regierung<br />

bekommen, die sie haben wollen?<br />

In Indien haben wir dieses Jahr die Hindu-NationalistInnnen<br />

aus dem Amt gewählt. Aber auch als wir das feierten, war uns<br />

bewusst, dass, was Atombomben, Neoliberalismus,<br />

Privatisierungen, Zensur oder die riesigen Dammbauten<br />

betrifft, also bei allen Themen, außer dem unverhohlenen<br />

Hindu-Nationalismus, die Kongresspartei und die BJP keine<br />

größeren ideologischen Unterschiede aufweisen. Wir wissen,<br />

dass es das fünfzig Jahre alte Erbe der Kongresspartei ist,<br />

welches das Land kulturell und politisch für die<br />

Rechtsextremen vorbereitet hat. Es war auch die<br />

Kongresspartei, welche Indiens Märkte als erste der<br />

Globalisierung durch die Konzerne eröffnet hat.<br />

<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr.<strong>38</strong> Seite 4<br />

In ihrer Wahlkampagne hat die Kongresspartei angedeutet, dass<br />

sie bereit wäre einige Punkte ihrer früheren Wirtschaftspolitik<br />

zu überdenken. Millionen von Indiens Ärmsten strömten n<br />

Massen herbei, um in diesen Wahlen ihre St<strong>im</strong>men abzugeben.<br />

Das Spektakel der großen indischen Demokratie wurde live<br />

ausgestrahlt - die alten BäuerInnen, die Alten und Schwachen,<br />

die verhüllten Frauen mit ihrem wunderschönen<br />

Silberschmuck, welche auf Elefanten, Kamelen und<br />

Ochsenkarren erstaunliche Reisen zu den Wahlurnen<br />

unternahmen. Entgegen den Vorhersagen aller Experten und<br />

Umfrageinstitute Indiens gewann die Kongresspartei mehr<br />

St<strong>im</strong>men als irgendeine andere Partei. Die kommunistischen<br />

Parteien Indiens gewannen einen größeren Anteil an St<strong>im</strong>men<br />

als je zuvor. Indiens Arme st<strong>im</strong>mten klar gegen die<br />

neoliberalen „Wirtschaftsreformen” und gegen den<br />

aufkommenden Faschismus. Sobald aber die St<strong>im</strong>men gezählt<br />

waren, ließen die kommerziellen Medien jene armen<br />

WählerInnen wie schlecht bezahlte und überflüssige Statisten<br />

am Drehort zurück. Die Sender boten nun geteilte Bildschirme.<br />

Die eine Hälfte zeigte den Wirbel vor dem Haus von Sonia<br />

Gandhi, der Führerin der Kongresspartei, als die<br />

Koalitionsregierung zusammengestoppelt wurde.<br />

Die andere Hälfte zeigte aufgeregte AktienhändlerInnen vor der<br />

Börse in Bombay, welche bei dem Gedanken in Panik<br />

gerieten, dass die Kongresspartei tatsächlich ihre Versprechen<br />

wahr machen würde und das Mandat mit dem sie gewählt<br />

worden war auch umsetzen würde. Wir sahen wie der Sensex-<br />

Index hinauf, hinunter und seitwärts ging. Die Medien, deren<br />

eigenen öffentlich gelisteten Aktien an Wert verloren<br />

berichteten über den Einsturz an der Börse wie wenn Pakistan<br />

Interkontinentalraketen auf Neu-Delhi gefeuert hätte.<br />

Noch bevor die neue Regierung formell angelobt worden war,<br />

beruhigten führende PolitikerInnen der Kongresspartei in ihren<br />

Statements Investoren und die Medien; dass nämlich die<br />

Privatisierung der öffentlichen Dienste weitergehen werde.<br />

Inzwischen hat die BJP, welche jetzt in Opposition ist, zynisch<br />

und nicht ohne eine gewisse Komik, damit begonnen,<br />

ausländische Direktinvestitionen und die weitere Öffnung der<br />

indischen Märkte zu kritisieren.<br />

Die verlogene Dialektik der<br />

Wahldemokratien.<br />

Was die Armen in Indien angeht: sobald sie ihre St<strong>im</strong>men<br />

abgegeben haben, erwartet man von ihnen, dass sie wieder nach<br />

Hause abmarschieren. Die Politik wird ohne sie gemacht.<br />

Und wie sieht es mit den Wahlen in den USA aus? Haben die<br />

WählerInnen in den USA eine echte Wahl?<br />

Es ist wahr, dass, wenn John Kerry Präsident wird, einige<br />

Ölmagnaten und christliche Fundamentalisten <strong>im</strong> Weißen Haus<br />

ausgewechselt werden. Wenige werden traurig darüber sein<br />

Dick Cheney, Donald Rumsfeld oder John Ashcroft mitsamt<br />

ihren unverhohlenen Gaunereien abtreten zu sehen. Aber was<br />

wirklich bedenklich ist, ist dass auch in der neuen Regierung<br />

ihre Politik weitergehen wird. Wir werden Bushismus ohne<br />

Bush haben.<br />

Die Positionen mit echter Macht - die großen Bankiers, die<br />

Generaldirektoren - sind durch keine Wahl angreifbar (... und<br />

wer es auch wird, sie finanzieren beide Seiten)<br />

Unglücklicherweise ist die Bedeutung der US-Wahlen zu einer<br />

Art Persönlichkeitswahlkampf verkommen. Eine Streiterei<br />

darüber, wer besser <strong>im</strong> Stande wäre, dem Imperium

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