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Sand im Getriebe 38 - Attac Berlin

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Keynes, Stiglitz und die Ökonomie des geplünderten Südens<br />

Das Scheitern der Entwicklungsrezepte des Westens<br />

Ein Gespräch mit Yash Tandon<br />

Yash Tandon, ein Wirtschaftswissenschaftler aus Uganda, hat<br />

auf dem ESF in London die sonst so häufig marginalisierte<br />

Perspektive Afrikas auf die Globalisierung eingebracht. Er<br />

setzte sich unter der Parole „We don’t need Fair Trade – we<br />

need Justice“ mit den fatalen Konsequenzen westlicher<br />

Entwicklungsstrategien auseinander. Wir veröffentlichen hier<br />

ein Gespräche mit ihm, das Ch.Burgmer und St.Fuchs in dem<br />

sehr empfehlenswerten Buch GLOBAL TOTAL veröffentlicht<br />

haben (<strong>im</strong> PapaRossa-Verlag EUR14,50, davon 50 Cent an<br />

ATTAC).<br />

Herr Tandon, am 20. Januar 1949 hat US-Präsident Truman<br />

den Beginn des »Zeitalters der Entwicklung« ausgerufen. Die<br />

ungleiche Verteilung des Reichtums als eine der Ursachen<br />

des Krieges sollte endgültig beseitigt werden. Heute, mehr als<br />

ein halbes Jahrhundert später, ist die Lage der<br />

Entwicklungsländer verzweifelter denn je zuvor. Der Abstand<br />

zwischen den Zentren und der Peripherie hat sich nicht etwa<br />

verkleinert, sondern ist noch größer geworden. Der Süden ist<br />

gut dre<strong>im</strong>al ärmer als noch vor 50 Jahren. Was sind aus der<br />

Perspektive des Südens selbst die Gründe für das endgültige<br />

Scheitern dieser vom Westen inspirierten Entwicklungspolitik?<br />

Das westliche kapitalistische System ist ja nie wirklich darauf<br />

ausgerichtet gewesen, den Süden wirtschaftlich voranzubringen.<br />

Schon in der vorkapitalistischen Ära stellte der Süden nur<br />

einen Raum der Ausbeutung und Unterdrückung dar. Von hier<br />

bezog der Sklavenhandel seinen Nachschub. Die Geschichte<br />

zeigt, dass der Süden auch <strong>im</strong> weiteren Verlauf der Geschichte<br />

<strong>im</strong>mer nur Instrument des Nordens war, die eigene<br />

wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Wenn es <strong>im</strong> Süden<br />

dennoch gelegentlich zu gewissen Fortschritten kam, so waren<br />

sie meist das Ergebnis eines Widerstands gegen diese Politik<br />

des Nordens. Es ist deshalb nicht erstaunlich, wenn auch nach<br />

der Phase der Entkolonialisierung die Grundmuster der Nord-<br />

Süd-Beziehung gleich geblieben sind, die wirtschaftliche<br />

Ungleichheit weiter wächst. Die Anhäufung von Macht und<br />

Reichtum auf der einen Seite und von Armut auf der anderen<br />

liegt schließlich in der Natur des kapitalistischen Systems.<br />

Investoren übernommen werden. Nehmen wir das Beispiel von<br />

S<strong>im</strong>babwe oder Sambia. Dort wurden in den letzten 10, 15<br />

Jahren massiv Staatsunternehmen wie etwa Bergbaugesellschaften<br />

aber auch öffentliche Dienstleistungen privatisiert und<br />

an multinationale Unternehmen verkauft. Diese sind<br />

naturgemäß an eigenen Erträgen und nicht etwa an der<br />

Entwicklung ihrer Gastländer interessiert. Wenn die<br />

Rentabilität ihren Erwartungen nicht entspricht, packen sie<br />

wieder ein und gehen in Länder, in denen sie sich bessere<br />

Erlöse erhoffen. Die Gastländer für diese Art von Investitionen<br />

sind grundsätzlich in einer Position der Schwäche.<br />

Geschichtlich tauchte das Instrument der privaten<br />

Direktinvestitionen zu dem Zeitpunkt auf, als Kredite und<br />

staatliche Entwicklungshilfe <strong>im</strong>mer weniger zur Verfügung<br />

standen und die Schuldenkrise den Süden in große<br />

Schwierigkeiten brachte. Der Rückgriff auf privates Kapital<br />

erschien da als willkommene Alternative, weil man ohne<br />

schwer zu bedienende Kredite auskam und selbstverständlich<br />

davon ausging, dass private Investoren sich Unternehmen<br />

auswählen würden, die sowohl für sie selbst als auch für die<br />

Gastländer profitabel arbeiten könnten. Aber die Erwartungen<br />

wurden nicht erfüllt. Die Direktinvestitionen haben die<br />

Situation des Südens verschl<strong>im</strong>mert, weil es sich fast <strong>im</strong>mer<br />

um Paketlösungen handelt. Die transnationalen Unternehmen<br />

bringen ja nicht nur ihr Geld mit, sie bringen ihre<br />

Technologien, ihre Beraterfirmen, ihre Patente, ein ganzes<br />

Konglomerat von Instrumenten und Produkten mit, die alle<br />

darauf abzielen, die Wertschöpfung eines Joint Venture so<br />

weit wie irgend möglich außerhalb des Gastlandes stattfinden<br />

zu lassen. Das hat dazu geführt, dass sich die Probleme heute<br />

<strong>im</strong> Vergleich zur Schuldenkrise noch verschärft haben. Nein,<br />

die als Allheilmittel gelobten Direktinvestitionen sind nur ein<br />

moderneres Instrument zur Enteignung unserer Ressourcen.<br />

Wenn diese Entwicklungsstrategien augenscheinlich an der<br />

Aufgabe gescheitert sind, überall Wohlstand für möglichst<br />

viele Menschen zu ermöglichen, so gelten doch einige Länder<br />

als positive Ausnahmen. Ghana, Chile, Mexiko zum Beispiel<br />

und natürlich die asiatischen Tiger werden <strong>im</strong>mer wieder als<br />

Beispiele für eine relativ erfolgreiche Entwicklung genannt:<br />

Was ist dran an diesen individuellen Erfolgsgeschichten der<br />

Entwicklungspolitik?<br />

In Ghana hat man die Strukturanpassungsprogramme des<br />

Internationalen Währungsfonds und der Weltbank durchgeführt<br />

und ein positives Investitionskl<strong>im</strong>a für ausländische Investoren<br />

geschaffen. Dabei haben sich die Lebensverhältnisse der<br />

Menschen aber deutlich verschlechtert. Die makroökonomischen<br />

Statistiken wie beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt<br />

spiegeln ja nicht wirklich die Lebensqualität in einer<br />

Volkswirtschaft wieder. Sie verschleiern eher die wirklichen<br />

Bedingungen, unter denen die Mehrzahl der Menschen leben<br />

und arbeiten muss. Das gilt ebenso für Mexiko. Auch dort kann<br />

von Erfolgsstory keine Rede sein. Millionen fliehen über die<br />

Eines der bis heute <strong>im</strong>mer wieder angepriesenen Grenze in die USA, weil es Massenarbeitslosigkeit gibt. Der<br />

Standardrezepte des Westens für Entwicklung sind die so Prozess der Deindustrialisierung ist weit vorangeschritten, und<br />

genannten ausländischen Direktinvestitionen. Warum halten jetzt ist auch noch die Landwirtschaft betroffen. Auch <strong>im</strong><br />

sie nicht, was sie versprechen?<br />

Bereich der Agrarproduktion gehen <strong>im</strong>mer mehr Arbeitsplätze<br />

Der Begriff »ausländische« Direktinvestitionen weist ja bereits verloren. Ausländische Investitionen haben die restlichen<br />

daraufhin, dass nationale Ressourcen von ausländischen einhe<strong>im</strong>ischen Arbeitskräfte in den Billiglohnsektor verdrängt.<br />

Besser entlohnte Tätigkeiten wurden in die USA verlagert.<br />

<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr.<strong>38</strong> Seite 13

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