Sand im Getriebe 38 - Attac Berlin
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Das Militärische Sonderermächtigungsgesetz erlaubt es nicht<br />
nur Offizieren, sondern auch Kadetten und Unteroffizieren der<br />
Armee Gewalt gegen jede Person anzuwenden, und sie auch zu<br />
töten, wenn sie verdächtigt wird, die öffentliche Ordnung zu<br />
stören. Dieses Gesetz wurde 1958 zunächst für einige Gebiete<br />
in Manipur erlassen. Heute wird es beinahe <strong>im</strong> ganzen<br />
Nordosten und in Kaschmir angewandt. Die Berichte von<br />
Folterungen, „Verschwinden lassen“ und Todesfällen während<br />
der Gefangenschaft, Vergewaltigungen und<br />
Massenhinrichtungen durch Sicherheitskräfte reichen, um<br />
einem den Magen umzudrehen.<br />
In Andhra Pradesh, <strong>im</strong> Herzen Indiens, ist die marxistischleninistische<br />
Volkskriegsgruppe seit Jahren in gewalttätige<br />
bewaffnete Kämpfe verwickelt und war das Hauptziel bei<br />
vielen vorgetäuschten „Zusammenstößen” der Polizei dieser<br />
Provinz. Sie hielten am 28. Juli 2004 in der Stadt Warangal ihr<br />
erstes öffentliches Treffen seit Jahren.<br />
Hunderttausende Menschen kamen. Unter POTA gelten alle als<br />
TerroristInnen. Wird man sie alle in einer indischen Version<br />
von Guntanamo Bay einsperren?<br />
Der ganze Nordosten und das Kaschmir-Tal sind in Aufruhr.<br />
Was will Regierung mit diesen Millionen Menschen machen?<br />
Es gibt heute keine Diskussion auf der Welt welche<br />
wichtiger ist, als die Debatte über die Strategien des<br />
Widerstandes. Und die Wahl der Strategie liegt nicht allein in<br />
den Händen der Bevölkerung. Sie liegt auch in den Händen des<br />
Sarkar.<br />
Wenn die USA den Irak in einer Art und Weise überfällt und<br />
besetzt, wie sie es getan hat, nämlich mit überwältigender<br />
militärischer Übermacht, kann man dann einen<br />
konventionellen, militärischen Widerstand erwarten? (Auch ein<br />
konventioneller Widerstand würde Terrorismus genannt<br />
werden.) Seltsamerweise macht das Waffenarsenal die<br />
überwältigende Luftwaffe und die Feuerkraft der US-<br />
Streitkräfte den Terrorismus zu einer kaum vermeidbaren<br />
Antwort. Was den Menschen an Geld und Macht fehlt, werden<br />
sie durch Verschlagenheit und ihre Strategie wettzumachen<br />
versuchen.<br />
Wenn die Regierungen in dieser ruhelosen und verzweifelten<br />
Situation nicht alles tun um die gewaltfreien<br />
Widerstandsbewegungen anzuerkennen, dann begünstigen sie<br />
automatisch diejenigen, die zur Gewalt greifen. Keine<br />
Regierung, die den Terrorismus verurteilt, ist glaubwürdig,<br />
wenn sie nicht zeigt, dass sie offen ist für Veränderungen<br />
durch gewaltfreie Auseinandersetzung.<br />
Stattdessen werden gewaltfreie Widerstandsbewegungen<br />
zerschlagen. Jede Art politischer Massen-Bewegungen oder -<br />
Organisation wird bestochen, zerbrochen oder einfach ignoriert.<br />
Inzwischen verschwenden die Regierungen, die<br />
Medienkonzerne und vergessen wir nicht die Filmindustrie,<br />
ihre Zeit, ihre Aufmerksamkeit, ihre Technologie, ihre<br />
Forschungen und ihre Bewunderung dem Krieg und dem<br />
Terrorismus. Die Gewalt wird verherrlicht.<br />
Die Botschaft, die wir empfangen, ist beunruhigend und<br />
gefährlich: Wenn man seinem Ärger öffentlich Luft machen<br />
will, ist Gewalt effektiver als Gewaltfreiheit.<br />
Die Unruhe n<strong>im</strong>mt zu<br />
<strong>Sand</strong> <strong>im</strong> <strong>Getriebe</strong> Nr.<strong>38</strong> Seite 10<br />
Während die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird,<br />
während die Notwendigkeit, die Ressourcen der Welt zu<br />
verteilen und zu kontrollieren, um damit die große<br />
kapitalistische Maschine zu füttern, wird die Unruhe nur<br />
zunehmen.<br />
Für jene von uns, welche auf der falschen Seite des Imperiums<br />
leben, wird die Demütigung unerträglich.<br />
Jedes irakische Kind, welches von den USA getötet wurde, ist<br />
unser Kind. Jeder Gefangene, der in Abu Ghraib gefoltert<br />
wurde, ist unser Kamerad. Jeder ihrer Schreie war unser Schrei.<br />
Wenn sie gedemütigt wurden, so werden wir gedemütigt. Die<br />
US SoldatInnen welche <strong>im</strong> Irak kämpfen - zum Großteil<br />
Freiwillige rekrutiert aus der Armut in den Kleinstädten und<br />
armen Stadtvierteln - sind genauso Opfer dieses schrecklichen<br />
Vorgangs wie die IrakerInnen. Man fordert von ihnen, für einen<br />
Sieg zu sterben, der niemals ihrer sein wird.<br />
Die Mandarine der Konzernwelt, die Generaldirektoren, die<br />
Bankiers, die PolitikerInnen, die RichterInnnen und Generäle<br />
sehen von oben auf uns herab und schütteln ernst ihre Häupter.<br />
„Es gibt keine Alternative”, sagen sie. Und lassen die Hunde<br />
des Kriegs von den Ketten.<br />
Dann kommt aus den Ruinen Afghanistans, den Schutthaufen<br />
des Iraks und Tschetscheniens, von den Straßen des besetzten<br />
Palästinas, aus den Bergen Kaschmirs, von den Hügeln und<br />
Prärien Kolumbiens und aus den Wäldern Andhra Pradesh und<br />
Assams die kalte Antwort: „Es gibt keine Alternative, außer<br />
Terror”. Terrorismus. Bewaffneter Kampf. Aufstand. Man<br />
nenne es wie man will.<br />
Terrorismus ist bösartig, ekelhaft und entmenschlicht sowohl<br />
diejenigen die ihn ausüben wie auch seine Opfer. Aber genauso<br />
ist der Krieg. Man könnte sagen, dass der Terrorismus die<br />
Privatisierung des Krieges ist. TerroristInnen sind die<br />
Handlungsreisenden in Sachen des Krieges. Es sind Leute, die<br />
nicht glauben, dass der Staat das legit<strong>im</strong>e Gewaltmonopol<br />
besitzt.<br />
Die menschliche Gesellschaft steuert einem grauenhaften Ziel<br />
entgegen.<br />
Natürlich gibt es eine Alternative zum Terrorismus. Man<br />
nennt sie Gerechtigkeit.<br />
Es wird Zeit zu erkennen: Mit noch so vielen Atomwaffen oder<br />
Benzinbomben, mit keiner Überlegenheit auf allen Linien, mit<br />
noch so vielen Marionettenregierung und Loya Jirgas lässt sich<br />
der Frieden auf Kosten der Gerechtigkeit erkaufen.<br />
Die Sucht nach Hegemonie und die Arroganz einiger weniger<br />
wird aufgewogen von der wachsenden Sehnsucht nach Würde<br />
und Gerechtigkeit.<br />
Welche Form der Kampf haben wird, ob er wunderschön oder<br />
blutrünstig sein wird, hängt von uns ab.<br />
Übersetzung;: Z-Net und Herbert Kaser, Austria<br />
(ehrenamtliche ÜbersetzerInnen, coorditrad@attac.org)