Ansprache von Dr. Peter Wolf - Schönstatt-Bewegung
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Msgr. <strong>Dr</strong>. <strong>Peter</strong> <strong>Wolf</strong><br />
Predigt beim Kongress der christlichen Gemeinschaften<br />
Bündnisliturgie in der Konkathedrale Sankt Eberhard<br />
Stuttgart 10.Mai 2007<br />
Liebe Schwestern, liebe Brüder christlicher Gemeinschaften,<br />
<strong>von</strong> Anfang an wussten sich die Christen zu Hause in der Glaubenserfahrung<br />
Israels. Sie haben die Geschichte der Stammväter und die<br />
Botschaft der Propheten auf sich bezogen und in ihren Gottesdiensten<br />
daraus vorgelesen. Sie haben mit den Psalmen Israels gebetet<br />
und sich und ihr Leben hineingestellt in die großen Verheißungen,<br />
mit denen das biblische Gottesvolk unterwegs war.<br />
Bund als Grunderfahrung Israels<br />
Es war und ist die Grunderfahrung des Gottesvolkes, dass Gott mit<br />
den Menschen zu tun haben will und ihnen einen Bund anbietet.<br />
Abraham hatte sich eingelassen auf Gottes Wegführung zu einem<br />
neuen Land und auf Gottes Verheißung einer großen Nachkommenschaft.<br />
Er hatte das Angebot des Bundes angenommen, den Gott mit<br />
ihm schließen wollte, und ist so zum Vater des Glaubens geworden.<br />
Was mit Abraham, Isaak und Jakob begann, hat sich in der Erfahrung<br />
des Volkes wiederholt und vertieft. Am Sinai kam es zum großen<br />
Bundesschluss und zur Urkunde des Bundes mit den Zehn Geboten,<br />
die Gott durch Mose dem Volk anvertraute. In zehn Geboten<br />
sollte die Treue und Entsprechung gegenüber dem Bundeswillen<br />
Gottes im Leben des Gottesvolkes zum Ausdruck kommen.<br />
In der Lesung aus dem Buch Josua (Jos 24), die wir eben hörten,<br />
haben wir ein Zeugnis für die Erneuerung des Bundes, zu der Josua<br />
in der Nachfolge des Mose das Volk herausfordert. Inzwischen hat<br />
Israel das verheißene Land erreicht. Josua will seinen Zeitgenossen<br />
bewusst machen, dass an ihnen die Verheißungen des Bundes in Erfüllung<br />
gegangen sind. Als dieser Text geschrieben wurde, ist in Israel<br />
der Bund bereits die Grundkategorie, in der Israel seine Geschichte<br />
mit Gott begreifen lernte.<br />
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Verheißung eines neuen, unverbrüchlichen Bundes<br />
Über Jahrhunderte haben die Propheten dieses Bewusstsein geprägt<br />
und Israel nach immer neuer Untreue aufgefordert, zu Gott zurückzukehren<br />
und sich erneut für ihn zu entscheiden. In dieser Zeit<br />
wuchs die Überzeugung <strong>von</strong> der Treue Gottes, die alle Untreue seines<br />
Volkes überbietet. Es wuchs die Überzeugung <strong>von</strong> einem neuen,<br />
unverbrüchlichen Bund, der ganz in der Liebe und Treue Gottes<br />
gründet und nicht an der Schwäche der Menschen scheitert. Gott<br />
selber schafft dem menschlichen Bundespartner ein neues Herz, in<br />
das die Gebote des Herrn eingeschrieben sind. Er nimmt ihm sein<br />
Herz aus Stein, das sich verhärtet hat und zum Ungehorsam neigt,<br />
und schenkt ihm ein Herz aus Fleisch. Das ist der Sieg der Gnade<br />
über die Schwachheit und den Ungehorsam des Menschen gegenüber<br />
dem Bundeswillen seines Gottes. In dieser Sicht des Propheten<br />
Ezechiel dürfen wir eine Parallele zum großen Anliegen der Reformation<br />
mitten in der alttestamentlichen Erfahrung des Bundes entdecken.<br />
Gottes Bundeshuld ist so groß, dass Gott selber den Menschen<br />
befähigt, sein Partner zu sein. Gott geht soweit, dass er selber<br />
die Garantie dafür übernimmt, dass der Mensch den Bund leben<br />
kann.<br />
Jesus und der Neue Bund<br />
Jesus steht mit seiner Botschaft ganz in dieser Tradition des bundeswilligen<br />
Gottes. Nicht ohne Absicht beginnt er sein öffentliches<br />
Wirken mit der Berufung <strong>von</strong> Jüngern und umgibt sich mit dem<br />
Kreis der Zwölf. Ihre Zahl steht für die zwölf Stämme des Bundesvolkes.<br />
Mit der Wahl der Zwölf will er seinen Anspruch sichtbar machen,<br />
das ganze Volk zu sammeln und in den Bund Gottes hineinzuführen.<br />
In der Bergpredigt steht er vor den Scharen der Jünger als<br />
der neue Moses, der das Volk einweist in ein Leben, das Gott entspricht.<br />
Am letzten Abend seines Lebens feiert Jesus das Paschafest des<br />
Bundesvolkes. Zusammen mit den Zwölf begeht er das jährliche Gedächtnis<br />
des Heilshandelns Gottes am Schilfmeer, durch das Israel<br />
erst geworden ist, was es ist, Gottes Eigentum und Gottes erwähltes<br />
Volk. Mitten in diesem Mahl ergreift den Kelch, der zur Feier des<br />
Paschamahles bereit steht. Wie gewohnt hatte er mit dem feierlichen<br />
Dankgebet begonnen, das allen vertraut war. Doch dann<br />
sprach er Worte, welche die bekannte Paschafeier verlassen: „Dieser<br />
2
Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen<br />
wird“ (Lk 22,20). Sie mussten verstehen, dass sein Sterben zu tun<br />
hat mit dem Neuen Bund. Sie mussten erkennen, dass sein Blut vergossen<br />
wird und in ihm der neue Bund besiegelt wird.<br />
Jesus steht in der Tradition dieses Bundes. Er lebt und stirbt für<br />
diese Botschaft. Es ist sein Anliegen und er verfügt, dass seine Jünger<br />
dies tun zu seinem Gedächtnis. Diese Botschaft und dieses Vermächtnis<br />
ist uns Christen anvertraut. So dürfen wir darin auch entdecken,<br />
was uns vereint und verbindet in unseren christlichen Gemeinschaften<br />
und darüber hinaus mit dem ganzen Gottesvolk. Was<br />
dem alttestamentlichen Gottesvolk in der Beschneidung zum Zeichen<br />
der Zugehörigkeit wurde, geschieht <strong>von</strong> Anfang an für die<br />
Christen durch die Taufe. Durch die Taufe werden wir Christus verbunden<br />
und eingegliedert in das neue Bundesvolk. Es ist für mich<br />
mehr als ein Zufall, dass die Feier der gegenseitigen Anerkennung<br />
der Taufe in Magdeburg gerade in die Zeit meiner Vorbereitung auf<br />
unser Treffen und auf diese Predigt stattfand. Mich hat das richtig<br />
gefreut. In diesem starken und sprechenden Zeichen sind wir alle<br />
verbunden.<br />
Bündnisspiritualität in der <strong>Schönstatt</strong>-<strong>Bewegung</strong><br />
Ganz im Geist unseres Treffens der christlichen Gemeinschaften<br />
lasst uns zusammenlegen, was Gottes Geist unter uns lebendig gemacht<br />
hat. Denn was immer Gott in einer Gemeinschaft gewirkt hat,<br />
hat er uns füreinander geschenkt. In diesem Sinn darf ich dankbar<br />
bezeugen, dass Gottes Geist in der <strong>Schönstatt</strong>-<strong>Bewegung</strong>, die ich<br />
hier vertreten darf, gerade die biblische Spiritualität des Bundes geweckt<br />
hat. Wir sprechen gern vom „Bündnis der Liebe“.<br />
Der Gründer Josef Kentenich hatte junge Leute, deren Seelsorger er<br />
war, angeleitet, ihr religiöses Leben und ihr apostolisches Engagement<br />
in enger Verbindung mit Maria anzugehen. Dieses Miteinander<br />
auf dem Weg zu Christus und im Einsatz für andere nannte man<br />
später „Liebesbündnis“. Mit diesem Wort fassen wir gern das gewachsene<br />
vertrauensvolle Miteinander mit der Mutter des Herrn,<br />
aus dem die <strong>Schönstatt</strong>-<strong>Bewegung</strong> geworden ist. Im Liebesbündnis<br />
erschloss sich die Erfahrung <strong>von</strong> Beziehung und Bindung, die für<br />
das menschliche und religiöse Leben ganz grundlegend sind. Dem<br />
Gründer gelang es, diese Erfahrung immer mehr auszuweiten und<br />
innerlich zu verknüpfen mit der ganzen Welt des biblischen Bun-<br />
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desgedankens. Er wollte damit seiner geistlichen Familie den Reichtum<br />
der biblischen Theologie und Spiritualität des Bundes zugänglich<br />
machen und den Bund als grundlegende Kategorie unserer Spiritualität<br />
erschließen. Ich kann nur bezeugen, dass dieser Ansatz in<br />
unserer <strong>Bewegung</strong> viel Leben geweckt hat und ganz offensichtlich<br />
eine große spirituelle Fruchtbarkeit in sich trägt. Bündnisspiritualität<br />
führt mitten hinein in biblisches Denken und Leben und könnte<br />
so in allen unseren christlichen Gemeinschaften eine durchaus vitalisierende<br />
Wirkung haben.<br />
Bündnisspiritualität und Maria<br />
Zur Erfahrung der <strong>Schönstatt</strong>-<strong>Bewegung</strong> gehört, dass die Mutter Jesu<br />
bei diesem Weg hinein in ein Leben aus dem Gottesbund eine<br />
außerordentlich hilfreiche Rolle gespielt hat und immer wieder<br />
spielt. Vielleicht hat dies damit zu tun, dass sie in der Geschichte des<br />
Glaubens und des Gottesbundes an einer nicht unwichtigen Stelle<br />
steht. Auf jeden Fall stellt das Lukasevangelium sie uns so vor in der<br />
Stunde der Verkündigung. Der Engel des Herrn tritt bei ihr ein und<br />
begrüßt sie als die Begnadete: „Sei gegrüßt, du Begnadete“ und er<br />
fügt das Wort hinzu, das im biblischen Sprachgebrauch als die Kurzform<br />
der Bundeszusage gilt: „Der Herr ist mit Dir“ (Lk 1,28). In Maria<br />
ist Gottes Bund zum Ziel gekommen, in ihr ist die „Tochter Zion“<br />
durch Gottes Gnade Wirklichkeit geworden. Wenig später im Evangelium<br />
wird Elisabeth sie selig preisen für ihren Glauben. Danach<br />
wird Maria das Magnifikat (vgl. Lk 46-55) anstimmen, jenen wunderbaren<br />
Gesang, der ganz gewoben ist aus den Erfahrungen des<br />
Bundesvolkes. Die Mutter des Herrn ist mitten hineingenommen in<br />
die Bundesgeschichte und deren Verheißungen. Dafür singt Maria<br />
ihr Loblied auf Gott. Wenn wir uns dieses ihr Lied zueigen machen,<br />
stellen wir uns mit ihr hinein in die weitergehende Geschichte des<br />
Bundes. Das ist Erneuerung des Bundes, auf die unser Gottesdienst<br />
heute Abend hinzielt. Dazu möchte ich Sie gern einladen.<br />
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