konzerte04-pressemappe.pdf - Berliner Festspiele

or may not close your eyes,
but there is no way back.
Worauf wir uns mit »Interzone« einließen, konnten wir zu Beginn der knapp zweijährigen Arbeit nicht
wissen. Bald ging, während Enno Klänge skizzierte, hin und her, was ich als Textvorlage anbot. Dies
ging mit Streichungen, Umstellungen, Ergänzungen einher – das Zusammenspiel von Arbeit an der
Musik und Arbeit am Text wirkte stellenweise bis in Fragen nach der Silbenzahl oder der Verteilung
von Vokalen und Konsonanten hinein.
Dabei zeigte sich, daß wir, obwohl auf verschiedenen Feldern tätig, ähnliche Vorstellungen vom
Vorgehen haben. Ganze Komplexe können im Arbeitsverlauf gekippt werden, sobald sich eine neue
Perspektive abzeichnet, ein breit angelegtes Motiv kann auf ein Kürzestmoment reduziert werden,
jede Verschiebung von Material hat Konsequenzen für die Gesamtdramaturgie, sei es auf musikalischer
oder auf textlicher Ebene. Aber die Alpträume, weil man zwischenzeitlich den Boden unter den
Füßen verliert, werden immer wieder aufgewogen vom Rausch, der sich einstellen kann, da alles in
Bewegung begriffen ist.
Omar spricht, Anne fi lmt seinen Mund, Enno und ich lauschen. Das Geschriebene, seien es Noten
oder Wörter, verwandelt sich in der Realisierung noch einmal. Während er den Prolog aufnimmt,
überliest Omar eine Zeile, merkt es, und setzt neu an. Seltsamerweise aber hat er genau jenen Einschub
übersprungen, der mir schon beim Schreiben ein leichtes Unbehagen bereitete, ohne daß ich
hätte sagen können warum. Jetzt ist der Beweis erbracht: Die Stelle hat ihre Probe nicht bestanden,
sie wird gestrichen. Vielleicht gehören diese Worte einfach nicht zur Figur. Denn die Figur ist in der
Stimme, oder sie ist nirgendwo.
Marcel Beyer