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konzerte04-pressemappe.pdf - Berliner Festspiele

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Colin Matthews: Continuum<br />

Während der drei Jahre, die ich an Continuum gearbeitet habe, hat es sich verändert und entwickelt,<br />

bis seine endgültige Gestalt wenig Ähnlichkeit zu meinen ursprünglichen Plänen aufwies. Insbesondere<br />

ist das vokale Element zum Vorherrschenden geworden, so dass statt meiner ursprünglichen<br />

Absicht, zwei Zwischenspiele singen zu lassen, nun die instrumentalen Abschnitte mehr wie Zwischenspiele<br />

in etwas wirken, das beinahe wie eine „Szene“ für Stimme und großes (23-köpfi ges)<br />

Ensemble erscheint.<br />

Wenn es aber eine Szene ist, dann eine ohne defi nierbare Handlung: Die Texte, die ich zur Vertonung<br />

ausgewählt habe, erzählen nichts, sondern sind hoch komplexe und sich der Deutung entziehende<br />

Gedichte. Demzufolge bin ich nicht sicher, ob ich – weil ich, während ich diese Anmerkungen<br />

schreibe, dem Stück noch zu nahe bin, als dass ich objektiv darüber schreiben könnte – zu dem<br />

Gesamtthema etwas Genaueres sagen kann als durch den Gebrauch der beiden unscharfen Begriffe<br />

Wechsel und Vergänglichkeit [change and transience].<br />

Das Zentrum des Werks bilden zwei Gedichte von Eugenio Montale (1896-1981), die aus seiner<br />

ersten veröffentlichten Sammlung von 1925 stammen: Crisalide (Schmetterlingspuppe) und Casa sul<br />

mare (Das Haus am Meer). Das erste ist im italienischen Original vertont, das zweite in der schönen<br />

englischen Übersetzung von Jonathan Galassi. Umrahmt werden sie von zwei epigrammatischen<br />

Fragmenten aus den französischen Gedichten, die Rilke gegen Ende seines Lebens schrieb (zufällig<br />

ebenfalls um 1925). Ich hoffe, dass ich diese schwierigen und dichten Texte für sich selbst sprechen<br />

lassen kann und dass man mir verzeihen wird, wenn ich nicht versuche, sie zu interpretieren, außer<br />

durch die Vertonung.<br />

Die instrumentalen „Zwischenspiele“ – diese Bezeichnung verleugnet allerdings die Tatsache, dass<br />

sie musikalisch gleich gewichtig sind – kommen am Ende von Crisalide: eine turbulente Fortsetzung<br />

des Gedichts, die in ein düsteres Nachspiel umschlägt, und vor der letzten Strophe von Casa sul<br />

mare als beinahe trauermarschartige Unterbrechung des Gedichts. Im abschließenden Rilke-Epigramm<br />

ertönt ein Echo auf die Eröffnung: Gerade so, wie ein Kontinuum kein Ende besitzt, kehrt das<br />

Werk spiralförmig zu seinem Anfang zurück.<br />

Colin Matthews, Übersetzung Georg Rudiger<br />

>>> Eine Biografi e von Colin Matthews fi nden Sie im Dossier zum Konzert am 14. September!

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