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konzerte04-pressemappe.pdf - Berliner Festspiele

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Live-Imitator innerhalb des Ensembles. Die Interaktion mit dem Alter Ego, charakteristisch für Van der<br />

Aa, klingt immer überrumpelnd. Das Klangbild variiert fortwährend und dadurch auch die Richtung<br />

seiner Dramen. Jede Komposition bietet sicher auch einen Hauch an Harmonie und Behaglichkeit;<br />

jedoch macht die Zerrüttung eben dieser Harmonie die Musik so ergreifend.<br />

In der kürzlich komponierten Here-Trilogy kommt Van der Aas Dramatik in voller Größe zum Ausdruck.<br />

Die drei Teile - für unterschiedliche Besetzungen komponiert und somit auch getrennt aufführbar<br />

- haben ‚die Sängerin‘ als verbindendes Thema. Ihre Beziehung zu ihrer musikalischen Umgebung<br />

gestaltet sich in jedem Teil anders. In Here [enclosed] ist sie persönlich noch nicht anwesend;<br />

Orchester und Dirigent haben auf der Bühne einen Vitrineschrank als Partner, worin ein Duplikat<br />

der Solistin sichtbar wird. Dieses Objekt antwortet auf die Live-Musik mit gesampelten Fetzen des<br />

Orchesters selbst und zwingt somit die Musiker zum Mimenspiel: sie spielen weiter, aber der Klang<br />

wurde vom Alter Ego geraubt. In Here [in circles] für ein kleines Ensemble geschrieben, erscheint<br />

die Sängerin in Fleisch und Blut. Aber auch diesmal durchbricht sie ihre Isoliertheit nicht: sie bleibt<br />

in loops stecken, ebenso wie die anderen Musiker. Zur Verstärkung dieser aussichtslosen Situation<br />

macht die Sängerin mit einem Minirekorder realtime-Aufnahmen des Geschehens, die sie auf das<br />

Ensemble zurückwirft.<br />

Synchronie zwischen Individuum und Umgebung wird erst in Here [to be found] erreicht. Aber noch<br />

immer tasten sich beide Parteien gegenseitig ab, ergänzen sich, übertrumpfen und bestreiten sich<br />

- um anschließend ihren eigenen Weg zu gehen.<br />

Ebenso repräsentativ ist One eine Kammeroper, in der eine Singstimme es aufnimmt gegen ein Tonband<br />

und Video-Projektionen. Die Videobilder sind fest verwachsen mit der Musik; wie auch die Tonaufnahmen,<br />

die Van der Aa in anderen Stücken einspielt, sind sie eine Verlängerung des Klangbildes,<br />

ein zusätzliches Musikinstrument. Kennzeichnend ist die Art und Weise, wie Van der Aa Schönheit<br />

und Hässlichkeit unverblümt aufeinander treffen lässt: der fast neurotische, wirre Text (vom Komponisten<br />

selbst) und die oft sehr ästhetischen Klänge bilden einen reizvollen Kontrapunkt. Gerade<br />

indem er ‚Hässlichkeit‘ zulässt, gibt Van der Aa der Schönheit eine Richtung und einen Zweck.<br />

Man könnte Van der Aa einen Experten auf dem Gebiet von Störung und Entgleisung nennen Double.<br />

gleicht hinsichtlich der Bühnenaufstellung einem klassischen Duett für Violine und Klavier, aber die<br />

Verfremdung schlägt unmittelbar zu. Das Klavier ist mit den Saiten eines Geigenstocks präpariert, um<br />

den Klang der Violine zu imitieren; die Violine versucht, die Konkurrenz abzuschütteln. Darauf folgt<br />

ein heftiges Hin und Her, voller Scheinbewegungen und frustrierter Kommunikation.<br />

Eine Variante dieses Spiels ist das Schlagzeugduett Wake - wenn auch ‚Duett‘ hier vor allem ein<br />

visueller Begriff ist. Denn ein Schlagzeuger bleibt unhörbar; er nimmt mimisch am Geschehen teil,<br />

kopiert die Gesten seines Partners oder kündigt sie an und versetzt dadurch dessen Timing in einen<br />

neuen Kontext. Auch hier zeigt Van der Aa seine Fähigkeit eine dramatische Linie fortzuführen: nach<br />

und nach beeinfl usst der Mimiker den Musiker und lässt die Darstellung mehr und mehr nach seinem<br />

Willen verlaufen. Was anfänglich ein Schatten war, wirft nun Licht auf den musikalischen Verlauf.<br />

So interdisziplinär Van der Aa auch arbeitet, doch sind und bleiben Noten sein Ausgangsmaterial. Die<br />

‚Preposition Trilogy Above, Between und Attach basiert auf nur zehn Akkorden. Beschränktes Material<br />

also, für Van der Aa jedoch ausreichend für eine musikalische Odyssee. Ein Live-Ensemble und ein<br />

Tonband mit Samples von demselben sind die Figuren, und ihre Konfrontationen sind wahre Cliffhanger:<br />

je nachdem, wie die Machtverhältnisse sich ändern, verändert sich auch die<br />

umgebende Klanglandschaft.

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