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konzerte04-pressemappe.pdf - Berliner Festspiele

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Colin Matthews: Suns Dance<br />

Suns Dance entstand zwischen Dezember 1984 und Juli 1985 und ist ein helles Gegenstück zu meinem<br />

ein Jahr früher geschriebenen Stück Night’s Mask für Sopran und sieben Instrumente, mit dem<br />

es viel Material gemeinsam hat. In Night’s Mask wird das zumeist sehr langsame Tempo von zwei<br />

sehr schnellen Episoden unterbrochen; Suns Dance nimmt diese schnelle Musik zum Ausgangspunkt<br />

und steckt überwiegend voller Energie. Im Rahmen einer Form, die auf beständiger Variation (und<br />

sehr wenig Rekapitulation) beruht, wechseln ausgedehnte Tutti mit konzertanten Soli ab, von denen<br />

die bemerkenswertesten in der ersten Hälfte des Stücks für Kontrafagott, Oboe, Horn und Viola sind<br />

sowie, direkt vor der Coda, für Piccolo und Kontrabass. Suns Dance entstand im Auftrag der London<br />

Sinfonietta und wurde durch Mittel fi nanziert, die der Arts Council zur Verfügung gestellt hatte. Das<br />

Werk ist Donald Mitchell gewidmet.<br />

Colin Matthews<br />

Colin Matthews<br />

Suns Dance für 10 Spieler (1985)<br />

Obwohl Colin Matthews‘ Suns Dance nur etwa 16 Minuten dauert, beläuft sich der Umfang der Partitur<br />

auf 157 Seiten – mehr als bei vielen ausgewachsenen Sinfonien. Das liegt einfach an dem Tempo,<br />

in dem die Musik vorüber rast. Der Impetus wird noch dadurch erhöht, dass es trotz gelegentlicher<br />

Wiederkehr bestimmter Texturen im Prinzip keine Wiederholung von Themen gibt, sondern vielmehr<br />

ein beständiges Hervorsprudeln frischer Figuren. Tatsächlich geht es in mehreren von Matthews‘<br />

jüngsten Werken um kontinuierliche Bildevorgänge – eine Idee, die man teils auf sein zeitweiliges Interesse<br />

an der amerikanischen Minimal Music in den 1970er Jahren zurückführen kann, vielleicht aber<br />

noch augenscheinlicher auf solche Innovationen der Avantgarde vom Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

wie das Obbligato Recitativ in Schönbergs Fünf Orchesterstücken.<br />

Suns Dance beginnt mit abrupten Wechseln zwischen hüpfenden Clustern und ausgehaltenen<br />

Einzeltönen, wobei sich die Auseinandersetzung zum Großteil in einer Art zweistimmigem Kontrapunkt<br />

zwischen cantus-fi rmus-artigen langgezogenen Linien und schnörkelhaft fl exiblen schnellen<br />

abspielt. Ein sich ständig verändernder Prozess von Stimmverdopplungen und –verstärkungen durch<br />

Heterophonie aber, und die Art, wie der Kontrapunkt sich aufbäumt und herabtaucht zwischen Hoch<br />

und Tief, schaffen eine permanente Unvorhersehbarkeit. Das Werk verlangt dem Dirigenten und den<br />

zehn Instrumentalisten sicherlich die äußerste Virtuosität ab. Seine hektische Brillanz wird durch die<br />

ungewöhnliche Zusammenstellung der Blasinstrumente erhöht, die gegen die fünf Streicher eingesetzt<br />

werden: Piccolo, Oboe, Horn, Bassklarinette und Kontrafagott, für das wohl noch nie eine derart<br />

manische Stimme geschrieben worden ist.<br />

Der Titel (Tanz der Sonne) soll offenbar nichts Programmatisches bezeichnen, das über eine generelle<br />

Vorstellung des Charakters hinaus ginge, und die Form lässt sich nur schwer in einzelne Abschnitte<br />

zergliedern. Jedenfalls aber gibt es nach etwa der Hälfte eine wachsende Tendenz der hyperaktiven<br />

Linien, sich auf maschinengewehrartigen Wiederholungen von Tonleiterfi guren festzusetzen, und der<br />

nahende Schluss wird – mittels der Analogie zum Anfang – durch eine Serie von statischen, eingefrorenen<br />

Akkorden angekündigt.<br />

Suns Dance, das vom Arts Council geförderte Auftragswerk für die London Sinfonietta, stellte nach<br />

der Uraufführung am 30. Oktober 1985 unter Oliver Knussen eine erfrischende Überraschung für alle<br />

die dar, die bis dahin dazu geneigt gewesen waren, Matthews in die Schublade „nach-Mahlerianischer<br />

Romantiker“ zu stecken. 1987 machte Ashley Page zu dem Werk eine erfolgreiche Choreographie<br />

mit dem Titel Pursuit für das Royal Ballet. Aus diesem Anlass verlängerte Matthews sein Stück<br />

und vielleicht auch aus Rücksicht auf die Spieler wie auch die Tänzer änderte er ein paar Details in<br />

den Noten und ergänzte eine langsamere Einleitung, ein Zwischenspiel und eine Coda.<br />

Bayan Northcott, 1988, Übersetzung Georg Rudiger

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