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konzerte04-pressemappe.pdf - Berliner Festspiele

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De:Bug: Gibt es keine gemeinsamen Projekte von ihnen mit Popmusikern?<br />

Stockhausen: Oh doch! Björk hat mich besucht und schlug mir vor, Co-Konzerte mit ihr zu machen!<br />

De:Bug: Wie soll das aussehen?<br />

Stockhausen: Ich werde zunächst vor einem Björk-Konzert in London mein Werk „Kontakte (für elektronische<br />

Musik und Schlagzeug)“ aufführen. Der Termin steht leider noch nicht fest.<br />

De:Bug: Können sie sich vorstellen, weshalb Björk auf diese Idee kam?<br />

Stockhausen: Sie sagte nur, sie wolle den Menschen zeigen, wer elektronische Klänge in die Musik<br />

eingeführt habe.<br />

De:Bug: Es wird also ein Björk-Konzert mit Stockhausen quasi als „Vorgruppe“ geben! Sie sagen<br />

doch immer, es gäbe keine Auditorien, in denen sie ihre Musik so verwirklichen können, wie sie es<br />

eigentlich gerne möchten.<br />

Stockhausen: So ist es! Meine Musik ist als Raummusik konzipiert. Die Hörer sollen nicht vor dem<br />

Klang sitzen, wie zu Hause vor der Stereo-Anlage, sondern im Klang. Sie sollen zwischen den Lautsprechern<br />

wandernde, rotierende Klänge und ihre Geschwindigkeiten erleben. Dazu braucht es<br />

natürlich mehr als zwei Lautsprecher. Meine Musik von der heimischen Stereo-Anlage zu hören ist<br />

so, wie wenn man sich nur eine Photographie des Kölner Doms ansieht, anstatt sich selbst davor zu<br />

stellen und um ihn herum zu gehen. Immerhin besser als gar nicht.<br />

De:Bug: 1970 wurde extra nach ihren Vorstellungen das sagenumwobene Kugelauditorium im deutschen<br />

Pavillon der Expo in Osaka/Japan gebaut.<br />

Stockhausen: Ja, und dort haben über eine Million Zuhörer an 183 Tagen jeweils fünfeinhalb Stunden<br />

die meisten meiner bis dahin entstandenen Werke gehört.<br />

De:Bug: Sie scheinen den „Kunst“schaffenden, vor allem in Köln, insgesamt nicht viel wert zu sein.<br />

Die Oper hat noch keines ihrer Werke aus dem Zyklus „Licht“ aufgeführt, weil man es „noch nicht geschafft“<br />

habe, „das dafür nötige Geld zu sammeln“, wie Intendant Günther Krämer sagt. Die Oper der<br />

Stadt Leipzig hat aber mit einem viel kleineren Etat bereits zwei Stockhausen-Opern uraufgeführt.<br />

Die Kölner Philharmonie, angeführt von Franz Xaver Ohnesorg, bläst ins selbe Horn. Was sagen sie zu<br />

den Äußerungen der beiden Herren?<br />

Stockhausen: Ich glaube, die wollen das gar nicht wirklich, denn in Leipzig klappt es ja auch, übrigens<br />

immer ausverkauft. Die Philharmonie war bisher auch immer fast ausverkauft, wenn ich da ein Werk<br />

aufgeführt habe. Der Herr Ohnesorg kann sowas Freches natürlich sagen, doch dann muß er auch<br />

sagen, daß er für den Celibidache fünf oder sechs mal soviel hingeblättert hat. Aber das sei ja auch<br />

klassische Musik, die das Volk hören wolle, und dafür gewinnt er natürlich die Banken als Sponsoren<br />

und kann Eintrittspreise von 200.- oder 300.- Mark nehmen. Tatsächlich gibt es genug Zahnärzte<br />

und Rechtsanwälte, die solche Preise bezahlen können. Die könnten mich ja noch viel billiger haben,<br />

wenn Chor und Orchester der Philharmonie meine Musik singen und spielen könnten. Das können<br />

und wollen die aber nicht. Es hat auch viel mit der Aufführungspraxis zu tun: Ich brauche einen Trompeter,<br />

der auch tanzen und springen kann während er spielt! Was der Ohnesorg behauptet, ist wirklich<br />

eine Schweinerei. Ich könnte mit dem Geld, das er jetzt z. B. Daniel Barenboim für ein Konzert<br />

bezahlt, locker 5 oder 6 Konzerte machen.<br />

De:Bug: Wann wird denn Stockhausen, natürlich im Kugelauditorium, so aufgeführt, wie Wagner jetzt<br />

in Bayreuth?<br />

Stockhausen: Bei dem hat es fast 100 Jahre gedauert, bis sein Werk so akzeptiert und aufgeführt<br />

wurde, wie er es sich wohl gedacht hat. Ich rechne mit ungefähr 200 Jahren!<br />

De:Bug: Noch zwei Fragen zum Schluß: Wie schaffen sie es eigentlich, mit der Kritik und den Schwierigkeiten,<br />

die man ihnen oft macht, fertig zu werden?<br />

Stockhausen: Indem ich mehrmals am Tag laut zu mir selbst sage: ,Furchtlos weiter!‘<br />

De:Bug: Und haben sie Techno erfunden?<br />

Stockhausen: Ja!<br />

Robert Baumanns

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