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konzerte04-pressemappe.pdf - Berliner Festspiele

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Interview mit Karlheinz Stockhausen<br />

aus De:Bug. Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte, Nummer 14, 1998<br />

Karlheinz Stockhausen (69) ist umstritten wie kein anderer in der deutschen Kulturszene. Verfemt<br />

von den musikalischen Fachkollegen, weil er als junger Komponist durch seine elektro-akustischen<br />

Experimente neue Klänge erfand, die in der Musik nichts zu suchen hätten und genau deshalb von<br />

den Popmusikern der letzten Jahrzehnte - bis heute - vergöttert. Orchester verweigern die Zusammenarbeit<br />

mit Stockhausen, weil er den Untergang der abendländischen Musikkultur betreibe, indem<br />

er nur Krach und Geräusche mache, die er dann auch noch durch Lautsprecher zu Gehör bringe und<br />

nicht durch ein Orchester. Bei Karlheinz Stockhausen ist der Lautsprecher an sich zum Instrument<br />

geworden. Popmusiker bekennen sich freimütig zu seinem Einfl uß auf ihr eigenes Schaffen: Stockhausen<br />

war auf dem „Lonely-Hearts-Club“-Cover der Beatles zu sehen, John Lennon wollte gemeinsame<br />

Konzerte mit ihm machen, Björk wird es bald tun. Andere haben Stockhausen-Werke studiert,<br />

oder sogar selbst in seinen Kursen und Seminaren gesessen: The Grateful Dead“, „Jefferson Airplane“<br />

und Boris Blank (Yello) genauso wie Holger Czukay (Can), Karl Bartos (Kraftwerk) oder David<br />

Bowie. Der Mann, der 1971 Professor für Komposition in Köln wurde, hat wie kein anderer die Kunst-<br />

bzw. E-Musik und die Popmusik beeinfl ußt.<br />

Hierzulande ist man nie besonders pfl eglich mit ihm umgegangen. Herbert von Karajan sagte, Stockhausen<br />

machen nur Geräusche, andere bezeichneten ihn als Akustik-Ingenieur, aber jedenfalls nicht<br />

als Musiker. Das Bonner Orchester sabotierte Bierfl aschen-klirrend eine Stockhausen-Aufführung,<br />

weil es auch im Foyer spielen sollte! Die deutsche Presse hat fast nie ein gutes Haar an dem langjährigen<br />

Leiter des weltberühmten elektronischen Studios des WDR gelassen, ihn oft lächerlich gemacht<br />

(„Chorstreik verhindert Welterlösung“, „Globaltheater verwackelt“) und diffamiert, weil er sich als<br />

Mensch nicht mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen identisch sieht, und der Gottesfürchtige<br />

seine Werke als Gottesdienst bezeichnet. Weil der Komponist einmal sagte, er sei bestimmt auf<br />

dem Planeten Sirius zur Schule gegangen, und die Musik, die er komponiere, sei Eingebung aus dem<br />

Kosmos, warf man ihm vor, er betreibe eine elitäre, vom Volk abgewandte, missionarisch-tönende<br />

Privat-Metaphysik, die niemand hören wolle. Volle Häuser sprechen indes seit jeher gegen diese Auffassung.<br />

Der internationalen Presse gilt er als „berühmtester deutscher Nachkriegskomponist“ („Le<br />

Figaro“) und hat „vermutlich mehr als irgendeiner seiner europäischen Kollegen dazu beigetragen,<br />

die Musik in bislang unberührte Klangsphären zu erweitern“ („New York Times“). Die internationalen<br />

Schallplatten-, Kunst- und Musikpreise, Mitgliedschaften in vielen Akademien der Künste auf der<br />

ganzen Welt, Ehrendoktorwürden und das Bundesverdienstkreuz erster Klasse bestätigen das. Auch<br />

der Auftrag des damaligen Wirtschaftsministers Karl Schiller, Stockhausen solle mit seiner Musik die<br />

Deutschen 1970 auf der Expo in Osaka/Japan vertreten, spricht für die künstlerische Qualität des<br />

sechsfachen Vaters.<br />

Für die Expo wurde ein von Stockhausen entworfenes „Kugelauditorium“ mit 55 Lautsprechern auf<br />

zehn in der Kugel von oben nach unten verlaufenden Ringen verteilt gebaut. Die Kugel wurde schnell<br />

zur Hauptattraktion, dort bekam man eine Vorstellung von der von Stockhausen begründeten „Raum-<br />

Musik“: der Vorläufer des „Surround-Systems“. Im Raum ist seine Musik seit einiger Zeit aber auch in<br />

anderem Sinne: Sein Werk „Hymnen“ fl iegt in einer Raumsonde einer noch unbekannten Intelligenz<br />

entgegen. Musik im Raum hat Stockhausen auch für Orchester als Meilenstein der Musikgeschichte<br />

komponiert: Sein selbst von Igor Stravinsky hochgelobtes Werk „Gruppen“ war das erste, bei dem<br />

man ein Orchester live stereo spielen hörte. Nicht wie sonst, Trompeten von rechts, Streicher von<br />

links, die übliche orchestrale Langeweile. Nein! Der innovative Komponist teilte ein großes Orchester<br />

in drei kleine, fast gleich instrumentierte Orchester auf, jedes mit eigenem Dirigenten und fast<br />

gleichen Noten, alle drei in einem Raum. Dadurch, daß nicht immer alle drei Orchester gleichzeitig,

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