konzerte04-pressemappe.pdf - Berliner Festspiele
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Hanspeter Kyburz<br />
1960 in Lagos/Nigeria als Sohn schweizer Eltern geboren, ist ein intellektuell brillanter, vielseitig interessierter<br />
und umfassend gebildeter Musiker. Sein internationale Anerkennung genießendes Schaffen<br />
gründet auf kritischer Refl ektion und tief greifenden theoretischen Überlegungen, zeichnet sich aber<br />
dennoch durch Frische und Spontaneität aus. Seit 1997 ist Hanspeter Kyburz Professor für Komposition<br />
an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Manche seiner Studenten haben sich<br />
schon selbst zu profi lierten Komponisten entwickelt wie Johannes Maria Staud.<br />
In seinem neuen Streichquartett, das im Sommer dieses Jahres beendet wurde, geht Kyburz von einer<br />
einfachen Grundidee aus, entfaltet diese systematisch und gelangt dabei zu einer engen Verzahnung<br />
von Faktur und formalen Verläufen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die in der neueren<br />
Quartettliteratur vielfach thematisierte Frage, wie das Verhältnis der vier Instrumentalstimmen zueinander<br />
überhaupt organisiert werden könne. Eine erste, nahe liegende Möglichkeit ist die, ein Instrument<br />
aus der Gruppe der anderen herauszuheben, also dem Typus Solo und Begleitung zu folgen.<br />
Den offenbaren Gegenpol zu diesem hierarchischen Verhältnis bildet das gleichmäßige Sich-Einordnen<br />
aller vier Stimmen in ein übergeordnetes, homogenes Ganzes. Zwischen dieser nach Kyburz‘<br />
eigener Formulierung integrativen Schreibweise und der solistischen steht vermittelnd eine dritte, polyphon-kontrapunktische.<br />
Hier ist jede Stimme für sich individuell und charakteristisch behandelt, und<br />
aus dem Miteinander unabhängiger Verläufe entsteht eine spezifi sche konstruktive Spannung. Diese<br />
verschiedenartigen Schreibweisen erhalten auch eine formale Qualität. Soll jedem Instrument die<br />
Möglichkeit gegeben werden, sich solistisch hervorzuheben, ergeben sich vier Abschnitte, die durch<br />
den Wechsel der Soloinstrumente individuell geprägt sind. Diese Anzahl wird auch auf die integrative<br />
und die polyphone Schreibweise übertragen, so dass sich das ganze Quartett aus 12 überschaubaren,<br />
deutlich voneinander abgesetzten Formgliedern zusammensetzt.<br />
Die Reihenfolge lautet im einzelnen:<br />
polyphon - Solo: Violine 1 - integrativ - polyphon - integrativ - Solo: Cello -<br />
integrativ - polyphon - Solo: Viola - polyphon - Solo: Violine 2 - integrativ<br />
Die Anordnung folgt keinem festen Schema, sondern ist dem Prinzip ständigen Wechsels verpfl ichtet.<br />
Dabei ergeben sich die verschiedensten Konstellationen und Zusammenhänge. Der Gefahr formaler<br />
Zersplitterung wirkt Kyburz entgegen, indem er vielfältige Korrespondenzen und motivische Beziehungen<br />
zwischen den einzelnen Abschnitten schafft.<br />
Volker Rülke