konzerte04-pressemappe.pdf - Berliner Festspiele
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Inhaltsverzeichnis<br />
Interzone<br />
Quatuor Diotima<br />
Saariaho | Debussy<br />
Karlheinz Stockhausen | Die Klavierstücke<br />
Asko & Schönberg Ensemble<br />
Avanti! Ensemble<br />
Jos van Immerseel<br />
Berenice<br />
Klangforum Wien<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
Telefon + 49 - 30 - 254 89 - 223 | Telefax +49 - 30 - 254 89 - 155 | presse@berlinerfestspiele.de | www.berlinerfestspiele.de<br />
MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo
Interzone<br />
Lieder und Bilder<br />
Musik · Enno Poppe<br />
Video und Raum · Anne Quirynen<br />
Libretto · Marcel Beyer<br />
Uraufführung · Auftragswerk der <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />
ensemble mosaik<br />
Dirigent · Jonathan Stockhammer<br />
Stimme · Omar Ebrahim<br />
Neue Vocalsolisten Stuttgart<br />
Do 2. | Sa 4. | So 5. September 20.00 Uhr<br />
Haus der <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />
3. September | 20.00 Uhr<br />
Haus der <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong>, Foyer<br />
Marcel Beyer liest neue Texte<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
Telefon + 49 - 30 - 254 89 - 223 | Telefax +49 - 30 - 254 89 - 155 | presse@berlinerfestspiele.de | www.berlinerfestspiele.de<br />
MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo
Sprechen und singen lassen<br />
Like Spain, I am bound to the past.<br />
In einer Ecke des Raums steht eine aus Sperrholzplatten und Wolldecken improvisierte Aufnahmekabine.<br />
Draußen spielen Moabiter Kinder Fußball, irgendwo wird Rasen gemäht oder Parkett geschliffen.<br />
Alle lauschen, niemand spricht. Omar Ebrahim, der aus London gekommen ist, um einige Passagen<br />
auf Band zu sprechen, ehe er sich in nächster Zeit vor allem auf seine Singstimme konzentrieren<br />
wird. Anne Quirynen, die mit ihm in der abgeschotteten Kabine steht und für ihre Videoinstallation<br />
sein Gesicht beim Sprechen fi lmt. Draußen Enno Poppe und ich, dazu Josh Martin, der Toningenieur.<br />
Und endlich wieder Stille. Hinter dem Vorhang setzt die leise Stimme in angenehm klarem britischen<br />
Ton noch einmal an.<br />
Gibraltar lies behind us,<br />
with the rock apes clinging to their Rock,<br />
with English marmelade and bags of tea<br />
and HERRENUNTERWÄSCHE.<br />
Clinging always to less and less.<br />
Die Vorstellung, einen eigenen Text aus dem Mund eines anderen Menschen gesprochen zu hören,<br />
hat für mich immer etwas Unheimliches gehabt. Nicht aus Mangel an Zutrauen, sondern weil es mir<br />
auf eine Weise unstatthaft erschien, jemandem meine Worte in den Mund zu legen, selbst wenn er<br />
damit eine Figur darstellt: Für meine Worte muß ich einstehen, ich muß ihnen meine Stimme, dieses<br />
angreifbare Organ, leihen, und kann mich nicht als Autor hinter den stillen Buchstaben verschanzen,<br />
indem ich den Text jemand anderem zum Vortrag überlasse.<br />
Like me: light luggage, WECHSELHEMD<br />
and MELKFETT and a pair of socks,<br />
my tape-recorder, my books for the mountains,<br />
the BIENENLEHRE (Karl von Frisch),<br />
and Cities of the Red Night. And then.<br />
Africa lies ahead.<br />
Hier spricht eine Figur, auf ihrer Überfahrt nach Tanger, wo William S. Burroughs in den fünfziger<br />
Jahren gelebt und »Interzone« geschrieben hat, ein Manuskript, aus dem sein Roman »Naked Lunch«<br />
werden sollte. Eine Figur auf dem Weg in die Berge, auf Bienensuche. Mit »Cities of the Red Night«<br />
hat sie ein Buch von Burroughs im Gepäck: Eine Parallelfi gur mit eigener Stimme, kein Stimmenimitator,<br />
der sich dem Autor anverwandelt.<br />
The pounding engine, wind and spray around us.<br />
All passengers on deck are smoking.<br />
Nobody speaks. But inside they are talking,<br />
I suppose, like me.<br />
Human voices – the last thing I could stand right now.<br />
Ich habe einen Text geschrieben, doch nicht für meine Stimme, nicht in meiner Sprache. Die Stimme<br />
gehört Omar Ebrahim, und seiner Sprech-, seiner Singstimme, die ich bislang nur wortlos kenne,
gehört jetzt der Text, so wie in naher Zukunft allen Stimmen, die diese Worte aufnehmen und formen<br />
werden. Wenn ich schreibe, besteht für mich keine Unklarheit darüber, wie ein Text gesprochen<br />
werden soll, ich höre die Worte beim Schreiben. Zum erstenmal fi nde ich mich nun in einer Rolle, die<br />
für jemanden, der komponiert und die entstandene Partitur mit den Interpreten einstudiert, selbstverständlich<br />
ist: Was ich im Ohr habe, will vermittelt sein.<br />
Der Sprecher, glaubte ich, wird unwillkürlich zur Figur, sobald er den Text spricht, aber während wir<br />
– Omar, Enno und ich – uns über Betonungen verständigen, über Pausen, Tempo und Dynamik,<br />
begreife ich: Die Figur ist jemand Drittes, jemand, der im Zusammenspiel entsteht, und wir versuchen<br />
gemeinsam, ihn im Text zu hören.<br />
We travel, and the insects follow us<br />
from continent to continent.<br />
Wasps, moths, moskitoes, dragonfl ies –<br />
never you care about the black spots in the air,<br />
the red spots on the wall, you take a shoe,<br />
you take them between thumb and index fi nger,<br />
Und wie Omar mit den deutschsprachigen Wörtern umgeht, die ich, als Aussetzer, als Störgeräusche,<br />
als mögliche Hürden in das englische Umfeld gesetzt habe: Wie er mithilfe seiner Kehle, Zunge, Zähne<br />
eine fast aufreizende Verlorenheit entstehen läßt.<br />
I was a MEISTER, sure, and crack,<br />
William S. Burroughs war ein Stimmensammler. Ein Schriftsteller, dessen Ohr offenbar um so schärfer<br />
wurde, je mehr er selbst redete – er fi ng das Gehörte auf und gab es umgehend zurück. Burroughs<br />
als Mikrophon, als Verstärker, und Burroughs als Box. Der Hip-Talk, der Ton von Südstaatenstimmen,<br />
von Staatsschützern und Exilexistenzen. Was ihm als Text unter die Augen kam, konnte in die eigenen<br />
Bücher einfl ießen, konnte verarbeitet, verfremdet, verschnitten werden, Heftchenromane, Weltverschwörungspamphlete,<br />
Shakespeare, Coleridge oder T. S. Eliot. Aus dessen »Waste Land«, einer<br />
Parallelwelt zur »Interzone«, griff Burroughs das Motiv des unbekannten, unsichtbaren, imaginierten<br />
Dritten heraus, »Who is the third who always walks beside you?«, und ließ es zum »Third Mind« werden,<br />
jener zusätzlichen Instanz, die automatisch immer dann entstehe, wenn zwei zusammenarbeiten.<br />
Als Enno und ich anfangs überlegten, wie mit William S. Burroughs und »Interzone« umzugehen sei,<br />
waren wir uns rasch einig, daß wir nicht der autobiographischen Spur folgen wollten, die sich durch<br />
die Bücher zieht und Burroughs-Adaptionen häufi g zu biographischen Skizzen einer Kultfi gur werden<br />
läßt. Uns lag nicht an der Illustration anekdotischen Materials oder der zeitlebens geraunzten Weltrettungsthesen.<br />
Nicht das Reden von Energie, sondern die Energie der Rede: Das Wort, der Rhythmus,<br />
der Ton. Daraufhin las ich nach zehn Jahren das Werk von Burroughs wieder und entdeckte neben<br />
den Ausbrüchen, dem Aufbegehren, den Beschwörungen und Klagen und schneidenden Einwürfen<br />
eine Tonlage, die mir seinerzeit entgangen war: eine zunächst untergründige, im Alter immer klarer<br />
herauszuhörende Melancholie.<br />
yet one morning you wake up and notice:<br />
this is the day you see through compound eyes.<br />
It takes some time to realize: you may
or may not close your eyes,<br />
but there is no way back.<br />
Worauf wir uns mit »Interzone« einließen, konnten wir zu Beginn der knapp zweijährigen Arbeit nicht<br />
wissen. Bald ging, während Enno Klänge skizzierte, hin und her, was ich als Textvorlage anbot. Dies<br />
ging mit Streichungen, Umstellungen, Ergänzungen einher – das Zusammenspiel von Arbeit an der<br />
Musik und Arbeit am Text wirkte stellenweise bis in Fragen nach der Silbenzahl oder der Verteilung<br />
von Vokalen und Konsonanten hinein.<br />
Dabei zeigte sich, daß wir, obwohl auf verschiedenen Feldern tätig, ähnliche Vorstellungen vom<br />
Vorgehen haben. Ganze Komplexe können im Arbeitsverlauf gekippt werden, sobald sich eine neue<br />
Perspektive abzeichnet, ein breit angelegtes Motiv kann auf ein Kürzestmoment reduziert werden,<br />
jede Verschiebung von Material hat Konsequenzen für die Gesamtdramaturgie, sei es auf musikalischer<br />
oder auf textlicher Ebene. Aber die Alpträume, weil man zwischenzeitlich den Boden unter den<br />
Füßen verliert, werden immer wieder aufgewogen vom Rausch, der sich einstellen kann, da alles in<br />
Bewegung begriffen ist.<br />
Omar spricht, Anne fi lmt seinen Mund, Enno und ich lauschen. Das Geschriebene, seien es Noten<br />
oder Wörter, verwandelt sich in der Realisierung noch einmal. Während er den Prolog aufnimmt,<br />
überliest Omar eine Zeile, merkt es, und setzt neu an. Seltsamerweise aber hat er genau jenen Einschub<br />
übersprungen, der mir schon beim Schreiben ein leichtes Unbehagen bereitete, ohne daß ich<br />
hätte sagen können warum. Jetzt ist der Beweis erbracht: Die Stelle hat ihre Probe nicht bestanden,<br />
sie wird gestrichen. Vielleicht gehören diese Worte einfach nicht zur Figur. Denn die Figur ist in der<br />
Stimme, oder sie ist nirgendwo.<br />
Marcel Beyer
Marcel Beyer<br />
Geboren am 23. November 1965 in Tailfi ngen/Württemberg. Marcel Beyer ist in Kiel und in Neuss<br />
aufgewachsen. Er studierte Germanistik, Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft in Siegen,<br />
lebte aber bis 1996 in Köln. Seit 1987 trat er gemeinsam mit dem Lyriker Norbert Hummelt in Literatur-Performance-Projekten<br />
auf, bis 1992 fi rmierten sie unter dem Namen „Postmodern Talking“. 1988<br />
richtete er das Friederike-Mayröcker-Archiv der Wiener Stadt- und Landesbibliothek ein. 1991 schloß<br />
er sein Magister-Studium mit einer Bibliographie zu Friederike Mayröcker ab. 1989-2000 war er<br />
zusammen mit Karl Riha Herausgeber der Reihe „Vergessene Autoren der Moderne“ (Uni/GH Siegen)<br />
und 1988-1994 Redakteur der Reihe „experimentelle texte“ (ebenfalls Universität Siegen). 1990-1993<br />
war er Lektor für Lyrik bei der Literatur-Zeitschrift „Konzepte“, 1992 bis 1998 Mitarbeiter des Musik-<br />
Magazins SPEX.<br />
Nachdem er bereits für seinen Debütroman „Das Menschenfl eisch“ hervorragende Rezensionen und<br />
mehrere Auszeichnungen erhielt, brachte ihm der Roman „Flughunde“ den Durchbruch. Das Buch<br />
wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Beyer selbst arbeitet auch als Übersetzer aus dem Englischen<br />
und ins Englische (u. a. Max Ernst, e. e. cummings, Norbert Hummelt, William S. Burroughs, Gertrude<br />
Stein, Kurt Schwitters) sowie aus dem Estnischen. 1998 arbeitete er gemeinsam mit Katrin Achinger<br />
und Matthias Arfmann an einem Projekt zu Brion Gysin. Im Sommersemester 1999 wurde er als<br />
Gastdozent an das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig berufen, im Sommersemester 2000<br />
übernahm er die Poetik-Gastprofessur an der Universität Bamberg, 2002 die Paderborner Gastdozentur<br />
für Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Gastdozenturen, Vortragsreisen und Aufenthalte als<br />
„writer in residence“ führten ihn außerdem nach London, Warwick, New York, Tokio, Kobe und zur<br />
Raketenstation Hombroich. Unter den zahlreichen Preisen und Auszeichnungen für Marcel Beyer sind<br />
die Johannes-Bobrowski-Medaille 1996, der Uwe-Johnson-Preis 1997, der Heinrich-Böll-Preis 2001<br />
und der Hölderlin-Preis 2003. Marcel Beyer lebt seit 1996 in Dresden.<br />
Veröffentlichungen (Auswahl):<br />
Das Menschenfl eisch. Roman. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1991.<br />
Walkmännin. Gedichte 1988 / 1989. Neu-Isenburg: Patio 1991 (200 Ex).<br />
Flughunde. Roman. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1995.<br />
Falsches Futter. Gedichte. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1997.<br />
Spione. Roman. Köln: Dumont 2000.<br />
Zur See. Prosa. Radierungen: Andreas Zahlaus. Berlin: Uwe Warnke 2001 (20 Ex.).<br />
Erdkunde. Gedichte. Köln: Dumont 2002.<br />
Nonfi ction. Köln: Dumont 2003.<br />
>>> Marcel Beyers Libretto zu „Interzone“ schicken wir Ihnen bei Interesse gerne zu!
Porträt Enno Poppe<br />
Enno Poppes Kompositionen leben von einer drängenden Grundhaltung, einer vorwärts strebenden<br />
Energie, die aus den Konfl ikten eines linear entwickelnden und eines statischen Denkens hervorgeht.<br />
Aus der Parallelität eigenständiger melodischer Ereignisse ergibt sich eine energetische, mit Informationen<br />
aufgeladene Musik, deren Dichte durch komplexe metrisch-rhythmische Verhältnisse noch<br />
gesteigert wird. Poppes Stücke zeigen sich als starke, sperrige Charaktere, deren innere Widersprüche<br />
das Hören herausfordern.<br />
Poppe arbeitet mit musikalischen Systemen, oder konkreter: mit den Schwächen dieser Systeme.<br />
Es geht ihm darum, deren Regeln und Normen zu testen und sie bis zur Selbstaufl ösung zu führen.<br />
Dafür sucht er gezielt nach Wegen und Mitteln, die in diesen selbst auferlegten Beschränkungen versteckt<br />
sind. Der Umgang mit Fehlern des Systems und das Provozieren von Störungen in den scheinbar<br />
beständigen Prozessen bringt das Individuelle der Systeme hervor. Das Chaos in der Ordnung ist<br />
das Kraftzentrum von Poppes Musik. Sie gewinnt ihre Form(en) aus einer unablässigen Verwandlung<br />
eines Grundgedanken. Und genau das ist der Antrieb ihrer Entwicklung: sie verläuft nicht permutativ<br />
wiederholend sondern argumentativ weiterführend. In motivischer wie formaler Hinsicht.<br />
Immer wieder lehnt sich das musikalische Geschehen gegen seine vermeintlich geradlinig vorgezeichnete<br />
Richtung auf. Das melodisch enge Spiel zweier Tuben führt das vielgestaltige Öl (2001) für<br />
Ensemble bestimmt seinem Ende entgegen und reagiert somit ebenfalls auf die Anforderungen und<br />
Einschränkungen seines Systems, so wie das Ensemblewerk Scherben (2000/2001) sich mit ausladenden<br />
Entwicklungen gegen seine kleingliedrige Matrix wendet. Knochen (1999/2000) für Ensemble<br />
wiederum, ein mächtiges mehrteiliges Werk in einem Satz, sucht und fi ndet beständig verschiedenste<br />
Analogien und schafft auf diese Weise ein komplexes Gebilde. Das Material ist dabei immer einer<br />
kritischen Kontrolle ausgesetzt und kann - wie etwa im Quintett Gelöschte Lieder (1996-99) – auch<br />
formgebend wirken.<br />
Einzelne Gestalten pendeln aus, die Linien verlieren ihren Zusammenhalt, werden aber erneut gebündelt<br />
und fi nden sich in anderen, neuartigen Formzusammenhängen wieder.<br />
Poppe verbindet ein Denken in strengen, geordneten Formen mit einem freieren, entwickelnden<br />
melodischen Verständnis. Hierin offenbart sein melodiebildendes Prinzip eine Ähnlichkeit zu improvisatorischen<br />
Konzepten, die ebenfalls auf eine assoziative Entwicklung ausgerichtet sind. Richtungweisend<br />
ist eine klar strukturierte Keimzelle. Der aus ihr entworfene Verlauf wird allerdings beständig<br />
gestört, er wird durch andere, quasi alternative Ereignisse offen gehalten. So vollzieht sich die<br />
Entwicklung organisch: das musikalische Geschehen ist verzweigt, der tatsächliche Verlauf oft nicht<br />
voraussehbar.<br />
Jedoch ist das plötzlich einbrechende Material kein Fremdkörper, es ist der Keimzelle beigegeben als<br />
negative Bestimmung der Idee selbst.<br />
In Bezug auf die Werke Holz, Knochen und Öl spricht Poppe von „vieldeutige(n) Chiffren des Organischen.<br />
Die Andeutung einer musikalischen Grundsubstanz“ ist der einende Gedanke, der je nach den<br />
Eigenheiten des einzelnen Organismus geformt ist. Ob perkussive Strukturen nun ausgeweitet oder<br />
in den Hintergrund verschoben werden, ob die klangliche Härte von Differenztönen unerbittlich den<br />
Ensembleklang zersetzt oder mikrotonale Färbungen schillernd schmierende Flächen erzeugen, die<br />
Stücke vermitteln stets eine emotionale Direktheit, der man sich nicht entziehen kann.
Poppes Musik lebt von der inneren Spannung ihrer klaren Struktur. Obwohl die Regeln und Normen<br />
streng konstruierter Systeme keine Abweichungen zulassen, ist diese Musik voll von unerwarteten<br />
Wendungen, die – das ist der Kern von Poppes Konzeption - systemimmanent sind: nichts geschieht,<br />
was nicht logisch ableitbar ist. Veränderungen ergeben sich aus der Refl exion des Gewesenen, der<br />
musikalische Organismus pulsiert: sobald sich Gestalten und Formen stabilisieren, werden sie wieder<br />
gestört oder zerbrochen. Diese Vorgänge sind immer fasslich präsent, das musikalische Ringen mit<br />
der Unerbittlichkeit der prozessualen Abläufe ist jederzeit spürbar.<br />
Trotz eines sehr differenzierten Umgangs mit den farblichen Möglichkeiten größerer Ensemblebesetzungen<br />
versteckt Enno Poppe nichts in seiner Musik. Hier gibt es keinen Klang um seiner selbst<br />
willen oder gar einen in diesem Kontext ästhetisch fragwürdigen Schönklang. Alles erwächst aus<br />
einem musikalischen Grundgedanken, der wiederum einer harten Dialektik entspringt und unablässig<br />
hinterfragt wird. Und dies verleiht Poppes Musik ihren drängenden und herausfordernden Charakter.<br />
© Ricordi & Co., Kai Lothwesen
Enno Poppe<br />
Enno Poppe ist Komponist, Pianist und Dirigent. Er wurde 1969 in Hemer im Sauerland geboren,<br />
studierte Dirigieren und Komposition an der Hochschule der Künste Berlin, u.a. bei Friedrich Goldmann<br />
und Gösta Neuwirth, und machte Spezialstudien im Bereich Klangsynthese und algorithmische<br />
Komposition an der TU Berlin sowie am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe. Seit<br />
1998 ist er musikalischer Leiter des ensemble mosaik und seit 1999 Lehrbeauftragter an der Hochschule<br />
für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, u.a. den Boris-Blacher-Preis<br />
(1998), den Kompositionspreis der Stadt Stuttgart (2000), den Busoni-Preis (2002), einen<br />
Förderpreis für Komponisten der Ernst von Siemens Musikstiftung (2004) und mehrmals das <strong>Berliner</strong><br />
Senatsstipendium für Komposition; 2002/03 lebte er als Stipendiat der Akademie Schloss Solitude<br />
in Stuttgart. Kompositionsaufträge erhielt er u.a. vom Ensemble Modern, vom Klangforum Wien, vom<br />
DSO Berlin und vom WDR Köln.<br />
Enno Poppe arbeitet sehr bewusst mit dem kompositorischen Material. In einem Interview für das Ensemble<br />
Modern erklärte er, Spontaneität sei ihm suspekt. Grundsätzlich gebe es immer einen kreativen<br />
Konfl ikt zwischen musikalischen Details („Einfällen“) und einer formalen Planung („Dramaturgie“),<br />
zwischen dem Entwerfen von Systematiken und dem signifi kanten Verstoßen gegen die eigenen<br />
Regeln. Aus dieser Dialektik treibt er seine Werke hervor, indem er bei der Verwandlung der Grundgedanken<br />
einer Komposition den immanenten Entwicklungstendenzen der Klänge Widerstand leistet.<br />
Werke (Auswahl)<br />
Gelöschte Lieder für Fl., Cl., Vl., Vc. und Klav. (1996-1999). UA 1999 Boswil durch das Klangforum<br />
Wien<br />
Holz für Klarinette und kleines Ensemble (1999/2000)<br />
Knochen für Ensemble von 16 Instrumenten (1999/2000). UA 2000 Wien durch das Ensemble Modern<br />
Öl für Ensemble von 16 Instrumenten (2001)<br />
Scherben für Ensemble von 11 Instrumenten (2000/01). UA Wittener Tage für Neue Kammermusik<br />
2001<br />
Herz für Cello solo (2002)<br />
Streichquartett (2002)<br />
Wand für Ensemble von 14 Instrumenten (2002/03). UA Wittener Tage für Neue Kammermusik 2003<br />
>>> Den Hintergrundtext „Lob des Zwischenraums: ‚Interzone‘ von Enno Poppe“ schicken wir Ihnen<br />
bei Interesse gerne zu!
Das Facettenauge<br />
Nicht jedes Bild, das sich bewegt, markiert das Kino.<br />
Das Facettenauge der Biene setzt sich aus 5000 Einzelaugen zusammen. Rot sehen sie als schwarz,<br />
weiß als blau oder grün.<br />
Aus dem Schwarz werden Grautöne. Auf acht Leinwänden ist ein Gesicht zu sehen, sich selbst<br />
zu- oder abgewandt, in schwarzweiß. Die Stimme sagt: „...mein Recorder, und Bücher für die Berge,<br />
vergilbt, mit schwarzen Flecken auf den Seiten: Die Bienenlehre (Karl von Frisch), Städte der Roten<br />
Nacht.“<br />
Rote, blaue, grüne Farbsplitter tauchen auf, in Schulterhöhe, zwischen Gesicht und Körper.<br />
„Dies ist der Tag, an dem Du mit Facettenaugen siehst.“<br />
Aus der Dunkelheit erscheint magisch – wie aus einem Stummfi lm ausgekoppelt - ein Arm, eine<br />
Hand, eine Geste, die einlädt, etwas präsentiert, etwas fordert.<br />
Schon Aristoteles hatte beobachtet, dass Blüten zunächst nur von einer Biene besucht werden, dann<br />
folgt ein ganzer Schwarm - die erste Biene informiert ihre Artgenossen. Die Nachrichtenübermittlung<br />
erfolgt im Stock in Form eines Tanzes. Während des Tanzes gibt die Biene „Geräusche“ von sich,<br />
Töne mit einer Frequenz von 280 Herz. Die Stummfi lminsekten drängen sich an die tanzende Biene.<br />
So nehmen sie die Vibrationen wahr.<br />
Kaleidoskopartig erscheinen Straßen, Autos und hochgewachsene Gebäude in den warmen Farben<br />
der Dunkelheit, als gäbe es leuchtende, dunkle Pastelltöne. Die Fassaden der Häuser mit ihren vielen<br />
Fenstern sind das angehaltene Bild, das Ergebnis eines Schüttelns, Zittterns, Drehens, Schwankens,<br />
oder das Facettenauge, in dem sich der tausendfach gebrochene Blick in die Welt spiegelt: In Bombay<br />
tasten sich die Menschen an der Mauer entlang. Am <strong>Berliner</strong> Alexanderplatz stehen die Häuser<br />
noch aufrecht. Die Konturen Chicagos haben Ansichtskartenkartenqualität. In New York hängt das<br />
Auge an Ground Zero.<br />
Im Publikum hat der einzelne Zuschauer je nach Sitzposition sein eigenes Kaleidoskop: der Ort seines<br />
Körpers gibt die Blickrichtung vor. Die frontal gewordene Betrachtung fügt die kreisförmig angeordneten,<br />
unterschiedlich hoch gehängten Leinwände wie Splitter zu einem fl ächigen Bild zusammen.<br />
Die Räume zwischen den Leinwänden geben sich gleichzeitig als Sehschlitze eines Zoetrops, dem<br />
Vorläufer des Kinos, zu erkennen. Sie geben den Blick frei auf die Bewegung, die nicht aus einem<br />
Kreisen des Apparates heraus entsteht, sondern in den Bildern selbst liegt. Ihre Choreographie besteht<br />
darin, von einer Leinwand zur nächsten zu wandern. Ins Schwarz getaucht wird die Außenhaut<br />
des „Lebensrades“ ebenso zur Projektionsfl äche wie der fl üchtige Blick in sein Inneres. Dort sitzt der<br />
Ton. Er ist vom Bild getrennt und kommt doch aus seiner Mitte. Ventilatoren stellen nach dem gleichen<br />
kreisförmigen Prinzip die Atmung sicher.<br />
Es ist Tag geworden. Die hohen Häuser setzen sich zu klaren Bildern zusammen. Junge Männner<br />
liegen im grünen Gras und telefonieren. Die Helligkeit wird zu gleißendem Licht, aus der Ewigkeit erscheint<br />
das Gesicht und spricht: „When there was green around, the green taste in my mouth. There<br />
goes my frequency. I‘m on now...“<br />
Aus dem hellen Weiß des Sonnenlichts ertönen Arien. Insekten bevölkern Blumen und Pfl anzen in<br />
irrealen Farben. In der verschwommenen Pfl anzenoberfl äche zeichnet sich eine Rasterung ab, die an<br />
ein Facettenauge erinnert. Ihre Struktur geht über in die von Balken durchzogene Architektur eines<br />
Tanzsaals, in dem runde Lampen hängen.<br />
Die Expo-Weltkugel schiebt sich vor das Licht und läßt das Bild verdunkeln, bis sie selbst im Schwarz<br />
verschwindet. Ein langer Brummton folgt, so lang wie die Dunkelheit.
Wenn alle Sänger singen, schwinden die Worte. „Word is devided into units / which be all in one piece.“<br />
So wie Sätze zur Soundcollage werden, werden Bilder zu Farb- und Lichtstrukturen. Aus Bombay<br />
trifft uns der nicht dechiffrierbare Blick einer Frau. Aus der Menschenmenge streckt sich eine<br />
Hand in den Himmel, wie, um zeigen, dass da noch jemand ist. Eine Person wird zu Licht, zur Substanz<br />
der Projektion. Die Videobilder bewegen sich ruckartig, als seien sie aus Zelluloid und müßten<br />
einen alten Projektor durchlaufen. Die Mauer beginnt wie die chemische Emulsion eines Filmkaders<br />
auszusehen. Das Bild ist rot, für das Facettenauge der Biene ist es schwarz. „Kaleidoscope of vistas /<br />
Word is out / Word spills of / in all directions / wait“. Das Gesicht ist noch immer schwarzweiß (rotblaugrün);<br />
es bewegt die Lippen und möchte etwas sagen. Immer und immer wieder, Lippensynchronität<br />
in der endlosen Wiederholung des Loops.<br />
Nicht jedes Bild, das sich bewegt, markiert das Kino. Das Kino führt aus der Dunkelheit durch das<br />
Licht der Projektion an andere Orte. Es ist magisch, aber nicht heilig. Die Videoinstallation INTER-<br />
ZONE, die den Ton vom Bild abgetrennt in seinem Inneren verbirgt, durchdringt die Historizität des<br />
Kinos. Sie verweist auf das Kino als Installation in der Zeit. Nicht, indem sie seine Entwicklungsstufen<br />
musealisiert. Sondern durch die Vibrationen des Tanzes, bei dem sich Splitter zum fraktalen Bild zusammenfügen<br />
und das Auge je nach Position des Körpers darauf gerichtet ist. In der Möglichkeit der<br />
Vielfalt der Bewegung treffen sich Stumm- und Experimentalfi lm, Videoinstallation und Kinovorläufer,<br />
die Musik und das Bild; sie entfalten Architektur des Bienenstocks.<br />
Stefanie Schulte Strathaus
Anne Quirynen<br />
Anne Quirynen wurde 1960 in Sint-Niklaas (Belgien) geboren. Sie studierte Kunstgeschichte in<br />
Leuven und Videokunst an der Hogeschool Sint-Lukas in Brüssel. Nach ihrem Abschluss 1988 kehrte<br />
sie als Dozentin an die Katholische Universität Leuven zurück, wo sie die Abteilung für Videokunst<br />
leitete, parallel zur gleichen Aufgabe am Vlaams Theater Instituut Brüssel.<br />
Seit 1993 arbeitete sie freischaffend sowie u.a. mit William Forsythe, Anne Teresa De Keermaeker<br />
und Wim Vandekeybus zusammen. Sie gehörte 1994 zu den Begründern der unabhängigen Produktionsfi<br />
rma für Digitale Kunst „De Filmfabriek“. Ein Stipendium des Nipkow Programms führte sie 1999<br />
nach Berlin, im folgenden Jahr besuchte sie in Babelsberg einen Fortbildungskurs für Digitale Filmproduktion.<br />
Anne Quirynen lebt als freischaffende Regisseurin in Berlin. Ihre Filme und Videoinstallationen werden<br />
auf internationalen Festivals wie dem International Festival of New Film Split, Rotterdam Filmfestival,<br />
European Media Art Festival Osnabrück, World Wide Video Festival Den Haag oder Art & Video<br />
in Europe Kopenhagen gezeigt wie auch in Kunstzentren wie dem Centre Pompodou Paris, dem<br />
MoMA New York, dem Stedelijk Museum Amsterdam oder dem Nippon Cultural Centre Tokyo.<br />
Werke (Auswahl)<br />
Digitale Filme:<br />
Dance, I think the body likes to move (1990), Dokumentarfi lm über Steve Paxton, William Forsythe<br />
and Michèle Anne De Mey<br />
The Way of the Weed (1997)<br />
In a landscape (2001)<br />
The Lady is Hungry (2003)<br />
Videoinstallationen:<br />
The Mindmachine of Dr. Forsythe (1993)<br />
Faustae Tabulae (1995)<br />
Everything will be allright (1997)<br />
Jetzt (2000)
JONATHAN STOCKHAMMER<br />
Jonathan Stockhammer wurde 1969 in Los Angeles geboren. Seinen Durchbruch als Dirigent erlebte<br />
er 1994, als er kurzfristig eine Konzertserie des Los Angeles Philharmonic Orchestra übernahm. Als<br />
Assistent von Esa-Pekka Salonen begleitete er anschließend das Orchester auf einer Europa-<br />
Tournee. Stockhammer hat zahlreiche bedeutende Aufführungen von zeitgenössischen Werken<br />
geleitet, z.B. die holländische Erstaufführung von Peter Eötvös‘ Oper Drei Schwestern 1999 in<br />
Utrecht, die Uraufführung von Paul-Heinz Dittrichs Zerbrochene Bilder 2001 in Rheinsberg oder die<br />
norwegische Erstaufführung von Marc Anthony Turnages Twice Through the Heart in Oslo.<br />
Weitere Dirigate führten ihn zur Triennale Köln, zum Holland Festival und dem Festival UltraSchall in<br />
Berlin. In den letzten Jahren arbeitete er u.a. mit dem Ensemble Modern, Kammerensemble Neue<br />
Musik Berlin, Ensemble Resonanz (Hamburg) und dem Volharding Orkest. Seit 1998 ist er Lehrbeauftragter<br />
an der Musikhochschule Köln.<br />
Omar Ebrahim<br />
Der Bariton Omar Ebrahim begann seine Laufbahn 1964 als Knabe im Chor der Kathedrale von<br />
Coventry. Nach dem Studium an der Guildhall School of Music and Drama in London debütierte er<br />
1980 als Schaunard in La Bohème mit der Glyndebourne Touring Opera.<br />
Neben Erfolgen in großen klassischen Rollen wie Macbeth oder Escamillo hat er sich vor allem einen<br />
Namen als Interpret zeitgenössischer Musik gemacht, z.B. wiederholt in Ligetis Aventures & nouvelles<br />
aventures mit dem Ensemble InterContemporain und Ensembles des DSO Berlin und des Los<br />
Angeles Philharmonic Orchestra. Hauptrollen in Opern von John Casken, Luciano Berio oder Nigel<br />
Osborne sang er u.a. in Glyndebourne, am Royal Opera House London, in Almeida und am Théatre<br />
de la Monnaie Brüssel.
Das ensemble mosaik entstand 1997 aus einer Initiative junger Instrumentalisten und Komponisten<br />
der Hochschule der Künste Berlin als Solistenensemble für Neue Musik. Neben Portraitkonzerten mit<br />
Komponisten wie Orm Finnendahl, Gösta Neuwirth, György Ligeti oder Rebecca Saunders<br />
legt das Ensemble besonders Wert auf die Zusammenarbeit mit jüngeren, noch weniger bekannten<br />
Komponisten.<br />
Der ersten Einladung auf ein internationales Festival 1998 nach Barcelona folgten zahlreiche weitere,<br />
u.a. zur Musik-Biennale Berlin 2001, zu musica viva München, den Donaueschinger Musiktagen<br />
und TRANSIT Leuven. Seit 2003 ist das ensemble mosaik festes Ensemble für die Wettbewerbs- und<br />
Preisträgerkonzerte des Boris-Blacher Kompositionswettbewerbs.<br />
Besetzung<br />
Bettina Junge Flöten<br />
Simon Strasser Oboe, Englisch Horn<br />
Christian Vogel Klarinetten<br />
Matthias Badzong Klarinetten<br />
Carl Rosman Klarinetten<br />
Martin Losert Saxophone<br />
Sascha Armbruster Saxophone<br />
Christine Paté Akkordeon<br />
Roland Neffe Schlagzeug<br />
Adam Weisman Schlagzeug<br />
Ernst Surberg Klavier, Keyboard<br />
Benjamin Kobler Keyboard<br />
ensemble mosaik
Neue Vocalsolisten Stuttgart<br />
Die Neuen Vocalsolisten – 1984 als Ensemble für zeitgenössische Vokalmusik unter dem Dach von<br />
Musik der Jahrhunderte gegründet – sind seit dem Jahr 2000 ein künstlerisch selbständiges Kammerensemble<br />
für Stimmen.<br />
Acht Konzert- und Opernsolisten, vom Koloratursopran über den Countertenor bis zum schwarzen<br />
Bass, stellen sich in Eigenverantwortung ihren Aufgaben und haben - bei allen Unterschieden der<br />
einzelnen Persönlichkeiten - eine beispielhafte Qualität der Zusammenarbeit, der unprätentiösen und<br />
produktiven Kollegialität entwickelt.<br />
Im Zentrum ihres Interesses steht die Recherche: das Erforschen neuer Klänge, neuer Stimmtechniken<br />
und vokaler Artikulationsformen, wobei dem Dialog mit Komponisten eine große Bedeutung<br />
zukommt. In jedem Jahr werden zwischen 15 und 20 neue Werke für sie geschrieben und von ihnen<br />
uraufgeführt. Das Musiktheater und die interdisziplinäre Arbeit mit Elektronik, Video, bildender Kunst<br />
und Literatur gehören ebenso zum Ensemblekonzept wie die Collage von kontrastierenden Elementen<br />
alter und neuer Musik.<br />
Ein Quintett der Neuen Vocalsolisten beschäftigt sich mit der Interpretation alter Musik – vornehmlich<br />
der Vokalpolyphonie der Hoch- und Spätrenaissance. Damit wird eine Brücke zu den Wurzeln<br />
der „Kammermusik für Stimmen“ geschlagen, wobei die inhaltlichen Beziehungen spannungsreiche<br />
dramaturgische Konzertentwürfe ermöglichen.
Quatuor Diotima<br />
Quatuor Diotima<br />
Violine · Eiichi Chijiiwa<br />
Violine · Nicolas Miribel<br />
Viola · Franck Chevalier<br />
Violincello · Pierre Morlet<br />
Claude Debussy<br />
Streichquartett op. 10<br />
Hanspeter Kyburz<br />
Streichquartett<br />
Uraufführung · Auftragswerk der <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />
und Musica Strasbourg<br />
Henri Dutilleux<br />
Ainsi la Nuit<br />
Do 9. September | 20.00 Uhr<br />
Philharmonie | Kammermusiksaal<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
Telefon + 49 - 30 - 254 89 - 223 | Telefax +49 - 30 - 254 89 - 155 | presse@berlinerfestspiele.de | www.berlinerfestspiele.de<br />
MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo
Debussy Konzerte im Rahmen<br />
von Konzerte | Oper<br />
Werke von Claude Debussy stehen gleich an drei Abenden auf dem Spielplan von Konzerte | Oper.<br />
Kaum ein Komponist aus dem frühen 20. Jahrhundert hat einen so großen Einfl uß auf seine Zeitgenossen<br />
und auf die folgenden Generationen gehabt wie Debussy. Das September-Programm der<br />
<strong>Berliner</strong> Philharmoniker ergänzend bieten die Debussy-Veranstaltungen im Rahmen von Konzerte |<br />
Oper einen Ausschnitt aus dem vielseitigen, kammermusikalischen Werk Debussys,<br />
präsentieren seine Aktualität und neue Facetten.<br />
Neben Henri Dutilleuxs Ainsi la Nuit und der Uraufführung eines Streichquartetts von Hanspeter<br />
Kyburz spielt das Quatour Diotima am 9. September im Kammermusiksaal Debussys Streichquartett<br />
in g-Moll. Wegen seiner (im Vergleich zu klassischen Streichquartetten) scheinbaren strukturellen<br />
Regellosigkeit und fehlender durchgehaltener Polyphonie galt dieses frühe Werk vielen Zeitgenossen<br />
Debussys als konturlos. Heute wird das Gegen- und Miteinander von sehr Verschiedenartigem dagegen<br />
als modern und wegweisend gefeiert.<br />
Neben dem Auftragswerk von Magnus Lindberg und zwei neuen Kammermusik-Werken von Kaija<br />
Saariaho wird ein Ensemble aus hervorragenden Solisten am 10. September wiederum im Kammermusiksaal<br />
der Philharmonie zwei der berühmten späten Sonaten Debussys zu Gehör bringen.<br />
Lindberg und Saariaho, die beide aus Finnland stammen, zählen zu den bedeutendsten Komponisten<br />
unserer Zeit. Beider Werk ist spürbar von der impres sio nistischen französischen Kammermusiktradition<br />
beeinfl usst, die Debussy wie kaum ein anderer mitgeprägt hat. Beide Sonaten entstanden kurz<br />
vor dem Tod Debussys als Teil eines sechsteilig angelegten, aber nie fertiggestellten Zyklus für verschiedene<br />
Besetzungen. In ihrer faszinierenden Komplexität zählen diese Sonaten mit zu den großen<br />
Mysterien der Musikgeschichte.<br />
Die ganz besondere Chance, Marksteine der Klavierliteratur auf ganz neue Art zu erleben, bietet das<br />
Konzert von Jos van Immerseel am 16. September im Kammermusiksaal der Philharmonie. Trotz der<br />
Vielseitigkeit seines Werkes liegt der Schwerpunkt von Debussys Schaffen sicherlich in der Klaviermusik.<br />
Jos van Immerseel wird eine repräsentative Auswahl aus diesem reichen Klavierschaffen auf<br />
Erard Pianos vortragen – Instrumente mit einer ganz eigenen Klangcharakteristik, auf denen Debussy<br />
seine Werke ursprünglich komponierte. Selbst intimen Kennern von Debussys Klavierwerk wird<br />
dieser Abend somit neue Facetten erschliessen können.<br />
Konzerte<br />
Quatour Diotima, Kammermusksaal der Philharmonie am 9. September um 20.00 Uhr<br />
Claude Debussy, Streichquartett op. 10<br />
Kammermusiksaal der Philharmonie, 10. September um 20.00 Uhr<br />
Claude Debussy, Sonate für Flöte, Harfe und Violine + Sonate für Violincello und Klavier<br />
Jos van Immerseel, Kammermusiksaal der Philharmonie, 16. September um 20.00 Uhr<br />
Claude Debussy, Hommage à Rameau, Children‘s corner, no II (Feuilles mortes) und no XII (Feux<br />
d‘artifi ce) aus Préludes, Livre II, Préludes, Livre I
Hanspeter Kyburz<br />
1960 in Lagos/Nigeria als Sohn schweizer Eltern geboren, ist ein intellektuell brillanter, vielseitig interessierter<br />
und umfassend gebildeter Musiker. Sein internationale Anerkennung genießendes Schaffen<br />
gründet auf kritischer Refl ektion und tief greifenden theoretischen Überlegungen, zeichnet sich aber<br />
dennoch durch Frische und Spontaneität aus. Seit 1997 ist Hanspeter Kyburz Professor für Komposition<br />
an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Manche seiner Studenten haben sich<br />
schon selbst zu profi lierten Komponisten entwickelt wie Johannes Maria Staud.<br />
In seinem neuen Streichquartett, das im Sommer dieses Jahres beendet wurde, geht Kyburz von einer<br />
einfachen Grundidee aus, entfaltet diese systematisch und gelangt dabei zu einer engen Verzahnung<br />
von Faktur und formalen Verläufen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die in der neueren<br />
Quartettliteratur vielfach thematisierte Frage, wie das Verhältnis der vier Instrumentalstimmen zueinander<br />
überhaupt organisiert werden könne. Eine erste, nahe liegende Möglichkeit ist die, ein Instrument<br />
aus der Gruppe der anderen herauszuheben, also dem Typus Solo und Begleitung zu folgen.<br />
Den offenbaren Gegenpol zu diesem hierarchischen Verhältnis bildet das gleichmäßige Sich-Einordnen<br />
aller vier Stimmen in ein übergeordnetes, homogenes Ganzes. Zwischen dieser nach Kyburz‘<br />
eigener Formulierung integrativen Schreibweise und der solistischen steht vermittelnd eine dritte, polyphon-kontrapunktische.<br />
Hier ist jede Stimme für sich individuell und charakteristisch behandelt, und<br />
aus dem Miteinander unabhängiger Verläufe entsteht eine spezifi sche konstruktive Spannung. Diese<br />
verschiedenartigen Schreibweisen erhalten auch eine formale Qualität. Soll jedem Instrument die<br />
Möglichkeit gegeben werden, sich solistisch hervorzuheben, ergeben sich vier Abschnitte, die durch<br />
den Wechsel der Soloinstrumente individuell geprägt sind. Diese Anzahl wird auch auf die integrative<br />
und die polyphone Schreibweise übertragen, so dass sich das ganze Quartett aus 12 überschaubaren,<br />
deutlich voneinander abgesetzten Formgliedern zusammensetzt.<br />
Die Reihenfolge lautet im einzelnen:<br />
polyphon - Solo: Violine 1 - integrativ - polyphon - integrativ - Solo: Cello -<br />
integrativ - polyphon - Solo: Viola - polyphon - Solo: Violine 2 - integrativ<br />
Die Anordnung folgt keinem festen Schema, sondern ist dem Prinzip ständigen Wechsels verpfl ichtet.<br />
Dabei ergeben sich die verschiedensten Konstellationen und Zusammenhänge. Der Gefahr formaler<br />
Zersplitterung wirkt Kyburz entgegen, indem er vielfältige Korrespondenzen und motivische Beziehungen<br />
zwischen den einzelnen Abschnitten schafft.<br />
Volker Rülke
Quatuor Diotima<br />
Das Quatuor Diotima wurde 1996 von Absolventen der Konservatorien von Paris und Lyon gegründet.<br />
Es wurde von Jean Sulem und in Meisterkursen bei Walter Levin, dem Alban Berg-, Hagen-, LaSalle-<br />
und Tokyo String Quartet ausgebildet. Im Jahr 2000 nahm es auf Einladung der Institution<br />
„ProQuartet“ für zwei Jahre im Centre Européen de Musique de Chambre in Fontainebleau Residenz,<br />
wo es mit verschiedenen Komponisten an der Erweiterung seines Repertoires arbeitete. Der Name<br />
des Ensembles verweist auf Luigi Nonos Fragmente – Stille, an Diotima, ein Schlüsselwerk<br />
der Quartettliteratur im 20. Jahrhundert. Das Quatuor Diotima versteht sich aber nicht als Spezialensemble<br />
für Neue Musik, sondern will die neuen Werke in den Rahmen der Gattungstradition von<br />
Haydn bis Debussy und Bartók stellen. Einladungen auf Festivals und Konzerttourneen führten das<br />
mit mehreren Preisen ausgezeichnete Ensemble in viele Städte Frankreichs, nach Brüssel, London,<br />
Lissabon, Alicante, Zürich und Kuhmo, nach Italien, Venezuela und Japan.<br />
In Berlin war es bereits bei MaerzMusik 2003 zu Gast. Seit 2001 spielt das Quatuor Diotima in der<br />
Besetzung Eiichi Chijiiwa und Nicolas Miribel, 1. und 2. Violine (abwechselnd); Franck Chevalier, Viola<br />
und Pierre Morlet, Violoncello.
Kaija Saariaho<br />
Je sens un deuxième cœur<br />
Deutsche Erstaufführung<br />
Saariaho | Debussy<br />
Manuel De Falla<br />
Hommage pour le Tombeau de Claude<br />
Debussy<br />
Magnus Lindberg<br />
Mano a Mano für Gitarre Solo<br />
Deutsche Erstaufführung<br />
Auftragswerk des Turku Festivals und der<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
Telefon + 49 - 30 - 254 89 - 223 | Telefax +49 - 30 - 254 89 - 155 | presse@berlinerfestspiele.de | www.berlinerfestspiele.de<br />
MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo<br />
Violoncello · Anssi Karttunen<br />
Gitarre · Timo Korhonen<br />
Flöte · Camilla Hoitenga<br />
Viola · Garth Knox<br />
Klavier · Laura Mikkola<br />
Harfe · Héloïse Dautry<br />
Claude Debussy<br />
Sonate für Flöte, Harfe und Viola<br />
Fr 10. September | 20.00 Uhr<br />
Philharmonie | Kammermusiksaal<br />
Claude Debussy<br />
Sonate für Violoncello und Klavier<br />
Kaija Saariaho<br />
Terrestre<br />
Deutsche Erstaufführung
Kaija Saariaho<br />
Die fi nnische Komponistin Kaija Saariaho wurde 1952 in Helsinki geboren. Nach dem Abitur (1972)<br />
begann sie zunächst ein Kunststudium; in dieser Zeit entstanden ihre ersten Kompositionen. Von<br />
1976-1980 studierte sie an der renommierten Sibelius-Akademie in Helsinki bei Paavo Heininen Komposition.<br />
Gemeinsam mit ihren Studienkollegen Magnus Lindberg, Esa-Pekka Sarastre und Esa-Pekka<br />
Salonen gründete sie Anfang der 80er Jahre die Gruppe Korvat auki! („Ohren auf!“), die sich für die<br />
Aufführung zeitgenössischer Musik in Finnland einsetzte.<br />
Bei den Darmstädter Sommerkursen 1980 lernte sie den englischen Komponisten Brian Ferneyhough<br />
kennen und setzte ihr Studium bei ihm und Klaus Huber an der Freiburger Musikhochschule fort.<br />
1982 ging sie nach Paris, um sich am IRCAM-Forschungsinstitut den Einsatz von Computer und Live-<br />
Elektronik für ihre Kompositionen anzueignen.<br />
In ihren Werken lässt sich Kaija Saariaho häufi g von literarischen Vorlagen inspirieren. Ihre Kompositionen<br />
beruhen auf der computergestützten Analyse der für die Klangfarbe ausschlaggebenden<br />
Parameter. Das genaue Ausloten von Klangfarben und Stimmungen ist für ihre Musik essentiell.<br />
Hauptwerk der letzten Jahre ist die Oper L’ Amour de loin (Die ferne Liebe), die bei den Salzburger<br />
<strong>Festspiele</strong>n im Jahr 2000 uraufgeführt wurde. Bei den Festwochen 2002 wurde ihr „visualisiertes<br />
Konzert“ From the Grammar of Dreams aufgeführt.
Je sens un deuxième cœur<br />
(Ich spüre ein zweites Herz)<br />
Ursprünglich hatte ich die Idee, musikalische Porträts der vier Charaktere einer Oper zu komponieren.<br />
Aber als ich begann, das musikalische Material für ein Kammerensemble umzuarbeiten und mir<br />
überlegt habe, wie ich meine Ideen in einem Trio umsetzen könnte, entfernte sich das Stück immer<br />
weiter von der Oper.<br />
Kompositorisch ging ich von konkreten, deutlich konturierten Ideen aus und gelangte zu abstrakten,<br />
rein musikalischen Formen. So wurde beispielsweise der Titel des ersten Abschnitts, „Je dévoile ma<br />
peau“ (Ich enthülle meine Haut), eine Metapher: Das zu Anfang exponierte musikalische Material<br />
wurde orchestriert, um den jeweils individuellen Charakter der drei Instrumente und ihre Beziehungen<br />
untereinander aufzudecken. Der zweite und vierte Teil geht vom Gedanken an physische Gewalt aus.<br />
Im Zusammenhang mit diesem Trio verwandelte sich die Gewalt in zwei Studien über die Energie von<br />
Instrumenten. Teil drei ist eine Farbstudie, in der die drei Identitäten zu einem komplexen Klanggebilde<br />
verschmolzen werden.<br />
Der letzte Abschnitt führt uns zum thematischen, physisch geprägten Ausgangspunkt meiner Oper<br />
zurück: Zwei Herzen schlagen im Leib einer schwangeren Frau. Ich bin fasziniert von der geheimnisvollen<br />
Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem ungeborenen Kind. Schon die ständig wechselnde<br />
Polyphonie, die sich aus den beiden Herzrhythmen ergibt, hatte mir bereits als Inspiration für die Musik<br />
gedient – die Verbindungen zwischen den beiden Seelen eröffneten mir eine weitere Ausdrucksebene<br />
für die Kommunikation zwischen Mutter und Kind.<br />
Diese Überlegungen lieferten die Orientierungspunkte für die Anpassung des deutlich dualistisch<br />
konzipierten musikalischen Materials an die drei Instrumente und seine Entfaltung im Rahmen ihrer<br />
besonderen Charaktere. Schließlich wurde der Titel auch zur Metapher des Musizierens: Wollen wir<br />
durch unsere Musik nicht immer mit dem anderen kommunizieren? Der letzte Satz ist überschrieben<br />
mit: „Doloroso, sempre con amore“.<br />
Kaija Saariaho (Übersetzung: Georg Rudiger)
Aile du Songe<br />
Terrestre (Traumfl ügel – irdisch)<br />
Seit meinen ersten Kompositionen war mir die Flöte ein besonders vertrautes Instrument. Ich mag<br />
diesen Klang, bei dem man immer die Atmung spürt und der Nuancen birgt, die zu meiner musikalischen<br />
Sprache passen: Der Klangkörper des Instruments ermöglicht es, Phrasen zu schreiben, die<br />
sich von rauen, mit gehauchten Lauten versehenen Strukturen allmählich zu reinen und geschmeidigen<br />
Klängen entwickeln.<br />
Der Titel des Konzerts und die Grundstimmung des Stücks stammen aus der Gedichtsammlung<br />
„Oiseaux“ (Vögel) von Saint-John Perse. „Aile falquée du songe, vous nous retrouverez ce soir sur<br />
d’autres rives!» (Traumfl ügel, ihr werdet uns heute Abend an anderen Ufern wieder fi nden). Es ist<br />
nicht das erste Mal, dass ich meine Musik mit den Versen von Saint-John Perse verbinde. In „Laconisme<br />
de l’aile“, 1981 komponiert, habe ich bereits einige Passagen aus „Oiseaux“ verwendet. In diesen<br />
Gedichten beschreibt Saint-John Perse nicht den Gesang der Vögel. Er spricht eher von ihrem Flug<br />
und wählt das bedeutungsvolle Bild des Vogels, um in einer abstrakten und vieldimensionalen Sprache<br />
die Geheimnisse des Lebens zu beschreiben.<br />
Das Konzert besteht aus zwei Hauptteilen: „Aérienne“ und „Terrestre“ (Sphärisch und Irdisch). Diese<br />
beiden Titel sind auch in den erwähnten Gedichten von Perse zu fi nden. Der erste Abschnitt von „Terrestre“,<br />
„Oiseau dansant“ (tanzender Vogel), bildet einen starken Kontrast zum übrigen musikalischen<br />
Material des Konzertes. Er steht in Verbindung mit einem alten Mythos; er erzählt von einem virtuos<br />
tanzenden Vogel, der einem ganzen Dorf das Tanzen beibringt. Als ich diesen Abschnitt komponierte,<br />
hatte ich Camilla Hoitenga und ihre Persönlichkeit als Flötistin vor Augen. Das Finale – der zweite<br />
Abschnitt von „Terrestre“ – ist eine Synthese alles Vorherigen, bevor die Flöte langsam verklingt.<br />
„Aile du Songe“ ist Camilla Hoitenga gewidmet, mit der ich zahlreiche Details des Soloparts<br />
erarbeitete.<br />
Kaija Saariaho, Übersetzung Georg Rudiger
Magnus Lindberg<br />
Der Lebenslauf Magnus Lindbergs weist viele Gemeinsamkeiten mit Kaija Saariahos Vita auf. Geboren<br />
1958 in Helsinki studierte auch er an der Sibelius-Akademie bei Paavo Heininen (1978-1981). Wie<br />
die fi nnische Komponistin wurde er Mitglied der Gruppe Korvat auki! und belegte Kompositionskurse<br />
in Darmstadt bei Brian Ferneyhough. In den 80er Jahren ging er ebenfalls an das Pariser IRCAM, um<br />
mit computergenerierter Musik zu arbeiten. Im Gegensatz zu Kaija Saariaho ist für ihn die kompositorische<br />
Arbeit mit Elektronik allerdings nur nebensächlich: „Der Computer ist für mich lediglich eine<br />
kompositorische Hilfe, wie das CAD, das Computer Assisted Drawing für die Architekten.“<br />
Lindbergs Musik ist streng konstruiert, improvisatorische Elemente spielen darin keine Rolle. In seinen<br />
Werken hält er zumeist an konventionellen Besetzungen fest; neben kammermusikalischen<br />
Ensembles komponiert Magnus Lindberg auch für großes Orchester und knüpft damit Verbindungen<br />
zur klassisch-romantischen Tradition: „Ich zum Beispiel habe die Erfahrung der Zerstörung klassischer<br />
Musik nicht gemacht, ich fühle eine Tradition als europäischer Komponist.“
Magnus Lindbergs Mano a mano<br />
Der fi nnische Komponist Magnus Lindberg, der 1958 in Helsinki geboren wurde und 1976-81 an der<br />
Sibelius-Akademie studierte, ist in erster Linie durch seine Orchesterwerke bekannt, die von bedeutenden<br />
Orchestern in Auftrag gegeben wurden – aufgeführt u.a. vom BBC Symphony Orchestra,<br />
Chicago Symphony, dem City of Birmingham Symphony Orchestra, dem Cleveland Orchestra, der<br />
London Sinfonietta, dem Los Angeles Philharmonic und dem Orchestre de Paris. Zur Zeit arbeitet er<br />
an einem Werk für die <strong>Berliner</strong> Philharmoniker, in Auftrag gegeben durch Sir Simon Rattle, der über<br />
Magnus Lindberg äußerte, er sei „der lebende Beweis, dass die Orchestermusik nicht tot ist».<br />
Lindberg hat aber auch viel Kammermusik für unterschiedliche Besetzungen und ein Dutzend Stücke<br />
für Soloinstrumente geschrieben, die meisten davon für Klavier (u.a. Jubilees 1-6, 2000) oder Cello<br />
(u.a. Partita, 2001). Einzelne Stücke für Violine (Espressione II, 1980), Cembalo (Ground, 1983) und<br />
Akkordeon (Jeux d’anches, 1990) runden das Bild ab.<br />
Kammermusik und Solostücke haben oft – abgesehen davon, dass sie als Kunstwerke für sich stehen<br />
– als eine Art Laboratorium gedient, in dem Ideen für große Orchesterwerke ausgearbeitet und<br />
erprobt werden konnten. Das Klavierstück Twine (1988) stellt einen Meilenstein in Lindbergs Entwicklung<br />
dar, weil der junge Komponist, der bis dahin vom Rhythmischen besessen war (Kraft, 1985), hier<br />
das Harmonische entdeckte, das seither die Grundlage seiner Tonsprache bildet. In Steamboat Bill jr<br />
für Klarinette und Cello (1990) simuliert er mit zwei Instrumenten ein komplettes Orchester. Dieses<br />
Unterfangen rief ihm die Erinnerung an einen Buster Keaton Film wach, in dem die Hauptfi gur sich<br />
hoffnungslos bemüht, einen antriebslosen Kahn durch einen fl inken Strom zu steuern.<br />
Mano a mano ist Lindbergs erstes Stück für Gitarre solo. Das Instrument ist ihm aber nicht ganz<br />
unbekannt, denn er setzte es in verschiedenen Kammermusikwerken wie Linea d’ombra für Flöte,<br />
Altsaxophon (oder Klarinette), Gitarre und Schlagzeug (1981), Decorrente für Klarinette, Gitarre,<br />
Vibraphon, Klavier und Cello (1992), Duo concertante für Klarinette, Cello und Kammerensemble mit<br />
Gitarre (1992) und Kiri für Klarinette, Cello, Gitarre, Schlagzeug und Elektronik (1993) ein. Für Gitarre<br />
solo zu schreiben ist jedoch wegen des besonderen Charakters des Instruments eine viel komplexere<br />
Aufgabe: Die Herausforderung besteht darin, ihm einen guten Klang zu entlocken und die Saiten in<br />
Schwingung zu halten.<br />
Mano a mano ist ein symphonisches Stück, dessen drei Sätze ungefähr den Sätzen eines klassischen<br />
Konzerts entsprechen; sie werden allerdings ohne Unterbrechung gespielt. Der erste Satz besteht<br />
aus einer doppelten Exposition, der sich anstelle einer Durchführung Strukturvariationen anschließen.<br />
Der zweite Satz beschwört ein großes Beethovensches Adagio mit einigen eingeschobenen<br />
Abschnitten in schnellerem Tempo herauf. Der erste Teil des dritten Satzes ist ein perpetuum mobile<br />
(mit den für Lindberg charakteristischen „come una macchina“-, Toccata- und Scherzo-Abschnitten),<br />
der mit einem lauten, rasselnden Höhepunkt endet. Der zweite, langsamere Teil weckt Assoziationen<br />
an Skrjabins Poème de l’extase und mündet in eine Coda.<br />
Die harmonische Anlage folgt dem Prinzip der Chaconne: Eine Kette von sechs Akkorden, die an die<br />
Stimmung der Gitarre anknüpfen, wird durch das ganze Stück hindurch wiederholt.<br />
Ilkka Oramo
Anssi Karttunen (Violincello)<br />
Der fi nnische Cellist Anssi Karttunen wurde 1960 geboren. Zu seinen Lehrern zählten William Pleeth,<br />
Jacqueline du Pré and Tibor de Machula. Er gilt als Spezialist für Neue Musik und hat zahlreiche Werke<br />
zur Uraufführung gebracht, z.B. konzertante Werke für Cello und Orchester von Magnus Lindberg,<br />
Kaija Saariaho, Tan Dun und Luca Francesconi. Er spielt aber auch das Standardrepertoire und Alte<br />
Musik auf dem Barockcello und Violoncello piccolo. Von 1994 bis 1998 war er künstlerischer Leiter<br />
des Kammerorchesters Avanti! Seit Dezember 1999 ist er erster Cellist bei der London Sinfonietta.<br />
Timo Korhonen (Gitarre)<br />
Der Gitarrist Timo Korhonen wurde 1964 in Rautalampi (Finnland) geboren. Er setzt sich sehr für<br />
zeitgenössische Musik ein und hat zahlreiche Werke zur Uraufführung gebracht, die für ihn geschrieben<br />
wurden, u.a. von Magnus Lindberg, Leo Brouwer, Toshio Hosokawa und Jouni Kaipainen. Als Solist<br />
und als Kammermusiker erhielt er Einladungen zu wichtigen Festivals weltweit, nach Strasbourg,<br />
London, Paris, Rom, Brüssel, Hongkong und Havanna, er konzertierte mit dem Kammerorchester des<br />
Niederländischen Rundfunks, der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, dem Philharmonischen Orchester<br />
Helsinki und dem Kammerorchester der St. Petersburger Philharmoniker unter Dirigenten wie<br />
Esa-Pekka Salonen, Leif Segerstam und Jukka-Pekka Saraste. Er ist der Gründer und künstlerische<br />
Leiter des Festivals „Guitaristival“ in Finnland.
Camilla Hoitenga (Flöte)<br />
Camilla Hoitenga wurde in Grand Rapids (Michigan) geboren. Sie studierte Flöte bei Darlene Dugan,<br />
Alexander Murray, Peter Lloyd and Marcel Moyse sowie Musikgeschichte am Calvin College und der<br />
University of Illinois. Sie fühlt sich im klassischen Repertoire ebenso zu Hause wie in der zeitgenössischen<br />
und experimentellen Musik, Komponisten wie Karlheinz Stockhausen, Ken-Ichiro Kobayashi<br />
und insbesondere Kaija Saariaho, deren Konzertstück Aile du songe sie in Brüssel zur Uraufführung<br />
brachte, arbeiteten mit ihr zusammen. Sie konzertierte mit dem Chicago Symphony Orchestra und<br />
dem London Philharmonic Orchestra und mit Dirigenten wie Christoph Eschenbach, Jukka-Pekka<br />
Saraste und Marin Alsop. Bereits neunmal hat sie Konzertreisen nach Japan unternommen.<br />
Garth Knox (Viola)<br />
Garth Knox wurde 1956 in Irland geboren und studierte Viola am Royal College of Music in London<br />
bei Fredrick Riddle. 1983 wurde er von Pierre Boulez eingeladen, dem Ensemble InterContemporain<br />
beizutreten. 1990-1998 spielte er im Arditti-Quartett, seither gehört er keiner festen Formation mehr<br />
an, konzertiert aber weiterhin nicht nur als Solist, sondern auch in Kammer- und Ensemblemusik.<br />
In Ur- und Erstaufführungen brachte er Viola-Werke von Henze, Ligeti, Schnittke, Ferneyhough und<br />
anderen heraus. Seit einiger Zeit widmet er sich auch der Viola d’amore und ihren Möglichkeiten in<br />
der Neuen Musik.
Laura Mikkola (Klavier)<br />
Die fi nnische Pianistin Laura Mikkola studierte an der Sibelius-Akademie in Helsinki, am Curtis Institute<br />
of Music in Philadelphia und an der University-School of Music in Bloomington (Indiana). In ihrem<br />
Repertoire stehen Klavierkonzerte von Magnus Lindberg oder Einojuhani Rautavaara gleichberechtigt<br />
neben Mozart und Liszt. Außer als Solistin tritt sie als Kammermusikpartnerin z.B. von Jan Söderblom<br />
und Kari Kriiku auf. Sie konzertierte mit Orchestern wie den Philharmonischen Orchestern Helsinki<br />
und Los Angeles, dem Orchestre National de Belgique, dem Orchester des Marinskij-Theaters St.<br />
Petersburg und der Tschechischen Philharmonie unter Dirigenten wie Vladimir Ashkenazy, Valerij<br />
Gergijew, Jukka-Pekka Saraste und Leif Segerstam.<br />
Héloise Dautry (Harfe)<br />
Die Harfenistin Héloise Dautry studierte in Montpellier bei Evelyne Haut-Labourdette und am Pariser<br />
Konservatorium bei Brigitte Sylvester. Als Solistin und in Kammermusikformationen trat sie auf Festivals<br />
in Ariège, Monpellier, München und Köln auf, sie konzertierte in verschiedenen Regionen Frankreichs<br />
und unternahm 2001 eine Tournee nach Aserbaidschan. Mit mehreren Komponisten arbeitete<br />
sie eng zusammen, darunter Georges Aperghis, Shuya Xu und Kaija Saariaho.
Karlheinz Stockhausen<br />
Die Klavierstücke<br />
KONZERT 1<br />
Klavierstücke I–V, VII–IX, X<br />
SONNTAGS-ABSCHIED<br />
Elektronische Musik für 5 Synthesizer<br />
vom SONNTAG aus LICHT<br />
Klavier und Synthesizer · Benjamin Kobler<br />
Klavier und Synthesizer · Frank Gutschmidt<br />
Klavier und Synthesizer · Antonio Pérez Abellán<br />
Synthesizer · Marc Maes<br />
Synthesizer · Fabrizio Rosso<br />
Klangregie · Karlheinz Stockhausen<br />
Karlheinz Stockhausen<br />
Sa. 11. | So. 12. | Mo. 13 September | 20.00 Uhr<br />
Haus der <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
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KONZERT 2<br />
Klavierstücke XVII, XII, XVI, VI und XI<br />
KONZERT 3<br />
Klavierstücke XI, XIV, XV und XIII
Karlheinz Stockhausen<br />
* 22. August 1928 in Mödrath bei Köln<br />
Bis 2002 komponierte er 291 Werke, veröffentlichte TEXTE zur MUSIK (Bände 1–10 Stockhausen-<br />
Verlag), eine Serie Hefte mit Skizzen und Erläuterungen eigener Werke. Die ersten 36 Partituren<br />
wurden bei der Universal Edition Wien verlegt, alle anderen im 1975 gegründeten Stockhausen-Verlag<br />
(51515 Kürten, Faks. 02268-1813), der auch seit 1991 in einer Stockhausen--Gesamtausgabe 104<br />
Compact Discs veröffentlichte. Alle Partituren, Bücher und CDs können direkt beim Verlag per Post<br />
bestellt werden.<br />
Seit 1998 fi nden jährlich die Stockhausen-Kurse Kürten für Komponisten, Interpreten, Musikwissenschaftler<br />
und Gasthörer statt.<br />
Stockhausen komponiert seit 1977 das musikszenische Werk LICHT, Die sieben Tage der Woche.<br />
Bis 2002 sind 5 Tage uraufgeführt (Mailänder Scala 1981, 1984, 1988, Oper Leipzig 1993, 1996).<br />
Die Uraufführung des ersten Teiles vom SONNTAG aus LICHT, LICHTER – WASSER (SONNTAGS-<br />
GRUSS), dirigierte Stockhausen im Oktober 1999 bei den Donaueschinger Musiktage. Die Uraufführung<br />
von ENGEL-PROZESSIONEN (2. Szene vom SONNTAG aus LICHT) mit dem Holländischen<br />
Rundfunk-Chor ist für den 9. November 2002 in Amsterdam angekündigt, die Uraufführung von<br />
HOCH-ZEITEN (5. Szene vom SONNTAG aus LICHT) mit 5 Chor- und 5 Orchestergruppen des<br />
WDR-Köln für den 28. und 31. Januar 2003 in Las Palmas und Teneriffa, die Uraufführung DÜFTE<br />
– ZEICHEN (4. Szene vom SONNTAG aus LICHT) für die Salzburger <strong>Festspiele</strong> 2003.<br />
Bereits die ersten Kompositionen der »Punktuellen Musik« wie KREUZSPIEL (1951), SPIEL für Orchester<br />
(1952) und KONTRA-PUNKTE (1952/53) brachten Stockhausen internationale Berühmtheit.<br />
Seitdem werden seine Werke von den einen aufs äußerste bekämpft und von den anderen verehrt.<br />
Wesentliche Errungenschaften der Musik seit 1950 sind durch seine Kompositionen modellhaft<br />
geprägt worden:<br />
Die »Serielle Musik«, die »Punktuelle Musik«, die »Elektronische Musik«, die »Neue Schlagzeugmusik«,<br />
die »Variable Musik«, die »Neue Klaviermusik«, die »Raummusik«, »Statistische Musik«,<br />
»Aleatorische Musik«, »Live-elektronische Musik«; neue Synthesen von »Musik und Sprache«, eines<br />
»Musikalischen Theaters«, einer »Rituellen Musik«, »Szenischen Musik«; die »Gruppen-Komposition«,<br />
polyphone »Prozeß-Komposition«, »Moment-Komposition«, »Formel-Komposition« bis zur<br />
gegenwärtigen »Multiformalen Komposition«; die Integration ‚gefundener Objekte‘ (Nationalhymnen,<br />
Folklore aller Länder, Kurzwellenereignisse, »Tonszenen« usw.) in einer »Weltmusik« und einer<br />
»Universalen Musik«; die Synthese europäischer, afrikanischer, lateinamerikanischer und asiatischer<br />
Musik in einer »Telemusik« usw., die vertikale »Oktophone Musik«.<br />
Von Anfang bis heute ist seinem Werk eine Bestimmung als »geistliche Musik« zu eigen, die nicht<br />
nur in Kompositionen mit geistlichen Texten, sondern auch in den anderen Werken über »Oberton-<br />
Musik«, »Intuitive Musik«, »Mantrische Musik« bis zur »Kosmischen Musik« in STIMMUNG, AUS DEN<br />
SIE-BEN TAGEN, MANTRA, STERNKLANG, INORI, SIRIUS, LICHT immer deutlicher wird.<br />
1970 führte er bei der Weltausstellung Osaka in einem eigens für ihn gebauten Kugelauditorium an<br />
183 Tagen für mehr als eine Million Zuhörer seine Werke auf.<br />
Stockhausen ist das Beispiel par excellence des Komponisten, der nahezu alle Uraufführungen<br />
seiner Werke selbst dirigiert oder mitgespielt oder als Klangregisseur geleitet und in unzähligen<br />
modellhaften Aufführungen und Tonbandaufnahmen in allen Ländern realisiert hat.<br />
Außer mehreren Gastprofessuren in der Schweiz, in USA, Finnland, Holland, Dänemark wurde er
1971 zum Professor für Komposition in Köln und 1996 zum Ehrendoktor der Freien Universität Berlin<br />
ernannt. Er ist Mitglied von 12 internationalen Akademien der Künste und Wissenschaften, seit<br />
1988 Ehrenbürger der Gemeinde Kürten, wurde Commandeur dans l‘Ordre des Arts et des Lettres,<br />
erhielt viele Schallplattenpreise und Auszeichnungen, u. a. das Bundesverdienstkreuz I. Klasse, den<br />
Siemens-Musikpreis, den Picasso-Preis der UNESCO, den Verdienst-Orden des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen, 5 Musikeditionspreise des Deutschen Musikverlegerverbandes, den BACH-Preis Hamburg,<br />
den Kulturpreis Köln, und 2001 den MUSIC POLAR PRIZE mit der Laudatio: „Karlheinz Stockhausen<br />
erhält den Polar Music Prize des Jahres 2001 für die Karriere eines Komponisten, die durch makellose<br />
Integrität und nie endende Kreativität gekennzeichnet ist, und dafür, dass er seit 50 Jahren an der<br />
vordersten Front der musikalischen Entwicklung gestanden hat.“<br />
Die Festwochen 2002 präsentierten Karlheinz Stockhausen in einer 7-teiligen Porträt-Reihe, die gemeinsam<br />
mit dem Komponisten konzipiert wurde, 2003 wurde sein Stück INORI aufgeführt.<br />
>>> Weitere Informationen zu Stockhausens Klavierstücken schicken wir Ihnen gerne zu!
Benjamin Kobler<br />
Benjamin Kobler wurde 1973 in München geboren. Er studierte Klavier bei Carmen Piazzini in Karlsruhe,<br />
Georges Pludermacher in Paris und Pierre-Laurent Aimard in Köln, außerdem besuchte er die<br />
Kammermusikklasse für Neue Musik von Peter Eötvös. Kobler spielte Uraufführungen u.a. von Werken<br />
von Finnendahl, Neuwirth, Pintscher, Poppe und Baltakas. Er konzertierte u.a. mit dem Ensemble<br />
Modern, der musikFabrik NRW, den <strong>Berliner</strong> Philharmonikern, den Bremer Philharmonikern, dem<br />
SWR-Orchester Stuttgart und dem WDR-Orchester Köln mit Dirigenten wie Myung-Whun Chung,<br />
Dennis Russel Davies, Peter Eötvös und Reinbert de Leeuw. Zum ersten Mal nahm er 1998 an den<br />
Stockhausen-Kursen in Kürten teil, wo er seit 2003 zusammen mit Frank Gutschmidt die Kurse für<br />
Klavier leitet.<br />
Frank Gutschmidt<br />
Der Pianist Frank Gutschmidt wurde 1971 in Brandenburg geboren. Er besuchte die Spezialschule für<br />
Musik „Hanns Eisler“ in Berlin und studierte anschließend bis 1997 an der HfM „Hanns Eisler“ bei Dieter<br />
Zechlin, Annerose Schmidt und Alan Marks. Seither lebt er als freischaffender Pianist in Berlin.<br />
Bei den Stockhausen-Kursen in Kürten (Bergisches Land) wurde er 2001 und 2002 für seine Interpretation<br />
von Stockhausens Klavierstücken ausgezeichnet, seit 2003 ist er dort zusammen mit Benjamin<br />
Kobler als Klavierdozent tätig. Er arbeitet eng mit Stockhausen bei Aufführungen von dessen Werken<br />
zusammen. Als regelmäßiger Gast ist Frank Gutschmidt auch mit dem Kammerensemble Neue Musik<br />
Berlin verbunden.
Antonio Pérez Abellán<br />
Antonio Pérez Abellán wurde 1969 in Elche, Spanien, geboren. Er studierte Klavier in Elche und<br />
Konservatorium Alicante. 1991-93 studierte er zeitgenössisches Klavier-Repertoire bei Alexander<br />
Hrisanide am Sweelinck Konservatorium Amsterdam. Seit 1993 unterrichtet er am Konservatorium<br />
Alicante. Seit 1998 arbeitet er als Pianist und Synthesizer-Spieler mit Karlheinz Stockhausen zusammen<br />
und spielt nur Musik von ihm. Er spielte u.a. die Uraufführungen von KLAVIERSTÜCK XVI<br />
, des Synthesizer-Stücks LICHTER – WASSER, des Trios 3x REFRAIN 2000 für Sampler-Celesta<br />
und Cymbales antiques und des ihm gewidmeten KLAVIERSTÜCK XVII. Zahlreiche Aufnahmen von<br />
Stockhausen-Werken sind mit ihm erschienen. Am 16. Oktober 2004 spielt er in der Uraufführung von<br />
LICHT-BILDER (3. Szene vom SONNTAG aus LICHT) bei den Donaueschinger Musiktagen.<br />
Marc Maes<br />
Marc Maes spielt alle Arten von Tasteninstrumenten und Synthesizer. Er studierte an der Hogeschool<br />
Gent Cembalo bei John Whitelaw und Orgel bei Frans de Geest und engagierte sich sowohl in<br />
der Alten Musik als auch in der Klasse für zeitgenössische Kammermusik und Improvisation von<br />
Godfried-Willem Raes, von dem er auch Kompositionsunterricht erhielt. Seit 1999 interpretiert er<br />
die Werke für, bzw. mit Synthesizer von Karlheinz Stockhausen. Er gehört dem Logos-Ensemble und<br />
dem Stockhausen Trio an. An der MAGO Akademie in Gent hat er einen Lehrauftrag inne.
Fabrizio Rosso<br />
Fabrizio Rosso, geboren 1969 in Turin, absolvierte sein Klavierstudium in seiner Heimatstadt und später<br />
in Zürich bei Homero Francesch und Lugano bei Nora Doallo. Gleichzeitig studierte er Philosophie<br />
und bei Bruno Zanolini Komposition.<br />
Seit 1998 nimmt er an Seminaren von Karlheinz Stockhausen teil. Er ist aktiv in Konzerten als Solist<br />
und in verschiedenen Kammer - und Ensembleprojekten, arbeitet regelmäßig mit der Sängerin Luisa<br />
Castellani und dem Perkussionisten Mircea Ardeleanu zusammen. Seit 2001 ist er als Dozent am<br />
Konservatorium der italienischen Schweiz tätig.
Interview mit Karlheinz Stockhausen<br />
aus De:Bug. Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte, Nummer 14, 1998<br />
Karlheinz Stockhausen (69) ist umstritten wie kein anderer in der deutschen Kulturszene. Verfemt<br />
von den musikalischen Fachkollegen, weil er als junger Komponist durch seine elektro-akustischen<br />
Experimente neue Klänge erfand, die in der Musik nichts zu suchen hätten und genau deshalb von<br />
den Popmusikern der letzten Jahrzehnte - bis heute - vergöttert. Orchester verweigern die Zusammenarbeit<br />
mit Stockhausen, weil er den Untergang der abendländischen Musikkultur betreibe, indem<br />
er nur Krach und Geräusche mache, die er dann auch noch durch Lautsprecher zu Gehör bringe und<br />
nicht durch ein Orchester. Bei Karlheinz Stockhausen ist der Lautsprecher an sich zum Instrument<br />
geworden. Popmusiker bekennen sich freimütig zu seinem Einfl uß auf ihr eigenes Schaffen: Stockhausen<br />
war auf dem „Lonely-Hearts-Club“-Cover der Beatles zu sehen, John Lennon wollte gemeinsame<br />
Konzerte mit ihm machen, Björk wird es bald tun. Andere haben Stockhausen-Werke studiert,<br />
oder sogar selbst in seinen Kursen und Seminaren gesessen: The Grateful Dead“, „Jefferson Airplane“<br />
und Boris Blank (Yello) genauso wie Holger Czukay (Can), Karl Bartos (Kraftwerk) oder David<br />
Bowie. Der Mann, der 1971 Professor für Komposition in Köln wurde, hat wie kein anderer die Kunst-<br />
bzw. E-Musik und die Popmusik beeinfl ußt.<br />
Hierzulande ist man nie besonders pfl eglich mit ihm umgegangen. Herbert von Karajan sagte, Stockhausen<br />
machen nur Geräusche, andere bezeichneten ihn als Akustik-Ingenieur, aber jedenfalls nicht<br />
als Musiker. Das Bonner Orchester sabotierte Bierfl aschen-klirrend eine Stockhausen-Aufführung,<br />
weil es auch im Foyer spielen sollte! Die deutsche Presse hat fast nie ein gutes Haar an dem langjährigen<br />
Leiter des weltberühmten elektronischen Studios des WDR gelassen, ihn oft lächerlich gemacht<br />
(„Chorstreik verhindert Welterlösung“, „Globaltheater verwackelt“) und diffamiert, weil er sich als<br />
Mensch nicht mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen identisch sieht, und der Gottesfürchtige<br />
seine Werke als Gottesdienst bezeichnet. Weil der Komponist einmal sagte, er sei bestimmt auf<br />
dem Planeten Sirius zur Schule gegangen, und die Musik, die er komponiere, sei Eingebung aus dem<br />
Kosmos, warf man ihm vor, er betreibe eine elitäre, vom Volk abgewandte, missionarisch-tönende<br />
Privat-Metaphysik, die niemand hören wolle. Volle Häuser sprechen indes seit jeher gegen diese Auffassung.<br />
Der internationalen Presse gilt er als „berühmtester deutscher Nachkriegskomponist“ („Le<br />
Figaro“) und hat „vermutlich mehr als irgendeiner seiner europäischen Kollegen dazu beigetragen,<br />
die Musik in bislang unberührte Klangsphären zu erweitern“ („New York Times“). Die internationalen<br />
Schallplatten-, Kunst- und Musikpreise, Mitgliedschaften in vielen Akademien der Künste auf der<br />
ganzen Welt, Ehrendoktorwürden und das Bundesverdienstkreuz erster Klasse bestätigen das. Auch<br />
der Auftrag des damaligen Wirtschaftsministers Karl Schiller, Stockhausen solle mit seiner Musik die<br />
Deutschen 1970 auf der Expo in Osaka/Japan vertreten, spricht für die künstlerische Qualität des<br />
sechsfachen Vaters.<br />
Für die Expo wurde ein von Stockhausen entworfenes „Kugelauditorium“ mit 55 Lautsprechern auf<br />
zehn in der Kugel von oben nach unten verlaufenden Ringen verteilt gebaut. Die Kugel wurde schnell<br />
zur Hauptattraktion, dort bekam man eine Vorstellung von der von Stockhausen begründeten „Raum-<br />
Musik“: der Vorläufer des „Surround-Systems“. Im Raum ist seine Musik seit einiger Zeit aber auch in<br />
anderem Sinne: Sein Werk „Hymnen“ fl iegt in einer Raumsonde einer noch unbekannten Intelligenz<br />
entgegen. Musik im Raum hat Stockhausen auch für Orchester als Meilenstein der Musikgeschichte<br />
komponiert: Sein selbst von Igor Stravinsky hochgelobtes Werk „Gruppen“ war das erste, bei dem<br />
man ein Orchester live stereo spielen hörte. Nicht wie sonst, Trompeten von rechts, Streicher von<br />
links, die übliche orchestrale Langeweile. Nein! Der innovative Komponist teilte ein großes Orchester<br />
in drei kleine, fast gleich instrumentierte Orchester auf, jedes mit eigenem Dirigenten und fast<br />
gleichen Noten, alle drei in einem Raum. Dadurch, daß nicht immer alle drei Orchester gleichzeitig,
und wenn, dann um Sekunden zeitversetzt spielten, hörte man plötzlich bei einem live spielenden Orchester<br />
bombastische Trompeten- oder Streicherklänge von links nach rechts wandern und ihre Geschwindigkeit<br />
ändern. Aber auch scheinbar simple Dinge, wie z. B. „Loops“, heute Grundausstattung<br />
jedes Elektronik-Songs, hat Stockhausen benutzt, indem er die Enden eines kurzen Stücks Tonband<br />
zusammenklebte. Stockhausens Errungenschaften haben die deutsche Presse aber nicht interessiert.<br />
Nach einem „Spiegel“-Interview 1983, in dem er als kosmischer Spinner dargestellt wurde, hat er der<br />
deutschen Print-Presse den Rücken gekehrt. Für De:Bug machte der Komponist und Visionär nach<br />
15 Jahren eine Ausnahme. Stockhausen wird am 22. August 70 Jahre alt. Grund genug, den Maestro<br />
einmal vorzustellen.<br />
De:Bug: Herr Stockhausen, wie sind sie eigentlich auf die Idee gekommen, elektronische Musik zu<br />
komponieren? Was war der Auslöser dafür?<br />
Stockhausen: Mehrere! Erstens habe ich gegen Ende meiner Studien z. B. Tape-Music von der Columbia<br />
University gehört, bei der Cello-Musik mit elektro-akustischen Geräten transformiert worden<br />
war. Was mich daran interessiert hat, war folgendes: Wenn man neue Musik, neue Klänge komponieren<br />
wollte, konnte man bei der traditionellen Instrumentierung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nur<br />
bis zu einem gewissen Grad Erneuerung erfi nden. Jetzt aber, mit den elektro-akustischen Möglichkeiten,<br />
konnte man plötzlich wieder erfi ndungsreich sein. Aus dieser Zeitsituation Anfang der 50er<br />
Jahre heraus entstand dann meine Experimentierlust, Klänge synthetisch herzustellen. Ich habe nach<br />
dem Staatsexamen auch noch Phonetik in Bonn studiert, weil Prof. Meyer-Eppler dort diese Werke<br />
mit synthetischen Klängen vorgestellt hat. Der wußte Bescheid! Ich habe mir dann neue Klänge<br />
von Aufnahmen in Paris selbst hergestellt, weiterverarbeitet, transformiert und in Köln angefangen,<br />
mit einfachen Sinusschwingungen Spektren zusammenzubauen. Ich habe reine Töne übereinander<br />
kopiert und dadurch neue Klänge komponiert. Das hat sich in den letzten 50 Jahren natürlich enorm<br />
entwickelt.<br />
De:Bug: Wie war denn die Reaktion damals auf ihre Experimente?<br />
Stockhausen: In der musikalischen Fachwelt war es die totale Ablehnung. Die haben mich sofort als<br />
akustischen Wissenschaftler aus der Musik herausdiskutiert. Es hieß, ich sei kein Musiker, sondern<br />
ein Akustiker, ein Ingenieur oder Techniker. Musik sei ein Orchester, seien Kammermusiker, seien Instrumente,<br />
die man kennt, mit allen Gesetzmäßigkeiten der Komposition etc. Von Seiten neugieriger<br />
Laien und jüngerer Kollegen war aber riesiges Interesse die Reaktion. Die Situation hat sich bis heute<br />
etwas verbessert, aber im Grunde gibt es immer noch sehr viel Widerstand gegen meine ganze Auffassung<br />
von Klangkomposition und überhaupt von Musik. Ich habe kürzlich erfahren, daß sogar der<br />
Komponist Bernd Alois Zimmermann, also ein Kollege, es jahrelang als Mitglied eines Preis-Gremiums<br />
der Landesregierung abgelehnt hat, daß ich jemals einen Kunstpreis des Landes NRW erhalten sollte,<br />
denn ich sei überhaupt kein Musiker, sondern nur ein Theoretiker. Der Kollege hat mich als Musiker<br />
überhaupt nicht ernst genommen.<br />
De:Bug: Woher kommt denn ihrer Meinung nach diese totale Ablehnung?<br />
Stockhausen: Ich bin Vielen wirklich im Wege. Wenn man das annimmt, was durch meine Arbeit seit<br />
1952 geschehen ist, verlangt das eine unerhörte Revision des Musikdenkens und der Praxis. Ich habe<br />
ja auch die meisten Orchestermusiker gegen mich, weil alle Angst haben, ich wolle ihnen ihren Beruf<br />
oder ihre Chancen nehmen. Die berühmtesten Dirigenten und Sänger haben sich öffentlich immer<br />
sehr abwertend und böse meinem Werk und meiner Person gegenüber verhalten. So haben Karl<br />
Böhm und auch Herbert von Karajan gesagt, ich mache nur Geräusche.<br />
De:Bug: Andere Komponisten, wie zum Beispiel Hans Werner Henze, sind nach Italien gegangen.<br />
Stockhausen: Da ist es ja auch schöner!
De:Bug: Selbst die berühmte Mailänder Scala hat mehrere Licht-Opern und andere ihrer Werke aufgeführt.<br />
Sie werden in Italien viel mehr akzeptiert als in Deutschland. Was hält sie hier?<br />
Stockhausen: Das elektronische Studio des WDR, das kann ich leider nicht mitnehmen.<br />
De:Bug: Auch da scheint es jetzt aber Probleme zu geben.<br />
Stockhausen: Es gibt jetzt einen Beauftragten für dieses Studio. Früher konnte ich meine Werke fast<br />
ohne zeitliches Limit dort verwirklichen. Jetzt ist es so, daß ich froh sein kann, alle zwei Jahre für drei<br />
bis vier Monate da arbeiten zu können, wie man mir sagt. Und diese Garantie habe ich auch nur bis<br />
zum Jahr 2000. Es heißt, es solle niemand bevorzugt werden.<br />
De:Bug: Wann wurde Ihnen klar, daß sie nicht nur die E-Musik, sondern auch die Popmusik beeinfl ußt<br />
haben?<br />
Stockhausen: Von Zeit zu Zeit, seit den Beatles, habe ich Texte und mündliche Äußerungen erhalten,<br />
in denen Popmusiker mir mitteilten, daß mein Werk für sie maßgeblich sei. John Lennon wollte noch<br />
zu Lebzeiten Co-Konzerte veranstalten, und es ist nicht an mir gescheitert. Ich war bereit, wir hatten<br />
gemeinsame Programme in London geplant. Das war leider zu der Zeit, in der die Beatles auseinander<br />
gingen. Holger Czukay von ,Can‘ war Schüler in meinen Kölner Kursen für Neue Musik, ein sehr<br />
begabter Mann. Er hat sich dann entschieden, diese Art von Musik zu machen. Ich habe seit 1953<br />
in der elektronischen Musik regelmäßig Werke mit neuen Klangwirkungen und mit synthetischen<br />
Klängen realisiert, was seit damals sehr stark auf sogenannte Popmusiker gewirkt hat. In meinem<br />
Kompositionskurs in Davis, California waren schon 1966 alle Musiker von ,The Grateful Dead‘ und<br />
auch von ,Jefferson Airplane‘ Schüler. Die kamen regelmäßig zu mir. Ich bin auch ins Philmore West<br />
in San Francisco gegangen und habe zu der Musik dieser Bands getanzt. Das ist nichts besonderes.<br />
Ich selber habe ja während meiner Studienzeit nahezu fünf Jahre lang Nacht für Nacht in den Bars in<br />
Köln jede Art von (damaliger) Popmusik gespielt, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und den<br />
Musikern gegenüber, die sich ihr Leben mit dieser Musik verdienen, bin ich seitdem immer symphatisch<br />
gestimmt geblieben.<br />
De:Bug: Sind Popmusiker denn ihrer Meinung nach freier in ihren Möglichkeiten als Komponisten von<br />
Kunstmusik?<br />
Stockhausen: Viele von denen haben oft mehr experimentellen Sinn als Komponisten neuer Musik,<br />
denn sie sind unternehmungslustig und abenteuerlich. Manche haben sich aber als Komponisten von<br />
der Kunstmusik nicht frei machen können, denn man ist ja nicht ohne weiteres frei. Einige wandern<br />
auch hin und her zwischen den Disziplinen. Es wundert mich allerdings, daß bei all den außergewöhnlichen<br />
Beispielen aus der experimentellen Kunstmusik der vergangenen 45 Jahre die freien Musiker<br />
der Popmusik nicht wagemutiger, handwerklich virtuoser, erfi ndungsreicher, einfach progressiver sind.<br />
Was hält sie eigentlich zurück? Es gibt wenige, die wirklich intelligente Musik machen.<br />
De:Bug: Wie unterscheiden sie intelligente von nicht intelligenter Musik?<br />
Stockhausen: Geben sie verschiedenen Musikern ein beliebiges Lied zur Interpretation. Einer wird<br />
ihnen langweilige Wiederholungen bieten, während der Andere erfi ndungsreicher sein und mit dem<br />
Material experimentieren wird.<br />
De:Bug: Nehmen sich die Musiker selbst vielleicht zu wichtig?<br />
Stockhausen: Wissen Sie, der Ton macht die Musik! Ganz früher war es in den Kirchen zum Beispiel<br />
so, daß oben auf der Empore die Orgel war und auch der Chor. Sehen konnte man beide nicht, nur<br />
hören. Der Chor, das waren früher die Engel. Die Betenden hörten nur den Gesang und glaubten so<br />
an Engelsstimmen. Irgendwann kam jemand auf die Idee, daß man alles sehen müsse. Heute steht<br />
der Chor irgendwo herum und hat seinen Zauber verloren. Um der Phantasie freien Lauf zu lassen,<br />
sage ich den Leuten immer, sie sollen bei Konzerten, zum Beispiel bei den ,Gruppen‘, die Augen<br />
schließen und nur auf die Musik hören. Das Klangerlebnis ist ein ganz anderes, wenn man sich durch<br />
die Optik nicht ablenken läßt.
De:Bug: Gibt es keine gemeinsamen Projekte von ihnen mit Popmusikern?<br />
Stockhausen: Oh doch! Björk hat mich besucht und schlug mir vor, Co-Konzerte mit ihr zu machen!<br />
De:Bug: Wie soll das aussehen?<br />
Stockhausen: Ich werde zunächst vor einem Björk-Konzert in London mein Werk „Kontakte (für elektronische<br />
Musik und Schlagzeug)“ aufführen. Der Termin steht leider noch nicht fest.<br />
De:Bug: Können sie sich vorstellen, weshalb Björk auf diese Idee kam?<br />
Stockhausen: Sie sagte nur, sie wolle den Menschen zeigen, wer elektronische Klänge in die Musik<br />
eingeführt habe.<br />
De:Bug: Es wird also ein Björk-Konzert mit Stockhausen quasi als „Vorgruppe“ geben! Sie sagen<br />
doch immer, es gäbe keine Auditorien, in denen sie ihre Musik so verwirklichen können, wie sie es<br />
eigentlich gerne möchten.<br />
Stockhausen: So ist es! Meine Musik ist als Raummusik konzipiert. Die Hörer sollen nicht vor dem<br />
Klang sitzen, wie zu Hause vor der Stereo-Anlage, sondern im Klang. Sie sollen zwischen den Lautsprechern<br />
wandernde, rotierende Klänge und ihre Geschwindigkeiten erleben. Dazu braucht es<br />
natürlich mehr als zwei Lautsprecher. Meine Musik von der heimischen Stereo-Anlage zu hören ist<br />
so, wie wenn man sich nur eine Photographie des Kölner Doms ansieht, anstatt sich selbst davor zu<br />
stellen und um ihn herum zu gehen. Immerhin besser als gar nicht.<br />
De:Bug: 1970 wurde extra nach ihren Vorstellungen das sagenumwobene Kugelauditorium im deutschen<br />
Pavillon der Expo in Osaka/Japan gebaut.<br />
Stockhausen: Ja, und dort haben über eine Million Zuhörer an 183 Tagen jeweils fünfeinhalb Stunden<br />
die meisten meiner bis dahin entstandenen Werke gehört.<br />
De:Bug: Sie scheinen den „Kunst“schaffenden, vor allem in Köln, insgesamt nicht viel wert zu sein.<br />
Die Oper hat noch keines ihrer Werke aus dem Zyklus „Licht“ aufgeführt, weil man es „noch nicht geschafft“<br />
habe, „das dafür nötige Geld zu sammeln“, wie Intendant Günther Krämer sagt. Die Oper der<br />
Stadt Leipzig hat aber mit einem viel kleineren Etat bereits zwei Stockhausen-Opern uraufgeführt.<br />
Die Kölner Philharmonie, angeführt von Franz Xaver Ohnesorg, bläst ins selbe Horn. Was sagen sie zu<br />
den Äußerungen der beiden Herren?<br />
Stockhausen: Ich glaube, die wollen das gar nicht wirklich, denn in Leipzig klappt es ja auch, übrigens<br />
immer ausverkauft. Die Philharmonie war bisher auch immer fast ausverkauft, wenn ich da ein Werk<br />
aufgeführt habe. Der Herr Ohnesorg kann sowas Freches natürlich sagen, doch dann muß er auch<br />
sagen, daß er für den Celibidache fünf oder sechs mal soviel hingeblättert hat. Aber das sei ja auch<br />
klassische Musik, die das Volk hören wolle, und dafür gewinnt er natürlich die Banken als Sponsoren<br />
und kann Eintrittspreise von 200.- oder 300.- Mark nehmen. Tatsächlich gibt es genug Zahnärzte<br />
und Rechtsanwälte, die solche Preise bezahlen können. Die könnten mich ja noch viel billiger haben,<br />
wenn Chor und Orchester der Philharmonie meine Musik singen und spielen könnten. Das können<br />
und wollen die aber nicht. Es hat auch viel mit der Aufführungspraxis zu tun: Ich brauche einen Trompeter,<br />
der auch tanzen und springen kann während er spielt! Was der Ohnesorg behauptet, ist wirklich<br />
eine Schweinerei. Ich könnte mit dem Geld, das er jetzt z. B. Daniel Barenboim für ein Konzert<br />
bezahlt, locker 5 oder 6 Konzerte machen.<br />
De:Bug: Wann wird denn Stockhausen, natürlich im Kugelauditorium, so aufgeführt, wie Wagner jetzt<br />
in Bayreuth?<br />
Stockhausen: Bei dem hat es fast 100 Jahre gedauert, bis sein Werk so akzeptiert und aufgeführt<br />
wurde, wie er es sich wohl gedacht hat. Ich rechne mit ungefähr 200 Jahren!<br />
De:Bug: Noch zwei Fragen zum Schluß: Wie schaffen sie es eigentlich, mit der Kritik und den Schwierigkeiten,<br />
die man ihnen oft macht, fertig zu werden?<br />
Stockhausen: Indem ich mehrmals am Tag laut zu mir selbst sage: ,Furchtlos weiter!‘<br />
De:Bug: Und haben sie Techno erfunden?<br />
Stockhausen: Ja!<br />
Robert Baumanns
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
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MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo<br />
Asko & Schönberg Ensemble<br />
Asko Ensemble<br />
Schönberg Ensemble<br />
Dirigent · Reinbert de Leeuw<br />
Sopran · Barbara Hannigan<br />
Colin Matthews<br />
Suns Dance<br />
Michel van der Aa<br />
HERE–Trilogie<br />
Here [enclosed]<br />
Here [in circles]<br />
Here [to be found]<br />
Erstaufführung der gesamten Trilogie<br />
Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Botschaft des Königreichs der Niederlande<br />
Di 14. September | 20.00 Uhr<br />
Philharmonie | Kammermusiksaal
Colin Matthews<br />
Colin Matthews wurde 1946 in London geboren. Er studierte an der University of Nottingham zuerst<br />
Altphilologie und dann Komposition bei Arnold Whittall, daneben auch bei Nicholas Maw. Während<br />
er in den 70er Jahren an der University of Sussex unterrichtete, promovierte er dort mit einer Arbeit<br />
über Mahler. Als Mitarbeiter von Deryck Cooke bei der Erstellung einer Aufführungspartitur der 10.<br />
Symphonie hatte er sich lange Zeit intensiv mit Mahler beschäftigt.<br />
1975 wurde er mit dem Ian Whyte Award des Scottish National Orchestra für seine Orchesterkomposition<br />
Sonata no. 4 ausgezeichnet. In den folgenden Jahren erhielt er zahlreiche Kompositionsaufträge,<br />
u.a. von der London Sinfonietta, der Birmingham Contemporary Music Group und vom London<br />
Symphony Orchestra, dem er 1992-1999 als „Associate Composer“ verbunden war. Zu den Dirigenten,<br />
die sich für Matthews Musik eingesetzt haben, zählen Bernard Haitink, Michael Tilson Thomas,<br />
Mstislav Rostropowitsch, Simon Rattle und Esa-Pekka Salonen.<br />
Die Werke von Matthews werden sowohl innerhalb der regulären Saisonprogramme renommierter<br />
Orchester als auch auf zahlreichen Festivals aufgeführt; genannt seien insbesondere das Almeida<br />
Festival 1988, das Bath Festival 1990, das Tanglewood Festival 1988 und 1991 und das Suntory Summer<br />
Festival in Tokio 1998, wo ihm besondere Schwerpunkte gewidmet waren. Mit dem Aldeburgh<br />
Festival und der Britten-Pears School ist er seit über 20 Jahren in unterschiedlichen Funktionen als<br />
Lehrer, Berater und Organisator eng verbunden. Außerdem ist er als Produzent für verschiedene<br />
Plattenlabels tätig; 1988 gründete er das auf zeitgenössische Musik spezialisierte Label NMC Recordings.<br />
Zur Zeit ist Matthews „Associate Composer“ des Hallé Orchestra Manchester und Professor für Komposition<br />
am Royal College of Music.<br />
Werke (Auswahl)<br />
Night Music für Orchester (1976)<br />
Landscape, Sonata no. 5 für Orchester (1977-81)<br />
2 Cellokonzerte (Nr. 1 1984 Auftragswerk für die BBC Proms, Nr. 2 1996 für das London Symphony<br />
Orchestra und Mstislav Rostropowitsch)<br />
Suns Dance für 10 Instrumente (1985)<br />
Broken Symmetry: UA März 1992 BBC Symphony Orchestra unter Oliver Knussen<br />
Ballettkomposition Hidden Variables für das Royal Ballet 1999<br />
Continuum für Stimme und 23 Instrumente (1997-2000)<br />
Pluto, the renewer als Ergänzung zu Gustav Holsts Planeten (2000)<br />
Refl ected Images: UA 2003 San Francisco SO unter Michael Tilson Thomas<br />
3 Streichquartette (1979, 1985, 1994/95) und 2 Oboenquartette<br />
Divertimento für doppeltes Streichquartett (1982)<br />
diverse Klavierwerke und Kammermusik<br />
Bassoonova für Fagott solo (2003)
Colin Matthews: Suns Dance<br />
Suns Dance entstand zwischen Dezember 1984 und Juli 1985 und ist ein helles Gegenstück zu meinem<br />
ein Jahr früher geschriebenen Stück Night’s Mask für Sopran und sieben Instrumente, mit dem<br />
es viel Material gemeinsam hat. In Night’s Mask wird das zumeist sehr langsame Tempo von zwei<br />
sehr schnellen Episoden unterbrochen; Suns Dance nimmt diese schnelle Musik zum Ausgangspunkt<br />
und steckt überwiegend voller Energie. Im Rahmen einer Form, die auf beständiger Variation (und<br />
sehr wenig Rekapitulation) beruht, wechseln ausgedehnte Tutti mit konzertanten Soli ab, von denen<br />
die bemerkenswertesten in der ersten Hälfte des Stücks für Kontrafagott, Oboe, Horn und Viola sind<br />
sowie, direkt vor der Coda, für Piccolo und Kontrabass. Suns Dance entstand im Auftrag der London<br />
Sinfonietta und wurde durch Mittel fi nanziert, die der Arts Council zur Verfügung gestellt hatte. Das<br />
Werk ist Donald Mitchell gewidmet.<br />
Colin Matthews<br />
Colin Matthews<br />
Suns Dance für 10 Spieler (1985)<br />
Obwohl Colin Matthews‘ Suns Dance nur etwa 16 Minuten dauert, beläuft sich der Umfang der Partitur<br />
auf 157 Seiten – mehr als bei vielen ausgewachsenen Sinfonien. Das liegt einfach an dem Tempo,<br />
in dem die Musik vorüber rast. Der Impetus wird noch dadurch erhöht, dass es trotz gelegentlicher<br />
Wiederkehr bestimmter Texturen im Prinzip keine Wiederholung von Themen gibt, sondern vielmehr<br />
ein beständiges Hervorsprudeln frischer Figuren. Tatsächlich geht es in mehreren von Matthews‘<br />
jüngsten Werken um kontinuierliche Bildevorgänge – eine Idee, die man teils auf sein zeitweiliges Interesse<br />
an der amerikanischen Minimal Music in den 1970er Jahren zurückführen kann, vielleicht aber<br />
noch augenscheinlicher auf solche Innovationen der Avantgarde vom Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
wie das Obbligato Recitativ in Schönbergs Fünf Orchesterstücken.<br />
Suns Dance beginnt mit abrupten Wechseln zwischen hüpfenden Clustern und ausgehaltenen<br />
Einzeltönen, wobei sich die Auseinandersetzung zum Großteil in einer Art zweistimmigem Kontrapunkt<br />
zwischen cantus-fi rmus-artigen langgezogenen Linien und schnörkelhaft fl exiblen schnellen<br />
abspielt. Ein sich ständig verändernder Prozess von Stimmverdopplungen und –verstärkungen durch<br />
Heterophonie aber, und die Art, wie der Kontrapunkt sich aufbäumt und herabtaucht zwischen Hoch<br />
und Tief, schaffen eine permanente Unvorhersehbarkeit. Das Werk verlangt dem Dirigenten und den<br />
zehn Instrumentalisten sicherlich die äußerste Virtuosität ab. Seine hektische Brillanz wird durch die<br />
ungewöhnliche Zusammenstellung der Blasinstrumente erhöht, die gegen die fünf Streicher eingesetzt<br />
werden: Piccolo, Oboe, Horn, Bassklarinette und Kontrafagott, für das wohl noch nie eine derart<br />
manische Stimme geschrieben worden ist.<br />
Der Titel (Tanz der Sonne) soll offenbar nichts Programmatisches bezeichnen, das über eine generelle<br />
Vorstellung des Charakters hinaus ginge, und die Form lässt sich nur schwer in einzelne Abschnitte<br />
zergliedern. Jedenfalls aber gibt es nach etwa der Hälfte eine wachsende Tendenz der hyperaktiven<br />
Linien, sich auf maschinengewehrartigen Wiederholungen von Tonleiterfi guren festzusetzen, und der<br />
nahende Schluss wird – mittels der Analogie zum Anfang – durch eine Serie von statischen, eingefrorenen<br />
Akkorden angekündigt.<br />
Suns Dance, das vom Arts Council geförderte Auftragswerk für die London Sinfonietta, stellte nach<br />
der Uraufführung am 30. Oktober 1985 unter Oliver Knussen eine erfrischende Überraschung für alle<br />
die dar, die bis dahin dazu geneigt gewesen waren, Matthews in die Schublade „nach-Mahlerianischer<br />
Romantiker“ zu stecken. 1987 machte Ashley Page zu dem Werk eine erfolgreiche Choreographie<br />
mit dem Titel Pursuit für das Royal Ballet. Aus diesem Anlass verlängerte Matthews sein Stück<br />
und vielleicht auch aus Rücksicht auf die Spieler wie auch die Tänzer änderte er ein paar Details in<br />
den Noten und ergänzte eine langsamere Einleitung, ein Zwischenspiel und eine Coda.<br />
Bayan Northcott, 1988, Übersetzung Georg Rudiger
Michel van der Aa<br />
Michel van der Aa wurde 1970 in den Niederlanden geboren. Er studiert Komposition und Musikproduktion<br />
am Royal Conservatory in Den Haag. Seine Kompositionslehrer waren Diderik Wagenaar,<br />
Gilius van Begeijk und Louis Andriessen. 1993 gründete er eine Produktionsfi rma für Produktionen<br />
zeitgenössischer Musik. 1994 erhielt Michel van der Aa ein Stipendium der Foundation of Performing<br />
Arts, mit dem er an den Internationalen Tanzkursen für Choreografen und Komponisten in England<br />
teilnahm. In Zusammenarbeit mit dem Choreografen Philippe Blanchard entstand 1996 „Staring at<br />
the Space“ für Orchester und zehn Tänzer im Auftrag des schwedischen Norrköping Symphony<br />
Orchestra. 1997/98 war van der Aa Composer in residence der Den Haag Percussion Group. 1999<br />
komponierte er verschiedene elektronische Passagen für den Film „Writing to Vermeer“ von Louis Andriessen<br />
und Peter Greenaway. Michel van der Aa erhielt für seine Musik den Gaudeamus Preis 1999<br />
und den Vermeulen Incentive Prize der Amsterdam Art Foundation 2000.<br />
Eine Einführung in die Musik von<br />
Michel van der Aa<br />
‘Musik ist erst dann richtig spannend, wenn Poesie und Form unlöslich miteinander verbunden sind‘,<br />
behauptet Michel van der Aa. Und genau durch diese Spannung glänzen seine Kompositionen:<br />
fachmännisches Können und Sprachgewandtheit gehen im Gleichschritt und verstärken sich fortwährend.<br />
Van der Aas Gefühl für Klarheit und Struktur verrät seinen Hintergrund; er studierte bei Diderik<br />
Wagenaar und Louis Andriessen in Den Haag. Jedoch ist er in der Beseelung seines Materials einen<br />
vollkommen eigenen Weg gegangen. Denn seine Musik hat auch eine poetische, empfi ndliche Seite.<br />
Man hört atmende, lebende Konstruktionen mit menschlichen Eigenschaften: Einsamkeit, unerwarteter<br />
Humor, Askese und Gespaltenheit. Es ist eine Musik, die extreme Reaktionen hervorruft, die<br />
sowohl erschüttert als ergreift.<br />
Hört man sich ein Van der Aa-Stück an, wundert man sich nicht selten, wo die Klänge eigentlich<br />
herkommen. In manchen Werken bekommen die Musiker unsichtbar Gesellschaft von einem Tonband,<br />
das mit ihnen einen Dialog beginnt. Ist das nicht der Fall, so können die sichtbaren Instrumente<br />
auf unerwartete Art und Weise erklingen. Van der Aa ist ein Dramaturg: für ihn sind Klänge das, was<br />
Menschen für den Theatermacher sind. Seine Klänge sind plastisch, gefügig oder widerspenstig, sie<br />
verstärken oder neutralisieren sich gegenseitig, sie herrschen oder unterliegen. Dies gibt seiner Musik<br />
einen stark visuellen Einschlag: möge der Zuhörer noch so fantasielos sein, Van der Aa gelingt es,<br />
Bilder wachzurufen. Und die Konfrontation der Bilder hat oft thrillerartige Intensität.<br />
Sobald der Progatonist eingeführt ist - ein Solist, ein Ensemble oder ein Orchester - wird diese getestet<br />
durch Impulse von außen. Der Gegenspieler entpuppt sich meistens als ein Alter Ego, eine andere<br />
Version dieses Protagonist: eine gesampelte Tonbandversion zum Beispiel, oder ein
Live-Imitator innerhalb des Ensembles. Die Interaktion mit dem Alter Ego, charakteristisch für Van der<br />
Aa, klingt immer überrumpelnd. Das Klangbild variiert fortwährend und dadurch auch die Richtung<br />
seiner Dramen. Jede Komposition bietet sicher auch einen Hauch an Harmonie und Behaglichkeit;<br />
jedoch macht die Zerrüttung eben dieser Harmonie die Musik so ergreifend.<br />
In der kürzlich komponierten Here-Trilogy kommt Van der Aas Dramatik in voller Größe zum Ausdruck.<br />
Die drei Teile - für unterschiedliche Besetzungen komponiert und somit auch getrennt aufführbar<br />
- haben ‚die Sängerin‘ als verbindendes Thema. Ihre Beziehung zu ihrer musikalischen Umgebung<br />
gestaltet sich in jedem Teil anders. In Here [enclosed] ist sie persönlich noch nicht anwesend;<br />
Orchester und Dirigent haben auf der Bühne einen Vitrineschrank als Partner, worin ein Duplikat<br />
der Solistin sichtbar wird. Dieses Objekt antwortet auf die Live-Musik mit gesampelten Fetzen des<br />
Orchesters selbst und zwingt somit die Musiker zum Mimenspiel: sie spielen weiter, aber der Klang<br />
wurde vom Alter Ego geraubt. In Here [in circles] für ein kleines Ensemble geschrieben, erscheint<br />
die Sängerin in Fleisch und Blut. Aber auch diesmal durchbricht sie ihre Isoliertheit nicht: sie bleibt<br />
in loops stecken, ebenso wie die anderen Musiker. Zur Verstärkung dieser aussichtslosen Situation<br />
macht die Sängerin mit einem Minirekorder realtime-Aufnahmen des Geschehens, die sie auf das<br />
Ensemble zurückwirft.<br />
Synchronie zwischen Individuum und Umgebung wird erst in Here [to be found] erreicht. Aber noch<br />
immer tasten sich beide Parteien gegenseitig ab, ergänzen sich, übertrumpfen und bestreiten sich<br />
- um anschließend ihren eigenen Weg zu gehen.<br />
Ebenso repräsentativ ist One eine Kammeroper, in der eine Singstimme es aufnimmt gegen ein Tonband<br />
und Video-Projektionen. Die Videobilder sind fest verwachsen mit der Musik; wie auch die Tonaufnahmen,<br />
die Van der Aa in anderen Stücken einspielt, sind sie eine Verlängerung des Klangbildes,<br />
ein zusätzliches Musikinstrument. Kennzeichnend ist die Art und Weise, wie Van der Aa Schönheit<br />
und Hässlichkeit unverblümt aufeinander treffen lässt: der fast neurotische, wirre Text (vom Komponisten<br />
selbst) und die oft sehr ästhetischen Klänge bilden einen reizvollen Kontrapunkt. Gerade<br />
indem er ‚Hässlichkeit‘ zulässt, gibt Van der Aa der Schönheit eine Richtung und einen Zweck.<br />
Man könnte Van der Aa einen Experten auf dem Gebiet von Störung und Entgleisung nennen Double.<br />
gleicht hinsichtlich der Bühnenaufstellung einem klassischen Duett für Violine und Klavier, aber die<br />
Verfremdung schlägt unmittelbar zu. Das Klavier ist mit den Saiten eines Geigenstocks präpariert, um<br />
den Klang der Violine zu imitieren; die Violine versucht, die Konkurrenz abzuschütteln. Darauf folgt<br />
ein heftiges Hin und Her, voller Scheinbewegungen und frustrierter Kommunikation.<br />
Eine Variante dieses Spiels ist das Schlagzeugduett Wake - wenn auch ‚Duett‘ hier vor allem ein<br />
visueller Begriff ist. Denn ein Schlagzeuger bleibt unhörbar; er nimmt mimisch am Geschehen teil,<br />
kopiert die Gesten seines Partners oder kündigt sie an und versetzt dadurch dessen Timing in einen<br />
neuen Kontext. Auch hier zeigt Van der Aa seine Fähigkeit eine dramatische Linie fortzuführen: nach<br />
und nach beeinfl usst der Mimiker den Musiker und lässt die Darstellung mehr und mehr nach seinem<br />
Willen verlaufen. Was anfänglich ein Schatten war, wirft nun Licht auf den musikalischen Verlauf.<br />
So interdisziplinär Van der Aa auch arbeitet, doch sind und bleiben Noten sein Ausgangsmaterial. Die<br />
‚Preposition Trilogy Above, Between und Attach basiert auf nur zehn Akkorden. Beschränktes Material<br />
also, für Van der Aa jedoch ausreichend für eine musikalische Odyssee. Ein Live-Ensemble und ein<br />
Tonband mit Samples von demselben sind die Figuren, und ihre Konfrontationen sind wahre Cliffhanger:<br />
je nachdem, wie die Machtverhältnisse sich ändern, verändert sich auch die<br />
umgebende Klanglandschaft.
Launenhaftigkeit und bizarre Wendungen kann man übrigens auch schon in seinen frühen Werken<br />
fi nden Aubum, für Gitarre und Tonband, löst die klassische Gitarre von ihrem introvertierten, braven<br />
Image: Musik als Hochdruckkessel, in dem funky riffs die Temperatur in die Höhe treiben. Und in Oog<br />
ist es ein Cello, das zu explodieren scheint, hervorgerufen durch die Klänge auf Band.<br />
Kurzum, Van der Aas Musik übersetzt alltägliche, weltliche Prozesse in nicht alltägliche Klänge. Er<br />
macht Bildhauerarbeiten aus Klang und seine Themen sind aus dem Leben gegriffen. Und da er<br />
immer eng mit den Musikern zusammenarbeitet, treten sie frisch und vital ins Rampenlicht. Van der<br />
As tastet die Erwartungen seiner Zuschauer ab, manipuliert sie, verzerrt sie. Doch sogar im den gekrümmtesten<br />
Spiegeln kann man sich selbst erkennen, ob man will oder nicht.<br />
Was die Stuttgarter Zeitung über Here [to be found] geschrieben hat, gilt für sein ganzes Oeuvre:<br />
‚Man könnte sagen, dass Michel van der Aa die besten Fragen stellt. An sich und an die Musik. Sie<br />
heißen: Wie kann ich mich vermitteln? Ziemlich beherzigenswerte Handwerkerfrage, nicht nur, wie<br />
baue ich einen Turm, sondern, wie komme ich aus dem Turm heraus? Wie kann ich zeigen, dass das<br />
Alte wieder neu ist?‘<br />
©2004 Michiel Cleij, Boosey & Hawkes, Übersetzung Mallika Müller<br />
>>> Weitere Informationen zu Michel van der Aas ‚Here‘-Trilogie schicken wir Ihne gerne zu!
Reinbert de Leeuw<br />
Reinbert de Leeuw ist fester Dirigent des Schönberg Ensembles seit seiner Gründung 1974. Er wurde<br />
1938 in Amsterdam geboren und studierte dort Komposition, Klavier und Dirigieren. Als Konzertdirigent<br />
hat er verschiedene renommierte Ensembles und Symphonieorchester innerhalb und außerhalb<br />
der Niederlande geleitet. An der Nederlandse Opera Amsterdam und der „Nationale Reisopera“ leitete<br />
er u.a. Produktionen von Louis Andriessens Writing to Vermeer, Ligetis Le Grand Macabre, Brittens<br />
The Turn of the Screw. Als Komponist trat er z.B. beim Holland Festival 2003 mit Im wunderschönen<br />
Monat Mai – dreimal sieben Lieder nach Schumann und Schubert hervor. Für das Sydney Symphony<br />
Orchestra ist er als künstlerischer Berater für dessen Konzertreihen mit moderner und zeitgenössischer<br />
Musik tätig.<br />
Barbara Hannigan<br />
Die kanadische Sopranistin Barbara Hannigan studierte bei Mary Morrison an der University of<br />
Toronto (bis 1998) sowie bei Meinard Kraak am Konservatorium von Den Haag, außerdem in Ravinia<br />
und am Banff Centre. Ihr Opernrepertoire reicht von Hasse und Händel über Mozart und Gluck zur<br />
Titelrolle in Janáceks Schlauem Füchslein und insbesondere zu zeitgenössischen Komponisten, etwa<br />
bei den Uraufführungen von Louis Andriessens Writing To Vermeer 1999 oder von Michel van der<br />
Aas Ein-Personen-Oper One 2003, mit der sie auch bei den letztjährigen <strong>Berliner</strong> Festwochen, beim<br />
Festival d’Automne in Paris, in Zagreb und St. Petersburg gastierte. Sie trat u.a. mit dem Scharoun<br />
Ensemble, dem Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt und dem Toronto Symphony Orchestra unter<br />
Dirigenten wie Esa-Pekka Salonen, Michael Gielen, Peter Eötvös, Ingo Metzmacher und Jukka-Pekka<br />
Saraste auf. Schon mehrfach arbeitete sie mit dem Asko- und dem Schönberg Ensemble zusammen.
Asko Ensemble<br />
Das Asko Ensemble wurde 1965 in den Niederlanden gegründet und zählt zu den führenden Neue-<br />
Musik-Ensembles Europas. Es hat keinen festen Dirigenten, sondern lädt projektweise Dirigenten wie<br />
George Benjamin, Riccardo Chailly, Oliver Knussen, Reinbert de Leeuw und Peter Rundel zur Zusammenarbeit<br />
ein. Groß ist die Zahl der Ur- und Erstaufführungen, die das Asko Ensemble bestreitet,<br />
zuletzt z.B. Werke von Kyriakides, Ciciliani, Twaalfhoven, Rijnvos und Dutilleux. Häufi ge Kooperationspartner<br />
sind das Schönberg Ensemble und die Nederlandse Opera Amsterdam; die Lust am Neuen<br />
und Grenzüberschreitenden führte auch zur Beteiligung an Film-, Tanz- und Multimediaprojekten.<br />
Schönberg Ensemble<br />
Das Schönberg Ensemble hat seinen Namen von seinem anfänglichen Arbeitsschwerpunkt, der bei<br />
den Werken der Zweiten Wiener Schule lag, sich inzwischen aber auf die Neue Musik insgesamt<br />
ausgeweitet hat. Es besteht seit 1974 und wurde von Anfang an von Reinbert de Leeuw geleitet. Seit<br />
einiger Zeit tritt das Schönberg Ensemble öfters zusammen mit dem Asko Ensemble auf. Es arbeitete<br />
auch wiederholt mit der Nederlandse Opera zusammen und ist häufi g bei großen internationalen Festivals<br />
zu Gast, z.B. in Holland, Wien, Salzburg oder New York, im vergangenen Jahr nahm es an dem<br />
Russland-Schwerpunkt bei den <strong>Berliner</strong> Festwochen teil. Unter den Komponisten, die Werke speziell<br />
für das Schönberg Ensemble geschrieben haben, sind Louis Andriessen, Klaas de Vries, Mauricio<br />
Kagel und Sofi a Gubaidulina.
Avanti! Ensemble<br />
Avanti! Ensemble<br />
Dirigent · Hannu Lintu<br />
Violine · Jan Storgårds<br />
Sopran · Riikka Rantanen<br />
Kaija Saariaho<br />
Graal théâtre<br />
Ensemblefassung<br />
Colin Matthews<br />
Continuum<br />
Deutsche Erstaufführung<br />
Mi 15. September | 20.00 Uhr<br />
Philharmonie | Kammermusiksaal<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
Telefon + 49 - 30 - 254 89 - 223 | Telefax +49 - 30 - 254 89 - 155 | presse@berlinerfestspiele.de | www.berlinerfestspiele.de<br />
MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo
Kaija Saariaho<br />
Graal théâtre<br />
Der Titel „Graal théâtre“ ist dem gleichnamigen Buch von Jacques Roubaud entnommen. Während<br />
ich an meinem Violinkonzert arbeitete, inspirierte mich dieses Buch indirekt in zweifacher Hinsicht.<br />
Zum einen drückt der Titel die Spannung aus, die für mich zwischen der kompositorischen Arbeit und<br />
dem theatralischen Aspekt der Aufführung entsteht, besonders während eines Konzertes, bei dem<br />
der Solist sowohl physisch als auch musikalisch eine zentrale Rolle spielt. Zum anderen animierte<br />
mich Roubauds sehr persönliche Interpretation der Gralslegende dazu, etwas zu verwirklichen, was<br />
ich lange für unmöglich gehalten hatte: die Übertragung eines Violinkonzerts – der Gattung, die so<br />
viele virtuose und bewegende Meisterwerke hervorgebracht hat – in meine musikalische Sprache.<br />
Die ursprüngliche Quelle der Inspiration für dieses Stück ist das Spiel und das musikalische Wirken<br />
Gidon Kremers, dem das Konzert gewidmet ist.<br />
In meinen früheren Werken erweiterte ich den Klang akustischer Instrumente mit Elektronik. „Graal<br />
théâtre“ hat einen anderen Ausgangspunkt: den zarten Klang der Violine und ihre Kommunikation mit<br />
einem Orchester.<br />
Kaija Saariaho, Übersetzung Georg Rudiger<br />
>>> Eine Biografi e von Kaija Saariaho fi nden Sie im Dossier zum Konzert am 10. September!
Colin Matthews: Continuum<br />
Während der drei Jahre, die ich an Continuum gearbeitet habe, hat es sich verändert und entwickelt,<br />
bis seine endgültige Gestalt wenig Ähnlichkeit zu meinen ursprünglichen Plänen aufwies. Insbesondere<br />
ist das vokale Element zum Vorherrschenden geworden, so dass statt meiner ursprünglichen<br />
Absicht, zwei Zwischenspiele singen zu lassen, nun die instrumentalen Abschnitte mehr wie Zwischenspiele<br />
in etwas wirken, das beinahe wie eine „Szene“ für Stimme und großes (23-köpfi ges)<br />
Ensemble erscheint.<br />
Wenn es aber eine Szene ist, dann eine ohne defi nierbare Handlung: Die Texte, die ich zur Vertonung<br />
ausgewählt habe, erzählen nichts, sondern sind hoch komplexe und sich der Deutung entziehende<br />
Gedichte. Demzufolge bin ich nicht sicher, ob ich – weil ich, während ich diese Anmerkungen<br />
schreibe, dem Stück noch zu nahe bin, als dass ich objektiv darüber schreiben könnte – zu dem<br />
Gesamtthema etwas Genaueres sagen kann als durch den Gebrauch der beiden unscharfen Begriffe<br />
Wechsel und Vergänglichkeit [change and transience].<br />
Das Zentrum des Werks bilden zwei Gedichte von Eugenio Montale (1896-1981), die aus seiner<br />
ersten veröffentlichten Sammlung von 1925 stammen: Crisalide (Schmetterlingspuppe) und Casa sul<br />
mare (Das Haus am Meer). Das erste ist im italienischen Original vertont, das zweite in der schönen<br />
englischen Übersetzung von Jonathan Galassi. Umrahmt werden sie von zwei epigrammatischen<br />
Fragmenten aus den französischen Gedichten, die Rilke gegen Ende seines Lebens schrieb (zufällig<br />
ebenfalls um 1925). Ich hoffe, dass ich diese schwierigen und dichten Texte für sich selbst sprechen<br />
lassen kann und dass man mir verzeihen wird, wenn ich nicht versuche, sie zu interpretieren, außer<br />
durch die Vertonung.<br />
Die instrumentalen „Zwischenspiele“ – diese Bezeichnung verleugnet allerdings die Tatsache, dass<br />
sie musikalisch gleich gewichtig sind – kommen am Ende von Crisalide: eine turbulente Fortsetzung<br />
des Gedichts, die in ein düsteres Nachspiel umschlägt, und vor der letzten Strophe von Casa sul<br />
mare als beinahe trauermarschartige Unterbrechung des Gedichts. Im abschließenden Rilke-Epigramm<br />
ertönt ein Echo auf die Eröffnung: Gerade so, wie ein Kontinuum kein Ende besitzt, kehrt das<br />
Werk spiralförmig zu seinem Anfang zurück.<br />
Colin Matthews, Übersetzung Georg Rudiger<br />
>>> Eine Biografi e von Colin Matthews fi nden Sie im Dossier zum Konzert am 14. September!
Hannu Lintu<br />
Der fi nnische Dirigent Hannu Lintu wurde 1967 geboren und begann seine Ausbildung als Cellist<br />
und Pianist in Turku und Helsinki, bevor er in die Dirigierklassen von Atso Almila und Jorma Panula<br />
an der Sibelius-Akademie wechselte. Er studierte außerdem an der Accademia Chigiana in Siena<br />
bei Myung Whun Chung. 1998-2001 leitete er das Philharmonische Orchester Turku, seit 2002 ist er<br />
künstlerischer Leiter des Helsingborg Symphony Orchestra, davor und daneben leitete er zahlreiche<br />
Orchester und Ensembles in Skandinavien und außerhalb, darunter das Avanti! Ensemble, das Royal<br />
Scottish National Orchestra, das Toronto Symphony Orchestra und die Dortmunder Philharmoniker.<br />
Die zeitgenössische Musik bildet einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Auch als Dirigent neuer Opern<br />
von Aulis Sallinen und Kalevi Aho an der fi nnischen Nationaloper ist er hervor getreten.<br />
John Storgårds<br />
1963 in Finnland geboren, begann John Storgårds seine Laufbahn als Geiger. Er studierte bei Ester<br />
Raitio und Jouko Ignatius an der Sibelius Akademie in Helsinki und später bei Chaim Taub in Israel.<br />
Nachdem er als Solist unter vielen berühmten Dirigenten gespielt hatte, wurde er selbst zum Dirigieren<br />
inspiriert und kehrte an die Sibelius Akademie zurück, um 1993-1997 mit Jorma Panula und Eri<br />
Klas zu studieren. Er ist derzeit erster Gastdirigent des Philharmonischen Orchesters Helsinki und<br />
künstlerischer Leiter des Kammerorchesters Lappland, Gastdirigate brachten ihn seit 1996 u.a. an<br />
das Pult des Scottish Chamber Orchestra, des RSO Frankfurt, das Orchester der Deutschen Oper<br />
Berlin und des Ensemble InterContemporain, außerdem leitete er Opernaufführungen an der Finnischen<br />
Nationaloper und beim Savonlinna Festival. Trotz der zahlreichen Engagements als Dirigent<br />
tritt er auch weiterhin als Geiger auf.
Riikka Rantanen<br />
Riikka Rantanen studierte an der Sibelius Akademie in Helsinki. Von 1984 an übernahm sie Rollen<br />
an der fi nnischen Nationaloper, der sie seit 2002 als festes Ensemblemitglied angehört. Dort verkörperte<br />
sie u.a. die Titelrolle in La Cenerentola, Cherubino in Figaros Hochzeit, Dorabella in Cosí fan<br />
tutte, Mercedes in Carmen und Varvara in Katja Kabanova sowie wichtige Partien in zeitgenössischen<br />
Werken von Rautavaara, Tuomela und Kalevi Aho. Auch beim Opernfestival in Savonlinna trat sie<br />
mehrfach in Hauptrollen auf, im Ausland ist sie bisher vor allem als Liedinterpretin hervorgetreten.<br />
Avanti! Ensemble<br />
Das Avanti! Ensemble wurde 1983 auf Initiative von Esa-Pekka Salonen and Jukka-Pekka Saraste gegründet.<br />
Es setzt sich aus jungen professionellen Musikern zusammen, die in der Mehrzahl eine feste<br />
Anstellung an einem normalen Orchester haben, hier aber als gleichberechtigte Musiker miteinander<br />
arbeiten. Seit 1986 veranstaltet das Avanti! Ensemble das Festival „Summer Sounds“ in der kleinen<br />
fi nnischen Stadt Porvoo. Das Repertoire besteht vornehmlich aus zeitgenössischer Musik und aus<br />
wenig bekannten Werken vergangener Jahrhunderte. Als Botschafter der fi nnischen Avantgarde tritt<br />
das Ensemble regelmäßig auf Festivals in ganz Europa auf. Seit 1998 ist Kari Kriikku der künstlerische<br />
Leiter des Ensembles.
Jos van Immerseel<br />
spielt Debussy<br />
Klavier · Jos van Immerseel<br />
Claude Debussy<br />
Images (oubliées)<br />
Hommage à Rameau<br />
(Lent et grave; aus Images)<br />
Children’s Corner<br />
aus Préludes, Livre II:<br />
no II. (Feuilles mortes)<br />
no XII. (Feux d’artifi ce)<br />
Préludes, Livre I, 1909/10<br />
INSTRUMENTE<br />
Grand piano de concert, Erard, 1886, Paris (N.61.717)<br />
Piano demi-queue, Erard, 1897, Paris (N.76.619)<br />
Do 16. September | 20.00 Uhr<br />
Philharmonie | Kammermusiksaal<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
Telefon + 49 - 30 - 254 89 - 223 | Telefax +49 - 30 - 254 89 - 155 | presse@berlinerfestspiele.de | www.berlinerfestspiele.de<br />
MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo
Jos van Immerseel<br />
wurde in 1945 in Antwerpen geboren. Als namhafter Cembalospieler und Pianist wird er weltweit<br />
aufgrund seiner “authentischen” Interpretationen geschätzt, denen Technik, Improvisationtalent und<br />
theoretischer Hintergrundwissen in ausgewogener Balance zu Grunde liegen.<br />
Mehr als fünfzig Aufnahmen zeigen, wie sehr ein fundamentales Quellenstudium das Spiel beeinfl ussen<br />
kann. Für Jos van immerseel sind “Rhetorik” und “stilistische Annäherung” keine leeren Worte;<br />
er beweist, dass sie in Kombination mit unverkennbarer, unverfälschter Musikalität immer wieder für<br />
grenzüberschreitende, originelle Interpretationen sorgen.<br />
Dies wird vor allem durch die Tatsache deutlich, dass er seit 150 Jahren der erste Flame ist, der am<br />
“Conservatoire National Supérieur” in Paris wieder einen Lehrstuhl erhalten hat. Ausserdem hat der<br />
als erster Belgier erste Preise für drei verschiedene Instumente (Klavier, Orgel, Cembalo) erhalten<br />
und mehrere internationale Wettbewerbe gewonnen. Er unterrichtet am Konservatorium in Antwerpen,<br />
gibt Meisterkurse und war von 1981 – 1985 künstlerischer Direktor des Sweelinck-Konservatiums<br />
in Amsterdam.<br />
1985 gründete er das Barockorchester Anima Eterna, dessen Repertoire nach kurzer Zeit auch klassische<br />
und romantische Werke umfasste.
A History of Sebastian Erard,<br />
Piano and Harp Maker<br />
Sebastian Erard was born in Strasbourg on 5th April 1752. He moved to Paris in 1768 and worked for<br />
an unknown harpsichord maker. Erard wanted to explore the fundamentals of instrument making, and<br />
it soon became apparent that he was a genius at fi nding ways around mechanical problems, a skill<br />
which came to the attention of the Abbé Roussier. His success as an instrument maker caused envy<br />
among his rivals who accused him of working outside the corporation without a licence. Louis XVI<br />
protected him and granted him a licence on his own authority. In 1777 Erard made his fi rst square piano;<br />
it was probably a copy of an English Zumpe piano. A portrait of Erard was shown at the International<br />
Inventions Exhibition of 1885. Once his reputation was established, Erard persuaded his brotherin-law<br />
to join him in Paris. Their fi rst pianos were squares with bichords throughout, and a fi ve-octave<br />
compass. Erard made a combination of piano and organ with two keyboards for Marie Antoinette.<br />
The revolution of 1789 destroyed his business in Paris and in 1792 he opened a factory in Great Marlborough<br />
Street, London. Apparently he left his brother Jean-Baptiste to carry on the French branch.<br />
According to the London Post Offi ce Directory, he opened an English branch as early as 1786, at 18<br />
Great Marlborough Street, London. However, this may have been just for selling instruments at fi rst.<br />
In 1802 they moved to 189 Regent Street, and then in 1804 to 158a New Bond Street, London.<br />
According to popular belief, Sebastian returned to Paris in 1796, leaving his nephew Pierre to carry<br />
on the London fi rm. This cannot be correct, however, as Pierre was not born until 1796. He died in<br />
1855. Sebastian appears to have come back to London in 1801, as he took out a patent in England<br />
(number 2502) on 16th May 1801, for an improvement on the piano action. However, the bulk of this<br />
patent submission is taken up mainly with the harp. This represented some of the groundwork for his<br />
double-action harp.<br />
The harp seemed to be more important to him than the piano. If you look at most of the patent registrations<br />
from Sebastian, the harp comes fi rst and the piano is just added on in the patent submission.<br />
There are exceptions to this in the cases when he took out patents for musical instruments only. On<br />
the covers of the submissions it says pianoforte and harp. Yet, when one reads the contents of any of<br />
these the harp is given preference over the piano. Perhaps this should not be so suprising, since Sebastian<br />
sold £25,000.00 worth of harps in the fi rst year of the release of the new double-action harp.<br />
Finally, in June 1810, after eight years of working on it, Sebastian Erard patented the double-action<br />
harp with seven pedals (number 3332). This is regarded by most people as the date of the invention<br />
of the concert harp. The instrument had one pedal for each note. Each pedal had three positions<br />
or two notches, which raised the pitch of the note by a semitone for one notch, or a tone for both<br />
notches, by moving the top bridges to shorten the speaking length of the strings. This harp could<br />
be considered more versatile than the piano, since with the use of the pedals a player could get 21<br />
pitches to the octave, while with the piano 12 was the limit. It is reported that Erard did not undress<br />
for three months before his harp was fi nished, snatching meals with pencil in hand and sleeping for<br />
an hour now and again. The concert harp of today basically maintains his design, as does the roller<br />
action for grands. He also had an eighth pedal for opening the back of the sound box, to work as a<br />
swell. At this time the harp was almost as popular in the home as the piano, and Erard made large<br />
numbers of both. He was also regarded as a master organ repairer.<br />
Erard was the fi rst maker in Paris to fi t pedals on the piano, and his instrument, like other continental<br />
pianos, had several pedals. There was the usual sustaining pedal, an action shift, a celeste, and a<br />
bassoon pedal, the latter putting leather against the strings to make them buzz. A knee lever moved<br />
the action further than the action-shift pedal, making the hammers strike only one string.<br />
According to various sources he patented a piano in the shape of a secretaire, with two soundboards,<br />
one above the other. He also invented a transposing piano, with a wooden cylindrical sound-
oard moved by four rollers, so that the strings of the higher or lower notes were struck by the same<br />
hammers. This patent must have been in France.<br />
In France, Sebastian Erard patented an improved version of his double-escapement action, while his<br />
nephew Pierre took out a patent for the same action in London (number 4631, dated 22 December<br />
1821). This was also the fi rst patent that Pierre took out.<br />
In 1840, under patent number 8643, plate number nine, he describes his patent for the front bat pin<br />
with a key bushing. This is a simple component, now standard on all pianos today, that is great for<br />
minimizing wear on the key bushing. It was little things like this that the Erards were so good at. Not<br />
only did they want to improve the sound and fl exibility of the action and piano, they tried to make the<br />
tuner‘s life easier.<br />
Pierre made some other modifi cations to the piano, to make life easier for those who worked on<br />
them. However, not all were taken up for very long. Patent number 13,816, from 1851, shows some of<br />
Pierre‘s work, this one being for a tuning device.<br />
„Figures 3 and 4 show a plan and section of a new screw apparatus for tuning the wires of a grand<br />
piano. In Figure 4 the tuning end of the string (a) is represented as passing through a groove or hole,<br />
and coming out at (b), then turning round the stem of a screw (c), and also round the stem of the<br />
screw (d). These two screws (c) and (d), by the pressure of their beads, keep the wire down tight<br />
upon the surface of the metal slides (g) in the guides or sockets (h), and passing under a bridge or<br />
rest (i). Behind each of the slides (g) is a screw (j) abutting with a shoulder (k) against a metal standard<br />
(i), forming part of the socket (h). The screws (j) may be turned with a key fi tting on their square<br />
heads, shown in the end view, Figure 5. These said screws (j), by screwing up into the sliders (g),<br />
draw them under the bridge (i) towards the standard (i), and tune up the string to the proper pitch.<br />
By a contrary motion of the screws the wires can be slackened at pleasure.“<br />
On the same paper he went on to describe his new fl ange for grands. It is like the Billings fl ange we<br />
all love to work on, but instead of brass it is made of wood.<br />
„Figures 6 and 7 show a plan and a side view of a newly invented hammer butt for Erard‘s Patent<br />
Action, with the improvement of a regulating screw (m) to every separate hammer centre. This<br />
arrangement is of great importance, inasmuch as it admits of every separate hammer centre being<br />
regulated with the requisite degree of tightness, one screw only being required for each butt. Another<br />
advantage in these improved hammer centres is that they may be left very free when fi nishing the<br />
instrument. This greatly facilitates producing a light touch. The screws (m) are also useful to tighten<br />
the hammers should they become too free from the effects of a warm atmosphere, or to loosen<br />
them should they become too tight from the effects of a moist atmosphere. At (n) is shown a slit in<br />
the butt in which the pin (o) is inserted at the end, and this is of suffi cient size to give the slit (n) a<br />
tendency to open.“<br />
And fi nally, the bulk of this patent was taken up by his improvement to the bridge. On this submission<br />
he is not modest about their pianos:<br />
NOW KNOW YE, that in compliance with the said proviso, I, the said Pierre Erard, do hereby declare<br />
that the nature of my said Invention, and the manner in which the same is to be performed, are fully<br />
described and ascertained in and by the following statement thereof, reference being had to the<br />
Drawing hereunto attached, and to the fi gures and letters marked thereon, that is to say: -<br />
The comparison made in regard to pianofortes of all nations at the Great Exhibition has established<br />
more fully than ever the reputation and superiority of my pianofortes over those of the old principle.<br />
My original repetition action, my new proportions in stringing the instruments, and the more solid<br />
construction of the frame have rendered the modern pianofortes so perfect as to leave nothing to be<br />
wished for in mechanical action, tone, and durability. There is, however, one point which, in my mind,<br />
may leave room for improvement; that is, the pressure of the wires on the sounding board. It has
een hitherto a general practice in pianoforte making to lay the strings or wires on the bridge of the<br />
sounding board with a pressure tending to press away the sound board, and it follows, that in course<br />
of time, the power of resistance which the sounding board is capable of opposing to that pressure<br />
of the wires upon it becomes lessened, and its power to produce free and pure vibrations reduced.<br />
These alterations from the original construction obviously prove injurious to the vibrations of the<br />
sounding board, and consequently tend to alter the quality of the tone of the instrument. In order to<br />
remedy such defect, I adopt a different principle of laying the wires on or against the sounding board,<br />
such principle consisting in making some of the wires or strings to press with a tendency to force the<br />
bridge in one direction, and an equal number of others to force the bridge in an opposite direction.<br />
And I would here state, that I am aware that it has before been proposed to have wires on either side<br />
of the bridge, with a view to counteract or balance the pressure on either side of the bridge; but such<br />
plan, in addition in some cases having a double quantity of strings or wires, has other objections, and<br />
I consider the plan of construction employed hitherto is ineffi cient. An explanation of such former<br />
mode is shown by the Diagram No. 1, the strings being in two planes (b) (a), (b) (c). The Diagram No.<br />
2 shows the principle of my improved plan, in which all the strings between the points of vibration<br />
(b) and (a) being in one plane, the mechanical arrangements for adjusting the pressure of the wires<br />
towards and away from the sounding board according to my invention may be varied.<br />
Figure 1 shows a plan view of strings (a) belonging to four notes in the sixth octave of a grand pianoforte.<br />
At (d) are metal studs (originally patented by me) through which the strings pass to be fi xed<br />
on the wrest plank. Instead of applying pins so arranged or fi xed into the bridge on the sounding<br />
board as to cause the strings to be bent sideways, as shown in Figures 3 and 4, I so apply studs (f),<br />
(e), (c), or suitable instruments, that the wires shall be bent in a direction to and from the bridge,<br />
so that in drawing them tight to tune them they shall exert their force partly to draw the bridge, and<br />
consequently the sound board, towards the strings, and partly to force the bridge, and consequently<br />
the sound board, away from the strings, and so as to keep the vibrating parts of the strings (c), (d), in<br />
one plane. The middle stud (e) on the bridge stands higher or lower than the front one (c) and back<br />
one (f) and serves to give to the string passing through the perforated holes in these studs a bent or<br />
an angular direction, either towards or away from the bridge, as maybe required to adjust or equalise<br />
the pressure of the strings on the bridge of the sounding board. The stud (f) is kept on a level with<br />
the one (c), so as to give to the string the due tension on the bridge, and insure a pure intonation<br />
when the string is put in vibration. These respective positions of the studs and of the 20 wires on<br />
the bridge will be more readily understood by reference to Figure 2, representing two sections taken<br />
through Figure 1 at the dotted lines 1, 1, and 2, 2, respectively. In order to adjust or equalise the pressure<br />
of the wires on or against the bridge of the sounding board, the bends or angles of the three<br />
wires of one note are caused to be towards the bridge. (See section taken at 2,2.) whilst in the next<br />
note the bands or angles of the wires are caused to be away from the bridge. (See section taken at<br />
1, 1.) The studs may be fi xed into the same board by screws or otherwise, and they may be formed<br />
as shown, or in any convenient manner, so long as the construction is such that each string or wire<br />
may be bent in a direction towards or from the bridge and sound board, and so as to admit of the<br />
vibrating parts of the strings to be in the same plane. And I would remark, that although the drawing<br />
shows the invention applied only to part of a grand pianoforte, a workman, from the above description,<br />
will readily apply the improvements to other construction of pianofortes.“<br />
Franz Liszt is said to have played a six-octave Erard piano in Paris in 1824. Erard put him under<br />
contract from about this time until 1825, so when he toured England they sponsored him and he<br />
played their pianos. Their grands in 1824 cost 3000 francs, but the price went down 10 years later to<br />
2500 francs. They went up in 1843 from 3000 until they were 3500 francs in 1852, by which time the<br />
seven-octave piano was quite common.<br />
In June of 1825 Pierre Erard showed the new action to the pianist Moscheles. Also in that year Pierre
obtained in England on the 5th January a patent number 5065 for fi xing iron bars to the wooden braces<br />
by means of bolts, passing through holes in the soundboard, which is still the method used for<br />
fi xing the iron frame. Controversy was to arise between Erard and Broadwood as to who fi rst came<br />
up with the idea. Also in this submission were improvements to the wrest plank (or tuning pin block)<br />
and action. Rarely did piano makers submit just one patent on a submission, probably because of the<br />
cost involved. In 1875 it was £0. 1s. 6d. Erard, unlike Brinsmead, produced full-sized scale drawings<br />
with his patents.<br />
Stodart, on the 10 May 1851, sent a letter to The Times promoting their patent of 1820 for metal<br />
‚compensation‘ frames composed of plates and tubular braces. This was to increase stability during<br />
changes in humidity. The tension of the brass strings was borne by brass tubes and that of the iron<br />
strings by iron tubes. Stodart fi tted his bars to most of his pianos, and Pierre Erard obtained a related<br />
French patent in 1822, but made few instruments with this device. Stodart‘s successful use of it was<br />
due mostly to the greater strength of his tubular bars. Stodart abandoned this by 1860.<br />
Because of the revolution the organ at the Tuilleries in France was destroyed, and in 1830 Sebastian<br />
Erard was appointed to restore it, but he was unable to complete the restoration, as he died in<br />
August 1831. In 1835 Pierre Erard was petitioning the Privy Council, claiming that in England „certain<br />
unfounded notions were circulated to their disadvantage.“ During the court of inquiry he claimed that<br />
Erard‘s pianos „had a great deal more strength and power than any other instrument and great effect<br />
in accompanying the voice.“<br />
Three years later Pierre used a metal bridge with holes through which the upper strings passed. In<br />
1839 trouble arose when Erard discovered Broadwood making pianos with studs, which was Erard‘s<br />
invention of 1808. At the exhibition of 1851 the Gold Medal went to Erard. Four years later Erard, with<br />
425 men, turned out 1500 pianos. Their London branch stopped trading in Great Portland Street in<br />
1890, but a hall bearing the fi rm‘s name survived until modern times. From 1903 to 1953 the fi rm<br />
traded as Blondelet Cie. In 1960 Erard merged with Gaveau. The two great French fi rms of Erard and<br />
Pleyel amalgamated in 1961. Yet, just years earlier, Erard and Pleyel were trying to outdo each other<br />
with a duel of the harps, much to the delight of the concert-going public of the day. Pleyel commissioned<br />
Debussy and Erard commissioned Ravel. Sadly, it seems they were wound up in 1971. In late<br />
1971 the name Erard was taken over by the West German maker Schimmel.<br />
Barrie Heaton © copyright 1998-2002.
Musikalische Leitung · Stefan Asbury<br />
Inszenierung · Claus Guth<br />
Bühne, Kostüme · Christian Schmidt<br />
Video · Alex Buresch, Kai Ehlers<br />
Klangregie · Michael Acker,<br />
Roland Breitenfeld und<br />
Johannes Maria Staud<br />
Berenice<br />
Musik Johannes Maria Staud<br />
Libretto Durs Grünbein<br />
nach Edgar Allen Poe<br />
Klangforum Wien<br />
Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR e.V. Freiburg<br />
Auftragswerk: Landeshauptstadt München zur Münchener Biennale,<br />
Wiener Festwochen und <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />
Do 23. | Sa 25. September | 20.00 Uhr<br />
Haus der <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong><br />
Einführung mit Durs Grünbein<br />
Do 23. September | 18.45 Uhr<br />
Haus der <strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong>, Foyer<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
Telefon + 49 - 30 - 254 89 - 223 | Telefax +49 - 30 - 254 89 - 155 | presse@berlinerfestspiele.de | www.berlinerfestspiele.de<br />
MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo<br />
Sopran · Dorothee Mields<br />
Mezzosopran · Anne-Carolyn Schlüter<br />
Bass-Bariton · Otto Katzameier<br />
Schauspieler<br />
Matthias Bundschuh und Klaus Haderer<br />
Vokalensemble
Johannes Maria Staud<br />
geboren am 17. August 1974 in Innsbruck/Österreich<br />
1994 – 2001 Kompositionsstudium an der Wiener Musikhochschule bei Michael Jarrell (Komposition),<br />
Iván Eröd (Harmonielehre, Kontrapunkt) und bei Hanspeter Kyburz an der „Hanns-Eisler-Hochschule<br />
für Musik“ in Berlin, Kompositionsmeisterkurse ua. bei Brian Ferneyhough, Mitbegründer der<br />
Komponistengruppe Gegenklang in Wien<br />
1999/2000 Stipendium der Alban-Berg-Stiftung<br />
2000 Verlagsvertrag mit der Universal Edition<br />
2001 Förderpreis für Musik 2001 der Republik Österreich<br />
2002 Kompositionspreis der Salzburger Osterfestspiele<br />
Komponistenportrait bei den Festwochen, Berlin<br />
2003 International Rostrum of Composers 2003: 1. Preis für Polygon in der Kategorie der<br />
Komponisten unter 30 Jahren<br />
2003/2004 mehrwöchige Arbeitsaufenthalte am Experimentalstudio der<br />
Heinrich-Strobel-Stiftung am SWR in Freiburg<br />
2004 Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung<br />
Nächste Projekte<br />
Werk für großes Orchester UA: Berlin 15. Juni 2005<br />
(<strong>Berliner</strong> Philharmoniker, Sir Simon Rattle - Dirigent)<br />
Werk für Violine solo ARD-Wettbewerbsstück, 2005
Durs Grünbein (Libretto)<br />
Durs Grünbein, 1962 in Dresden geboren, lebt seit 1986 nach kurzzeitigem Studium der Theaterwissenschaft<br />
an der Humboldt-Universität in Berlin als Dichter, Übersetzer und Essayist. Ende der 80er<br />
Jahre führten ihn Reisen durch Europa, nach Südostasien und in die Vereinigten Staaten. Er war Gast<br />
des German Department der New York University und der Villa Aurora in Los Angeles. Seine Bücher<br />
wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Für sein Werk erhielt er mehrere Preise, darunter 1994 den<br />
Peter Huchel Preis und 1995 den Georg Büchner Preis und 2000 den Literaturpreis der Osterfestspiele<br />
Salzburg.<br />
Veröffentlichungen (Auswahl):<br />
Grauzone morgens, (Gedichte, 1988), Schädelbasislektion, (Gedichte, 1991), Falten und Fallen (Gedichte<br />
1994), Den teuren Toten-3. Epitaphe (1994), Galilei vermißt Dantes Hölle und bleibt an den<br />
Maßen hängen, (Essays, 1996), <strong>Berliner</strong> Aufzeichnungen (2002). Erklärte Nacht (Gedichte, 2002),<br />
Vom Schnee oder Descartes in Deutschland (2003).<br />
Stefan Asbury (Musikalische Leitung)<br />
Stefan Asbury zählt zu den profi lierten Interpreten zeitgenössischer Musik. Nach seinem Hochschulabschluss<br />
ermöglichte ihm 1990 ein Leonard-Bernstein-Stipendium in Tanglewood weiterführende<br />
Studien in Komposition (u.a. bei Oliver Knussen) und Dirigieren. Die Arbeit mit Roger Norrington,<br />
Leonard Bernstein, Michael Tilson Thomas, Seiji Ozawa und Simon Rattle prägte ihn stark. In den<br />
vergangenen Jahren trat er mit verschiedenen Ensembles in fast allen Ländern Europas, in Australien<br />
und in den USA auf. Seit 2001 leitet er das Ensemble für zeitgenössische Musik Casa da<br />
Musica in Porto; er war als Direktor für Neue Musik beim Tanglewood-Festival und als Co-Direktor<br />
beim Oxford Contemporary Music Festival tätig. In der Saison 1999 gab er sein Debüt beim Ensemble<br />
Modern. Seinen Ruf als Operndirigent begründete er 1998 mit Prokofjews Liebe zu den drei<br />
Orangen an der Opéra National de Lyon. Es folgten weitere Produktionen in Lyon und an der Opera<br />
North, Edinburgh, sowie beim Netherlands Dance Festival, dem Holland Festival und dem Aldeburgh<br />
Festival. 1994 erhielt er bei der Münchener Biennale den BMW Musiktheaterpreis für die Musikalische<br />
Leitung von Freeze von Rob Zuidam.
Claus Guth (Inszenierung)<br />
Claus Guth studierte in München Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaft an der Universität,<br />
Theater- und Opernregie an der Musikhochschule. Wichtige Impulse empfi ng er in der Arbeit mit<br />
Axel Manthey am Thalia Theater Hamburg und am Staatstheater Stuttgart. Seine erste eigene Regie<br />
war Purcells Dido und Aeneas (Theater in der Reithalle in München, 1991). Für die Münchener Biennale<br />
inszenierte er u. a. 1994 Keplers Traum von Giorgio Battistelli, 2000 Chaya Czernowins Pnima – ins<br />
Innere (die Produktion wurde mit Bayerischen Theaterpreis ausgezeichnet) und 1996 in Koproduktion<br />
mit der Hamburgischen Staatsoper Hanna Kulentys The Mother of Black Winged Dreams.<br />
An der Dresdner Staatsoper inszenierte er 2001 Peter Ruzickas Oper Celan (2001, UA), am Staatstheater<br />
am Gärtnerplatz Lortzings Wildschütz (1998), Der Revisor von Werner Egk (2001) und Das<br />
Beben von Awet Terterjan (2003, UA). In den letzten Jahren setzte sich Guth zunehmend mit Repertoirestücken<br />
auseinander, am Theater Basel inszenierte er 2002 Wagners Tannhäuser und 2003<br />
Webers Freischütz, in Zürich Schuberts Fierrabras (2002) und Händels Radamisto (2004). Mit Berios<br />
Cronaca del Luogo debütierte Guth 1999 bei den Salzburger <strong>Festspiele</strong>n, für 2000 wurde er zur<br />
Inszenierung von Glucks Iphigénie en Tauride eingeladen. 2003 führte Claus Guth zum ersten Mal bei<br />
den Bayreuther <strong>Festspiele</strong>n Regie; er inszenierte den Fliegenden Holländer.
Alex Buresch (Video)<br />
Alex Buresch, 1973 in Mutlangen geboren, studierte 1994-1997 Schauspieldramaturgie an der Bayerischen<br />
Theaterakademie, 1997–2003 an der Filmakademie Baden-Württemberg. Als Dramaturg und<br />
Regieassistent arbeitete er in verschiedenen Schauspiel- und Opernproduktionen. Außerdem schrieb<br />
er zahlreiche Drehbücher für Filme, bei denen er oft auch selbst Regie führte, so Tisch Mann Frau<br />
1997, Fragmente aus dem Paradies 1997-1998, „Kiki & Tiger 2001 (Regie: Alain Gsponer), Such mich<br />
nicht 2003, (Regie: Tilman Zens).<br />
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit sind Videoinstallationen für Theater und Oper, u.a. Das Beben<br />
(UA) Staatstheater am Gärtnerplatz München 2003, sowie für die Uraufführung von Pnima (7. Münchener<br />
Biennale).<br />
Kai Ehlers (Video)<br />
Kai Ehlers, 1976 in Berlin geboren, begann nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zum Zimmermann<br />
in Hamburg. 1997 –2003 absolvierte er ein Studium als Dokumentarfi lmer an der Filmakademie<br />
Baden-Württemberg, das er mit dem Fernsehfi lm Country No.1- Herbst 2001 in New York abschloss.<br />
Beim Internationalen Dokumentarfi lmfestival Kalamata 2003 erhielt er den Preis als bester Studentenfi<br />
lm, außerdem eine Nominierung für den First Step Award. Seit 2003 ist Kai Ehlers als freiberufl icher<br />
Autor, Regisseur und Kameramann tätig und schuf u.a. auch Videoprojektionen für die Oper.<br />
Matthias Bundschuh (Schauspieler/Egaeus 1)<br />
Matthias Bundschuh studierte Theaterwissenschaften und Schauspiel an der Universität London,<br />
Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar Wien und an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst<br />
Busch“ Berlin. In Berlin spielte er am <strong>Berliner</strong> Ensemble unter der Regie von Robert Wilson in Dr.<br />
Faustus lights the lights, und an der Schaubühne unter Luc Bondy in Handkes Die Stunde da wir<br />
nichts von einander wussten. Am Deutschen Schauspielhaus Hamburg war er in Die Jungfrau von<br />
Orleans (Regie: Matthias Hartmann) und Merlin (Regie: Jossi Wieler) zu sehen. 2001 spielte er bei<br />
den Salzburger <strong>Festspiele</strong>n (zu denen er 2004 in Fünf Goldringe zurückkehren wird) den Malcolm in<br />
Macbeth (Regie: Calixto Bieito). Seit 2001 ist er Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele und<br />
arbeitete dort u.a. mit den Regisseuren Jossi Wieler, Andreas Kriegenburg, Johan Simons, Sebastian<br />
Nübling und spielte u.a. in Das Fest des Lamms und die Eboli in Don Carlos. 2003 war er mit Andreas<br />
Kriegenburgs Orestie, 2004 mit Johan Simons’ Anatomie Titus zum <strong>Berliner</strong> Theatertreffen eingeladen.<br />
Neben seiner Arbeit am Theater wirkte er in diversen Film- und Fernsehproduktionen mit.<br />
Otto Katzameier (Bassbariton/Egaeus 2)<br />
Otto Katzameier studierte zunächst Querfl öte, später Gesang in München, u.a. bei Hans Hotter und<br />
Josef Metternich, sowie bei Ilja Karapetrov in Sofi a, Bulgarien. Als Konzertsolist, mit seinen Partien<br />
in Opern Mozarts und Rossinis sowie in zeitgenössischen Werke (u.a. Titelpartie des Macbeth von<br />
Salvatore Sciarrino und des Prospero in Un Re in Ascolto von Luciano Berio) ist er Gast zahlreicher<br />
internationaler Häuser und Festivals (Schwetzinger <strong>Festspiele</strong>, Steirischer Herbst, Festival<br />
d ’Automne Paris, Maggio Musicale Florenz, Aix-en-Provence, Lincoln Center-Festival New York, Münchener<br />
Biennale). Er wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, u.a. beim Mozartwettbewerb<br />
Würzburg, Wettbewerb des Deutschen Musikrates und dem Hugo Wolf Wettbewerb Stuttgart.
Dorothee Mields (Sopran/Berenice)<br />
Dorothee Mields studierte in Bremen bei Elke Holzmann und in Stuttgart bei Julia Hamari. Nach<br />
Abschluss ihres Studiums arbeitete sie insbesondere mit den Dirigenten Ludger Rémy und Thomas<br />
Hengelbrock intensiv zusammen. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Barockmusik, ein weiterer das<br />
spätromantische französische Lied und die Interpretation von Werken der Neuen Musik. Die Sopranistin<br />
ist häufi g Gast internationaler <strong>Festspiele</strong> und Interpretin zahlreicher CD-Einspielungen, darunter<br />
Erstaufnahmen unbekannter Opern, Oratorien und Lieder. Projekte in der Saison 2003 waren<br />
Monteverdis Marienvesper und die Bachkantate Mein Herze schwimmt in Blut (mit Philippe Herreweghe),<br />
Mozarts Exsultate, jubilate mit dem Tokyo Symphonieorchester und die wiederentdeckte<br />
Barockoper Ariadne von Konradi unter der Leitung von Stephen Stubbs in Boston. Dorothee Mields<br />
unterichtet an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar.<br />
Anne-Carolyn Schlüter (Mezzosopran/Der Vamp)<br />
Nach Studien des Gesangs, der Musikwissenschaft, Anglistik und Germanistik widmet sich Anne-<br />
Carolyn Schlüter dem großen lyrischen Mezzosopranfach als Opern-, Konzert- und Liedsängerin. Ihr<br />
Repertoire reicht von der Musik des Barock bis zur Gegenwart. Erste Engagements führten sie an<br />
die Theater in Görlitz und Kiel, wo sie Partien von Mozart, Rossini, Tschaikowsky und Franz Schreker<br />
(Grabenliese in Das Spielwerk und die Prinzessin) sang. Bei der 8. Münchener Biennale wirkte sie in<br />
Manfred Stahnkes Orpheus Kristall mit. An der Oper Köln singt sie in Peter Ruzickas Celan. Im Sommer<br />
2003 gab sie bei den Salzburger <strong>Festspiele</strong>n einen Soloabend mit Werken von Janni Christou, im<br />
Gewandhaus Leipzig sang sie Wagners Wesendonck-Lieder.<br />
Klaus Haderer (Schauspieler/Edgar A. Poe)<br />
Klaus Haderer wurde am Transformtheater in Berlin ausgebildet und studierte im Anschluss Theaterwissenschaften<br />
an der Münchner Universität. Seit 1990 spielt er im Ensemble der Münchner<br />
Schauburg, zuletzt 2002 in Die Schuhe von Herrn Sommer unter Peer Boysen. Außerdem spielte er<br />
am Modernen Theater, am Teamtheater Tankstelle und am Prinzregententheater, weiter in Salzburg<br />
und Bayreuth. Klaus Haderer wirkt außerdem in zahlreichen Film- und Fernsehinszenierungen mit, so<br />
2002 in Verschwende deine Jugend, unter der Regie von Benjamin Quabeck, 2003 in Heiraten macht<br />
mich nervös (Regie: Ariane Zeller) und 2004 in Unter Verdacht (Regie: Friedemann Fromm)<br />
Eva Resch (Hoher Sopran/Hausmädchen)<br />
Eva Resch, 1976 in Passau geboren, studierte bei Sigune von Osten und Eugen Rabine. Als Gaststudentin<br />
am Opernstudio Karlsruhe arbeitete sie u. a. mit Renate Ackermann und Alicija Mounk. Meisterkurse<br />
belegte sie im Fach Oper bei Peter Konwitschny, im Fach Liedgestaltung bei Helmut<br />
Deutsch. Sie sang u. a. bei den Tagen der Neuen Musik in Würzburg und dem Festival A-Devantgarde<br />
in München. 2003 war sie für Wolfgang Rihms Oper Die Eroberung von Mexiko in Mexiko City und<br />
Guanajuato engagiert.<br />
Regine Mahn (Alt/Die Tote Mutter)<br />
Regine Mahn, 1979 in Dachau geboren, studierte an der Hochschule für Musik und Theater in München<br />
bei Gabriele Fuchs. Seit 2001 belegt sie bei Wolfgang Brendel Konzert- und Operngesang,<br />
besucht die Liedklasse von Fritz Schwinghammer und die Oratorienklasse von Christoph Hammer.<br />
Sie gewann zwei erste Preise beim Wettbewerb „Jugend musiziert“, war Finalistin beim Bundeswettbewerb<br />
Gesang und Stipendiatin des Europäischen Musikfestivals 2001. Sie wirkte an mehreren Produktionen<br />
der Bayerischen Theaterakademie mit. Im Mai 2003 gab sie als Wigelis in Richard Strauss’<br />
Feuersnot ihr Debüt am Staatstheater am Gärtnerplatz.
Markus Zapp (Tenor/ Ein Diener)<br />
Markus Zapp sang im Chor der Regensburger Domspatzen. 1991 war er Mitbegründer des Vokalsolistenensembles<br />
Singer Pur, die international als eine der besten Gruppen ihrer Art gelten. 1995–2000<br />
studierte Markus Zapp an der Hochschule für Musik und Theater in München u.a. bei Hanno Blaschke,<br />
Helmut Deutsch und Hanns-Martin Schneidt. Sein Repertoire konzentriert sich vor allem auf<br />
Musik des Barock sowie der Moderne. An zahlreichen Uraufführungen wirkte er mit. Markus Zapp<br />
unterrichtet Gesang in Regensburg und Bamberg und hält des öfteren Workshops für professionelles<br />
Ensemblesingen.<br />
Winfried Hübner (Schauspieler/ Hausarzt)<br />
Winfried Hübner, Jahrgang 1948, absolvierte seine Ausbildung zum Schauspieler 1971-1974 an der<br />
Otto-Falckenberg-Schule in München. Er stand in vielen Theatern vor allem des bayerischen Raums<br />
auf der Bühne, in den letzten Jahren unter anderem im Prinzregententheater in Carl Orffs<br />
Osterspiel und im Füssener Musicalhaus, wo er 2000 bis 2003 fest engagiert war. Er spielte zahlreiche<br />
Rollen in Filmen und Fernsehspielen, zuletzt in Der Luftikus von H. Metzger (ARD, 2003) und<br />
Unter Verdacht von F. Fromm (ZDF, 2002).<br />
Monika Lichtenegger (Mezzosopran)<br />
Monika Lichtenegger, 1977 in Regensburg geboren, studierte an der Hochschule für Musik und Theater<br />
in München. Schon seit ihrer Studienzeit konzertiert sie regelmäßig im geistlichen und weltlichen<br />
Bereich. Erste Bühnenerfahrung konnte sie bereits vor ihrem Studium an den<br />
Städtischen Bühnen Regensburg sammeln. Von 2001 bis 2003 wirkte sie an mehreren Produktionen<br />
der Theaterakademie August Everding mit. Zum Abschluss ihres Studiums sang sie die Vicky Virus in<br />
Moritz Eggerts The Last Days of V.I.R.U.S..<br />
Christina Landshamer (Mezzosopran)<br />
Christina Landshamer studiert in Stuttgart bei Dunja Vejzovic und Konrad Richter. 2001 legte sie ihr<br />
Konzertdiplom an der Hochschule für Musik und Theater in München ab. Meisterkurse belegte sie bei<br />
Emma Kirkby, Ingrid Figur, Philis Bryn Julson, Peter Schreier und Ruth Ziesack. Sie gab ihr Operndebüt<br />
1999 in München als Despina. Im Sommer 2002 wirkte sie als Mitglied der Académie européenne<br />
beim Festival Aix-en-Provence in Janáceks Oper Das schlaue Füchslein mit. 2003 erhielt sie ein<br />
Stipendium des Deutschen Musikrats.<br />
Manuel Warwitz (Hoher Bariton)<br />
Manuel Warwitz studierte Violine und Gesang am Mozarteum Salzburg, danach Gesang an der Wiener<br />
Hochschule. Er ist seit September 2000 Mitglied im Extrachor des Bayerischen Rundfunks. Im<br />
November 2001 gestaltete er die Rolle des Hans Scholl in Udo Zimmermanns Oper Die<br />
weiße Rose, im Frühjahr 2003 die Rolle des Vaters in Hans Werner Henzes Pollicino. Seit Herbst<br />
2003 gehört er dem Vokalsextett Singer Pur an. Daneben tritt er regelmäßig als Liedsänger auf, aber<br />
auch im Bereich des Jazz und mit Schlagern der zwanziger und dreißiger Jahre.
Manfred Bittner (Bariton)<br />
Manfred Bittner war Mitglied der Regensburger Domspatzen. Er studierte an der Hochschule für<br />
Musik und Theater in München. Als Stipendiat des Deutschen Bühnenvereins besuchte er die Opernschule<br />
an der Bayerischen Theaterakademie August Everding. Er wirkte bei Produktionen imPrinzregententheater<br />
und bei den Richard-Strauss-Tagen in Garmisch-Partenkirchen mit. An der Musikhochschule<br />
Stuttgart absolvierte er ein Meisterklassestudium. Darüberhinaus besuchte er Meisterkurse<br />
von Andreas Schmidt und Thomas Quasthoff.<br />
Marcus Schmidl (Bass)<br />
Marcus Schmidl, 1971 in Garmisch-Partenkirchen geboren, besuchte das Gymnasium der Regensburger<br />
Domspatzen und studierte im Anschluss erst bei Raimund Grumbach, dann bei Wolfgang Brendel<br />
Konzertgesang an der Hochschule für Musik und Theater München. Seit gut zwölf Jahren ist er vor<br />
allem als Bass im Vokalsextett<br />
Singer Pur beschäftigt und nahm mehrere Opernengagements wahr. 1999 war er in Regensburg als<br />
Masetto zu hören, 2001 verkörperte er in Salzburg eine der sechs inneren Stimmen in Wolfgang Rihms<br />
Jakob Lenz.<br />
Klangforum Wien<br />
1985 von Beat Furrer als Solisten-Ensemble für zeitgenössische Musik gegründet. Es besteht im Kern<br />
aus 24 Mitgliedern, die bei allen wichtigen künstlerischen Entscheidungen Mitspracherecht besitzen.<br />
Zentral für das Selbstverständnis der MusikerInnen ist die gleichberechtigte Zusammenarbeit<br />
zwischen Interpreten, Dirigenten und Komponisten, die traditionell hierarchische Strukturen in der<br />
Musikpraxis ablöst. Intensive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen ästhetischen Facetten des<br />
zeitgenössischen Komponierens und seiner Geschichte – von den bedeutenden Werken der Klassischen<br />
Moderne, besonders der Zweiten Wiener Schule, über Werke junger, vielversprechender KomponistInnen<br />
bis hin zu experimentellem Jazz und freier Improvisation.Das Klangforum Wien veranstaltet<br />
jährlich einen programmatisch ambitionierten Zyklus im Wiener Konzerthaus. Seit 1997 ist Sylvain<br />
Cambreling Erster Gastdirigent des Klangforum Wien.<br />
Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung<br />
Das Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR e.V. verfolgt den Weg der Synthese<br />
von Kunst und Technik über das Prinzip des Dialogs. In der Regel entstehen hier Kompositionen mit<br />
Elektronik als Co-Produktionen von Komponisten und Technikern.<br />
Einerseits gehört ein fester Stab von Spezialisten zum Studio, andererseits vergibt die Heinrich-Strobel-Stiftung<br />
regelmäßig Stipendien an KomponistInnen, um ihnen zu ermöglichen - sei es zu ihrer<br />
eigenen Orientierung oder mit einem konkreten musikalischen Vorhaben -, zusammen mit den Technikern<br />
im Studio zu arbeiten.<br />
In der Gestaltung von Aufführungen liegt - neben der Forschung und Produktion im Studio - ein großes<br />
Aufgabengebiet des Freiburger Experimentalstudios.<br />
Komponisten verschiedenster Richtungen haben Werke für Live-Elektronik realisiert. Sie werden<br />
durch das Experimentalstudio in Zusammenarbeit mit Interpreten, Ensembles und Orchestern bei<br />
Festivals und Konzertveranstaltungen in ganz Europa aufgeführt.
Pressestimmen<br />
Dieser Einstieg ist so schauerlich schön, daß er kaum noch übertroffen werden kann - obgleich die<br />
Instrumentations- und Klangerfi ndungsphantasie Stauds unerschöpfl ich zu sein scheint.“<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
15. Mai 2004<br />
Musikalisch hat sich Staud gegenüber früheren Werken erstaunlich geöffnet. Er nähert sich, vornehmlich<br />
in den Gesängen der Berenice, Zonen der Unterhaltungsmusik, Tango, Blues, und Jazz. Sie<br />
werden nicht im postmodernen Sinn einer musiksprachlichen Collage eingesetzt, sondern fungieren<br />
als laszive, weiche Masse der unmittelbaren Anziehung, des äußeren sinnlichen Reizes [...]<br />
Süddeutsche Zeitung<br />
14. Mai 2004<br />
„Die Geschichte vom Bücherwurm, der sich nie mit der Dame seines Herzens vereint fühlt, ehe er<br />
nicht die Zähne der plötzlich Verstorbenen in den Händen hält, fand Entsprechung in einer musikalisch-handwerklich<br />
raffi nierten Mischung vieler Stilrichtungen.“<br />
Westdeutsche Allgemeine<br />
17. Mai 2004<br />
„Die schier unerschöpfl ich vielfältigen und komplex strukturierten Instrumentierungen und Klänge<br />
Stauds bannten den Zuschauer - auch dank des hervorragenden Wiener Klangforums und eines ausnahmslos<br />
energievollen Sängerensembles“<br />
Das Opernglas<br />
7-8/2004<br />
„Eine solche Zusammenarbeit kann schnell enden, auf hohem Niveau platzen oder beide Kooperanten<br />
befl ügeln. Bei Staud und Grünbein war Letzteres der Fall. Beide beschreiben die Entwicklung<br />
der Zusammenarbeit aus tastenden Anfängen zu immer engerem Zusammenwirken als eines ihrer<br />
glücklichen künstlerischen Erlebnisse.“<br />
Neue Zeitschrift für Musik<br />
Mai/Juni 2004<br />
„Eine Uraufführung, die zum Auftakt der diesjährigen ‚Münchner Biennale für zeitgenössische Musik“<br />
von dem mit zahlreicher Prominenz durchsetzten Premierenpublikum im Staatstheater am Gärtnerplatz<br />
denn auch mit Ovationen bedacht wurde.“<br />
Neue Presse<br />
15. Mai 2004<br />
„Virtuos spielt Staud mit allerlei Versatzstücken, setzt bewußt Anklänge an Populär-Musik ein, stellt<br />
(mittels Tonband) geräuschhafte Klangskulpturen in den Raum und sorgt immer wieder für große<br />
Ausbrüche und zarte Schattierungen. In Stauds Universum fi nden Wort und Ton zu einer Einheit;<br />
auch die Sprechpassagen (fast in Rezitativform) sind musikalisch grundiert. das Ergebnis ist ein Musiktheater<br />
im wörtlichen Sinn.“<br />
Kurier<br />
24. Mai 2004
Klangforum Wien<br />
Klangforum Wien<br />
Dirigent · Stefan Asbury<br />
Ernesto Molinari, Klarinette<br />
Enno Poppe<br />
Holz - Knochen - Öl<br />
Deutsche Erstaufführung der gesamten Trilogie<br />
Fr 24. September | 20.00 Uhr<br />
Philharmonie | Kammermusiksaal<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Festspiele</strong> | Schaperstraße 24 | 10719 Berlin<br />
Telefon + 49 - 30 - 254 89 - 223 | Telefax +49 - 30 - 254 89 - 155 | presse@berlinerfestspiele.de | www.berlinerfestspiele.de<br />
MaerzMusik<br />
Theatertreffen<br />
Konzerte | Oper<br />
JazzFest Berlin<br />
spielzeiteuropa<br />
Jugendwettbewerbe<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Ausstellungen<br />
<strong>Berliner</strong> Lektionen<br />
presseinfo
Enno Poppe: Holz - Knochen - Öl<br />
Nehmen Sie einen Spaten, gehen Sie in den Wald, suchen Sie sich ein schattiges Plätzchen und fangen<br />
Sie an zu graben. Mit etwas Glück stoßen Sie bald auf einen Gegenstand: auf ein Stück Holz, auf<br />
einen Knochen oder – unwahrscheinlicher, aber nicht undenkbar – auf Öl. Materialien wie Holz, Knochen<br />
und Öl sind geschichtslose Konstanten der Natur, die uns jederzeit als Gleiches und Ähnliches<br />
begegnen. Hätte Beethoven an derselben Stelle seinen Spaten angesetzt, er wäre auf die gleichen<br />
Gegenstände gestoßen.<br />
Ähnliches gilt für das Material der Musik. Attacke und Nachklang einer schwingenden Saite, die<br />
Intervallstruktur des Obertonspektrums: all das sind Eigenschaften, denen Komponisten schon vor<br />
zweihundert Jahren Rechnung zu tragen hatten und getragen haben. Material ist also Natur.<br />
Aber das Material ist natürlich auch etwas Überliefertes und sich im Lauf der Geschichte Entwickelndes.<br />
Die auf ein Stück Holz applizierten Techniken wie Sägen, Schnitzen und Schleifen gehören zum<br />
Holz wie die Subdominante zur tonalen Musik. Material ist, mit anderen Worten, auch Geschichte.<br />
Beide Positionen wurden in der Musik nach 1945 vertreten und bisweilen radikalisiert. Die Serialisten<br />
waren Jünger des Fortschritts. Ihre Musik lässt sich anders als eine aus der freien Atonalität und der<br />
Dodekaphonie Schönbergs hervorgegangene nicht Denken. Die Spektralisten wiederum orientierten<br />
sich an zeitlosen akustischen Eigenschaften des Klangs, die sie kompositorisch veredelten.<br />
In den Werken von Enno Poppe fallen die Verfahren der Serialisten und der Spektralisten und also<br />
auch zwei unterschiedliche Materialbegriffe ineins. Einerseits gibt sich Poppe geschichtsbewusst:<br />
traditionslos könne er sich nicht vorstellen und seine Ensemblestücke stellt er wie selbstverständlich<br />
in eine Gattungstradition, die Schönberg 1906 mit seiner Kammersinfonie ins Leben gerufen hat. Andererseits<br />
behauptet Poppe sich als Phänomenologe, dessen musikalische Phantasie sich am Klang<br />
und seinen akustischen Eigenschaften entzündet.<br />
Bereits in den Titeln Holz – Knochen – Öl wird das Material als Thema der Trilogie angesprochen.<br />
Poppe selbst bezeichnet sie als „Chiffren des Organischen“. Und bis zu einem gewissen Grade lässt<br />
sich die Konsistenz der Werke auch damit in Verbindung bringen: die biegsame Stabilität der verfaserten<br />
Stimmverläufe in Holz, die sprichwörtlich trockene Härte des „Martellatissimo“ und des „Secco“<br />
in Knochen und der zähe aber energische Strom ineinander fl ießender Linien in Öl.<br />
Aber wie und wo fallen Natur und Geschichte darin zusammen? Zu den Verfahren, die Poppe auf diese<br />
drei Werke appliziert, gehören Modelle organischen Wachstums. Die Verästelung von Zweigen z.<br />
B. lässt sich mathematisch erfassen und als Proporz auf Tonhöhen- und Dauernverhältnisse übertragen.<br />
Die Bearbeitung der Motive unterliegt dabei einem gewissen Kalkül; Zahlenverhältnisse spielen<br />
in diesen Werken durchaus eine entscheidende Rolle. Aber der Blick auf die Gestalt eines Baumes<br />
verrät, dass in der Natur Kräfte am Werke sind, die Symmetrien und Regelmäßigkeiten bestenfalls<br />
andeuten, dass allerorts Knoten und Unwuchten entstehen, für die die mathematische Logik keinen<br />
Platz hat.<br />
Nehmen wir den Anfang von Holz. Die Klarinette stellt ein viertöniges Motiv vor, dessen Physiognomie:<br />
kurz-kurz-lang-lang und auf-auf-ab, dem gesamten Stück sein Profi l verleiht.
Notenbeispiel<br />
Enno Poppe Holz Klarinettenstimme Takt 1<br />
Das Motiv wird im weiteren gedehnt und gestaucht, entfächert und zersetzt, bis daraus am Ende<br />
der Exposition ein dichtes Stimmengefl echt geworden ist. Nun wäre es ein leichtes gewesen, die<br />
Verästelungen, die die Biologie beschreibt, umstandslos auf dieses Motiv anzuwenden. Aber eben<br />
hier rebelliert Poppes kompositorisches Bewusstsein. Poppe misstraut dem Dünkel der Konsequenz,<br />
die oft genug zu bloßen musikalischen Tautologien führt. Andererseits ist ihm Spontaneität suspekt.<br />
Um also einerseits unter der Herrschaft der Systemlogik nicht zum „Sklave seiner selbst“ zu werden<br />
und andererseits nicht der Willkür zu verfallen , ist Poppe bemüht, „subversiv gegen meine eigenen<br />
Vorgaben anzugehen, ohne die gestellten Regeln zu verletzen – als Wechselspiel zwischen Technik<br />
und Freiheit.“<br />
Geschichtsorientiert ist dieser Ansatz, weil mathematische Verfahren – ganz in der Tradition des<br />
Serialismus – zu musikalischen Verfahren umgedeutet werden. Naturorientiert ist er nicht so sehr des<br />
organischen Wachstumsmodells wegen, sondern weil Poppe sich nicht mit dem reibungslosen Ablauf<br />
eines Systems abgeben will und die Unregelmäßigkeiten, die vermeintlichen Pathologien des<br />
Systems exponiert.<br />
Ein anderes Beispiel. Zu den markantesten Ereignissen, die sich durch die gesamte „Material“-Trilogie<br />
von Enno Poppe ziehen, gehören gravitationsschwere, trübe Akkorde, die die sonst rege Faktur<br />
durchzersetzen.<br />
Dem gesamten Zyklus Holz – Knochen – Öl liegt eine ungewöhnliche harmonische Architektur zugrunde,<br />
die eng mit einem Verfahren der elektronischen Musik verwandt ist: der Ringmodulation. Bei<br />
der Ringmodulation werden die Frequenzen zweier Töne addiert und substrahiert. Dadurch entstehen<br />
zwei neue Tonhöhen, die meist außerhalb der zwölf temperierten Töne liegen.<br />
Ein Beispiel für Ungläubige und Zahlenliebhaber: ein zweigestrichens Fis schwingt mit 740 Herz, ein<br />
zweigestrichenes A mit 880 Herz. Die Summe der beiden Töne beträgt 1620 Herz, irgendwo zwischen<br />
dem dreigestrichenen G (1568 Hz) und Gis (1661 Hz). Die Differenz von 140 Herz liegt ganz knapp<br />
über dem großen Cis (139 Hz). Im einfachsten Falle entstehen bei Poppe derartige<br />
Vierklänge: ein temperiertes Intervall in der Mitte, der Differenz- und der Summationston unterhalb<br />
respektive oberhalb davon. Üblicherweise entstehen Intervalle als proportionales Verhältnis,<br />
eine Quinte z. B. schwingt im Verhältnis 2:3. Poppes Intervallen hingegen liegt ein arithmetisches<br />
Verhältnis zugrunde.<br />
Summations- und Differenztöne sind verstimmte Töne, aber, und das verleiht diesem Verfahren seinen<br />
Reiz, sie klingen nicht falsch oder dissonant. Aufgrund der Verwandtschaft unter den Intervallen<br />
leuchten sie stattdessen wie ein Naturereignis, verleihen sie Akkorden eine raue, vibrierende Farbe,<br />
öffnen sie harmonische Zwischenräume jenseits der klassischen Tonalität.<br />
In Knochen, das im Frühjahr 2000 als erstes, und in Öl, das im Herbst 2001 als letztes Stück der<br />
Trilogie entstand, notiert Poppe die mikrotonal gefärbten Bläserakkorde sorgfältig aus – ohne elektroakustische<br />
Hilfsmittel. In Holz wiederum präzisiert Poppe die Harmonik, indem er einen
Synthesizer Cent-genau auf Tonhöhenabweichungen programmiert und den Ensembleklang mit diesen,<br />
der temperierten Stimmung fremden Tönen anreichert.<br />
Natürlich lassen sich die Werke von Enno Poppe nicht vollständig durch den Dualismus „Natur und<br />
Geschichte“ entschlüsseln. Zentrale Aspekte gehen in diesem Begriffspaar nicht widerspruchslos auf:<br />
die Schnitte und Blenden z. B., die die Werke auf formaler Ebene auszeichnen, auffällige Besetzungsmerkmale,<br />
wie die doppelten Besetzungen in Öl, die sich rankend umeinander weben, und die durch<br />
die Solo-Klarinette bedingte Unwucht in der Ensemblekonstellation von Holz, sowie die beinahe plakativen<br />
Gesten, wie das dunkle Wühlen mit dem Klavier, Harfe und Blech, „diffus“ und „verschwommen“,<br />
das spröde Klangbild am Anfang von Knochen unterlaufen.<br />
Die Synthese von Natur und Geschichte, die Poppe musikalisch erzwingt, hat außerdem nur mittelbar<br />
etwas zu tun mit dem ästhetischen Genuss, den diese Werke bereiten, mit den magischen Momenten,<br />
für die Poppe, als langjähriger Leiter des <strong>Berliner</strong> Ensemble Mosaik, sehr wohl ein Ohr hat. Das<br />
gilt insbesondere für Öl, das am Ende des Zyklus nicht nur die einzelnen Gestaltungsebenen, die Motivgefl<br />
echte und die Harmonik, amalgamiert, sondern das auch einen dramatischen Zug entwickelt,<br />
von der verlorenen Geigen-Kantilene des Eingangs, über eine monumentale, das Treppencrescendo<br />
der Fuge imitierende Passage, die sich zu barocker Pracht entfaltet, bis zum düsteren Morendo, mit<br />
dem das Stück verklingt. Das sind Momente, mit denen Poppe die Topoi emphatischen Ausdrucks in<br />
die Gegenwart hinüberrettet und zu verstehen gibt, dass ästhetische Erfahrung dort beginnt, wo der<br />
theoretische Refl ex des Komponisten aufhört.<br />
Björn Gottstein<br />
>>> Eine Biografi e von Enno Poppe fi nden Sie im Dossier zu Interzone, Informationen zu Stefan Asbury<br />
im Dossier zu Berenice!