1.9 Aufbau- und Verbindungstechnik
1.9 Aufbau- und Verbindungstechnik
1.9 Aufbau- und Verbindungstechnik
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Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
9. <strong>Aufbau</strong>- <strong>und</strong> <strong>Verbindungstechnik</strong><br />
9.1 Einführung<br />
Wir haben uns im Kapitel 8 im wesentlichen mit den digitalen Gr<strong>und</strong>schaltungen beschäftigt. Nur am<br />
Rande wurden Aspekte der Verbindung solcher monolithisch integrierter Gr<strong>und</strong>schaltungen<br />
untereinander erwähnt, <strong>und</strong> dann im wesentlichen mit Blick auf ICs.<br />
Für den <strong>Aufbau</strong> von Systemen stehen heute aber mehrere "Ebenen" der <strong>Verbindungstechnik</strong> zur<br />
Verfügung. Im Überblick könnte man diese wie folgt gliedern:<br />
1. Verbindungsleitungen auf dem IC<br />
Hier stehen für den Entwurf anwendungsspezifischer ICs heute bis zu fünf metallische<br />
Verbindungslagen übereinander zur Verfügung.<br />
2. Verbindungen von ICs zur Außenwelt<br />
Die Verbindung nach außen erfolgt durch Einsetzen des ICs in ein Gehäuse (Package). Die<br />
Verbindung vom IC zum Gehäuse (Package) wird in der Regel durch dünne Golddrähte<br />
(Bonddrähte) hergestellt. Das Gehäuse wird direkt oder mittels eines Stecksockels mit einer Platine<br />
(Board) verb<strong>und</strong>en. Es werden heute Gehäuse mit ganz unterschiedlicher Gestaltung der Pins <strong>und</strong><br />
mit Pin-Zahlen bis etwa 500 angeboten, in Ausnahmefällen sind bis zu ca. 1000 Pins möglich.<br />
Gehäuse- Pins<br />
Bonddrähte<br />
Cavity<br />
die<br />
Abb. 9.1: IC- mit Gehäuse <strong>und</strong> Bond-Anschlüssen<br />
Dual in-Line-Gehäuse Pin-Grid-Array<br />
Abb. 9.2: Gehäuse-Formen<br />
cavity<br />
Das Standard-Gehäuse von SSI- bis MSI-Bausteinen ist das Dual-in-line-Gehäuse (DIL), von dem es<br />
Versionen mit bis zu ca. 100 Pins gibt. Die Pins sind zur Durchkontaktierung oder für das Einsetzen<br />
in Sockel geeignet. Andere Gehäuse-Formen haben Pins, die sich direkt auf der Oberfläche einer<br />
Platine anschließen lassen. Für Gehäuse mit Pin-Zahlen von mehr als 100 werden rechteckige<br />
"Nagelbretter" verwendet, zum Beispiel auch für moderne Prozessoren (Pentium etc.), die als Pin<br />
Grid Array (PGA) bezeichnet werden.<br />
1
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
3. Multi-Chip Module (second level packaging)<br />
In der Technik der Multi-Chip Module (MCMs), auch als "Chip-Carrier" bezeichnet, werden<br />
mehrere Chips direkt (ohne Gehäuse) auf ein Trägersubstrat aufgebracht. Dies ist entweder ein<br />
Keramik-Träger, manchmal auch ein anderes Silizium-Substrat. Auf solchen Substraten kommen<br />
dann wiederum bis zu 10 metallische Verdrahtungsebenen übereinander vor. Vertikal werden diese<br />
durch sogenannte "Vias" verb<strong>und</strong>en, das sind spezielle Kontakte zwischen metallischen<br />
Verdrahtungsebenen, die sogar „vergraben“ angelegt sein können. Ein solcher Chip-Carrier kann<br />
dann in ein großes Gehäuse eingesetzt <strong>und</strong> mit der Platine verb<strong>und</strong>en werden.<br />
Chip1<br />
Chip2<br />
Chip3<br />
Chip4<br />
Chip 5<br />
MCM<br />
Chip Chip<br />
2<br />
Interconnects<br />
Abb. 9.3: Multi-Chip Modul (MCM) mit Multi-Level-Verdrahtung<br />
4. Platinen (Boards)<br />
In der seit den 60er Jahren üblichen Technik der "gedruckten Schaltungen" wird eine Kuststoff-<br />
Träger für die elektronischen Bauelemente verwendet. In den Anfängen der Technik war eine Seite<br />
den Bauelementen vorbehalten, die Rückseite der Platine trug die "aufgeduckte" metallische<br />
Verdrahtung. Zum Anschluß von Bauelementen wurden deren Gehäuse-Anschlüsse in Bohrungen<br />
zur Rückseite der Platine geführt <strong>und</strong> dort verlötet.<br />
metalische Leiter<br />
Einseitig bestückte Platine<br />
IC IC (mit Package)<br />
Platine<br />
Durchkontaktierung<br />
Zweiseitig bestückte Platine<br />
IC IC<br />
IC IC<br />
(Surface Mounted Devices- SMD-Technologie)<br />
Abb. 9.4: Platinen mit ein- <strong>und</strong> zweiseitiger Bestückung
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Bald kamen sogenannte "Multi-Layer-Platinen" hinzu, welche nicht nur 1 bis 2 metallische<br />
Verbindungsebenen an der Oberfläche der Platine besitzen, sondern im inneren weitere "vergrabene"<br />
metallische Leitungsebenen bereitstellen. Insbesondere in der Großrechner- Technologie waren <strong>und</strong><br />
sind Platinen mit 10 bis 15 metallischen Verdrahtungsebenen, von denen jeweils eine oder mehrere<br />
für VDD- bzw. GND reserviert waren, Stand der Technik. Es gibt dabei sowohl vertikale metallische<br />
Verbindungen mit Kontakt zur Oberfläche (Vias) als auch, zumindest bei einigen Herstellern,<br />
"vergrabene" Vias.<br />
Die Gehäuse von ICs werden entweder direkt mit Anschlüssen auf der Platine verlötet oder in Sockel<br />
gesteckt, die ihrerseits mit Platine fest verb<strong>und</strong>en sind. Vorteil eines Anschlußes über Sockel ist die<br />
schnelle Austauschbarkeit von Bauelementen, in PCs sind die Prozessoren (immer) <strong>und</strong> die Speicher-<br />
Bausteine (meistens) gesockelt, nachteilig ist der höhere Preis, aber auch die geringere<br />
Zuverlässigkeit der Verbindungen <strong>und</strong> die schlechteren elektrischen Eigenschaften.<br />
Um die immer komplexer werdenden Anschlüsse von ICs auf den Platinen verdrahten zu können,<br />
werden zunehmend Gehäuse mit dünneren Pins <strong>und</strong> engeren Zwischenräumen verwendet. Damit<br />
sinkt auch die parasitäre Kapazität dieser Baugruppen, sie sind also bei höheren Frequenzen<br />
betreibbar. Andererseits sind inzwischen die Leitungen so dünn <strong>und</strong> die Leitungsabstände so gering,<br />
daß man mit konventionellen Techniken (Lötkolben) kaum noch Reparaturen ausführen kann.<br />
5. Racks, Backplane<br />
Größere Elektronik-Systeme werden in Schränken untergebracht. Die Anschlüsse der einzelnen<br />
Platinen nach außer werden auf eine Steckerleiste gelegt. Eine Anordnung, welche wiederum diese<br />
Platinen miteienander verbindet, nennt man "Backplane". Die mechanischen Anordnungen zum<br />
Festhalten der Platinen werden auch als "Racks" bezeichnet.<br />
9.2 Leitungen<br />
9.2.1 Einführung<br />
In der Digitaltechnik hat man es sich (im Gegensatz zur Analogtechnik) lange erlauben können, die<br />
Verbindungsleitungen zwischen den aktiven Bauelementen stark zu idealisieren. Bei Taktraten in<br />
digitalen Systemen von 100 MHz <strong>und</strong> darüber ist eine derartige Abstraktion nicht mehr möglich.<br />
Hier ist nun eine wesentlich genauere Modellierung von Leitungen vorgesehen, wie sie in der<br />
analogen Hochfrequenztechnik schon lange praktiziert wird.<br />
Es gibt eine einfache Faustformel für die "untere Grenze" für eine solche Betrachtung. Sie erklärt<br />
sich aus der Theorie der elektromagnetischen Wellen.<br />
Die Theorie der Wellen auf Leitungen <strong>und</strong> im Freiraum geht zunächst fast immer von Sinus-förmigen<br />
Strömen <strong>und</strong> Spannungen aus. Andere periodische Signale kann man stets aus einer Überlagerung<br />
von Sinus-Schwingungen unterschiedlicher Frequenz modellieren.<br />
Eine Wechselstrom mit der Frequenz f (entsprechend der Anzahl der Polaritätswechslel pro<br />
Sek<strong>und</strong>e) ist stets verknüpft mit elektromagnetischen Welle der Länge l . Bei Wellen, die sich im<br />
Freiraum ausbreiten, gilt stets: f * l = c.<br />
Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit, im Freiraum beträgt diese etwa 3* 10**8 m/ s.<br />
Wie man in der Physik gelernt haben sollte, sind elektrische Signale ein Teil des sogenannten<br />
elektromagnetischen Spektrum.<br />
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Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Frequenz Wellenlänge Bezeichnung Anwendung<br />
bis 100 Hz > 3000 km Techn. Wechselstrom Energietechnik<br />
100 Hz bis 30 kHz bis 10 km Tonfrequenz Audio-Technik<br />
30 kHz bis 300 kHz bis 1 km Langwelle R<strong>und</strong>funk<br />
300 kHz bis 3 MHz bis 100 m Mittelwelle R<strong>und</strong>funk<br />
3 MHz bis 30 MHz bis 10 m Kurzwelle R<strong>und</strong>funk, Sprechfunk<br />
30 MHz bis 300 MHzbis 1 m<br />
300 MHz bis 3 GHz bis 10 cm Dezimeterwellen Richtfunk, Satellitenfunk, TV<br />
3 GHz bis 30 GHz bis 1 cm Zentimeterwellen Richtfunk, Radar, Sat. TV<br />
30 GHz bis 300 GHz bis 1 mm Millimeterwellen Radar, Meßtechnik<br />
bis 1 um Infrarot<br />
bis 0,1 um Licht-Optik<br />
Abb. 9.5: Elektromagnetisches Spektrum<br />
Aus Gründen, die wir später noch diskutieren wollen, kann eine elektromagnetische Schwingung,<br />
wie sie Träger (fast) aller digitalen <strong>und</strong> analogen Informationsübertragung ist, entweder als freie<br />
Welle im Raum (Radiowellen, Mikrowellen Licht) oder als Schwingungsvorgang auf Leitungen<br />
vorkommen. Dabei ist die Wellenlänge auf der Leitung in der Regel nochmals um den Faktor 2-3<br />
kleiner als die entsprechende Wellenlänge im Freiraum.<br />
Typischerweise muß man sich um Leitungseigenschaften dann nicht kümmern, wenn die Wellenlänge<br />
des Signals mindestens 10-fach größer ist als die Ausdehnungen des technischen Systems, in dem<br />
man arbeitet.<br />
In der 50 Hz-Starkstromtechnik liegt die Wellenlänge bei 6000 km.<br />
Deshalb treten bei Überlandleitungen mit Längen von einigen 100 km durchaus Wellen-<br />
Eigenschaften auf. Eine Überlandleitung für Drehstrom von Hamburg nach Kairo ist deshalb kaum<br />
realisierbar.<br />
In der Digitaltechnik werden heute bei Prozessoren Taktfrequenzen um 300 MHz erreicht, was einer<br />
Freiraum-Wellenlänge von 1 m entspricht.<br />
Auf Kunststoff-Platinen erreicht die Wellenlänge dann Werte um 30 bis 50 cm.<br />
Nimmt man noch die in den steilen Flanken digitaler Signale „verborgenen“ Oberwellen hinzu, so<br />
treten durchaus Frequenzen um 1 GHz mit Wellenlängen von 30 cm (im Freiraum) bzw. um 10 cm<br />
(im Dielektrikum) auf.<br />
Leitungslängen auf Platinen erreichen oft Längen von 20 bis 30 cm, <strong>und</strong> selbst Taktleitungen auf ICs<br />
können einige cm lang werden.<br />
Damit ist die heutige Digitaltechnik durchaus in Dimensionen vorgestoßen, die zur sogenannten<br />
"Hochfrequenztechnik" gehören.<br />
Man kann die Verhältnisse auch anders herum beschreiben.<br />
Im Vakuum legt ein elektrisches Signal entsprechend der Lichtgeschwindigkeit eine Strecke von 3 *<br />
10**8 m zurück. Pro Nanosek<strong>und</strong>e sind dies nur noch 30 cm im Vakuum oder in Luft, etwa 10 cm<br />
bei realen Leitungen, z. B. auch auf Platinen. Andererseits haben schnelle Gatter (z. B. ECL-Logik)<br />
Schaltzeiten um 0,1 ns, was Laufstrecken um 1 cm entspricht ! Zumindest für Platinen <strong>und</strong><br />
zunehmend auch für ICs wird damit weniger die Schaltzeit der Gatter bestimmend für die Laufzeit<br />
von Signalen, sondern die Länge der Verbindungsleitungen! Hier liegt der Gr<strong>und</strong>, weshalb die<br />
hochintegrierten CMOS-Mikroprozessoren seit Beginn der 90er Jahre den weniger hoch<br />
integrierbaren Computer-Mainframes auf der Basis schneller bipolarer Schaltungen erfolgreich<br />
Konkurrenz machen!<br />
Wir wollen uns deshalb nachfolgend mit den Eigenschaften elektrischer Leitungen befassen.<br />
4
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
9.2.2 Leitungen <strong>und</strong> Wellenleiter<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich kann man jeden Transportvorgang von elektrischer Energie mit Wechselstrom als<br />
Ausbreitung einer Welle auffassen. Ein sich änderndes elektrisches Feld erzeugt dabei immer auch<br />
ein wiederum veränderliches magnetisches Feld <strong>und</strong> umgekehrt. Die magnetischen <strong>und</strong> die<br />
elektrischen Feldlinien stehen stets senkrecht aufeinander. Beschrieben wird das Verhalten<br />
elekrischer <strong>und</strong> magnetischer Felder <strong>und</strong> deren Wechselwirkungen durch die Maxwell`schen<br />
Gleichungen.<br />
Diese Wellen sind dabei entweder "frei" oder durch Leitungsstrukturen geführt. Abb. 9.6 zeigt einige<br />
praktisch wichtige Leitungsstrukturen.<br />
Zweidraht-Leitung<br />
Mikro-Streifenleitung<br />
Dielektrikum<br />
Abb. 9.6: Leitungsstrukturen<br />
Koaxialleitung<br />
5<br />
Innenleiter<br />
Außenberandung<br />
Hohlleiter metallische<br />
Berandung<br />
Eine Leitung ist aus der Sicht des Hochfrequenztechnikers eine Struktur, die zur Führung einer<br />
elektromagnetischen Welle geeignet ist. Man unterscheidet zwischen Leitungen, die eine zweifache<br />
Berandung besitzen, <strong>und</strong> Wellenleitern, bei denen nur eine Berandung vorhanden ist. Zweifach<br />
berandet sind die Zweidrahtleitung, die Koaxialleitung <strong>und</strong> die Mikro-Streifenleitung. Dagegen hat<br />
der Rechteck-Hohlleiter nur eine einfache Berandung.<br />
Energie wird stets nur dort transportiert, wo gleichzeitig das elektrische <strong>und</strong> das magnetische Feld<br />
der Welle ungleich null sind. Außerdem stehen die Linien des elektrischen <strong>und</strong> des magnetischen<br />
Feldes stets senkrecht aufeinander.<br />
Nimmt man näherungsweise an, daß metallische Leitungen eine unendlich hohe Leitfähigkeit<br />
besitzen, so ist im inneren solcher Leiter das elektrische Feld immer gleich null, es wird also dort<br />
auch keine Energie transportiert. Energietransport findet deshalb bei realen Leitungen fast<br />
ausschließlich im dielektrischen Isolator-Stoff zwischen den metallischen Berandungen statt!<br />
Im realen Fall dringt das elektrische Feld nur mehr oder weniger tief in die Oberfläche eine Leiters<br />
ein. Die sogenannte Skin-Tiefe ist die Tiefe, bei der der Wert z. B. des elektischen Wertes an der<br />
Oberfläche auf 1/e abgefallen ist. Die Skintiefe sinkt zu höheren Frequenzen mit der Wurzel aus der<br />
Frequenz. Bei hohen Frequenzen dringt also der Strom viel weniger tief in den Leiter ein, er<br />
konzentriert sich an dessen Oberfläche. Ist diese Oberfläche nicht ideal, also z. B. uneben, so ergeben<br />
sich daraus schon steigende Leitungsverluste bei höheren Frequenzen.<br />
Die Modellvorstellung von der "geführten Welle" ist also richtiger als die des Energietransports<br />
mittels des Stromes durch die Leitungen.<br />
Das heißt also, daß sich z. B. in ICs der Energietransport im Silizium <strong>und</strong> im Silizium-Dioxid<br />
vollzieht, weniger in den Leitungen!
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Dielektrikum<br />
E (x)<br />
E (x)<br />
x<br />
6<br />
x<br />
Metall<br />
Bandleitung<br />
Rechteck-Hohlleiter<br />
Abb. 9.7: Vergleich zwischen konventioneller Leitung <strong>und</strong> Wellenleiter<br />
Abb. 9.7 zeigt eine Bandleitung im Vergleich zu einem Rechteck-Hohlleiter (im Querscnitt<br />
dargestellt). Das elektrische Feld ist über die Breite der Leitung etwa konstant (stimmt nicht ganz).<br />
Ein solcher zweifach berandeter Leiter kann elektrische Spannungen <strong>und</strong> Ströme ab der Frequenz<br />
null (Gleichstrom) transportieren. Im Wellenleiter sehen die Verhältnisse ganz anders aus.<br />
Erstens kann man dort keine "Spannung" zwischen den separaten metallischen Leitern definieren,<br />
wohl aber ein elektrisches (<strong>und</strong> magnetisches) Feld. Dieses muß aber in der Berandung null sein.<br />
Genauer: Die tangentiale Komponente des elektrischen Feldes ist an der Berandung gleich null, wenn<br />
diese ideal leitend ist. Näherungsweise nimmt man das aber auch bei guten Leitern (Kupfer) <strong>und</strong><br />
hohen Frequenzen an.<br />
Damit kann eine solche Hohlleitung nur eine Welle transportieren, deren halbe Wellenlänge in die<br />
Hohlleitung "paßt".<br />
Jeder einfach berandete Wellenleiter hat im Gegensatz zu "konventionellen" Leitungen eine untere<br />
Grenzfrequenz. Unterhalb dieser Frequenz ist auf dem Leiter keine Welle ausbreitungsfähig, erfolgt<br />
also auch kein Energietransport. Beim Hohlleiter mit einer Kantenlänge von 15 cm wird man also<br />
annehmen, daß seine untere Grenzfrequenz entsprechend einer Wellenlänge von 30 cm liegt, das ist<br />
für 1 GHz (für Luft im Leiter) der Fall.<br />
Typische Wellenleiter zeigt Abb. 9.8. Ein Wellenleiter benötigt nicht mal eine metallische Berandung,<br />
er funktioniert sogar mit zwei verschiedenen dielektrischen Stoffen. Von genau diesem Typ sind die<br />
optischen Wellenleiter der Glasfaser-Technologie. Dort breitet sich die Welle entweder entlang der<br />
metallischen Oberfläche aus (Oberflächen-Wellenleiter), oder sie wird zwischen den Grenzschichten<br />
von zwei Dielektrika hin- <strong>und</strong> her reflektiert (dielektrische Wellenleiter). Im letzten Fall wird also<br />
kein Metall zur Führung der Welle benötigt. Solche Leitungsmechanismen werden in Glasfaser-<br />
Kabeln verwendet, wo man dann Wellen im Bereich des sichtbaren Lichtes verwenden kann<br />
(Wellenlängen um 0,5 Mikrometer).<br />
Hier treten nur extrem geringe Dämpfungen auf, eine Welle kann also ein Signal ohne<br />
Zwischenverstärker über extrem lange Entfernungen transportieren.
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Oberflächen-Wellenleiter<br />
Dielektrikum<br />
Metall<br />
Abb. 9.8: Wellenleiter-Typen<br />
7<br />
Dielektrischer Wellenleiter<br />
Dielektrikum 1<br />
Dielektrikum 2<br />
Wir wollen an dieser Stelle keine optische Nachrichtentechnik treiben, aber auch die Schaltungsstrukturen<br />
der Mikroelektronik gehorchen der Theorie der elektromagnetischen Wellen.<br />
E<br />
Gro<strong>und</strong>-Plane (Metall)<br />
Si O2<br />
Silizium<br />
Abb. 9.9: Ausbreitung auf IC-Strukturen<br />
Leitung (Metall)<br />
Eine einzelne Leitung auf einem Silizium-Substrat mit SiO2-Isolierschicht zeigt im Querschnitt Abb.<br />
9.9. Die Wellenausbreitung <strong>und</strong> damit der Energietransport findet sowohl im Silizium-Dioxid als<br />
auch im Silizium statt. Silizium ist aber kein guter Isolator, sondern ein schwacher Leiter. Damit<br />
erzeugt Silizium Verluste bei der Wellenausbreitung, die Amplitude der Welle wird reduziert.<br />
Silizium wirkt als "verlustbehaftetes" Dielektrikum.<br />
Hier kommt der Skin-Effekt sichtbar zum Tragen: Bei niedrigen Frequenzen findet die<br />
Wellenausbreitung zwischen dem metallischen Streifen an der Oberfläche <strong>und</strong> der Fr<strong>und</strong>-<br />
Metallisierung statt. Bei hohen Frequenzen wird die Skin-Tiefe im schwach leitenden Silizium so<br />
gering, daß sich die Welle zwischen dem Silizium <strong>und</strong> dem obene Metall-Streifen ausbreitet. Sie kann<br />
dann aus der gewünschten Leitungsstruktur (z. B. auf dem IC) heraus <strong>und</strong> in ganz andere<br />
Richtungen laufen. Typischerweise führt das zu unerwünschten Kopplungen zwischen verschiedenen<br />
Leitungen.<br />
Für Hochfrequenz.-Schaltungen ist deshalb ein Substrat aus Silizium nicht ideal, Gallium-Arsenid mit<br />
seiner viel geringeren Leitfähigkeit hat dort eindeutige Vorteile. Gerade dieser Nachteil wird aber<br />
unter bestimmten Umständen zum Vorteil.<br />
Si O2<br />
E<br />
Gro<strong>und</strong>-Plane (Metall)<br />
Abb. 9. 10: Gekoppelte Leitungen
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Auf einem integrierten Schaltkreis laufen metallische Leiterbahnen über mehr oder weniger<br />
Entfernungen parallel. Dabei werden die von den Strömen <strong>und</strong> Spannungen auf der einen Leitung<br />
erzeugten elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Felder auch benachbarte Leitungen beeinflussen.<br />
Abb. 9.10 zeigt zwei gekoppelte Leitungen. Die Linien des elektrischen Feldes einer Leitung<br />
konzentrieren sich im Material mit der höheren Dielektrizitätszahl, werden also bevorzugt im Si <strong>und</strong><br />
im SiO2 <strong>und</strong> weniger in Luft verlaufen. Silizium ist ein schwacher Leiter, deshalb erzeugt das<br />
elektrische Feld einen geringen Stromfluß zwischen den Leitern. Die Welle verliert an Amplitude <strong>und</strong><br />
wird abgedämpft. Dies gilt auch für den Teil des elektrischen Feldes, der eine Kopplung zwischen<br />
den Leitungen bewirken würde. Makroskopisch bedeutet diese Eigenschaft, daß man sich im Silizium<br />
bezüglich der Kopplung zwischen Leitungen, in der Nachrichtentechnik oft als "Übersprechen"<br />
bezeichnet, lange Zeit viel weniger Sorgen machen mußte als bei Leitungen auf nahezu verlustfreien<br />
Dielektrika, z. B. auch Gallium-Arsenid, Teflon oder Saphir (Al2O3). Erst bei Leitungsabständen<br />
unter ca. 0,5 Mikrometern werden auch in Silizium-Schaltkreisen parasitäte Effekte dieser Art<br />
zunehmend wichtig.<br />
Für Frequenzen oberhalb von ca. 300 MHz kann aber auch ein Wellentyp auftreten, für den sich das<br />
Silizium verhält wie eine Leiter. Diese Welle wird also vorwiegend zwischen dem metallischen<br />
Leiterstreifen <strong>und</strong> der Oberfläche des Siliziums verlaufen. Im GHz-Bereich sind darüber hinaus noch<br />
Wellentypen vorstellbar, welche sich an den Grenzflächen zwischen metallischem Leiter <strong>und</strong><br />
Dielektrikum ausbreiten.<br />
Die Effekte, die bei höheren Frequenzen in auf Leitungsstrukturen auftreten, kann man wie folgt<br />
summieren:<br />
− Ansteigende Dämpfung durch dielektrische Verluste <strong>und</strong> Anregung höherer Wellentypen<br />
− Verstärkte Effekte der Kopplung zwischen verschiedenen Leitungen<br />
− Verstärkte Abstrahlung durch Umwandlung in Wellen, die sich im Freiraum ausbreiten.<br />
Diese Effekte treten sowohl auf Platinen als auch auf ICs auf, wobei wegen der größeren<br />
Abmessungen Platinen bei etwa 100 MHz schon massiv betroffen sind.<br />
Dann, wenn Leitungsstrukturen etwa einer viertel- bis einer halben Wellenlänge entsprechen, wirken<br />
Leitungen auch als Antennen:<br />
Sie wandeln leitungsgeführte Wellentypen in Freiraum-Wellentypen um.<br />
Die klassische Hochfrequenztechnik hat in der Vergangenheit Berechnungsverfahren für homogene<br />
<strong>und</strong> teilweise inhomogen Wellenleiter entwickelt. Viele dieser Verfahren arbeiten aber mit der<br />
Näherung von nahezu verlustlosen Leitungen, was zumindest für ein Silizium-Substrat nicht gilt.<br />
Diese Verfahren sind darüber hinaus so aufwendig, daß sie bei den vielfachen Wechselwirkungen<br />
zwischen Leitungen auf ICs <strong>und</strong> den inhomogenen Strukturen dort nicht mehr anwendbar sind.<br />
9.2.3 TEM-Leitungen<br />
Man unterscheidet bei geführten elektromagnetischen Wellen gr<strong>und</strong>sätzlich drei Typen:<br />
− Transversal-elekrische (TE)- Wellen besitzen eine elektrische Feldkomponente nur senkrecht zur<br />
Ausbreitungsrichtung der Welle<br />
− Transversal-magnetische (TM)-Wellen besitzen eine magnetische Feldkomponente nur senkrecht<br />
zur Ausbreitungsrichtung der Welle.<br />
TE- <strong>und</strong> TM-Wellen sind typischerweise solche, die nur oberhalb einer gewissen unteren<br />
Grenzfrequenz angeregt werden. Sie sind bezüglich ihrer Eigenschaften (auch Ausbreitungsgeschwindigkeit)<br />
von der Frequenz abhängig. Die Abhängigkeit der Ausbreitungseigenschaften von<br />
der Frequenz nennt man „Dispersion“.<br />
8
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Auf zweifach metallischen verlustlosen Leitungen existiert auch ein sogenannter transversal<br />
elektromagnetischer Wellentyp (TEM-Welle). Hier existieren sowohl elektrische als auch<br />
magnetische Felder nur senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Dieser Wellentyp hat keine untere<br />
Grenzfrequenz <strong>und</strong> ist bezüglich der Ausbreitungseigenschaften frequenzunabhängig.<br />
Wellentypen auf technischen zweifach berandeten Leitungen entsprechen oft annähernd dem TEM-<br />
Typ, obwohl reale Leitungen nie verlustlos sind. Sie werden deshalb oft als Quasi-TEM-Leitungen<br />
bezeichnet .<br />
Die Koaxialleitung entspricht der TEM-Näherung recht gut <strong>und</strong> ist deshalb bis zu Frequenzen im<br />
GHz-Bereich einsetzbar. Sie kann auch Gleichstrom übertragen. Nicht ganz so gut sind die<br />
Zweidraht-Leitung <strong>und</strong> die Mikro-Streifenleitung. Bei ausreichend hohen Frequenzen werden auf<br />
solchen Leitungen auch Nicht-TEM-Wellen ausbreitungsfähig, ein Teil der Energie geht in diese<br />
Wellen-Typen über. Dadurch enstehen stark erhöhte Verluste.<br />
Z. B. kann ab einigen GHz eine Koaxial-Leitung auch als r<strong>und</strong>e Hohleitung wirken, sie weist dann<br />
höhere Verluste auf. Für Mikrowellen-Schaltungen hat man deshalb schon seit langer Zeit<br />
Hohlleitungen verwendet.<br />
Bei TEM-Leitungen kann man einen sogenannten"Wellenwiderstand" ZL der Leitung definieren, der<br />
das Verhältnis der elektrischen zur magnetischen Feldstärke auf der Leitung angibt. Er wird wie beim<br />
elektrischen Widerstand üblich in Ohm gemessen. Der Wellenwiderstand ergibt sich aus dem<br />
Verhältnis der elektrischen zur magnetischen Feldstärke der Welle <strong>und</strong> ist damit vom Dielektrikum<br />
der Leitung abhängig.<br />
Für eine Welle, die sich im Freiraum ausbreitet, also nicht durch Leitungen oder Dielektrika geführt<br />
ist, gibt man oft einen sogenannten Freiraum-Wellenwiderstand von 377 Ohm an.<br />
TEM-Leitungen haben in der Regel einen Wellenwiderstand von 200 bis 300 Ohm für die Zweidraht-<br />
Leitung <strong>und</strong> ca. 50 bis 120 Ohm für Koaxialleitungen <strong>und</strong> Streifenleitungen. Die Auswirkungen auf<br />
die Schaltungstechnik werden anschließend behandelt..<br />
9.2.4 Leitungs-Ersatzschaltbild<br />
Bezüglich der Leitungseigenschaften "im Detail" wollen wir uns auf die Quasi-TEM-Leitungen<br />
beschränken, weil vorrangig dieser Typ für die Digitaltechnik von Bedeutung ist. Die Digitaltechnik<br />
verlangt nämlich die Übertragung von Signalen, die immer Spannungswerte größer-gleich null Volt<br />
sind <strong>und</strong> damit "unsymmetrisch" bezüglich einer 0-Volt-Spannung. Solche Signale lassen sind nur<br />
durch Leitungen übertragen, die auch Gleichstrom (also f = 0) führen können. Deshalb scheiden alle<br />
Wellenleiter mit unterer Grenzfrequenz aus.<br />
Von einer solchen Leitung betrachten wir zunächst ein kurzes Stück der Länge dx. (Abb. 9.11).<br />
1<br />
1'<br />
dx<br />
dx<br />
i (x,t) R' L'<br />
i + di<br />
u(x, t) u + du<br />
G' C'<br />
Abb. 9.11: Quasi-TEM-Leitung <strong>und</strong> Ersatzschaltbild für ein Segment<br />
9<br />
ZL<br />
2<br />
2'<br />
X
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Es weist in Längsrichtung eine Induktivität L' <strong>und</strong> einen Widerstand R' auf. Zwischen den Leitern<br />
existiert im allgemeinen Fall neben einer Kapazität C' auch ein Ableitwiderstand G'. Eigentlich sind<br />
diese Elemente auf der Leitung kontinuierlich verteilt. Man spricht in diesem Zusammenhang von<br />
einem Induktivitätsbelag L', einem Widerstandsbelag R' <strong>und</strong> einem Kapazitätsbelag C', den die<br />
Leitung in kontinuierlicher Form aufweist.<br />
Eine solche Leitung hat prinzipiell einen Tiefpaß-Charakter. Sie wird hohe Signalfrequenzen stärker<br />
dämpfen als niedrige. Außerdem wird sie typischerweise eine Verzögerung eines Ausgangssignals<br />
gegenüber einem Eingangssignal bewirken.<br />
Die Verhältnisse zwischen Strom <strong>und</strong> Spannung auf der Leitung werden, abgeleitet vom Segment<br />
der Länge dx, durch zwei Leitungsgleichungen beschrieben:<br />
− du/dx = R' i + L' di / dt<br />
− di / dx = G' u + C' du / dt<br />
Durch Einsetzen erhält man die sogenannte "Telegrafengleichung":<br />
d 2 i / dx 2 = L' C' d 2 u / dt 2 + (R' C' + G' L') du / dt + R' G ' u<br />
Spannungen <strong>und</strong> Ströme sind damit sowohl orts- als auch zeitabhängig.<br />
Einige Eigenschaften <strong>und</strong> Lösungen dieser Differentialgleichung kann man am besten für die<br />
verlustlose Leitung darstellen.<br />
Mit R' = G' = O vereinfacht sich die Telegrafengleichung zu:<br />
d 2 i / dx 2 = L' C' d 2 u / dt 2<br />
Die Größe v = 1 / (L' C') 1/2 ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit eines Signals auf der Leitung.<br />
Die Lösung dieser Gleichung läßt sich stets aufspalten in eine vorwärts (hin)- <strong>und</strong> eine rückwärts<br />
laufende Welle:<br />
u (x, t) = uh (x-vt) + ur (x + vt).<br />
i (x, t) = ih (x-vt) - ir (x + vt)<br />
v heißt auch die "Phasenbeschwindigkeit" der Welle.<br />
1<br />
1'<br />
u (x)<br />
i (x)<br />
ur (x+vt)<br />
ir (x + vt)<br />
uh (x-vt)<br />
ih(x-vt)<br />
Abb. 9.12: Hin- <strong>und</strong> rücklaufende Welle<br />
10<br />
ZL<br />
2<br />
2'<br />
x<br />
X<br />
x
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Die Größe ZL = (L' / C')1/2 ist für die verlustlose Leitung ein realer, von der Signalfrequenz<br />
unabhängiger Wert. Sie wird als der Wellenwiderstand der Leitung bezeichnet. Für die<br />
verlustbehaftete Leitungen wird ZL komplex <strong>und</strong> von der Frequenz abhängig.<br />
Der Wellenwiderstand ist der Widerstand (also das Verhältnis Spannung zu Strom), das man am<br />
Anfang einer Leitung mißt, wenn sie mit demselben Widerstand am Ende abgeschlossen ist. Man<br />
kann auch sagen, daß ZL der Widerstand ist, den man am Anfang einer sehr langen verlustbehafteten<br />
Leistung messen würde.<br />
9.2.5 Transformationen, Anpassung, Reflexionen<br />
Wir haben festgestellt, daß es auf jeder Leitung eine hin- <strong>und</strong> eine rücklaufende Welle geben kann.<br />
Ob <strong>und</strong> mit welcher Amplitude die rücklaufende Welle auftritt, hängt von den Widerstandsverhältnissen<br />
am Leitungsende <strong>und</strong> von der Dämpfung auf der Leitung ab (Abb. 9.13).<br />
ZL<br />
u0(t)<br />
ZL<br />
u0(t)<br />
1<br />
1'<br />
1<br />
1'<br />
Anpassung<br />
Leerlauf<br />
ZL<br />
ZL<br />
X<br />
2<br />
2<br />
2'<br />
ZL<br />
Abb. 9.13: Angepaßte <strong>und</strong> leerlaufende Leitung<br />
11<br />
u<br />
u<br />
uh(x,t)<br />
uh (x,t) ur (x,t)<br />
Hat man ein Leitung mit einem Widerstand abgeschlossen, der ihrem Wellenwiderstand gleich ist, so<br />
tritt nur die hinlaufende Welle auf . Man spricht dann von "Anpassung".<br />
Für die Betrachtung einiger praktisch wichtiger Sonderfälle nehmen wir zunächst eine verlustlose<br />
Leitung an.<br />
An deren Ende sei ein Leerlauf, d. h. die Leitung hat einen unendlich hohen Abschlußwiderstand.<br />
Dann muß notwendigerweise der Strom auf der Leitung bei x = l den Wert null haben. Dies ist durch<br />
eine entsprechende Überlagerung der hin-<strong>und</strong> der rücklaufenden Welle erreichbar, die am Ende der<br />
Leitung die Bedingung hat:<br />
ih + ir = 0<br />
Daraus folgt notwendigerweise: ur = uh<br />
Am Ende der Leitung erhält man einen "Stromknoten" <strong>und</strong> einen "Spannungsbauch" mit doppelter<br />
Amplitude u (l) = 2 uh.<br />
x<br />
x
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
ZL<br />
u0(t)<br />
ZL<br />
u0(t)<br />
1<br />
1'<br />
1<br />
1'<br />
Kurzschluß<br />
Kurzschluß<br />
ZL<br />
ZL<br />
Abb. 9.14: Kurzgeschlossene Leitung<br />
X<br />
X<br />
2<br />
2<br />
Z<br />
12<br />
u<br />
u<br />
uh (x,t)<br />
ur (x,t)<br />
Z > ZL<br />
uh (x,t) ur (x,t)<br />
ur (x,t)<br />
Z < ZL<br />
Den komplementären Fall zeigt Abb. 9.14. Wenn die Leitung am Ende kurzgeschlossen ist, so wird<br />
dort notwendigerweise die Spannung null.<br />
Dann wird: u (l) = uh + ur= 0<br />
ur = - uh<br />
Entsprechend addieren sich die Ströme am Leitungsende zum doppelten Wert:<br />
i (l) = ih - ir = 2ih<br />
Für den allgemeinen Fall eines Abschlußwiderstandes Z wird ein Reflexionsfaktor r für das<br />
Leitungsende definiert:<br />
Z - ZL<br />
r = __________ mit ur = r uh, ir = -r ih<br />
Z + ZL<br />
Für den Sonderfall des Leerlaufs wird r = 1, für den Kurzschluß gilt entsprechend r = -1. Bei<br />
Anpassung gilt r = 0.<br />
Die Verhältnisse am Leitungsende haben weitergehende Auswirkungen entlang der Leitung, da sich<br />
dort die hin- <strong>und</strong> die rücklaufende Welle überlagern. Wir betrachten die Vorgänge zunächst für eine<br />
sinus-förmige Anregung am Anfang der Leitung. Dann hat die Welle auf der Leitung eine Leitungs-<br />
Wellenlänge lg. Diese ist bestimmt durch die Frequenz <strong>und</strong> durch die Kapazitäts- <strong>und</strong><br />
Induktivitätsbeläge der Leitung:<br />
lg = c / f = c0 / f (er + mr)**1/2<br />
Dabei ist c0 die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum (etwa 3 * 10**8 m/s), c die Lichtgeschwindigkeit<br />
im Stoff mit der relativen Dielektrizitätskonstante er <strong>und</strong> der sogenannten Permeabilität mr. Damit<br />
gehen die dielektrischen bzw. magnetischen Eigenschaften des jeweiligen Materials in die<br />
Eigenschaften der Leitung (Wellenlänge, Ausbreitungsgeschwindigkeit) ein.<br />
x<br />
x
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Nehmen wir zunächst den Fall des offenen Leitungsendes an:<br />
Am Leitungsende überlagern sich die hin- <strong>und</strong> die rücklaufende Welle zu doppelter Spannung <strong>und</strong><br />
Null-Wert des Stromes. Eine Strecke von einer Viertel-Wellenlänge vom Leitungsende entfernt<br />
bewirkt diese Überlagerung aber genau den umgekehrten Fall. Hier hat sich die Überlagerung der<br />
Wellen so transformiert, daß ein Knoten der Spannung <strong>und</strong> ein Bauch des Stromes auftritt. Entlang<br />
der Leitung entsteht eine sogenannte "stehende Welle". Ein Kurzschluß am Leitungsende mit Strom-<br />
Bauch <strong>und</strong> Spannungsknoten transformiert sich entsprechend in einen Quasi-Leerlauf eine Viertel-<br />
Wellenlänge davor auf der Leitung.<br />
u (x)<br />
Betrag<br />
u (x)<br />
Betrag<br />
Kurzschluß am Leitungsende<br />
Leerlauf am Leitungsende<br />
13<br />
lg / 2<br />
Abb. 9.15: Stehende Welle auf einer fehlangepaßten Leitung<br />
Mit Spannungen <strong>und</strong> Strömen transformiert sich entsprechend auch der Widerstand, den man entlang<br />
der Leitung messen würde.<br />
Z (l)<br />
(Betrag)<br />
l - lg /4<br />
lg / 2<br />
Abb. 9.16: Transformation des Widerstandes auf einer Leitung<br />
Für die Praxis hat dieses Verhalten von Leitungen ganz erhebliche Auswirkungen.<br />
u0(t)<br />
Rg<br />
1<br />
1'<br />
Zi<br />
Abb. 9.17: Fehlangepaßte Leitung<br />
Fehlanpassung<br />
ZL<br />
X<br />
2<br />
X<br />
X<br />
l x<br />
Z
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Der Widerstand Zi, den ein Generator am Anfang einer Leitung sieht (Abb. 9.17) kann bei<br />
Fehlanpassung am Ende in erheblichem Umfang schwanken. Dies bewirkt, daß bei einem Generator<br />
mit dem Innenwiderstand Rg <strong>und</strong> der Leerlaufspannung U0 nur ein Bruchteil der verfügbaren<br />
Leistung über die Leitung übertragen werden kann.<br />
In den Extremfällen Zi = 0 oder Zi = unendlich überträgt die Leitung gar keine Leistung. Sie wirkt<br />
wie ein Schwingkreis, der elektrische oder magnetische Energie nur speichert <strong>und</strong> in die eine bzw.<br />
andere Form umsetzt.<br />
In der Nachrichtentechnik ist es deshalb notwendig, Leitungen so zu betreiben, daß sowohl der<br />
Innenwiderstand des Generators Rg als auch der Lastwiderstand Z möglichst genau dem Wert des<br />
Wellenwiderstandes der Leitung entsprechen. Werte des Wellenwiderstandes liegen bei<br />
Koaxialleitungen meistens zwischen ca. 50 Ohm <strong>und</strong> 100 Ohm, wobei 50 Ohm ein sehr<br />
gebräuchlicher Wert ist, bei Zweidraht-Leitungen meistens zwischen ca. 200 <strong>und</strong> 300 Ohm.<br />
Generatoren für die Signalübertragung auf Leitungen <strong>und</strong>, für ausreichend hohe Frequenzen, auch<br />
schon auf Platinen müssen dem Wellenwiderstand entsprechende Ströme "treiben" können. Dazu<br />
benötigen CMOS-Schaltungen sehr große Verstärkerstufen, dagegen können ECL-Logikgatter<br />
teilweise sogar 50 Ohm-Leitungen direkt ansteuern.<br />
Wenn auf einer Übertragungsstrecke Leitungen mit unterschiedlichen Wellenwiderständen verwendet<br />
werden, entstehen an den Übergangsstellen Reflexionen. Es wird jeweils nur ein Teil der<br />
Eingangsleistung weiter übertragen, ein anderer Teil der Leistung wird reflektiert. Die reflektierten<br />
Wellen werden sowohl Störimpulse auf Leitungen erzeugen (z. B. "Geisterbilder beim Fernsehen),<br />
sie werden aber auch von einem Generator (Sender) erzeugte Energie in diesen zurücktransportieren,<br />
was zur thermischen Überlastung <strong>und</strong> Zerstörung führen kann. Hochfrequnzleitungen<br />
müssen deshalb stets "angepaßt" betrieben werden. Die Anpassung kann man durch Zuschaltung von<br />
Leitungsstücken oder Widerständen erreichen.<br />
Rg<br />
1<br />
1'<br />
Anpassungsglied<br />
R1<br />
Zi ZL1<br />
R2 ZL2<br />
Abb. 9. 18: Anpassung durch Widerstände<br />
Das Anpassungsglied muß dafür sorgen, daß der Ausgang der Leitung auf der linken Seite (Abb. 9.<br />
18) am Ausgang den eigenen Wellenwiderstand "sieht". Natürlich führt die Anpassungsschaltung mit<br />
Widerständen dazu, daß stets ein Teil der vom Generator erzeugten Leistung in den<br />
Anpassungswiderständen verloren geht. Dafür ist die Anpassung breitbandig wirksam.<br />
u0(t)<br />
Rg<br />
1<br />
1'<br />
Anpassungsglied<br />
Zi ZL1 ZLT<br />
ZL2<br />
lg / 4<br />
Abb. 9.19: Anpassung durch Leitungs-Transformator<br />
14<br />
2<br />
X<br />
Z<br />
2<br />
X<br />
Z
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Eine altenative Lösung zeigt Abb. 9. 19. Man verwendet ein Leitungsstück von einer Viertel-<br />
Wellenlänge, deren Wellenwiderstand ZLT = (ZL1 * ZL2)**1/2 beträgt.<br />
Diese Anpassung ist nur bei der Frequenz ideal wirksam, bei der das Transformationsstück eine<br />
Viertel-Wellenlänge lang ist, wirkt also schmalbandig. Dafür wird bei der richtigen Frequenz alle<br />
Energie von linken auf das rechte Leitungsstück übertragen.<br />
Die Hochfrequenztechnik kennt noch eine paar weitere Varianten, um mit Leitungsstücken<br />
bestimmter Länge eine Anpassung zu erreichen.<br />
Da hier keine Spezialvorlesung über Hochfrequenztechnik gehalten werden soll, wollen wir noch auf<br />
eine paar praktische Aspekte eingehen:<br />
Wir haben bereits die Modellvorstellung diskutiert, daß eine Welle durch die jeweilige Leitungsstruktur<br />
"geführt" wird.<br />
In der Praxis sind bei hohen Frequenzen alle Inhomogenitäten von Leitungen (Biegungen, Knicke<br />
usw.) Ursache für die Abstrahlung von Energie.<br />
Leitungs-Biegung<br />
Ausbreitung<br />
Abstrahlung<br />
Abb. 9.20: Leitungs-Diskontinuitäten<br />
Abstrahlung am offenen<br />
Leitungsende<br />
Ausbreitung<br />
15<br />
Abstrahlung<br />
Reflexion<br />
Offene Leitungsenden wirken in der Praxis nicht wie ideale Leerläufe, sondern haben einen endlichen<br />
Widerstand dadurch, daß ein Teil der Energie in eine Welle im Freiraum umgesetzt wird, man<br />
bekommt eine Antenne. Echte Antennen sind so ausgebildet, daß sie einen kontinuierlichen<br />
Übergang zwischen dem Wellenwiderstand der Leitung (z. B. 50 Ohm) <strong>und</strong> dem des freien Raumes<br />
(377 Ohm) erzeugen. Im Ersatzschaltbild ist dann die Leitung mit einem realen Widerstand, dem<br />
sogenannten "Strahlungswiderstand" der Antenne, abgeschlossen.<br />
Wenn man einen "Leerlauf" auf der Leitung realisieren will, wird dazu eine kurzgeschlossene Leitung<br />
von einer Viertel-Wellenlänge benötigt. Über den Effekt der Impedanztransformation erfolgt dann<br />
die Umwandlung des Kurzschlußes in einen Leerlauf eine Viertel-Wellenlänge vom Leitungsende<br />
entfernt.<br />
9.2.6 Gekoppelte Leitungen<br />
In der Praxis der Schaltungstechnik ist nie "eine Leitung allein". Die typische Leitungsstruktur auf<br />
einer Platine zeigt Abb. 9.21.<br />
Leiterbahnen<br />
Gr<strong>und</strong>-Metallisierung<br />
Ck<br />
Kopplungs-Kapazität<br />
Leitung 2<br />
Abb. 9.21: Gekoppelte Streifenleitungen<br />
Ck<br />
Leitung 1<br />
Dielektrikum
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Jede Leitung besteht aus einem Leitungsstreifen <strong>und</strong> der gemeinsamen Gr<strong>und</strong>-Metallisierung<br />
(Gro<strong>und</strong> Plane). Eine solche Struktur bezeichnet man in der Hochfrequenztechnik als Mikro-<br />
Streifenleitung oder "Mikrostrip-Leitung".<br />
Man verwendet als Dielektrikum meistens einen guten Isolator mit hoher relativer Dielektrizitätszahl.<br />
Dann verläuft die Wellenausbreitung größtenteils im Dielektrikum, entsprechend verkürzt sich die<br />
Leitungswellenlänge gegenüber der im Freiraum um einen Faktor, der sich aus der Wurzel aus der<br />
relativen Dielektrizitätszahl er ergibt. Normale Dielektrika haben relative Konstanten er etwa<br />
zwischen 3 <strong>und</strong> 10.<br />
Wird ein magnetisches Material verwendet, z. B. magnetische Keramik, so hat dieses eine "relative<br />
Permeabilität" mr . Dann errechnet sich die Wellenlänge auf der Leitung lg zu:<br />
lg = lo /(er + mr)**1/2<br />
Für ICs sind die Leitungsstrukturen (Abb. 9. 22) ähnlich bis auf 3 wesentliche Unterschiede:<br />
− es treten geschichtete Dielektrika aus Silizium- <strong>und</strong> Silizium-Dioxid (an der Oberfläche) auf,<br />
− Silizium ist kein guter Isolator, deshalb treten sogenannte "dielektrische Verluste" <strong>und</strong> dort, wo<br />
die SiO2-Schicht fehlt, auch Querströme zwischen den Leitern auf,<br />
− Transistoren, Dioden etc. erzeugen vielfältige Inhomogenitäten der Leitungsstruktur.<br />
Gr<strong>und</strong>-Metallisierung<br />
Kopplungs-Kapazität<br />
Ck<br />
16<br />
SiO2<br />
Silizium<br />
Abb. 9.22: Gekoppelte Streifenleitung auf geschichtetem Dielektrikum<br />
Für den Transport von Energie über längere Strecken als ein paar Zentimeter eignet sich diese<br />
Leitungsstruktur wegen der Dämpfung bei hohen Frequenzen nicht.<br />
Die Kopplung zwischen benachbarten Leitungen kann sowohl über Kapazitäten zwischen den<br />
Leitungen, also über das elektrische Feld, als auch über gekoppelte Leitungsinduktivitäten <strong>und</strong> damit<br />
das magnetische Feld erfolgen. Abb. 9.23 zeigt, daß in beiden Fällen unterschiedliche Wellentypen<br />
angeregt werden, man spricht von Gleich- bzw. Gegentakt-Welle.<br />
Gleichtakt-Welle<br />
Ck<br />
Elektr. Feld<br />
Gr<strong>und</strong>-Metallisierung<br />
Gegentakt-Welle<br />
Elektr. Feld<br />
Gr<strong>und</strong>-Metallisierung<br />
Kopplungskapazität<br />
Dielektrikum<br />
Magnetisches Feld<br />
Dielektrikum<br />
Abb. 5.23: Gleich- <strong>und</strong> Gegentaktwelle auf gekoppelten Mikrostrip-Leitungen
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
In der digitalen Elektronik <strong>und</strong> insbesondere in der IC-Technik überwiegt der Effekt der elektrischen<br />
Kopplung über Kapazitäten bei weitem, da sowohl die Streu-Induktivitäten der Leitungen als auch<br />
die Stromstärken recht klein sind. Günstig wirkt sich hier die Schwächung des elektrischen Feldes<br />
beim durch Verluste beim Silizium aus, während bei "guten" dielektrischen Substraten die<br />
Koppeleffekte beträchtlich sein können. Man nutzt diese Koppeleffekte in der Mikrowellentechnik<br />
sogar gezielt in sogenannten "Richtkopplern" aus.<br />
2<br />
lg / 2<br />
1<br />
Leitung A Leitung B<br />
Abb. 9.24: Richtkoppler aus Streifenleitungen<br />
3<br />
4<br />
In dieser Struktur wird eine Welle, die auf der Leitung A am Tor 1 eintritt, zum Teil auf die Leitung<br />
B übergekoppelt. Im Bereich der Resonanzfrequenz tritt aber die Leistung nur an den Toren 2 <strong>und</strong> 3<br />
auf, während Tor 4 isoliert ist. Deshalb spricht man hier von einem "Richtkoppler". Je nachdem, wie<br />
hoch die Leistung am Tor 3 gegenüber der Eingangsleistung am Tor 1 ist, liegt ein 3dB, 10 dB, 20<br />
dB usw. Richtkoppler vor. In gleicher Weise ist Tor 3 von Tor 2 entkoppelt.<br />
Die Leitungskopplung hat insbesondere in digitalen Schaltungen einige unangenehme Auswirkungen.<br />
Bei Leitungen, die über eine längere Strecke parallel laufen, werden Signale der einen Leitung auf die<br />
andere übertragen. Man nennt diesen aus der klassischen Nachrichtentechnik bekannten Effekt<br />
"Übersprechen". Es ist deshalb nicht ratsam, auf einer Platine oder einem IC eine Leitung mit<br />
analogen Signalen neben einer digitalen Signalleitung zu verlegen. Die Verfälschung der analogen<br />
Signale wäre unvermeidlich.<br />
Die Kopplungseffekte werden stärker mit<br />
− sinkendem Abstand der betroffenen Leitungen<br />
− wachsender Länge der gekoppelten Leitungen<br />
− steileren Flanken der digitalen Signale.<br />
Auf solche Effekte ist beim Layout von Platinen <strong>und</strong> (neuerdings) auch von ICs Rücksicht zu<br />
nehmen. Insbesondere gefährdet sind Signalleitungen, die über längere Abschnitte neben den<br />
Taktleitungen einer digitalen Schaltung verlaufen.<br />
Mit Verbindungslängen von mehreren cm schon auf den ICs spielen Kopplungseffekte bei schnellen<br />
Digitalschaltungen eine zunehmende Rolle als "parasitärer Effekt". Sie müssen beim physikalischen<br />
Entwurf berücksichtigt werden, was zur Zeit noch jenseits der Fähigkeiten der rechnergestützten<br />
Entwurfswerkzeuge für die Layout-Synthese ist. Auch Layout-Werkzeuge für den Platinen-Entwurf<br />
"kennen" in der Regel noch keine parasitären Effekte auf Leitungen, sondern orientieren sich rein<br />
geometrisch. Deshalb muß heute noch in der Regel der Platinen-Entwerfer "kritische" Leitungen<br />
bezüglich Laufzeit <strong>und</strong> Kopplungseffekten interaktiv verlegen.<br />
17
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Eine wichtige Rolle spielt die "Gro<strong>und</strong> Plane". Die als "Masse" oder "Erde" wirkende Fläche erzeugt<br />
die "definierte" Leitungsstruktur.<br />
Hinleitung 1 Hinleitung 2<br />
Rückleitung<br />
Ck<br />
Abb. 9.25: Ungünstige Leitungsstruktur<br />
Dielektrikum<br />
Jedes elektrische Signal auf einer Quasi-TEM-Leitung benötigt eine zweifache Berandung. In einer<br />
Struktur nach Abb. 9. 25 fehlt die "Gro<strong>und</strong> Plane" als Rückleitung. In diesem Fall tritt eine im<br />
Vergleich zur definierten Leitungsstruktur verringerte Kapazität zwischen der Hin- <strong>und</strong> der<br />
Rückleitung auf, die in der Tendenz zu verstärkter Leitungskopplung führt.<br />
Die Bereitstellung einer homogenen, großflächigen <strong>und</strong> möglichst niederohmigen "Gro<strong>und</strong> Plane" ist<br />
wesentliche Voraussetzung für die Funktion schneller digitaler <strong>und</strong> analoger Schaltungen.<br />
Bei einer gemeinsamen Spannungsversorgung für digitale <strong>und</strong> analoge Baugruppen auf Platinen oder<br />
ICs werden trotzdem in der Regel Stromspitzen auf den Versorgungsleitungen auftreten, welche<br />
analoge Schaltungen empfindlich stören können. Deshalb werden Spannungsversorgung <strong>und</strong> Masse-<br />
Anschluß oft für digitale bzw. analoge Baugruppen getrennt ausgeführt.<br />
Masse-Leitungen auf Platinen <strong>und</strong> in Systemen sollten, wo möglich, sternförmig aufgebaut werden.<br />
Ein Gegenbeispiel zeigt Abb. 9. 26.<br />
IC<br />
IC<br />
IC<br />
Abb. 9.26: Brummschleife<br />
GND-Netz<br />
IC<br />
IC<br />
18<br />
Stecker-<br />
leiste<br />
Die Masseleitung ist als Schleife ausgeführt. Bei sehr tiefen Frequenzen kann diese Leitung als<br />
Induktionsschleife wirken, also wie eine Spule mit einer Windung. Die Schaltung ist anfällig gegen<br />
niederfrequente Eigenschwingungen.<br />
Masseleitung <strong>und</strong> Versorgungsspannung sollten in elektronischen Systemen stets so miteinander<br />
verb<strong>und</strong>en werden, daß zwischen ihnen keine hochfrequenten Signale transportiert werden können.<br />
Dazu sind spezielle Maßnahmen notwendig. Im Netztteil, aber auch auf der Platine wird ein größerer<br />
Kondensator zwischen GND <strong>und</strong> VDD geschaltet. Er dient dazu, bei Stromspitzen, welche die ICs<br />
ziehen, als Puffer zu wirken, der das Abfallen der Versorgungsspannung verhindern soll.
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
IC<br />
IC<br />
IC<br />
VDD-Netz<br />
Abb. 9.27: Abblockung von ICs auf einer Platine<br />
IC<br />
IC<br />
19<br />
Stecker-<br />
leiste<br />
Leider wirken große Elektrolyt-Kondensatoren bei Frequenzen von oberhalb ca. 1 MHz nicht als<br />
Kondensatoren, sondern als Induktivitäten.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird jeder IC-Baustein zusätzlich nochmals mit einem keramischen Kondensator<br />
von ca. 10 bis 50 nF Kapazität versehen.<br />
9.2.7 Resonanzstrukturen<br />
Schaltungen, die Kondensatoren <strong>und</strong> Induktivitäten enthalten, besitzen einen Eingangswiderstand,<br />
der von der Frequenz abhängig ist. In der Elektrotechnik wird dabei der Wechselstrom-Widerstand<br />
auch als "Impedanz" bezeichnet. Die einfachste Schaltung dieser Art ist der L-C-Schwingkreis (Abb.<br />
9.28). Sein Eingangswiderstand erreicht einen Maximalwert bei der sogenannten "Resonanzfrequenz":<br />
fr = 1/(2 p (L C)**1/2)<br />
Für den verlustlosen Schwingkreis wird der Eingangswiderstand dabei unendlich hoch, für den realen<br />
Kreis erreicht er Werte von vielen kOhm.<br />
Im Resonanzfall wird periodisch die Energie des elektrischen Feldes vollständig in die des<br />
magnetischen Feldes umgesetzt <strong>und</strong> umgekehrt. Solche "Resonanzen" kennen wir auch von<br />
schwingfähigen mechanischen Systemen. Solche Kreise werden in der Nachrichtentechnik<br />
verwendet, um aus einem Signal eine bestimmte Schwingfrequenz auszufiltern.<br />
Parallel-Schwingkreis<br />
Zin<br />
L<br />
C<br />
Loch-<br />
kopplung<br />
Abb. 9.28: Resonanzstrukturen<br />
Leitungsresonator<br />
Hohlraumresonator<br />
1<br />
1'
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Z<br />
fr<br />
Abb. 9.29: Eingangsimpedanz eines Resonanzkreises<br />
Mittels kurzgeschlossener Leitungsstücke lassen sich ebenfalls Resonanzkreise realisieren. Ein<br />
Leitungsstück, das an zwei Enden kurzgeschlossen ist <strong>und</strong> in der Mitte kontaktiert wird, hat eine<br />
solche Resonanz bei einer Frequenz, die einer halben Wellenlänge entspricht.<br />
Entsprechend kann man auch mit einem Hohlleiter einen Hohlraum-Resonator bauen.<br />
Das ist dann effektiv eine Leitungsstruktur in Form eines Quader-förmigen Hohlraumes, die als<br />
Resonator wirkt. Gekoppelt wird der Resonator über kleine Löcher an den Stirn-Flächen.<br />
Gerade die Tatsache, daß eine rechteckiges Blechgehäuse, bei der richtigen Frequenz angeregt, als<br />
Hohlraum-Resonator workt <strong>und</strong> eine hohe Schwingungsampitude aufbauen kann, ist nicht trivial.<br />
In heutigen elektronischen Systemen muß einiger Aufwand betrieben werden, um die parasitäre<br />
Abstrahlung von Hochfrequenz-Energie zu verhindern. Zwecks Abschirmung werden dazu auch<br />
geschlossene Blech-Gehäuse verwendet, z. B. in den Schalt-Netzteilen heutiger PCs.<br />
Sie sollen die Abstrahlung nach außen, ggf. aber auch Einstreuungen von außen verhindern. Dagegen<br />
wird eine Schaltung, die "zufällig" in einem Blechgehäuse bei der Resonanzfrequenz angeregt wird,<br />
sogar über die Netz- oder Masseleitung hohe Amplituden an Störstrahlung abgeben können.<br />
9.2.8 Leitungen in lokalen Netzen<br />
Planare Leitungsstrukturen vom Typ "Mikro-Strip" wird man in der Regel auf Platinen <strong>und</strong> ICs<br />
finden. Für Signalübetragung in lokalen Netzen eignen sich diese Leitungstypen nicht, da die<br />
Abschirmung gegen Störeinflüße von außen ungenügend ist.<br />
Verwendet wird dann die Koaxialleitung (für Frequenzen bis ca. 1 GHz) oder eine Zweidrahtleitung<br />
(bis ca. 200 MHz).<br />
Metall<br />
Dielektrikum<br />
Koaxialleitung<br />
Zweidraht-Leitung<br />
u (t)<br />
Abb. 9.30: Leitungsformen für lokale Netzwerke<br />
20<br />
f<br />
Differential-Ansteuerung<br />
t
Informatik V, Kap. 9, WS 98/99<br />
Der Wellenwiderstand bei Koaxialleitungen beträgt in der Regel 50 bis 75 Ohm, während Zweidraht-<br />
Leitungen etwa 200 bis 250 Ohm besitzen.<br />
Solche unterschiedlichen Leitungen sind also nicht direkt miteinander verknüpfbar, sondern<br />
benötigen spezielle Anpassungsglieder.<br />
Zweidrahtleitungen sind oft noch miteinender verdrillt ("Twisted Pair") <strong>und</strong> werden mit<br />
symmetrischer Gegentakt-Ansteuerung betrieben, wenn eine zusätzliche Verknüpfung der "Gro<strong>und</strong><br />
Plane" existiert.<br />
Beide Optionen verbessern die Störfestigkeit der Zweidrahtleitung gegen Einkopplungen von außen<br />
erheblich.<br />
Für Signale im GHz-Bereich werden oft noch spezielle Koaxialleitungen benutzt (bis ca. 10 GHz),,<br />
darüber herrschen Wellenleiter vor.<br />
Die Informationsübetragung über weitere Strecken bei Frequenzen über 1 GHz erfolgt oft drahtlos<br />
im sogenannten "Richtfunk".<br />
Ab etwa 12 GHz werden elektromagnetische Wellen zunehmend von der Erdatmosphäre absorbiert.<br />
Die Glasfaserkabel der optischen Nachrichtentechnik sind koxial ausgeführte dielektrische<br />
Wellenleiter.<br />
21