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1.1 Wozu Elektrotechnik und Elektronik für Informatiker?

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Informatik V-Teil I, Kap. 1, WS 98/99<br />

1. Einführung: Wie viel <strong>Elektrotechnik</strong> <strong>und</strong> <strong>Elektronik</strong> braucht der <strong>Informatiker</strong>?<br />

<strong>Elektrotechnik</strong> <strong>und</strong> Informatik sind <strong>für</strong> manchen "gestandenen" <strong>Informatiker</strong> heute nur noch<br />

"Hardware". Das ist der Teil der Welt, den Intel mit dem Pentium-Prozessor <strong>und</strong> ein paar weitere<br />

unbedeutende Firmen mit Chips, Platinen, Drähten <strong>und</strong> Gehäusen zur Komplettierung des Rechners<br />

beisteuern.<br />

Daß diese Hardware funktioniert, nimmt man meistens als "gegeben" an, wenn am Rechner etwas<br />

spinnt, ist es meistens die Software. Nur dann wenn die Software aus dem Hause Bill Gates & Co<br />

stammt, liegen alle Fehler bei der Hardware.<br />

Es soll mal ein Informatikprojekt gegeben haben, die Stromversorgung des Rechners durch ein<br />

Softwareprogramm zu emulieren. Das Projekt war leider zum Scheitern verurteilt. Aber warum?<br />

Zumindest das sollte jeder <strong>Informatiker</strong> aus der Physik wissen oder spätestens hier lernen.<br />

Es gibt aber noch mindestens einen weiteren wichtigen Aspekt.<br />

Die rasante Entwicklung der Rechnerleistung wie auch der Zuverlässigkeit beruht zum großen Teil<br />

auf der Entwicklung elektrischer <strong>und</strong> elektronischer Baugruppen.<br />

Vergleichbare Fortschritte in der Produktivität hat die Softwaretechnologie nicht aufzuweisen. Es<br />

sieht manchmal eher so aus, als würden Programmiermethoden wegen der ständig verbesserten<br />

Hardware immer ineffizienter!<br />

Was tatsächlich passiert ist, das die Software nicht auf die Hardware abgestimmt ist <strong>und</strong> umgekehrt.<br />

Ein 32-Bit-Pentium-Prozessor, der mit Software läuft, die dereinst <strong>für</strong> den 8086-Urahnen entwickelt<br />

wurde, ähnelt einem Rennauto, das einen Wohnanhänger mit angezogener Bremse ziehen muß.<br />

Wen stört das?<br />

Anscheinend kaum jemanden, der seinen PC nur zur Textverarbeitung oder zur Erstellung von<br />

Präsentationsfolien nutzt.<br />

Rechner sind aber heute in sogenannten "eingebetteten Systemen" auch an anderer Stelle tätig. Zum<br />

Beispiel im Auto.<br />

Ohne die permanente tatkräftige Mithilfe von Rechnern in der Motorsteuerung wären unsere Autos<br />

viel durstiger <strong>und</strong> schmutziger. Auch die automatische Bremskontrolle (ABS) benötigt einen<br />

Rechner als Kern. Kein modernes Verkehrsflugzeug fliegt ohne Rechner.<br />

In solchen Anwendungen müssen Hardware <strong>und</strong> Software, d. h. Mechanik, <strong>Elektrotechnik</strong> (Relais,<br />

Kabel, Stellmotoren), <strong>Elektronik</strong> (Prozessoren, Wandler, Speicher, Filter) <strong>und</strong> Programme optimal<br />

aufeinander abgestimmt werden.<br />

In Deutschland entwirft kein Mensch Microsoftprodukte oder Intel-Prozessoren, wohl aber<br />

Steuerungen <strong>für</strong> Maschinen, Anlagen <strong>und</strong> Fahrzeuge. Man geht heute davon aus, daß etwa 70% des<br />

Entwurfsaufwandes insgesamt in die Software gehen.<br />

Das ist aber dann "harte" Software, die hohen Qualitätsstandards entsprechen <strong>und</strong> die Hardware<br />

optimal ausnutzen muß.<br />

Um solche Systeme <strong>und</strong> deren Softwarekern entwerfen zu können, benötigt ein <strong>Informatiker</strong> schon<br />

erhebliche Kenntnisse der Hardware, also der <strong>Elektrotechnik</strong> <strong>und</strong> <strong>Elektronik</strong>.<br />

Er muß die Gr<strong>und</strong>gesetze des elektrischen Stromkreises kennen, sowohl <strong>für</strong> Gleich- als auch <strong>für</strong><br />

Wechselstrom.<br />

Er soll die wichtigsten aktiven <strong>und</strong> passiven Bauelemente der <strong>Elektronik</strong> <strong>und</strong> darüber hinaus auch der<br />

<strong>Elektrotechnik</strong> kennen (in jedem Lüfter steckt ein Motor !).<br />

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Informatik V-Teil I, Kap. 1, WS 98/99<br />

Natürlich soll ein <strong>Informatiker</strong> auch wissen, wie man logische Schaltungen in der Praxis implementieren<br />

kann, z. B. auf einem IC.<br />

Dazu sind wiederum gewisse Gr<strong>und</strong>kenntnisse der Halbleitertechnik, insbesondere der Halbleiterschaltungstechnik<br />

notwendig.<br />

Einen besonderen Wert werden wir auch auf die Modellbildung legen:<br />

Keine Schaltung <strong>und</strong> kein IC kann heute mehr ohne rechnergestützte Hilfsmittel entworfen werden.<br />

Deshalb muß man wissen, wie die Modelle von Bauelementen <strong>und</strong> Schaltungen <strong>für</strong> die Berechnung<br />

von Schaltungen <strong>und</strong> Netzen aussehen. Die Berechnung großer Schaltungen von Hand ist ein Thema<br />

<strong>für</strong> Elektroingenieure, die immer noch damit geplagt werden. Wir schenken uns das.<br />

Schließlich sollte der <strong>Informatiker</strong> zumindest andeutungsweise wissen, welches Verhalten<br />

Schaltungen <strong>und</strong> Subsysteme bei hohen <strong>und</strong> höchsten Frequenzen haben. Was heute im Pentium-<br />

Prozessor passiert, war vor einigen Jahren noch das Gebiet der Hochfrequenztechnik!<br />

Schließlich sollte man im Zeitalter von netzen <strong>und</strong> Medien auch noch wissen, wie Signale effizient<br />

über lange Strecken übertragen werden.<br />

Im Studiengang Informatik der BTU nehmen deshalb die elektrischen <strong>und</strong> elektronischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />

einen ziemlich breiten Raum ein. Darauf aufbauend werden im Gr<strong>und</strong>studium <strong>und</strong> im Hauptstudium<br />

mehrere Veranstaltungen angeboten, welche die Entwurfsmethodik <strong>für</strong> Hardware <strong>und</strong> Software<br />

betreffen.<br />

Damit haben unsere Studenten eine reale Chance, das zu lernen, was sie (auch in Konkurrenz zu<br />

etablierteren Hochschulen) <strong>für</strong> einen Arbeitgeber auch außerhalb von Banken <strong>und</strong> Versicherungen<br />

interessant macht.<br />

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