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November 2010 (PDF) - an.schläge

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<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l l<br />

das feministische monatsmagazin. november <strong>2010</strong><br />

Christi<strong>an</strong>e Rösinger<br />

Gegen die Vergötzung der Liebe<br />

Das Geschlecht im Körper<br />

Status Quo und Kritik (<strong>an</strong>) der Gender Medizin<br />

#unibrennt – Bildungsprotest 2.0<br />

Vom besetzten Hörsaal ins Kino<br />

Plus: 16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen >> Gay Cops >> Tr<strong>an</strong>sgender Day of Remembr<strong>an</strong>ce >><br />

Wahlwechsel revisited >> Wickelkunst von Judith Scott >> Gender & Disability >> und vieles mehr


Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt<br />

en en en en en en Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt<br />

<strong>an</strong> <strong>an</strong><br />

Frauen Frauen Frauen Frauen<br />

16 16 16 16 16 16 Gewalt Gewalt Gewalt<br />

Frauen Frauen Gewalt Gewalt<br />

FrauenTage 16Tage Tage Tage Tage Tage Tage<br />

Nationalagge<br />

gegen<br />

<strong>an</strong><br />

Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt<br />

Frauen<br />

Rechtzeitig zum Nationalfeiertag vor einigen Jahren ruft ein Redakteur des österreichischen<br />

Wochenmagazins NEWS bei mir <strong>an</strong>: „Wir machen eine Geschichte zur<br />

Beziehung der Österreicher zur Nationalagge. Wir fotograeren Menschen mit<br />

der österreichischen Fahne und holen dazu Statements ein. Dürfen wir Sie auch fotograeren?<br />

Mit der österreichischen Fahne, die sie als Kopftuch tragen? Sie dürfen<br />

auch einige Worte dazu sagen, zu Integration und so. Sie sind doch Migr<strong>an</strong>tin und<br />

Österreicherin, oder? Sie werden in prominentem Umfeld abgebildet: Bundespräsident<br />

Fischer, Herm<strong>an</strong>n Nitsch, H<strong>an</strong>s Kr<strong>an</strong>kl kommen in der Geschichte auch vor...“<br />

Es geht wieder einmal um das Kopftuch. Doch diese Anfrage verwirrt: Geht es um<br />

die Identikation mit dem österreichischen Staat? Geht es um Integration? Ist das<br />

Kopftuch doch kein Hindernis für die Aufnahme in die Liga der österreichischen<br />

Prominenz, wenn es rot-weiß-rot ist? Ist das Symbol für „Rückständigkeit und<br />

Frauenunterdrückung“ nicht mehr so bedrohlich, wenn es aus der österreichischen<br />

Nationalagge geschnitten ist? Und vor allem: Was hat es zu bedeuten, in einer<br />

Gesellschaft, die vehement Entschleierung fordert, ein Angebot zur Verschleierung<br />

zu bekommen? Die Beweggründe des Boulevardjournalismus sind unergründlich.<br />

Kopftuch sells!<br />

Idee, Konzept und Realisierung:<br />

Dummheit tut weh.<br />

Bitte keine blöden Fragen mehr!<br />

PEREGRINA<br />

Bildungs-, Beratungs-<br />

und Therapiezentrum<br />

für Immigr<strong>an</strong>tinnen<br />

MITEINANDER LERNEN<br />

Bildung, Beratung und<br />

Psychotherapie für Frauen,<br />

Kinder und Familien<br />

www.lefoe.at / Tel. 01-58 11 881 www.peregrina.at / Tel. 01-408 61 19 www.miteinlernen.at / Tel. 01-493 16 08<br />

Texte: Gamze Ong<strong>an</strong> und Deniz Başpınar<br />

Diseño Gráco: Renata Behncke / Colaboración: Claudia Gomez


Politik<br />

06 >>> <strong>an</strong>.riss politik<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong><br />

08 >>> Kein Hörschutz für T<strong>an</strong>te Ingrid<br />

In der Liste der <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten Berufskr<strong>an</strong>kheiten finden sich Frauen kaum wieder<br />

10 >>> Die Stahlarbeiterin im Kindergarten<br />

Warum Feministinnen in Tschechien als „staatsfeindlich” gelten<br />

12 >>> Cops unter dem Regenbogen<br />

Lesben, Schwule und Tr<strong>an</strong>sgenders wollen die Polizei reformieren<br />

14 >>> <strong>an</strong>.riss international<br />

Thema: Gender Medizin<br />

16 >>> Status, quo vadis?<br />

Eine kritische Best<strong>an</strong>dsaufnahme von Gender Medizin in Österreich<br />

18 >>> Von Frau zu Gender<br />

Die Geschichte der Frauengesundheitsbewegung seit den 1970er Jahren<br />

21 >>> „Frauen-Medizin wäre mir zu wenig gewesen“<br />

Interview: Karin Gutiérrez-Lobos zu den Rahmenbedingungen der Gender Medizin in Wien<br />

Gesellschaft<br />

24 >>> <strong>an</strong>.riss arbeit wissenschaft<br />

26 >>> Schönheit vergeht?<br />

Wie alternde Frauen mit den herrschenden Schönheitsnormen umgehen<br />

28 >>> Tr<strong>an</strong>sgender Day of Remembr<strong>an</strong>ce<br />

Gemeinsam gegen Tr<strong>an</strong>sphobie auftreten<br />

29 >>> „Wozu die Hose?“<br />

Interview: Julia Amore spricht über Tr<strong>an</strong>s-Aktivismus in Argentinien<br />

Kultur<br />

32 >>> <strong>an</strong>.riss kultur<br />

34 >>> Berühren verboten!<br />

Judith Scott wickelt mit ihrer Kunst ein<br />

35 >>> Dem Götzen Liebe den Garaus gemacht<br />

Interview: Christi<strong>an</strong>e Rösinger über ihr neues Solo-Album und das „Alleinsein” in der Liebe<br />

Rubriken<br />

<strong>an</strong>.sage: Offener Brief <strong>an</strong> den Österr. Medienverb<strong>an</strong>d<br />

sprechblase: Sager des Monats<br />

plusminus: Butch & Femme<br />

<strong>an</strong>.frage: 16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen<br />

medienmix: It gets better Project, Nisaa FM,<br />

Olympe<br />

<strong>an</strong>.sprüche: Das Wahlrecht umverteilen<br />

<strong>an</strong>.lesen: Jutta Jacob u.a., Sabine Altermatt, Gudrun<br />

Ankele, Anke Drygala/Andrea Günter, Monika Helfer,<br />

Lydia Mischkulnig, Gaby Temme/Christine Künzel<br />

<strong>an</strong>.kl<strong>an</strong>g: Bassena Social Club, Anna Zauner-<br />

Pagitsch, Sophie Hassfurther, Leora Vinik,<br />

Magdalena Kožená<br />

<strong>an</strong>.sehen: #unibrennt – Bildungsprotest 2.0<br />

<strong>an</strong>.künden: Termine & Tipps<br />

05<br />

06<br />

06<br />

07<br />

15<br />

23<br />

38<br />

41<br />

42<br />

43<br />

Kolumnen<br />

neul<strong>an</strong>d<br />

zeitausgleich<br />

heimspiel<br />

lebenslauf<br />

lesbennest<br />

bonustrack: clara luzia<br />

katzenpost<br />

zappho des monats<br />

09<br />

24<br />

31<br />

33<br />

37<br />

40<br />

43<br />

46


04 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

editorial<br />

impressum<br />

Im Vorfeld zum „Tag der Freien Medien” am 15. Oktober<br />

hat eine Gruppe Freier Medien- und Kulturinitiativen –<br />

darunter auch die <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> – einen offenen Brief <strong>an</strong> den<br />

Österreichischen Medienverb<strong>an</strong>d verfasst (vollständiger<br />

Wortlaut siehe auf der gegenüberliegenden Seite). Einer<br />

der Kritikpunkte war die Schieflage im Geschlechterverhältnis<br />

am Ver<strong>an</strong>staltungspodium – symptomatisch für das<br />

m<strong>an</strong>gelnde Bewusstsein für Genderfragen in der hiesigen<br />

Medienpolitik.<br />

Inzwischen hat der Medienverb<strong>an</strong>d öffentlich ge<strong>an</strong>twortet<br />

und meint u.a., „dass eine Mediendefinition vor fachlichem,<br />

nicht vor ideologischem oder welt<strong>an</strong>schaulichem<br />

Hintergrund erarbeitet werden muss.”<br />

Nun, rein fachlich gesehen müssten die Medien, die<br />

den offenen Brief unterschrieben haben, allesamt bei<br />

komfortablen Einkünften in bestens ausgestatteten<br />

Innenstadtbüros sitzen. Warum wir in der Realität nicht<br />

so erfolgsverwöhnt sind? Weil sich bei uns „Erfolg” eben<br />

doch erst vor „ideologischem Hintergrund” einstellt –<br />

nämlich d<strong>an</strong>n, wenn wir die Gesellschaft, in der wir leben,<br />

verbessert haben. Ja, verbessert, lieber Medienverb<strong>an</strong>d,<br />

nicht nur „objektiv und kritisch beschrieben”, wie es in<br />

deiner Antwort heißt.<br />

Als feministisches, linkes Medium hoffen wir, mit dem offenen<br />

Brief zudem einen Schritt in Richtung Repolitisierung<br />

der sog. alternativen Medienszene zu setzen – aber auch<br />

die in den letzten Jahren ins Stocken geratene Vernetzung<br />

unter „kritischen” Medien auf neue Beine zu stellen.<br />

Wir bleiben dr<strong>an</strong>.<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> werden gefördert von:<br />

Feminist Superheroines<br />

Am 25. <strong>November</strong> 1960 wurden die drei Schwestern<br />

Patria (*1924), Minerva (*1926) und María Teresa<br />

(*1935) Mirabal vom dominik<strong>an</strong>ischen Geheimdienst<br />

im Auftrag des Diktators Rafael Trujillo ermordet. Die<br />

Schwestern – „die Schmetterlinge“ gen<strong>an</strong>nt – hatten<br />

zuvor die Untergrund-Widerst<strong>an</strong>dsbewegung „14. Juni“<br />

unterstützt, die für den Sturz Trujillos kämpfte.<br />

1981 wurde ihr Todestag beim ersten Kongress<br />

lateinamerik<strong>an</strong>ischer und karibischer Feministinnen in<br />

Kolumbien zum Gedenktag für die Opfer von Gewalt<br />

<strong>an</strong> Frauen ausgerufen. 1999 erklärte die UNO ihn zum<br />

Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt <strong>an</strong> Frauen.<br />

Seither findet jährlich die internationale Kampagne<br />

„16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen“ statt, die bis zum<br />

10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte,<br />

läuft.<br />

Illustration: Lina Walde<br />

Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik. A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76, e-mail: redaktion@<strong>an</strong>schlaege.at,<br />

office@<strong>an</strong>schlaege.at, www.<strong>an</strong>schlaege.at l Koordinierende Redakteurinnen: Sylvia Köchl, office@<strong>an</strong>schlaege.at, T.01/920 16 78, Vina Yun, redaktion@<strong>an</strong>schlaege.at, T. 01/920 16 76<br />

Buchhaltung, Abos: Verena Stern, buchhaltung@<strong>an</strong>schlaege.at, abo@<strong>an</strong>schlaege.at l Termine, Tipps: Nadine Kegele, termine@<strong>an</strong>schlaege.at l Inserate: Michèle Thoma, mi.thoma@chello.at l Redaktion:<br />

Bettina Enzenhofer/be, Andrea Heinz/h<strong>an</strong>, Sylvia Köchl/sylk, Silke Pixner/pix, Fiona Sara Schmidt/fis, Verena Stern/vers, Lea Susemichel/les, Irmi Wutscher/trude, Vina Yun/viyu l<br />

Praktikum: S<strong>an</strong>ja Nedeljkovic l Texte: Lisa Bolyos, Daphne Ebner, Christi<strong>an</strong>e Erharter, Denice Fredriksson, Ina Freudenschuß, Beate Hammond, Regina Himmelbauer, Sonja Hofmair,<br />

Grit Höppner, Gabi Horak/GaH, Kathrin Iv<strong>an</strong>csits/kaiv, Mia Kager/miak, Birge Krondorfer, Alice Ludvig, Clara Luzia, Bärbel Mende-D<strong>an</strong>neberg, S<strong>an</strong>ja Nedeljkovic/s<strong>an</strong>e, Ana<br />

Petretto, Simone Prenner, Karo Rumpfhuber, Ramona Vogel, Anita Weidhofer/atina l Layoutkonzept & Layout: Lisa Bolyos l Coverfoto: Staatsakt, Collage: Lisa Bolyos l Cartoons & Illustrationen:<br />

Paula Bolyos, Nadine Kappacher, Lisa Max, Bi<strong>an</strong>ca Tschaikner, Lina Walde, Zappho l Fotos: <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>-Archiv, Rongem Boyo, Chapitó, coop99/AG Doku, Creative Growth Art Center<br />

Oakl<strong>an</strong>d/Museum Gugging, Petra Cvebar, ElVira/www.bildergegengewalt.net, Michael Guerrero, Fr<strong>an</strong>z Jachim, Sylvia Köchl, Bri<strong>an</strong> Kusler, Michael Lackinger, Annette Pohnert,<br />

Staatsakt, Südwind, F<strong>an</strong>gor Wojciech, Verena W./www.bildergegengewalt.net, Libertinus Yom<strong>an</strong>go, Vina Yun l Homepage: Mirjam Bromundt, www.<strong>an</strong>schlaege.at l Druck: H.R.G. Druck-<br />

erei © <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Titel, Vorsp<strong>an</strong>n und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen<br />

vorbehalten. l ISSN 1993-3002


Sehr geehrter Vorst<strong>an</strong>d des Österreichischen Medienverb<strong>an</strong>des!<br />

Der Österreichische Medienverb<strong>an</strong>d hat für morgen, den 15. Oktober <strong>2010</strong>,<br />

den „Tag der Freien Medien” ausgerufen – zum zweiten Mal seit seiner<br />

Gründung im Jahr 2008. Zu diesem Anlass finden im Quartier für digitale<br />

Kultur im Wiener Museumsquartier u.a. eine Medienmesse und eine Podiumsdiskussion<br />

zur Stellung der Freien Medien in Österreich statt.<br />

Als Projekte und Initiativen, die im Feld der freien und autonomen Medien-<br />

und Kulturarbeit agieren, haben wir uns gegen eine Teilnahme am „Tag<br />

der Freien Medien” entschieden und möchten Ihnen hiermit die Gründe für<br />

diese Entscheidung kommunizieren.<br />

Wir möchten betonen, dass unsere gemeinsame Stellungnahme unabhängig<br />

von einer Einladung zum „Tag der Freien Medien” erfolgt – einige der unterzeichnenden<br />

Medieninitiativen wurden explizit zur Teilnahme <strong>an</strong> dieser Ver<strong>an</strong>staltung<br />

geladen, m<strong>an</strong>che nicht. Unsere Kritik richtet sich allerdings nicht<br />

bloß gegen den Event, sondern vielmehr auf die politischen Verhältnisse, wie<br />

sie gerade am „Tag der Freien Medien” eben nicht zur Sprache kommen.<br />

Die Gründe für unsere Nichtteilnahme am „Tag der Freien Medien” sind:<br />

(1) Das Diskussionspodium ist mit Martin Blumenau/FM4, Medienstaatssekretär<br />

Josef Ostermayer und diepresse.com-Chef Peter Krotky besetzt. Mit<br />

Michaela Wein vom Online-Magazin mok<strong>an</strong>t.at sitzt eine einzige Frau und<br />

Vertreterin eines „Freien Mediums” als Diskut<strong>an</strong>tin am Podium. Neben der –<br />

gelinde gesagt – unausgewogenen „Gender Bal<strong>an</strong>ce” am Podium stellt sich für<br />

uns insbesondere die Frage, welchen Beitrag die drei erstgen<strong>an</strong>nten Diskut<strong>an</strong>ten<br />

zu einer konstruktiven Debatte über Freie Medienarbeit liefern können.<br />

(2) F<strong>an</strong>d der erste vom Österreichischen Medienverb<strong>an</strong>d org<strong>an</strong>isierte „Tag<br />

der Freien Medien” 2008 noch im fluc und damit in einer Location statt, die<br />

klar im Feld der freien und autonomen Kulturarbeit zu verorten ist, so hat<br />

m<strong>an</strong> sich heuer für das Museumsquartier als Ver<strong>an</strong>staltungsort entschieden.<br />

Damit sollen Fragen der Freien Medienarbeit ausgerechnet in einem der<br />

„Hot Spots” neoliberal gesteuerter Kreativwirtschaft in Wien verh<strong>an</strong>delt<br />

werden, was unseres Erachtens einer klaren Positionierung von Freier Medienarbeit<br />

jenseits eines ökonomischen Nützlichkeitsdiskurses entgegenläuft.<br />

(3) Nicht weniger paradox erscheint uns der Umst<strong>an</strong>d, dass Besucher_innen,<br />

die keine schriftliche Vor<strong>an</strong>meldung vorweisen können, beim „Tag der<br />

Freien Medien” keinen freien Eintritt erhalten. Eine solche Regelung mag<br />

gängige Praxis bei vergleichbaren „Fachmessen” im Museumsquartier oder<br />

<strong>an</strong>derswo sein – dass den in der Regel auf breite Öffentlichkeit und niederschwelligen<br />

Zug<strong>an</strong>g zielenden Freien Medien mit einer solchen Praxis kein<br />

guter Dienst erwiesen wird, scheint uns aber offensichtlich.<br />

Abgesehen davon drängt sich uns in Zusammenh<strong>an</strong>g mit dem Begriff „Freie<br />

Medien” noch eine weitere, grundsätzlichere Frage auf. Laut Selbstbeschreibung<br />

versteht sich der Österreichische Medienverb<strong>an</strong>d nämlich als<br />

Interessenvertretung für Print-Publikationen und elektronische Medien,<br />

die den Fokus ihrer Arbeit auf die Förderung Freier Klein- und Kleinstmedien<br />

gelegt hat. Was dabei jedoch konkret unter „Freie Medien” verst<strong>an</strong>den<br />

wird, bleibt weitgehend unklar.<br />

In seinem „Working Paper” definiert der Medienverb<strong>an</strong>d den Begriff „frei”<br />

als „unabhängig”, und zwar „zwischen inhaltlicher Gestaltung und Fin<strong>an</strong>-<br />

Offener Brief <strong>an</strong> den Österreichischen Medienverb<strong>an</strong>d<br />

<strong>an</strong>lässlich des Tags der Freien Medien am 15.10.<strong>2010</strong><br />

zierung” (siehe http://medienverb<strong>an</strong>d.at/wp-content/uploads/misc<strong>an</strong>ellous/<br />

OeMVB_Definition_Freie_Medien.pdf). Eine inhaltliche Dimension des Begriffs<br />

im Sinne eines politischen Selbstverständnisses oder einer politischen<br />

Positionierung sucht m<strong>an</strong> vergebens. So lässt sich nicht einmal ein <strong>an</strong>tidiskriminatorischer<br />

Grundkonsens, wie er etwa in der Charta der Freien Radios<br />

Österreich (http://www.freie-radios.at/article.php?ordner_id=27&id=194)<br />

als Minimal<strong>an</strong>forderung <strong>an</strong> Freie Medienarbeit formuliert ist, ausmachen.<br />

Insofern kommt auch der „partizipative Zug<strong>an</strong>g”, wie er im „Working Paper”<br />

als Merkmal Freier Medien beschrieben wird, äußerst schwammig daher<br />

und thematisiert weder gesellschaftliche Ausschlüsse aufgrund von z.B.<br />

Rassismus, Sexismus, Homo-/Tr<strong>an</strong>sphobie oder „Disability” noch Strategien,<br />

wie eine medienpolitische Partizipation diskriminierter Personengruppen<br />

aussehen könnte.<br />

Dies erstaunt nicht nur <strong>an</strong>gesichts des insgesamt kritikwürdigen Zust<strong>an</strong>ds<br />

der österreichischen Medienl<strong>an</strong>dschaft, sondern auch und vor allem <strong>an</strong>gesichts<br />

der zunehmend nach rechts rückenden politischen Verhältnisse, wie<br />

sie schon seit längerem (nicht bloß) in Österreich zu beobachten sind.<br />

Unserem Selbstverständnis nach muss der Begriff „Freie Medien” deshalb<br />

wesentlich darauf abzielen, Raum für gesellschaftskritische Diskurse herzustellen<br />

und damit eine Plattform für linke, em<strong>an</strong>zipatorische Positionen<br />

– insbesondere jene von Migr<strong>an</strong>t_innen – <strong>an</strong>bieten. Freie Medien rücken<br />

also solche Perspektiven in den Mittelpunkt, die von den bürgerlichen Medien<br />

wenig oder gar nicht berücksichtigt werden und der vermeintlichen<br />

„Professionalität”, „Objektivität” und dem, was „berichtenswert” sei, entgegenstehen.<br />

Nicht zuletzt fehlt aus unserer Sicht eine differenzierte wie kritische Ausein<strong>an</strong>dersetzung,<br />

was die l<strong>an</strong>gfristigen Zukunftsperspektiven Freier Medienarbeit<br />

betrifft, etwa hinsichtlich der Frage der fortschreitenden prekären<br />

Arbeits- und Existenzbedingungen, den Überlebensch<strong>an</strong>cen nicht-kommerzieller<br />

Medien, der Subventionslage und Anerkennung migr<strong>an</strong>tischer Medien<br />

u.ä.<br />

Mit unserer Kritik möchten wir Impulse für eine medienpolitische Debatte<br />

setzen, die Freie Medien nicht als „alternative Produkte”, sondern als Artikulations-<br />

und Interventionsplattform begreift, die gegen den herrschenden<br />

gesellschaftlichen Konsens <strong>an</strong>tritt.<br />

Gezeichnet (in alphabetischer Reihenfolge):<br />

Anneg<strong>an</strong>g – Magazin zur Überwindung der inneren Sicherheit,<br />

www.<strong>an</strong>neg<strong>an</strong>g.org<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> – Das feministische Monatsmagazin, www.<strong>an</strong>schlaege.at<br />

fiber – werkstoff für feminismus und popkultur, www.fibrig.net<br />

grundrisse – zeitschrift für linke theorie & debatte, www.grundrisse.net<br />

IG Kultur Österreich, www.igkultur.at<br />

Kulturrat Österreich, www.kulturrat.at<br />

Kulturrisse – Zeitschrift für radikaldemokratische Kulturpolitik,<br />

www.kulturrisse.at<br />

MALMOE, www.malmoe.org<br />

migrazine.at – Online Magazin von Migr<strong>an</strong>tinnen für alle, http://migrazine.at<br />

Wien, 14. Oktober <strong>2010</strong><br />

<strong>an</strong>.sage<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 05


<strong>an</strong>.riss politik<br />

Verena W. / www.bildergegengewalt.net<br />

Peregrina – Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigr<strong>an</strong>tinnen,<br />

06 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

gegen gewalt<br />

Demo-Aufruf<br />

Im Rahmen der „16 Tage gegen<br />

Gewalt <strong>an</strong> Frauen” (siehe<br />

<strong>an</strong>.frage, S. 7), die von 25.<br />

<strong>November</strong> bis 10. Dezember<br />

stattfinden, ist zum Auftakt eine<br />

FrauenLesbenMädchen-Demo<br />

gepl<strong>an</strong>t. Die Vorbereitungs- und<br />

Vernetzungstreffen im Autonomen<br />

FrauenLesbenMädchenZentrum<br />

haben bereits begonnen, engagierte<br />

Frauen sind jederzeit willkommen<br />

und melden sich unter lesbenfrauennachrichten@gmx.at.<br />

trude<br />

Autonomes FrauenLesbenMädchenZentrum, 1090 Wien, Währingerstraße 59/Stiege 6 (2. Stock)<br />

Kommende Termine der Vernetzungstreffen: 11.11., 19.11., 22.11.<br />

peregrina<br />

Klappe auf!<br />

Seit 26 Jahren berät und unterstützt der Verein Peregrina Migr<strong>an</strong>tinnen<br />

bei sozialen und psychologischen Problemen. Jetzt wurde dieses Engagement<br />

mit dem Alex<strong>an</strong>der-Friedm<strong>an</strong>n-Preis des Psychosozialen Zentrums<br />

ESRA gewürdigt, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Wir gratulieren!<br />

Aktuell beteiligt sich Peregrina <strong>an</strong> der Aktion „16 Tage gegen Gewalt<br />

<strong>an</strong> Frauen”. Gemeinsam mit mehreren <strong>an</strong>deren NGOs, die das Projekt<br />

„Klappe auf!” gegründet haben, wurde ein Videoclip gestaltet, der vom<br />

25.11. bis 10.12. auf www.diest<strong>an</strong>dard.at zu sehen sein wird. Unter dem<br />

Motto „Dummheit tut weh! Bitte keine blöden Fragen mehr!” setzt sich<br />

das Video mit institutionalisierter Diskriminierung und diskursiver Gewalt<br />

gegen Migr<strong>an</strong>tinnen ausein<strong>an</strong>der. trude/sylk<br />

Währingerstraße 59, 1090 Wien, www.peregrina.at, www.esra.at<br />

„Für uns<br />

Christen ist<br />

das eine moralische<br />

Frage“<br />

Finnl<strong>an</strong>d hat ein Problem: die Ev<strong>an</strong>gelisch-<br />

Lutherische Kirche. Seitdem der Bischof<br />

von Tampere und die Vorsitzende der finnischen<br />

Christdemokraten, Päivi Räsänen, in<br />

einer TV-Diskussion homosexuelle Beziehungen<br />

öffentlich verurteilten, traten innerhalb<br />

einer Woche rund 20.000 Menschen aus<br />

der Kirche aus – per Mausklick. Seit 2003<br />

ist im High-Tech verliebten Finnl<strong>an</strong>d der<br />

Kirchenaustritt nämlich unterschriftenlos<br />

via Online-Formular möglich. M<strong>an</strong> möchte<br />

sagen: vorbildlich. viyu<br />

À la butch (+)<br />

menschenrechte<br />

NGO-Bericht für Österreich<br />

Ab Jänner 2011 unterzieht sich Österreich erstmals der „Universellen<br />

Menschenrechtsprüfung”, mit der die Menschenrechtssituation in den<br />

192 UN-Mitgliedsländern verbessert werden soll. Mitte Oktober übergab<br />

die österreichische Bundesregierung der UNO ihren Staatenbericht zur<br />

Situation der Menschenrechte im L<strong>an</strong>d. Anh<strong>an</strong>d der Staatenberichte<br />

wird alle vier Jahre (seit 2008) vom UN-Menschenrechtsrat in Genf die<br />

Implementierung von Menschenrechtsverpflichtungen in den Mitgliedsstaaten<br />

geprüft.<br />

Zeitgleich zum Bericht der Bundesregierung haben österreichische NGOs<br />

ihre Einschätzung der Wahrung von Menschenrechten in Österreich <strong>an</strong><br />

die UNO übermittelt, seit Ende Oktober liegt dieser Parallelbericht vor.<br />

Der Verein ZARA, der auch den jährlichen Rassismus-Report für Österreich<br />

herausgibt, dokumentiert in seinem Schattenbericht „eine m<strong>an</strong>gelhafte<br />

Anti-Diskriminierungsgesetzgebung und den fehlenden politischen<br />

Willen, Rassismus als alltägliches Phänomen <strong>an</strong>zuerkennen und zu<br />

bekämpfen” und möchte diese Tatsachen von der UNO untersucht wissen.<br />

ZARA ortet in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen Probleme:<br />

beim Aufenthalts- und Wahlrecht, bei der Vergabe von Arbeitsplätzen und<br />

Wohnungen, beim Zug<strong>an</strong>g zu Bildung – also alles Bereiche, in denen Rassismus<br />

die gesellschaftliche Beteiligung verhindert. Arbeitsplätze oder<br />

Wohnungen würden immer wieder offen mit Verweis auf die Hautfarbe<br />

oder die Bekleidung (Kopftuch) verweigert. Es müsse die g<strong>an</strong>ze „Menschenrechts-Infrastruktur”<br />

verbessert werden. sylk/viyu<br />

www.menschenrechte-jetzt.at/universelle-menschenrechtsprufung, zara.or.at<br />

sexarbeit<br />

Prostitutionsgesetz für Oberösterreich<br />

In Oberösterreich ist die L<strong>an</strong>desregierung bemüht, die bisherigen Regelungen<br />

zur Sexarbeit durch ein einheitliches und verpflichtendes Prostitutionsgesetz<br />

zu ersetzen. Dem Verein maiz sowie aktiven und ehemaligen<br />

plus<br />

Es muss nicht immer L<strong>an</strong>ghaar und Lipstick<br />

sein: Bulldaggers, Tomboys, Drag Kings,<br />

Butches, Gender Queers und Dapper Dykes<br />

dominierten den Laufsteg der Fashion-Show,<br />

die Mitte Oktober in Los Angeles stattf<strong>an</strong>d.<br />

Mit dem Event wurde die Jahreskonferenz<br />

der Grassroots-Org<strong>an</strong>isation „BUTCH<br />

Voices” (www.butchvoices.com) eingeläutet,<br />

die die g<strong>an</strong>ze B<strong>an</strong>dbreite von „wom<strong>an</strong>identified<br />

Butches” über „tr<strong>an</strong>s-masculine<br />

Studs” bis hin zu „faggot-identified Aggressives”<br />

feiert. W<strong>an</strong>n bloß wird Wien endlich<br />

L.A. werden? viyu<br />

À la femme (+)<br />

Am 6. und 7. <strong>November</strong> wird in Hamburg<br />

queere Feminität im Theorie und<br />

Praxis erkundet: Der Workshop „Exploring<br />

Femmeness”, org<strong>an</strong>isiert von der AG Queer<br />

Studies in Kooperation mit dem Zentrum<br />

GenderWissen, widmet sich Politiken, Begehren,<br />

Strategien und Skills à la Femme.<br />

Angesprochen sind alle, die selbst queere,<br />

lesbische, bisexuelle und schwule Feminitäten<br />

verkörpern bzw. sich mit den eigenen<br />

Aspekten von Femmeness ausein<strong>an</strong>dersetzen<br />

möchten. Anmeldung und Infos unter<br />

femmeworkshop@gmx.de. viyu


SexarbeiterInnen liegt der Entwurf vor, in einem offenen Brief <strong>an</strong> die<br />

Oberösterreichische L<strong>an</strong>desregierung haben sie dazu Stellung genommen.<br />

Im Allgemeinen wird das Gesetzesvorhaben von den SexarbeiterInnen<br />

zwar begrüßt, in einigen Punkten jedoch auch be<strong>an</strong>st<strong>an</strong>det. Der Hauptkritikpunkt<br />

lautet, dass es bei dem Gesetz vorr<strong>an</strong>gig um Beschränkung und<br />

Kontrolle, nicht aber um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die<br />

in der Prostitution Tätigen geht. Denn es lässt den Gemeinden und der Polizei<br />

einen großen H<strong>an</strong>dlungsspielraum, und für SexarbeiterInnen gibt es<br />

eine Reihe <strong>an</strong> Pflichten, es fehlen aber positiv formulierte Rechte. Dies,<br />

so heißt es in dem offenen Brief, mache erneut deutlich, dass Sexarbeit<br />

nicht erwünscht ist und als gesellschaftliche Realität negiert wird. trude<br />

Stellungnahme unter www.maiz.at<br />

mindestsicherung<br />

Bettengebühr<br />

Ab <strong>November</strong> sollen Obdachlose, die Mindestsicherung erhalten und eine<br />

Notschlafstelle länger als zwei Monate be<strong>an</strong>spruchen, einen „symbolischen<br />

Beitrag” von vier Euro pro Nacht bezahlen. Das gilt für Unterkünfte,<br />

die vom Fonds Soziales Wien geführt werden. Ehrenamtlich betriebene<br />

Notschlafstellen können die Bedingungen für die Übernachtung weiter<br />

selbst festlegen. Grund für die Neuregelung ist, dass mit der bedarfsorientierten<br />

Mindestsicherung, die 744 Euro pro Monat beträgt, auch 186<br />

Euro Wohnkosten<strong>an</strong>teil ausbezahlt werden.<br />

SozialarbeiterInnen und Obdachloseneinrichtungen haben sich deshalb<br />

zur Initiative für kostenlose Notschlafstellen (INKONO) zusammengeschlossen.<br />

Sie kritisieren die Einführung der Gebühr massiv, v.a. da<br />

dadurch mehr Menschen auf der Straße schlafen würden. Die Notschlafstellen<br />

seien außerdem nicht mit einem Wohnplatz gleichzusetzen, denn<br />

sie können erst ab 17 Uhr bezogen und müssen am nächsten Morgen<br />

wieder verlassen werden. Hinzu kommt, dass der Wohnkosten<strong>an</strong>teil von<br />

der Stadt ausbezahlt und durch die Gebühr wieder eingehoben wird, was<br />

nur sinnlosen Verwaltungsaufw<strong>an</strong>d mit sich bringt. Die Alternative wäre,<br />

den Anteil ohne die Auflage auszuzahlen, dass er nur für Wohnkosten<br />

verwendet werden darf. Damit bliebe die Autonomie der Obdachlosen gewahrt,<br />

das Geld so einzusetzen, wie sie es möchten, um mit dem zusätzlichen<br />

Anteil z.B. Schulden zu bezahlen. trude<br />

fm4.orf.at/stories/1664862, https://wohnungslos.wordpress.com<br />

abtreibungsgegnerInnen<br />

Dämonen auf der Jugendmesse<br />

Bei der Berliner Jugendmesse YOU, die dieses Jahr von 1. bis 3. Oktober<br />

stattf<strong>an</strong>d, haben fundamental-christliche AbtreibungsgegnerInnen einen<br />

St<strong>an</strong>d zur Verfügung gestellt bekommen. Fraueneinrichtungen, darunter<br />

Pro Choice Berlin, protestierten im Vorfeld mit einem offenen Brief<br />

gegen die St<strong>an</strong>dvergabe: Die Vereine ALfA (Aktion Lebensrecht für<br />

Alle) und Kaleb (Kooperative Arbeit Leben ehrfürchtig bewahren) böten<br />

keine Aufklärung über Sexualität und Verhütung, sondern dämonisierten<br />

lediglich Abtreibungen. Dies sei problematisch, da „Jugendliche die<br />

Anbieter der Messe als Autorität wahrnehmen und oft nicht in der Lage<br />

sind, deren Informationen zu überprüfen”. trude<br />

http://europe<strong>an</strong>prochoicenetwork.wordpress.com<br />

Die Fahne hissen<br />

Jedes Jahr findet von 25. <strong>November</strong> bis 10. Dezember die internationale<br />

Kampagne „16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen” statt. Seit<br />

1992 beteiligt sich der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser<br />

(AÖF) <strong>an</strong> der Aktion, die vom Centre for Women’s Global<br />

Leadership ins Leben gerufen wurde. S<strong>an</strong>ja Nedeljkovic befragte<br />

Felice Drott von AÖF zur Entwicklung der Kampagne.<br />

Die „16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen“ finden in Österreich nun<br />

zum 19. Mal statt – erheblich häufiger als in <strong>an</strong>deren europäischen<br />

Ländern. Wie kommt es dazu?<br />

Vergleichen wir Österreichs Situation mit <strong>an</strong>deren europäischen<br />

Ländern, d<strong>an</strong>n ist es sicherlich eine Frage der den Fraueneinrichtungen<br />

zur Verfügung stehenden Ressourcen. Spürbar größer<br />

ist die Beteiligung <strong>an</strong> der Kampagne in jenen Ländern, die bspw.<br />

über nationale Dachorg<strong>an</strong>isationen der Frauenhäuser und Beratungsstellen<br />

verfügen. Ist die Fin<strong>an</strong>zierung der Frauenhäuser und<br />

Beratungsstellen nicht gesichert, ist es schwierig, eine kontinuierliche<br />

Kampagne durchzuführen.<br />

Welche sichtbaren Veränderungen können Sie seit der ersten<br />

Aktion erkennen?<br />

Es freut uns zu sehen, dass die Kampagne mittlerweile in g<strong>an</strong>z<br />

Österreich bek<strong>an</strong>nt ist. Vor allem die 2001 von TERRE DES<br />

FEMMES entwickelte Fahnenaktion „Frei leben ohne Gewalt”<br />

hat sich mit unserer kontinuierlichen Lobbyarbeit immer mehr<br />

verselbstständigt. Mittlerweile beteiligen sich viele NGOs, Universitäten,<br />

Schulen, diverse Institutionen sowie mehrere Ministerien und<br />

hissen jährlich die Fahne.<br />

Wie sieht eine feministische Öffentlichkeitsarbeit zum Thema<br />

Gewalt aus?<br />

Das kommt darauf <strong>an</strong>. Noch vor 20 Jahren z.B. war es notwendig,<br />

überhaupt auf die Thematik aufmerksam zu machen. Die Parteinahme<br />

für Frauen und die Schaffung bzw. Fin<strong>an</strong>zierungssicherung<br />

adäquater Versorgungsstrukturen wie Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen,<br />

Notrufe etc. st<strong>an</strong>den früher im Mittelpunkt unserer<br />

Arbeit. Heute geht es darüber hinaus auch vermehrt um strukturell<br />

ver<strong>an</strong>kerte Bewusstseinbildung und Prävention.<br />

Obwohl sich Institutionen immer wieder für Präventionsmaßnahmen<br />

aussprechen, bleiben viele Versprechungen bloßes Lippenbekenntnis.<br />

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?<br />

Wir wünschen uns eine strukturelle Ver<strong>an</strong>kerung von Gewaltprävention<br />

im Bildungsbereich. Diese sollte vom Kindergarten bis in<br />

die Universitäten reichen und – entsprechend aufbereitet –<br />

verpflichtend in die Lehrpläne aufgenommen werden. Dringend<br />

nötig ist aus unserer Sicht eine flächendeckende Bewusstseins-<br />

Kampagne in allen Schulen sowie eine begleitende Aus- und Fortbildung<br />

für Pädagog_innen.<br />

Weitere Infos unter: www.aoef.at<br />

<strong>an</strong>.frage<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 07


arbeitsschutz<br />

Kein Hörschutz<br />

für T<strong>an</strong>te Ingrid<br />

08 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

In der Liste der <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten Berufskr<strong>an</strong>kheiten<br />

finden sich Frauen kaum wieder.<br />

Kreuzweh darf der Presslufthammer verursachen,<br />

aber nicht das Heben von Patient_innen.<br />

Eine Überarbeitung der Kriterien ist überfällig.<br />

Von Gabi Horak<br />

Vier Kinder hämmern auf Holzinstrumente,<br />

zwei Mädchen streiten lauthals<br />

um ein Lastauto, drei <strong>an</strong>dere spielen<br />

Nachlaufen. Lärmpegel: über 80 Dezibel.<br />

Bei Arbeitsplätzen in der Industrie<br />

ist da bereits ein Hörschutz vorgeschrieben,<br />

weil 85dB das Gehör nachweislich<br />

schädigen. Im Kindergarten lächeln die<br />

„T<strong>an</strong>ten” und werden nachmittags beim<br />

Einkaufen be-lächelt: „Kindergärtnerin<br />

bist du, das ist ja süß.” Die harten<br />

Arbeitsbedingungen der Kleinkindpädagoginnen<br />

und -pädagogen werden aber<br />

nicht nur von der Allgemeinheit unterschätzt,<br />

sondern auch vom Gesetzgeber.<br />

Kaputter Rücken. „Das Berufsleben<br />

macht auch Frauen kr<strong>an</strong>k, doch bei den<br />

typischen Frauenbr<strong>an</strong>chen wird einfach<br />

weggeschaut”, kritisiert die Grüne<br />

Frauensprecherin Judith Schwentner. Sie<br />

hat Anf<strong>an</strong>g Oktober (nach 2009 bereits<br />

zum zweiten Mal) im parlamentarischen<br />

Sozialausschuss einen Antrag gestellt, die<br />

Liste der 53 Berufskr<strong>an</strong>kheiten zu überarbeiten.<br />

Denn Frauen hätten es deutlich<br />

schwerer, Berufskr<strong>an</strong>kheiten geltend zu<br />

machen, weil die derzeit <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten<br />

Berufskr<strong>an</strong>kheiten deutlich auf männerdominierte<br />

Br<strong>an</strong>chen zugeschnitten sind.<br />

Ein Wirbelsäulenschaden etwa ist nur<br />

d<strong>an</strong>n <strong>an</strong>zuerkennen, wenn er durch<br />

„Erschütterungen bei der Arbeit mit<br />

Pressluftwerkzeugen und gleichartig<br />

wirkenden Werkzeugen und Maschinen”<br />

hervorgerufen wurde. Körperliche<br />

Schwerstarbeit wie im frauendominierten<br />

Bereich der Pflege kommt in<br />

diesem Kriterienkatalog schlichtweg<br />

nicht vor.<br />

Dabei liegt der Zusammenh<strong>an</strong>g zwischen<br />

kaputtem Rücken und Pflege-<br />

berufen auf der H<strong>an</strong>d. Im Bericht des<br />

Wiener WHO-Modellprojektes „Gesundheit<br />

und Kr<strong>an</strong>kenhaus” von 1995<br />

hieß es (mit Verweis auf zahlreiche<br />

Sekundärliteratur): „Für Angehörige<br />

der Gesundheitsdienste sind Rückenbeschwerden<br />

eine typische Berufskr<strong>an</strong>kheit.”<br />

Und in <strong>an</strong>deren Ländern, in denen<br />

Erkr<strong>an</strong>kungen des Muskel-Skelett-<br />

Apparats als Berufskr<strong>an</strong>kheit <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt<br />

sind, liegt der Frauen<strong>an</strong>teil bereits bei<br />

45 Prozent.<br />

Eine Erhebung der deutschen Bundes<strong>an</strong>stalt<br />

für Arbeitsschutz und<br />

Arbeitsmedizin hat ergeben, dass sich<br />

der Pflegeberuf durch psychische und<br />

besondere körperliche Belastungen<br />

auszeichnet. Für zwei von drei Pflegenden<br />

gehört das Heben schwerer<br />

Lasten zum Berufsalltag. Im Baugewerbe<br />

muss nur jeder Zweite häufig<br />

schwer heben.<br />

Lärmschäden Nr. 1. Hier liegt es also<br />

eindeutig <strong>an</strong> der Politik, zu h<strong>an</strong>deln und<br />

das Gesetz endlich <strong>an</strong> den Berufsalltag<br />

<strong>an</strong>zupassen. Die Liste der Berufskr<strong>an</strong>kheiten<br />

ist dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz<br />

(ASVG) <strong>an</strong>gehängt.<br />

Formal zuständig für die Überarbeitung<br />

wäre das Gesundheitsministerium.<br />

Dem jährlichen Tätigkeitsbericht der<br />

Arbeitsinspektion ist zu entnehmen,<br />

wie oft und bei wem verschiedene<br />

Berufskr<strong>an</strong>kheiten <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt wurden.<br />

Die Nicht<strong>an</strong>erkennung einer Berufskr<strong>an</strong>kheit<br />

hat g<strong>an</strong>z konkrete Folgen für die Betroffenen:<br />

So fallen sie etwa um die Versehrtenrente um,<br />

und die Kosten einer Rehabilitation werden<br />

nicht übernommen.<br />

Für das Jahr 2009 entfielen dabei nur<br />

16 Prozent der Anerkennungen auf<br />

Frauen – hauptsächlich Hauterkr<strong>an</strong>kungen,<br />

etwa bei Friseurinnen. Durch<br />

Lärm verursachte Schwerhörigkeit ist<br />

die insgesamt häufigste Berufskr<strong>an</strong>kheit,<br />

der Frauen<strong>an</strong>teil liegt hier bei<br />

zwei Prozent. Diese niedrige Zahl – so<br />

die Mutmaßung im Entschließungs<strong>an</strong>trag<br />

der Grünen – kommt u.a. dadurch


zust<strong>an</strong>de, dass Frauen auch weitaus<br />

seltener auf Lärmschäden untersucht<br />

werden. Denn immerhin geht es auch<br />

in frauendominierten Br<strong>an</strong>chen wie in<br />

der Textil- und Nahrungsmittelindustrie,<br />

<strong>an</strong> pädagogischen Arbeitsplätzen oder<br />

in der Gastronomie sehr laut zu. „Es<br />

braucht dringend eine bessere Überprüfung<br />

der Arbeitsbedingungen in frauendominierten<br />

Br<strong>an</strong>chen”, fordert Judith<br />

Schwentner. „Denn Berufskr<strong>an</strong>kheiten<br />

werden u.a. auch im Zuge von Untersuchungen<br />

am Arbeitsplatz entdeckt.”<br />

Eine weitere Lücke in der Liste der<br />

Berufskr<strong>an</strong>kheiten sind psychische<br />

Kr<strong>an</strong>kheiten. Die Zahl der Kr<strong>an</strong>kenstände<br />

wegen psychiatrischer Leiden<br />

hat sich in Österreich seit den 1990er<br />

Jahren mehr als verdoppelt. Bei Frauen<br />

sind psychische Erkr<strong>an</strong>kungen bereits<br />

der Hauptgrund für eine kr<strong>an</strong>kheitsbedingte<br />

Frühpension.<br />

Schon wieder vertagt. Die Nicht<strong>an</strong>erkennung<br />

einer Berufskr<strong>an</strong>kheit hat g<strong>an</strong>z<br />

konkrete Folgen für die Betroffenen: So<br />

fallen sie etwa um die Versehrtenrente<br />

um, und die Kosten einer Rehabilitation<br />

werden nicht übernommen.<br />

Der Frauen<strong>an</strong>teil bei den <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten<br />

Berufskr<strong>an</strong>kheiten lag in den 1990er<br />

Jahren bei rund 30 Prozent, heute bei<br />

16 Prozent. Es ist für Frauen in den<br />

letzten Jahren also sogar schwerer geworden,<br />

ihre Kr<strong>an</strong>kheiten als berufsbedingt<br />

<strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt zu bekommen.<br />

Doch nicht nur eine grundsätzliche,<br />

geschlechtergerechte Überarbeitung<br />

der Berufskr<strong>an</strong>kheiten wäre nötig, auch<br />

die Prävention und arbeitsmedizinische<br />

Untersuchungen sollten – gerade in<br />

frauendominierten Br<strong>an</strong>chen – verstärkt<br />

werden. Und nicht zuletzt sollten Frauen<br />

in Entscheidungen über Sicherheit<br />

und Gesundheit am Arbeitsplatz stärker<br />

einbezogen werden. So bedauerten die<br />

Grünen im Sozialausschuss, dass nur<br />

wenige Frauen in der Arbeitsinspektion<br />

arbeiten würden. Sozialminister<br />

Hundstorfer erwiderte laut Ausschuss-<br />

Protokoll, er hätte gerne mehr<br />

weibliches Personal in der Arbeitsinspektion,<br />

„allerdings sei eine entsprechende<br />

technische Grundausbildung<br />

erforderlich”.<br />

Wie schon 2009 wurde der Antrag im<br />

Sozialausschuss auch in diesem Jahr im<br />

Oktober vertagt – „unter einem völlig<br />

fadenscheinigen Argument”, wie An-<br />

tragstellerin Schwentner feststellt. „Die<br />

ÖVP meinte, dafür sei der Gesundheitsausschuss<br />

zuständig, und ich solle den<br />

Antrag dort einbringen.” Nötig wäre<br />

diese formale Verrenkung nicht, denn<br />

auch der Sozialausschuss k<strong>an</strong>n jederzeit<br />

den Gesundheitsminister einladen. Dass<br />

eine Überarbeitung des Berufskr<strong>an</strong>kheiten-Katalogs<br />

grundsätzlich <strong>an</strong>gebracht<br />

sei, darüber herrschte im Ausschuss<br />

jedoch bei allen Parteien Konsens.<br />

Schwentner: „Alle sind sich einig, dass<br />

aufgrund der veränderten Gegebenheiten<br />

in der Arbeitswelt eine Anpassung<br />

der Berufskr<strong>an</strong>kheiten dringend nötig<br />

ist. Es ist allerdings beschämend, dass<br />

die Regierung hier auf Kosten der Frauen<br />

untätig bleibt.”<br />

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek<br />

wollte sich auf Anfrage der <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong><br />

nicht darauf festlegen, die grüne Forderung<br />

nach Überarbeitung der Liste<br />

der Berufskr<strong>an</strong>kheiten zu unterstützen.<br />

Auch wenn sie durchaus H<strong>an</strong>dlungsbedarf<br />

sieht: „Um konkret Berufskr<strong>an</strong>kheiten<br />

vorbeugen zu können, braucht<br />

es vor allem eine gute betriebliche Gesundheitsförderung.<br />

Prävention ist der<br />

entscheidende Faktor.” Außerdem verweist<br />

Heinisch-Hosek auf den Kontext<br />

der „Doppel- und Dreifachbelastung”,<br />

weshalb auch <strong>an</strong> einigen <strong>an</strong>dere Rädern<br />

zu drehen wäre, um Frauengesundheit<br />

zu verbessern. „Auch Änderungen der<br />

Org<strong>an</strong>isation der Arbeit selbst, z.B. bei<br />

der Arbeitszeit, sind in Hinblick auf eine<br />

Verbesserung der Work-Life-Bal<strong>an</strong>ce<br />

zu überlegen. Aber wir müssen vor<br />

allem mehr Kinderbetreuungsplätze zur<br />

Verfügung stellen und die Väterkarenz<br />

ausbauen.”<br />

Pädagog_innen werden auch weiterhin<br />

ohne Hörschutz ihren Dienst verrichten<br />

und Pflegepersonal Tag und Nacht<br />

Schwerarbeit leisten. Dass traditionelle<br />

Frauenberufe weiterhin Niedriglohn-<br />

Br<strong>an</strong>chen mit gesundheitsschädigenden<br />

Arbeitsbedingungen, die noch dazu nicht<br />

als solche <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt werden, bleiben,<br />

ist kein Naturgesetz. Nachdem alle<br />

Wahlen geschlagen sind, könnten die<br />

Regierungsparteien die Aufmerksamkeit<br />

auf einige rechtliche Baustellen<br />

richten. Geschlechtergerechte Arbeitsbedingungen<br />

stehen g<strong>an</strong>z oben auf der<br />

Liste. l<br />

neul<strong>an</strong>d<br />

entdeckungen im alltag<br />

Beate Hammond<br />

Grace Kellys Enkel<br />

Die stets so konservativ wirkende Grace Kelly war in<br />

vieler Hinsicht ihrer Zeit voraus. Sie hatte Liebhaber,<br />

vor und nach ihrer Hochzeit. Sie f<strong>an</strong>d <strong>an</strong> Homosexualität<br />

nichts Verwerfliches – schier unglaublich im miefigen<br />

Amerika der 1950er Jahre. Und sie setzte symbolische<br />

H<strong>an</strong>dlungen gegen Rassismus. Als die schwarze Sängerin<br />

und Tänzerin Josephine Baker im mondänen New Yorker<br />

„Stork Club” nicht bedient wurde, verließ sie diesen aus<br />

Protest gemeinsam mit ihren Freunden. Später, als sie<br />

g<strong>an</strong>z konventionell einen Fürsten geheiratet und sich aus<br />

ihrem Beruf zurückgezogen hatte, stellte die nunmehrige<br />

Fürstin von Monaco Josephine Baker eine Villa zur<br />

Verfügung, da diese knapp bei Kasse war.<br />

Nun könnte sie die Großmutter des ersten Fürsten von<br />

Monaco mit sichtbarer afrik<strong>an</strong>ischer Herkunft werden,<br />

denn der bisher einzige Sohn ihres Sohnes Albert ist ein<br />

gewisser Alex<strong>an</strong>dre Coste, das Ergebnis einer Beziehung<br />

mit einer togoischen Flugbegleiterin. Fürst Albert von<br />

Monaco hat die Vaterschaft im Juli 2005 <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt, kurz<br />

bevor er selbst die Nachfolge seines verstorbenen Vaters<br />

Rainier <strong>an</strong>trat. Artikel 10 der Verfassung von Monaco<br />

sieht zwar vor, dass nur „legitime” Nachfahren des<br />

Monarchen für die Thronfolge in Frage kommen – nur<br />

macht das fr<strong>an</strong>zösische Zivilgesetz keinen Unterschied<br />

zwischen ehelichen und unehelichen Kindern. Notfalls<br />

könnte Alex<strong>an</strong>dre vor den Europäischen Gerichtshof<br />

für Menschenrechte ziehen, allerdings wurde hier ein<br />

britischer Antrag, die Thronfolge zu ändern, schon einmal<br />

mit dem Hinweis abgeschmettert, dass Thronfolge kein<br />

Menschenrecht sei.<br />

Die patrilineare Primogenitur, also der Überg<strong>an</strong>g der<br />

Thronfolge auf den erstgeborenen ehelichen Sohn, ist in<br />

den meisten Monarchien der Welt nach wie vor Gesetz.<br />

In Schweden allerdings geht seit 1980 die Thronfolge auf<br />

das erstgeborene Kind, egal ob männlich oder weiblich,<br />

über. Dies geschah übrigens per Parlamentsbeschluss und<br />

gegen den Willen der königlichen Familie. Mal sehen,<br />

was nun in Monaco passiert.<br />

Beate Hammond macht ihre Entdeckungen in Wien.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 09


postsozialismus<br />

10 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Die Stahlarbeiterin<br />

im Kindergarten<br />

Im Kommunismus em<strong>an</strong>zipiert,<br />

im Kapitalismus degradiert?<br />

Ramona Vogel wirft einen<br />

Blick auf die aktuelle Gleichstellungspolitik<br />

in Tschechien<br />

und den ambivalenten Umg<strong>an</strong>g<br />

mit den Geschlechterbildern<br />

der realsozialistischen Verg<strong>an</strong>genheit.<br />

Auf die Revolution von 1989 ist m<strong>an</strong> in<br />

Tschechien zurecht stolz: Männer wie<br />

Frauen wehrten sich gleichermaßen<br />

gegen das repressive realsozialistische<br />

System und seine verkrusteten Strukturen<br />

– mit Erfolg. Ende gut, alles gut?<br />

Die GewinnerInnen von Revolutionen<br />

sind selten deren VorkämpferInnen, und<br />

in Tschechien haben die Frauen klar<br />

verloren.<br />

Betrachtet m<strong>an</strong> die Arbeitsmarktdaten,<br />

stehen die tschechischen Frauen glänzend<br />

da: In kaum einem <strong>an</strong>deren L<strong>an</strong>d<br />

der Welt arbeitet ein so hoher Anteil <strong>an</strong><br />

Frauen in Vollzeit wie hier. Nur vier bis<br />

fünf Prozent der Frauen in Tschechien<br />

bleiben zu Hause. Allein dies schon<br />

als Zeichen für Gleichberechtigung zu<br />

interpretieren, wäre allerdings falsch:<br />

„In Tschechien ist das Familienmodell<br />

auf zwei Verdiener ausgelegt”, erklärt<br />

Alena Krˇížková, Leiterin der Abteilung<br />

für Gender-Forschung <strong>an</strong> der Akademie<br />

der Wissenschaften in Prag, der<br />

einzigen Forschungsstelle dieser Art im<br />

g<strong>an</strong>zen L<strong>an</strong>d.<br />

Der Durchschnittslohn beträgt in Tschechien<br />

rund 950 Euro – und dies bei mit<br />

Österreich und Deutschl<strong>an</strong>d vergleich-<br />

baren Lebenshaltungskosten. Zusätzlich<br />

ergaben Erhebungen des Europäischen<br />

Statistikamtes, dass tschechische Frauen<br />

über 25 Prozent weniger verdienen<br />

als ihre männlichen Kollegen. In den<br />

M<strong>an</strong>agementpositionen gehen Schätzungen<br />

von bis zu 40 Prozent Lohnunterschied<br />

aus. Allerdings muss m<strong>an</strong><br />

die Größenordnung der Einkommensunterschiede<br />

relativieren: So geht die<br />

Schere bei den 25- bis 37-Jährigen am<br />

weitesten ausein<strong>an</strong>der – also in jener<br />

Altersgruppe, in der es am häufigsten zu<br />

Arbeitsunterbrechungen aufgrund von<br />

Schw<strong>an</strong>gerschaften kommt. Rechnet<br />

m<strong>an</strong> all diese Faktoren aus der Statistik<br />

heraus, bleibt ein Einkommensunterschied<br />

von rund zehn Prozent, der somit<br />

im europäischen Benachteiligungsdurchschnitt<br />

liegt.<br />

Mehrfachbelastungen. Obwohl die<br />

Arbeitszeiten von Frauen und Männern<br />

ungefähr gleich l<strong>an</strong>g sind, sind<br />

die privaten Verhältnisse innerhalb<br />

von (Ehe-) Partnerschaften klar<br />

getrennt. Laut einer Untersuchung der<br />

deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

verbringen Frauen in Tschechien im<br />

F<strong>an</strong>gor Wojciech: Figures/Postaci, 1950. Museum of Art in Łód´z<br />

Durchschnitt 21 Stunden pro Woche<br />

mit Hausarbeit, Männer aber nur rund<br />

fünf Stunden.<br />

Unterstützt wird dies durch die<br />

schwierige Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie. Jungen Müttern stehen in<br />

Tschechien drei verschiedene Modelle<br />

zur Wahl: Sie können zwei, drei<br />

oder vier Jahre zu Hause bleiben und<br />

erhalten einen ihrem Gehalt <strong>an</strong>nähernd<br />

entsprechenden Lohnausgleich. Pavla<br />

Špondrová, Gleichstellungsbeauftragte<br />

der tschechischen Regierung, kritisiert<br />

dieses Modell: „In keinem <strong>an</strong>deren<br />

europäischen L<strong>an</strong>d gibt es derart l<strong>an</strong>ge<br />

Erziehungszeiten. Das ist sehr schlecht<br />

für die Frauen, denn nach diesen vier<br />

Jahren haben sie den Bezug zur Arbeit<br />

verloren. Wenn sie ihren Job überhaupt<br />

noch haben, müssen sie quasi bei fast<br />

Null <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen.”<br />

Staatliche Kinderkrippen, die Kinder ab<br />

zwei Jahren aufnehmen, sind in Tschechien<br />

rar. Der Bedarf sei nicht gegeben,<br />

argumentiert die Regierung.<br />

Em<strong>an</strong>zipiert = staatsfeindlich. Noch<br />

deutlicher wird das Bild <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der<br />

Ergebnisse einer europaweiten Erhe-


ung, die die Einstellung zu Geschlechterrollen<br />

<strong>an</strong>alysiert. Über die Hälfte<br />

der befragten TschechInnen stimmten<br />

Aussagen zu wie: „Der M<strong>an</strong>n sollte<br />

das Geld verdienen, die Frau sollte sich<br />

um den Haushalt kümmern.” Damit<br />

liegt Tschechien europaweit <strong>an</strong> der<br />

Spitze. „In <strong>an</strong>deren Bereichen sind die<br />

TschechInnen hingegen sehr liberal”,<br />

resümiert Pavla Špondrová, „so sind<br />

viele mit der Gleichberechtigung von<br />

gleichgeschlechtlichen Partnerschaften<br />

einverst<strong>an</strong>den.”<br />

Em<strong>an</strong>zipationsbemühungen stoßen in<br />

Tschechien nicht nur auf das übliche<br />

patriarchalische Ablehnungsmuster<br />

– sie werden gleichsam mit Staatsfeindlichkeit<br />

und Rückwärtsgew<strong>an</strong>dtheit<br />

identifiziert. „Em<strong>an</strong>zipierte<br />

Frauen werden mit Kommunisten<br />

gleichgestellt” und würden in der<br />

tschechischen Gesellschaft vollkommen<br />

diskreditiert, darin stimmen<br />

Alena Krˇížková und Pavla Špondrová<br />

überein.<br />

Der Kommunismus formulierte schon<br />

zur Zeit seiner Entstehung das Ziel<br />

der Gleichberechtigung von M<strong>an</strong>n und<br />

Frau. In der Tschechoslowakei der<br />

1950er Jahre wurde die Em<strong>an</strong>zipation<br />

der Frau jedoch von der sowjetischen<br />

Besatzung als zentrales Element der<br />

kommunistischen Staatsdoktrin ausgegeben.<br />

Ob der Staat d<strong>an</strong>n auch auf der<br />

Grundlage dieser hehren Grundsätze<br />

h<strong>an</strong>delte, sei dahingestellt. Tatsache<br />

ist, dass bei der niedrigen Produktivität<br />

nicht auf die Hälfte der arbeitsfähigen<br />

Bevölkerung verzichtet werden<br />

konnte. Mehr noch: Frauen wurden<br />

nicht nur als dringend benötigte Produktionsfaktoren<br />

auf den Arbeitsmarkt<br />

geholt, sondern gezielt gefördert. Dabei<br />

erk<strong>an</strong>nte m<strong>an</strong>, dass ein entscheidender<br />

Faktor der Benachteiligung<br />

der Frauen ihre eigene Berufswahl<br />

war – ein Erkenntnismoment, der 50<br />

Jahre später fast in Vergessenheit<br />

geraten scheint.<br />

Recht auf Arbeit. Wie auch in <strong>an</strong>deren<br />

Ländern werden die weniger gut verdienenden<br />

und gesellschaftlich geschätzten<br />

Tätigkeiten wie Erziehungsarbeit im<br />

Kindergarten und in der Grundschule<br />

fast vollständig von Frauen ausgeübt.<br />

Sobald das Ansehen und der Verdienst<br />

steigen, nimmt die Zahl der Männer zu,<br />

und in den höchsten Positionen kehrt<br />

sich das Verhältnis d<strong>an</strong>n fast vollständig<br />

um. Mittels Propag<strong>an</strong>da versuchten<br />

die KommunistInnen, dieses Rollenbild<br />

aufzubrechen. So wurden etwa in den<br />

damaligen Kinderbüchern Frauen als<br />

Stahlarbeiterinnen, Chemikerinnen oder<br />

Ärztinnen gefeiert.<br />

Die Zahl der in klassischen Männerberufen<br />

arbeitenden Frauen war während<br />

des Realsozialismus wesentlich höher<br />

Em<strong>an</strong>zipationsbemühungen stoßen in<br />

Tschechien nicht nur auf das übliche<br />

patriarchalische Ablehnungsmuster – sie<br />

werden gleichsam mit Staatsfeindlichkeit<br />

und Rückwärtsgew<strong>an</strong>dtheit identifiziert.<br />

als heute und wurde explizit unterstützt.<br />

Frauen, die in typischen Männerberufen<br />

arbeiteten, galten als Symbole der<br />

Überlegenheit des kommunistischen<br />

Regimes gegenüber dem Westen. „Dies<br />

hat sich im Bewusstsein der Menschen<br />

hier in Tschechien ver<strong>an</strong>kert.<br />

Die Gleichstellung der Frauen ist ein<br />

Thema, das m<strong>an</strong> unmittelbar verbindet<br />

mit dem alten, ungewollten Regime”,<br />

sagt Alena Krˇížková. „Dies führt nun<br />

zu einer Ablehnung des Themas, und es<br />

wird sogar mit Rev<strong>an</strong>chismus gleichgesetzt.”<br />

Und das sowohl von Männern als auch<br />

von Frauen. Denn im Gegensatz zu<br />

den kapitalistischen Ländern mussten<br />

tschechische Frauen das Recht,<br />

arbeiten zu gehen, nicht erst erkämpfen<br />

– sie wurden von Staats wegen dazu<br />

verpflichtet. Hinzu kommt, dass die<br />

Regierung, die diese Schritte einleitete,<br />

von der Bevölkerung des L<strong>an</strong>des immer<br />

als „Besatzer” begriffen wurde.<br />

Links ausgeschlossen. Alles, was in<br />

Tschechien auch nur den Anschein von<br />

linken Denkmustern erweckt, wird<br />

gesellschaftlich unterminiert. So wurde<br />

Ende September dieses Jahres die<br />

Soziologin Tereza Stöckelová unter<br />

großem Aufsehen vom renommierten<br />

deutsch-tschechischen Gesprächsforum<br />

ausgeschlossen. Als Begründung wurde<br />

ihr Engagement in einer NGO gen<strong>an</strong>nt,<br />

die sich zum linken Spektrum bekennt.<br />

In den tschechischen Medien f<strong>an</strong>d sich<br />

dies, wenn überhaupt, als R<strong>an</strong>dnotiz<br />

wieder.<br />

Auch J<strong>an</strong>a Kavková, Vorsitzende der<br />

außerparlamentarischen Vereinigung<br />

„Pro50Prozent”, die sich für eine Frauenquote<br />

in der Politik einsetzt, kennt<br />

diese Vorurteile: „M<strong>an</strong> wird immer<br />

wieder mit diesen Vorwürfen abgek<strong>an</strong>zelt.<br />

Alles, was auch nur im Verdacht<br />

steht, mit dem alten Regime zu tun zu<br />

haben, trifft auf Ablehnung.” Selbst<br />

wenn es sich um Projekte h<strong>an</strong>delt, die<br />

von der Regierung selbst ausgehen. So<br />

wurde vor einigen Jahren eine eher<br />

harmlose Broschüre in Schulen verteilt,<br />

die über politisch korrekte Formulierungen<br />

aufklären sollte. „Das Medienecho<br />

war enorm. Die Broschüre wurde derart<br />

hart sowohl von den Politikern als auch<br />

von den Medien attackiert, dass wir<br />

sie zurücknehmen mussten,” sagt Pavla<br />

Špondrová. Doch das sei nicht einmal<br />

das größte Problem: „Es betrifft ja<br />

auch die Männer. Sie stehen durch diese<br />

starren Rollenklischees selbst enorm<br />

unter Druck.” Ihrer Meinung nach ist<br />

häusliche Gewalt eine der Folgen dieses<br />

Drucks und ein Problem, auf das sie sich<br />

jetzt konzentrieren will. l<br />

Ramona Vogel ist freie Journalistin und<br />

lebt und arbeitet zurzeit in Prag.<br />

postsozialismus<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 11


gay cops<br />

Cops unter dem<br />

Regenbogen<br />

Lesben, Schwule und Tr<strong>an</strong>sgender bei der Polizei:<br />

Ein Streifzug durch ein gesellschaftliche Sp<strong>an</strong>nungsfeld,<br />

basierend auf einem Gespräch mit Ewald Widi,<br />

Gründer und Obm<strong>an</strong>n der „GayCops Austria”.<br />

Von Sonja Hofmair<br />

Dieser Artikel erschien<br />

zuerst in der Zeitschrift<br />

„STIMME von und für<br />

Minderheiten”, Nr. 76/<strong>2010</strong>,<br />

zum Thema „Polizei –<br />

Spiegel der Gesellschaft?”<br />

http://minderheiten.at<br />

Link:<br />

www.gaycopsaustria.at<br />

12 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Schwule, Lesben und Tr<strong>an</strong>sgender in der<br />

Polizei? Im ersten Moment ein seltsam<br />

<strong>an</strong>mutender Ged<strong>an</strong>ke. Immerhin blicken<br />

Homosexuelle auf eine jahrhundertel<strong>an</strong>ge<br />

Unrechtsgeschichte und die<br />

daraus resultierende Verfolgung durch<br />

die Polizei zurück. Die Kriminalisierung<br />

von Homosexualität – diffamierend als<br />

„widernatürliche Unzucht” bezeichnet<br />

– war bis 1971 im § 129 des Österreichischen<br />

Strafgesetzbuches ver<strong>an</strong>kert.<br />

Die Angst vor der Polizei ist ein stetig<br />

wiederkehrendes Thema in Biografien<br />

von Schwulen und Lesben – sie erzählen<br />

vom Verstecken und Vertuschen, von<br />

Razzien, Verhören und Prügeln.<br />

Vor fünf Jahren haben sich nun homosexuelle<br />

Polizist_innen aus Österreich zu<br />

einer Initiative zusammengeschlossen,<br />

die gegen Vorurteile und Diskriminierung<br />

von Lesben, Schwulen und Tr<strong>an</strong>sgendern<br />

in der Exekutive <strong>an</strong>kämpft.<br />

Seit 2007 sind die „GayCops Austria”<br />

als Verein org<strong>an</strong>isiert und zählen derzeit<br />

rund 70 Mitglieder. Ziel ihrer Arbeit<br />

ist einerseits, ein Bewusstsein für<br />

LGBT-Anliegen innerhalb der Polizei<br />

zu schaffen, <strong>an</strong>dererseits das Vertrauen<br />

der Community in die Polizei und ihre<br />

Arbeit zu fördern. Damit befinden sich<br />

die GayCops in einem Sp<strong>an</strong>nungsfeld<br />

zwischen der Durchsetzung rechtlicher<br />

Normen aufgrund ihrer beruflichen<br />

Funktion und dem Aufbrechen gesellschaftlicher<br />

Normen aufgrund ihres<br />

Engagements für Lebensentwürfe<br />

abseits von Zweigeschlechtlichkeit und<br />

Heterosexualität.<br />

Bedrohlich und belächelt. Noch immer<br />

ist die Polizei eine männlich dominierte<br />

Arbeitswelt. Derzeit sind 87,6 Prozent<br />

der österreichischen Exekutivbeamten<br />

männlich. In Räumen, die weitgehend<br />

Männern vorbehalten sind, ist Homo-<br />

phobie – insbesondere Schwulenfeindlichkeit<br />

– besonders verbreitet. Nach<br />

der australischen Männlichkeitsforscherin<br />

Raewyn Connell ist dieser Abwertungsprozess<br />

für die Konstruktion von<br />

Männlichkeit bedeutsam. Zum einen ist<br />

für Connells Männlichkeitskonzept die<br />

strukturelle Domin<strong>an</strong>z von Männern<br />

gegenüber Frauen ausschlaggebend,<br />

da von dieser alle Männer profitieren.<br />

Weiters gibt es aber eine Vielzahl <strong>an</strong><br />

unterschiedlichen Männlichkeiten, die<br />

nicht einfach gleichwertig nebenein<strong>an</strong>der<br />

existieren, sondern in einem hierarchischen<br />

Verhältnis stehen – bestimmte<br />

Männlichkeiten werden ausgegrenzt und<br />

untergeordnet. Dies trifft auf homosexuelle<br />

Männlichkeiten besonders<br />

stark zu: „Es gibt in der westlichen<br />

Welt keine Beziehung unter Männern,<br />

Grafitti von B<strong>an</strong>ksy in Brighton, Engl<strong>an</strong>d. Foto: Rongem Boyo<br />

die mehr symbolische Last tragen würde<br />

als jene zwischen Schwulen und Heterosexuellen.<br />

Es h<strong>an</strong>delt sich dabei (…) um<br />

eine kollektive Beziehung, die sich auf<br />

das soziale Geschlecht auf gesamtgesellschaftlicher<br />

Ebene auswirkt.”<br />

Ewald Widi, Gründer und Obm<strong>an</strong>n<br />

der „GayCops Austria”, ist mit dieser<br />

problematischen Beziehung in seinem<br />

Arbeitsalltag konfrontiert: „Als<br />

ich mich meinen Kollegen noch nicht<br />

<strong>an</strong>vertraut habe, haben sie sich immer<br />

das Recht herausgenommen, über meine<br />

Sexualität zu sprechen: ‚Ist der schwul?<br />

Ist der nicht schwul?’ Und alles hinter<br />

meinem Rücken. Und wenn m<strong>an</strong> es d<strong>an</strong>n<br />

offensiv <strong>an</strong>geht und sagt: ‚Hey, ich bin<br />

schwul’, d<strong>an</strong>n wird einem dieses Recht<br />

genommen.” Widis Offenheit führt<br />

dazu, dass sich m<strong>an</strong>che Kollegen von


ihm dist<strong>an</strong>zieren oder von ihm fordern,<br />

„Berufliches und Privates zu trennen”.<br />

Da die Polizei <strong>an</strong> die Vorstellung einer<br />

besonders aggressiven Maskulinität<br />

gekoppelt ist, wird durch diese Forderung<br />

versucht, das Bild vom harten,<br />

„männlichen” Polizisten aufrechtzuerhalten,<br />

indem das Schwulsein und die<br />

damit verbundenen Zuschreibungen ins<br />

Private abgeschoben werden – denn,<br />

wie Connell es zuspitzt, „die patriarchale<br />

Kultur hat eine sehr simple Erklärung<br />

für schwule Männer: es fehlt ihnen <strong>an</strong><br />

Männlichkeit.” Widi schüttelt den Kopf:<br />

„Ich bin 24 Stunden am Tag schwul<br />

und nicht nur privat, ich nehme meine<br />

Umwelt auch als Schwuler wahr, wenn<br />

ich im Dienst bin”.<br />

Falsche Beschützerinstinkte. Die<br />

Situation von lesbischen Polizistinnen<br />

ist durchaus unterschiedlich zu der ihrer<br />

schwulen Kollegen. „Schwule sind bedrohlich,<br />

Lesben nicht. Lesben sind der<br />

kumpelhafte Typ oder die Schade-dasssie-der-Männerwelt-vorenthalten-bleibt-<br />

Frau”, erzählt Sabine A., Polizistin in<br />

Linz und im Vorst<strong>an</strong>d der „GayCops<br />

Austria”. Auch Ewald Widi nimmt wahr,<br />

dass in lesbischen Kolleginnen zwar<br />

kein Bedrohungspotential gesehen<br />

wird, gesellschaftliche Vorurteile aber<br />

dennoch Auswirkungen auf ihr Arbeitsumfeld<br />

haben: „‚Hat noch keinen<br />

M<strong>an</strong>n abgekriegt, der kommt noch, ist<br />

verwirrt, ist nur eine Phase, wird sich<br />

wieder legen’ – und so werden die Kolleginnen<br />

d<strong>an</strong>n auch beh<strong>an</strong>delt: So nicht<br />

g<strong>an</strong>z ernst nehmen.” Lesbische Polizistinnen<br />

sind somit einer doppelten Diskriminierung<br />

ausgesetzt, da ihnen auch<br />

als Frauen Eigenschaften wie Schwäche<br />

oder Zerbrechlichkeit zugeschrieben<br />

werden, wie die Psychologin Bärbel<br />

Werdes beschreibt: „Einerseits fürchten<br />

die männlichen Polizisten in gefährlichen<br />

Momenten nicht ausreichend von<br />

ihren Kolleginnen unterstützt zu werden<br />

und <strong>an</strong>dererseits haben die männlichen<br />

Beamten das Gefühl, dass sie auf ihre<br />

Kolleginnen verstärkt aufpassen bzw.<br />

diese beschützen müssen.”<br />

Moralische Diskrep<strong>an</strong>zen. Polizeiliche<br />

LGBT-Vereine wie die „GayCops” in<br />

Österreich oder „VelsPol” in Deutschl<strong>an</strong>d<br />

leisten einen wesentlichen Beitrag<br />

zur zunehmenden Öffnung des Polizeiberufs<br />

für Menschen aller Geschlechter<br />

und Begehrensweisen sowie zur<br />

bewussten Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit<br />

unterschiedlichen Lebensentwürfen<br />

innerhalb der Polizei. Trotz dieser positiven<br />

Entwicklungen bleibt die Exekutive<br />

jedoch mit staatlicher Herrschaft<br />

verknüpft, wodurch ihr ein problematisches<br />

Verhältnis zu Minderheiten und<br />

oppositionellem politischen Aktivismus<br />

imm<strong>an</strong>ent ist. Der Berliner Politikwissenschafter<br />

H<strong>an</strong>s-Gerd Jaschke betrachtet<br />

die Polizei historisch als „Repräsent<strong>an</strong>t<br />

des Bestehenden, als Vollzugsorg<strong>an</strong><br />

der <strong>an</strong>tireformerischen Kräfte”, denn<br />

rückblickend war es „immer die Polizei,<br />

die sich jenen sozialen Bewegungen<br />

buchstäblich in den Weg stellte, die auf<br />

mehr Demokratie, auf gesellschaftliche<br />

Auf Initiative der GayCops wird das Thema<br />

Homosexualität heute in der Grundausbildung<br />

der Polizei beh<strong>an</strong>delt.<br />

Reformen und das Aufbrechen verkrusteter<br />

Strukturen drängten”.<br />

Aufgrund dieser Erfahrungen stehen politische<br />

Aktivist_innen, die gegen Homophobie,<br />

Tr<strong>an</strong>sphobie sowie jede <strong>an</strong>dere<br />

Form der Diskriminierung kämpfen, der<br />

Polizei häufig kritisch gegenüber. Die<br />

Gruppe „Rosa Antifa Wien” setzt sich<br />

beispielsweise in ihrem Grundsatzpapier<br />

mit der Exekutive als dem alltäglich<br />

präsenten Symbol der Staatsgewalt<br />

ausein<strong>an</strong>der: „Warum müssen wir eine<br />

allgegenwärtige, aufgerüstete Polizei<br />

ertragen, die die Gesetze zum Schutz der<br />

Reichen vor den Armen durchsetzt, und<br />

uns in allen Lebensbereichen bespitzelt,<br />

kontrolliert und schik<strong>an</strong>iert. Zu ihren<br />

Gesetzen gehört nicht zuletzt, dass wir<br />

mithelfen müssen, Menschen hinzuschlachten,<br />

in Kriegen, in denen es immer<br />

wieder nur um Geld, Macht und Einfluss<br />

der HERRschenden geht”.<br />

Mit der Kritik oppositioneller politischer<br />

Aktivist_innen <strong>an</strong> der Polizei<br />

konfrontiert, erzählt auch Ewald Widi<br />

von Diskrep<strong>an</strong>zen beim Exekutieren<br />

von Gesetzen, die er moralisch nicht<br />

unterstützt. Schließlich rechtfertigt er<br />

sein H<strong>an</strong>deln aber mit dem Argument<br />

der Gewaltentrennung: „Der 209er<br />

zum Beispiel, der gleichgeschlechtliche<br />

Kontakte unter 18 Jahren untersagt<br />

hat – was soll ein Polizist machen, wenn<br />

er das zu verfolgen hat? Wenn mir das<br />

gesagt wird, d<strong>an</strong>n hab ich zu ermitteln,<br />

<strong>an</strong>dernfalls ist es Amtsmissbrauch. Da<br />

k<strong>an</strong>n ich aber dem Polizisten keinen<br />

Vorwurf machen, ich bin nur Exekutive,<br />

ich bin ausführendes Org<strong>an</strong> – da muss<br />

sich die Legislative was überlegen”.<br />

H<strong>an</strong>dlungsspielräume. Seine Aufgabe<br />

sieht Widi in der Sensibilisierung seiner<br />

Kolleg_innen und im Kampf gegen Diskriminierung<br />

innerhalb der Polizei. Dies<br />

ist eine wichtige Voraussetzung, um das<br />

Vertrauen der Community in die Polizei<br />

zu fördern: „Wenn mir im Darkroom in<br />

einem Lokal etwas gestohlen wird, d<strong>an</strong>n<br />

ist es wichtig, einfach zu sagen, dass<br />

es mir im Darkroom gestohlen worden<br />

ist. Es bringt nichts, wenn ich sage, es<br />

war in der U3 um 15 Uhr 30. Es ist<br />

immer noch so, dass die Leute sich das<br />

nicht trauen. Sie haben Angst, dass der<br />

Beamte oder die Beamtin sagt, ‚Was<br />

machen Sie denn dort?!’” Auf Initiative<br />

der GayCops wird das Thema Homosexualität<br />

heute in der Grundausbildung<br />

beh<strong>an</strong>delt. Derzeit ist Widi besonders<br />

stolz auf eine Plakataktion, im Zuge<br />

derer in jeder Wiener Polizeistation<br />

ein Plakat mit der Aufschrift „Hilfe<br />

für Lesben, Schwule und Tr<strong>an</strong>sgender”<br />

sichtbar aufgehängt wurde.<br />

Trotz berechtigter grundsätzlicher<br />

Kritik <strong>an</strong> der Exekutive und den Fällen<br />

polizeilicher Willkür und Repression gegenüber<br />

Aktivist_innen, die für Minderheitenrechte<br />

kämpfen, ist die Courage<br />

und das Engagement der GayCops sehr<br />

zu begrüßen. Da Polizist_innen trotz<br />

ihrer Weisungsgebundenheit über einen<br />

gewissen H<strong>an</strong>dlungsspielraum verfügen,<br />

wird eine veränderte Einstellung zu<br />

Homosexualität innerhalb der Polizei<br />

Auswirkungen auf ihren Umg<strong>an</strong>g mit<br />

Lesben, Schwulen und Tr<strong>an</strong>sgendern in<br />

der täglichen Arbeit mit sich bringen. l<br />

Sonja Hofmair studiert Politikwissenschaft<br />

in Wien und ist Redakteurin bei<br />

„Radio Stimme“, der Sendung der<br />

Initiative Minderheiten.<br />

Literatur:<br />

gay cops<br />

Behr, Rafael: „Polizeiarbeit<br />

– immer noch<br />

Männersache? Tradition,<br />

Hegemonie und die Folgen<br />

der Geschlechterdebatte<br />

in der Polizei”. In: Peter<br />

Leßm<strong>an</strong>n-Faust (Hg.): Polizei<br />

und Politische Bildung.<br />

VS Verlag 2008.<br />

Connell, Raewyn (vormals<br />

Robert): Der gemachte<br />

M<strong>an</strong>n. Konstruktion und<br />

Krise von Männlichkeiten.<br />

VS Verlag 2006.<br />

Jaschke, H<strong>an</strong>s-Gerd: Öffentliche<br />

Sicherheit im Kulturkonflikt.<br />

Zur Entwicklung<br />

der städtischen Schutzpolizei<br />

in der multikulturellen<br />

Gesellschaft. Campus 1997.<br />

Werdes, Bärbel: Frauen in<br />

der Polizei – Einbruch in<br />

eine Männerdomäne. In:<br />

H<strong>an</strong>s-Jürgen L<strong>an</strong>ge (Hg.):<br />

Die Polizei der Gesellschaft<br />

– zur Soziologie der inneren<br />

Sicherheit. Leske+Budrich:<br />

Opladen 2003.<br />

Internetquellen:<br />

Rosa Antifa Wien: „Ein bisschen<br />

was Grundsätzliches”.<br />

www.raw.at/texte/attack/<br />

wir_ueber_uns.htm<br />

Schorn, Herbert: „Als Lesbe<br />

bei der Polizei: ,Tabuthema’.<br />

In: OÖ Nachrichten<br />

– Online-Ausgabe. www.<br />

nachrichten.at/oberoesterreich/linz/art66,419132<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 13


<strong>an</strong>.riss international<br />

Ruchama Marton, Physici<strong>an</strong>s for Hum<strong>an</strong> Rights-Israel<br />

vereinte nationen<br />

Menschenrecht auf Wasser<br />

Ende Juli <strong>2010</strong> nahm die UN-Generalversammlung eine von Bolivien<br />

vorgelegte Resolution <strong>an</strong>, die den Anspruch auf sauberes Trinkwasser und<br />

s<strong>an</strong>itäre Einrichtungen zum Menschenrecht erklärt – allerdings ohne<br />

völkerrechtliche Verpflichtung. Die Resolution wurde von den 163 <strong>an</strong>wesenden<br />

UN-Mitgliedstaaten mit großer Mehrheit <strong>an</strong>genommen, 41 – fast<br />

ausschließlich Industriestaaten – enthielten sich jedoch ihrer Stimmen,<br />

darunter Großbrit<strong>an</strong>nien und die USA. Der Beschluss löste eine Kontroverse<br />

unter den Mitgliedsstaaten aus.<br />

Während die USA die Resolution der Generalversammlung noch ablehnten<br />

– mit der Begründung, das internationale Recht <strong>an</strong>erkenne kein Recht<br />

auf Wasser und S<strong>an</strong>itär<strong>an</strong>lagen –, befürworten sie nun eine weitere Entschließung,<br />

nämlich jene des Genfer UN-Menschenrechtsrates, die am 30.<br />

September verabschiedet wurde: Demnach k<strong>an</strong>n „das Recht auf sauberes<br />

Trinkwasser und s<strong>an</strong>itäre Einrichtungen direkt aus dem Recht auf einen<br />

<strong>an</strong>gemessenen Lebensst<strong>an</strong>dard abgeleitet werden”. Großbrit<strong>an</strong>nien lehnt<br />

hingegen mit demselben Argument auch diese Resolution ab.<br />

Mit dem Beschluss des UN-Menschenrechtsrates wird der Anspruch auf<br />

Wasser und S<strong>an</strong>itärversorgung rechtlich bindend: Die Mitgliedstaaten sind<br />

nunmehr verpflichtet, dieses Menschenrecht zu erfüllen bzw. sicherzustellen,<br />

dass dieses einklagbar ist. Damit wird die jahrel<strong>an</strong>ge Diskussion um die<br />

Frage, ob es ein solches Recht überhaupt gibt, endlich beendet.<br />

Laut den Vereinten Nationen haben 884 Millionen Menschen noch immer<br />

einen unzureichenden Zug<strong>an</strong>g zu sauberem Trinkwasser. G<strong>an</strong>ze 2,6<br />

Milliarden leben ohne grundlegende S<strong>an</strong>itärversorgung. Jährlich fordern<br />

die Folgen von verschmutztem Wasser mehr Menschenleben als AIDS,<br />

Malaria und Masern zusammen. s<strong>an</strong>e/viyu<br />

www.ohchr.org, www.institut-fuer-menschenrechte.de, www.amnesty.ch, www.hum<strong>an</strong>-<br />

rights.ch, http://derst<strong>an</strong>dard.at<br />

14 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

alternativer nobelpreis<br />

Gesundheit für alle<br />

Den mit 200.000 Euro dotierten „Alternativen Nobelpreis” der Stockholmer<br />

Stiftung „Right Livelihood Award” teilen sich heuer Nnimmo<br />

Bassey (Nigeria), Erwin Kräutler (Brasilien), Shrikrishna Upadhya von<br />

der Org<strong>an</strong>isation Sappros (Nepal) und die „Physici<strong>an</strong>s for Hum<strong>an</strong> Rights-<br />

Israel” (PHRI, „MedizinerInnen für Menschenrechte-Israel”). PHRI<br />

wurde 1988, zur Zeit der ersten Initifada, von der Ärztin Ruchama Marton<br />

gegründet und ist ein Zusammenschluss israelischer und palästinensischer<br />

MedizinerInnen mit dem Ziel, allen Menschen unabhängig von<br />

ihrem Rechtsstatus, ihrer Nationalität/Ethnizität und Religion medizinische<br />

Versorgung zu gewähren.<br />

Insbesondere in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten,<br />

wo kein gesetzlicher Anspruch auf medizinische Versorgung besteht,<br />

ist die ärztliche Betreuung durch PHRI unentbehrlich. PHRI org<strong>an</strong>isiert<br />

nicht nur direkte medizinische Versorgung, wie z.B. eine mobile<br />

Klinik für Gef<strong>an</strong>gene, Asylsuchende und Undokumentierte oder eine<br />

Frauenklinik, sondern engagiert sich auch in Kampagnen gegen eine<br />

Politik, die beim Zug<strong>an</strong>g zum Gesundheitswesen zwischen Israelis und<br />

AraberInnen auf diskriminierende Weise unterscheidet. Die Preise<br />

werden am 6. Dezember im schwedischen Parlament in Stockholm<br />

überreicht. atina<br />

www.rightlivelihood.org<br />

weltliteratur<br />

Die neue Formensprache der Marie NDiaye<br />

Es ist bereits die zweite wichtige Auszeichnung, die der fr<strong>an</strong>zösischen<br />

Autorin Marie NDiaye für ihren Rom<strong>an</strong> „Drei starke Frauen” verliehen<br />

wurde. Nachdem sie im verg<strong>an</strong>genen Jahr den „Prix Goncourt”, einen<br />

der begehrtesten Literaturpreise Fr<strong>an</strong>kreichs, erhalten hatte, wurde ihr<br />

Buch Ende September auch mit dem „Internationaler Literaturpreis<br />

– Haus der Kulturen der Welt” in Berlin ausgezeichnet. Durch den mit<br />

25.000 Euro dotierten Preis wurde ein Werk gewürdigt, das vorführt,<br />

„was Schreiben jenseits der althergebrachten Kategorien von Heimat<br />

und Herkunft sein k<strong>an</strong>n: ‚Weltkulturliteratur’ jenseits von Migration und<br />

Exil, die eine neue grenzüberschreitende Formensprache vor<strong>an</strong>treibt”,<br />

wie es in der Begründung der JurorInnen heißt.<br />

NDiaye, die 1967 nahe Paris als Tochter einer fr<strong>an</strong>zösischen Mutter und<br />

eines senegalesischen Vaters geboren wurde, schildert in ihrem Rom<strong>an</strong><br />

drei höchst unterschiedliche Frauenbiografien zwischen Afrika und<br />

Europa. Die Schriftstellerin selbst lebt inzwischen in Berlin. „Ich wollte<br />

weg aus Fr<strong>an</strong>kreich. Seit Sarkozy <strong>an</strong> der Macht ist, ist die Atmosphäre<br />

vergiftet”, sagte sie 2009 in einem Interview mit dem „Tagesspiegel”.<br />

Der Übersetzerpreis in der Höhe von 10.000 Euro ging <strong>an</strong> Claudia Kalscheuer,<br />

die den Rom<strong>an</strong> ins Deutsche übersetzte. les<br />

www.hkw.de, www.tagesspiegel.de; Marie NDiaye: „Drei starke Frauen”, Suhrkamp <strong>2010</strong>,<br />

23,60 Euro<br />

kuwait<br />

(K)Eine Reform für Haus<strong>an</strong>gestellte<br />

Fast ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung in Kuwait wird von<br />

Haus<strong>an</strong>gestellten – vorwiegend Arbeitsmigr<strong>an</strong>tinnen – gestellt. Damit<br />

weist der Golfstaat den höchsten Anteil <strong>an</strong> Haus<strong>an</strong>gestellten pro Einwohner_in<br />

im Nahen Osten auf. Unter welchen Umständen diese arbeiten


und leben, dokumentiert ein aktueller Bericht der Org<strong>an</strong>isation Hum<strong>an</strong><br />

Rights Watch (HRW): Nach kuwaitischem Recht sind Arbeitnehmer_innen<br />

immer nur bei einem einzigen Arbeitgeber beschäftigt und dürfen<br />

diesen ohne dessen Zustimmung nicht wechseln oder verlassen. Haus<strong>an</strong>gestellte,<br />

die z.B. wegen unbezahlter Löhne, sexueller Übergriffe oder<br />

Missh<strong>an</strong>dlung zu fliehen versuchen oder eine Beschwerde einreichen,<br />

werden häufig der „heimlichen Flucht” <strong>an</strong>geklagt, und die Betroffenen<br />

müssen sich vor Gericht ver<strong>an</strong>tworten. In den meisten Fällen greift die<br />

Regierungsbehörde auf Abschiebung zurück.<br />

Das arbeitgeberbasierte System bietet Haus<strong>an</strong>gestellten nur wenig<br />

Schutz. Vom Arbeitsrecht, das <strong>an</strong>dere Arbeitnehmer_innen schützt,<br />

sind sie ausgeschlossen, Lohn<strong>an</strong>sprüche einzuklagen stellt daher eine<br />

besondere Hürde dar.<br />

Am 26. September kündigte die kuwaitische Regierung eine Reform<br />

des herrschenden Bürgschaftssystems, der sog. Kafala, <strong>an</strong>. Demnach<br />

fungiert der Arbeitgeber als Gar<strong>an</strong>t für eine_n ausländische_n Arbeitnehmer_in<br />

und k<strong>an</strong>n darüber entscheiden, wo er_sie arbeitet, oder<br />

auch den Entzug der Aufenthaltserlaubnis einfordern. Das Kafala-System<br />

soll in Zukunft durch eine staatliche Einstellungsbehörde ersetzt<br />

werden – ob das Gesetz auch für Haus<strong>an</strong>gestellte gelten wird, wurde<br />

allerdings nicht <strong>an</strong>gegeben.<br />

„Seit Jahren spricht die Regierung von einer ‚Kafala’-Reform. Die<br />

Maßnahmen zum Schutz dieser Arbeitskräfte müssen nun endlich<br />

in die Tat umgesetzt werden”, kommentiert Sarah Leah Whitson,<br />

Direktorin der Abteilung Naher Osten bei HRW die jüngste Entwicklung.<br />

Angaben von HRW zufolge haben Haus<strong>an</strong>gestellte aus Sri L<strong>an</strong>ka,<br />

Indonesien, den Philippinen und Äthiopien im Jahr 2009 über<br />

10.000 Beschwerden bei ihren jeweiligen Botschaften in Kuwait<br />

eingereicht. s<strong>an</strong>e<br />

www.hrw.org/de<br />

It gets better!<br />

Der Youtube-K<strong>an</strong>al It gets better Project<br />

wurde für LGBT-Teenager ins Leben gerufen,<br />

nachdem es in den USA eine Serie von Suiziden<br />

junger Schwuler gegeben hatte: „Here’s what<br />

you c<strong>an</strong> do: Make a video. Tell them it gets<br />

better.” Diesem Aufruf folgten zahlreiche Aktivist_innen<br />

– darunter auch viele Celebrities –,<br />

deren unterschiedliche Lebensgeschichten Mut<br />

machen und optimistisch stimmen. Wer selbst<br />

ein Video uploaden möchte, sei versichert:<br />

Glückliche Frauen aus der g<strong>an</strong>zen Welt werden<br />

immer gebraucht. fis<br />

textilindustrie<br />

Faire Uni-Kleidung<br />

Nisaa heißt Frau<br />

Der erste kommerzielle Frauenradiosender<br />

in Palästina, Nisaa FM, sendet seit Sommer<br />

sechs Stunden pro Tag aus Ramallah. Nach<br />

eigenen Angaben „unpolitisch”, möchten die<br />

Macher_innen (nicht nur) Frauen unterhalten,<br />

informieren und zum Grenzen überschreitenden<br />

Austausch inspirieren. Gleichzeitig ermutigt<br />

Nisaa FM seine Hörer_innen mit Erfolgsgeschichten<br />

und Diskussionen, ihre Rechte<br />

als Frauen in der palästinensischen Gesellschaft<br />

zu artikulieren. Der Stream ist unter<br />

www.radionisaa.net/english.html erreichbar. fis<br />

Ausbeutung ist in der Textil- und Bekleidungsindustrie nicht die Ausnahme,<br />

sondern die Regel: Menschenunwürdige Produktionsbedingungen, Hungerlöhne,<br />

Repressionen und Diskriminierungen (z.B. in Form sexualisierter Gewalt)<br />

gegenüber den mehrheitlich weiblichen ArbeiterInnen stehen in den<br />

Produktionsstätten im „globalen Süden” auf der Tagesordnung. Das Projekt<br />

„Alta Gracia” in der Dominik<strong>an</strong>ischen Republik vollführt eine Trendumkehr:<br />

Mit einem Monatslohn von umgerechnet 500 US-Dollar ist die Bezahlung<br />

der ArbeiterInnen in der „Alta Gracia”-Fabrik rund drei Mal höher als der<br />

l<strong>an</strong>desweit „reguläre” Lohn in dieser Br<strong>an</strong>che. Ins Leben gerufen wurde<br />

das Projekt vom US-amerik<strong>an</strong>ischen Bekleidungsunternehmen „Knights<br />

Apparel”. Die im Jahr 2000 von Joe Bozich gegründete Firma schloss<br />

Abkommen mit zahlreichen US-Universitäten und löste Nike als größten<br />

Anbieter von College-Logo-Bekleidung ab. Derzeit lässt das Unternehmen<br />

in 30 Zulieferbetrieben auf der g<strong>an</strong>zen Welt produzieren. „Alta Gracia”<br />

wurde 2008 in Zusammenarbeit mit dominik<strong>an</strong>ischen GewerkschafterInnen,<br />

Uni-AktivistInnen aus den USA und dem „Workers Rights Consortium”<br />

initiiert, einer Vereinigung von 186 Universitäten, die dafür eintritt, dass<br />

die Hersteller von Universitäts-Labelkleidung den ArbeiterInnen z.B. faire<br />

Löhne zahlen und gewerkschaftliche Org<strong>an</strong>isierung erlauben.<br />

Die T-Shirts und Kapuzenpullis von „Alta Gracia”, die u.a. von den „United<br />

Students Against Sweatshops” beworben werden, kosten zwischen 18<br />

und 40 US-Dollar und werden seit diesem Herbst auf über 250 Uni-Campi<br />

in den USA vertrieben. Wie l<strong>an</strong>ge diese Idee „profitfähig” ist, wird<br />

sich weisen. ExpertInnen sind sich jedenfalls sicher, dass StudentInnen<br />

eine Marke vorziehen werden, die damit wirbt, dass sie ArbeiterInnen<br />

gerechte Löhne zahlt. atina/viyu<br />

www.workersrights.org, http://en.maquilasolidarity.org, http://altagraciaapparel.com,<br />

www.nytimes.com<br />

<strong>an</strong>.riss international<br />

medienmix<br />

Anti-Populismus<br />

Die neueste Ausgabe der feministischen<br />

Politik- und Theorie-Zeitschrift Olympe aus<br />

der Schweiz versammelt Beiträge zum Thema<br />

Burka und Kopftuch: „Wider die Instrumentalisierung<br />

von Frauenrechten” lautet der Schwerpunkttitel<br />

programmatisch. Denn: „Die zentrale<br />

Frage der Gleichstellung muslimischer Frauen<br />

ist nicht das Kopftuch, nicht die Burka, sondern<br />

die Frage, wie ihre Rechte gar<strong>an</strong>tiert und<br />

durchgesetzt werden können”, so die Herausgeberinnen<br />

im Vorwort. Heftbestellungen und<br />

Infos unter: www.olympeheft.ch. viyu<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 15


thema: gender medizin<br />

Wie kommt das<br />

Geschlecht<br />

in den Körper?<br />

Vor einigen Jahren beh<strong>an</strong>delten die <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> in einem Schwerpunkt das Thema<br />

Gender Medizin (siehe Ausgabe 11/2006). Zahlreiche Kongresse, eine Professur<br />

und einen Universitätslehrg<strong>an</strong>g später klopfen wir das Thema erneut ab:<br />

Wo steht die Gender Medizin heute? Was weiß diese junge Wissenschaft über<br />

die Rolle von Geschlecht in der Erforschung und Beh<strong>an</strong>dlung von Kr<strong>an</strong>kheiten?<br />

Und welche Forderungen stellen Kritiker_innen <strong>an</strong> die Gender Medizin?<br />

Status, quo vadis?<br />

Gender Medizin ist heute endgültig in Österreich <strong>an</strong>gekommen.<br />

Eine kritische Best<strong>an</strong>dsaufnahme dieser jungen Disziplin von Bettina Enzenhofer.<br />

1 In Veröffentlichungen<br />

zu Gender Medizin wird<br />

zwar auch auf Tr<strong>an</strong>sidente<br />

oder Intersexuelle Bezug<br />

genommen, nichtsdestotrotz<br />

wird in der Regel von einem<br />

binären Geschlechtersystem<br />

ausgeg<strong>an</strong>gen.<br />

16 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Sind Männer vom Mars, Frauen von<br />

der Venus? Ein derartiges Differenzdenken<br />

liegt gegenwärtig auch in<br />

der Medizin im Trend. Der aktuelle<br />

Name dafür: Gender Medizin. Das im<br />

englischsprachigen Raum als „Gender<br />

Based Medicine” bek<strong>an</strong>nt gewordene<br />

Fachgebiet richtet den Blick auf<br />

medizinisch relev<strong>an</strong>te Unterschiede<br />

zwischen Frauen und Männern. Es<br />

<strong>an</strong>alysiert, ob, wie und warum es Diskrep<strong>an</strong>zen<br />

zwischen den Geschlechtern<br />

gibt: in der Entwicklung von Kr<strong>an</strong>kheiten,<br />

in der Beh<strong>an</strong>dlung sowie in der<br />

Verfügbarkeit von adäquaten Therapien<br />

und Diagnosemethoden. Auch sozialmedizinische<br />

Aspekte, wie die von<br />

Patient_innen selbst unternommenen<br />

Bemühungen zur Bewältigung ihrer<br />

Kr<strong>an</strong>kheit, die Bereitschaft zur Kooperation<br />

mit Ärzt_innen bzw. die Interaktion<br />

zwischen Ärzt_in und Patient_in,<br />

interessieren die geschlechtssensible<br />

Medizin. Den Begriff „Gender” entlehnt<br />

die vergleichsweise junge Disziplin<br />

aus der Geschlechterforschung und<br />

sagt: Mit dem biologischen Geschlecht<br />

(„Sex”) werden wir geboren, das<br />

soziale Geschlecht („Gender”) und<br />

damit geschlechtsspezifi sche Lebensbedingungen<br />

prägen sich aber auch in den<br />

Körper ein und haben einen mindestens<br />

ebenso großen Einfl uss auf Kr<strong>an</strong>kheit<br />

und Gesundheit. Das Ziel einer<br />

Gender, Gender...<br />

das klingt irgendwie<br />

so melodisch und<br />

harmonisch.<br />

Wenn der<br />

wüsste, was es<br />

bedeutet...<br />

Collagen: SylK<br />

geschlechtssensiblen Medizin ist eine<br />

für beide Geschlechter 1 <strong>an</strong>gemessene<br />

medizinische Versorgung.<br />

Org<strong>an</strong>-Inspektion. Gender Medizin ist<br />

mittlerweile auch in Österreich auf universitärer<br />

Ebene ver<strong>an</strong>kert: Im Jänner<br />

dieses Jahres wurde in Wien die erste<br />

und bisher einzige Professur für Gender<br />

Medicine <strong>an</strong> Alex<strong>an</strong>dra Kautzky-Willer<br />

vergeben. Die Medizinische Universität<br />

Wien bietet außerdem seit diesem<br />

Wintersemester einen postgradualen<br />

Lehrg<strong>an</strong>g zu Gender Medizin <strong>an</strong>. In die<br />

Curricula ist Gender Medizin ohnehin<br />

schon länger integriert – <strong>an</strong> den österreichischen<br />

medizinischen Universitäten


kommen Studierende heute <strong>an</strong> den<br />

gesundheitsbezogenen Gender-Aspekten<br />

nicht mehr vorbei.<br />

Die Österreichische Gesellschaft für geschlechtsspezifische<br />

Medizin (ÖGGSM)<br />

tagt regelmäßig, in Berlin f<strong>an</strong>d im September<br />

die „Summer School on Gender<br />

Medicine” statt, und Ende <strong>November</strong><br />

wird in Tel Aviv der 5. Kongress der International<br />

Society of Gender Medicine<br />

(IGM) ausgetragen. Mit der Etablierung<br />

der geschlechtssensiblen Medizin geht<br />

es also vor<strong>an</strong>. Doch die Frage ist: Inwieweit<br />

ist Gender für die Gender Medizin<br />

wirklich relev<strong>an</strong>t? Denn in den meisten<br />

Kongressprogrammen oder Büchern zum<br />

Thema ist die Abwesenheit der Gender<br />

Studies, die in Gender-Fragen die meiste<br />

Kompetenz hat, besonders auffällig.<br />

Davon unbeeindruckt werden unter dem<br />

Titel „Gender Medizin” unterschiedlichste<br />

medizinische Fachrichtungen<br />

neu geschrieben: mit Fokus auf die<br />

geschlechtsspezifischen Unterschiede<br />

zwischen Frauen und Männern, die nun<br />

„in nahezu jedem Org<strong>an</strong> des menschlichen<br />

Körpers” 2 entdeckt werden.<br />

H<strong>an</strong>d aufs Herz. Angef<strong>an</strong>gen hat alles<br />

mit der Kardiologin Mari<strong>an</strong>ne Legato.<br />

Sie erk<strong>an</strong>nte Ende der 1980er Jahre,<br />

dass sich Frauen und Männer in puncto<br />

Herzkr<strong>an</strong>kheiten unterscheiden. Legato<br />

gilt als Pionierin: Sie gründete 1997<br />

das „Partnership for Gender-Specific<br />

Medicine” <strong>an</strong> der Universität von<br />

Columbia und das „Journal of Gender-<br />

Specific Medicine” (heute: „Gender<br />

Medicine”). Ihre Bücher waren<br />

wegweisend, ihr Wissen zu den kardiologischen<br />

Unterschieden zwischen Frauen<br />

und Männern ist heute einer breiteren<br />

Öffentlichkeit bek<strong>an</strong>nt. Dachte m<strong>an</strong><br />

jahrzehntel<strong>an</strong>g, dass z.B. ein Herzinfarkt<br />

typischerweise von Symptomen<br />

wie einem brennenden Druckschmerz,<br />

der in den linken Arm ausstrahlt, begleitet<br />

wird, so weiß m<strong>an</strong> heute, dass bei<br />

jeder fünften Frau die Symptome g<strong>an</strong>z<br />

<strong>an</strong>ders aussehen können: Schmerzen<br />

können im Oberbauch oder Rücken auftreten<br />

und zu Kurzatmigkeit, Übelkeit<br />

und Schweißausbruch führen.<br />

Der Grund für dieses Unwissen war,<br />

dass Frauen in die medizinischen Studien<br />

schlichtweg nicht miteinbezogen<br />

wurden. Der M<strong>an</strong>n galt als Norm, in der<br />

<strong>an</strong>drozentristischen Vorstellung funktionierte<br />

der weibliche Körper ident. Dies<br />

führte zu weiteren Irrtümern, wie etwa<br />

zu der Ansicht, dass Frauen bis ins hohe<br />

Alter nicht <strong>an</strong> koronaren Herzkr<strong>an</strong>kheiten<br />

erkr<strong>an</strong>ken oder zumindest nur <strong>an</strong><br />

milderen Formen als Männer. Nachdem<br />

bis dahin frauenspezifische Symptome<br />

nicht als Symptome einer Herzerkr<strong>an</strong>kung<br />

wahrgenommen wurden, ein<br />

logischer Schluss. Äußerten Frauen ihre<br />

„atypischen” Symptome, wurden sie<br />

nicht selten als hysterisch abgestempelt,<br />

eine P<strong>an</strong>ikattacke oder dergleichen<br />

„diagnostiziert”. Heute weiß m<strong>an</strong>, dass<br />

koronare Herzkr<strong>an</strong>kheiten bei Frauen<br />

öfter zu einem Herzinfarkt führen und<br />

öfter tödlich verlaufen als bisher <strong>an</strong>genommen.<br />

Für eine richtige Beh<strong>an</strong>dlung<br />

ist eine korrekte Diagnose essenziell,<br />

Ärzt_innen sind also dazu aufgerufen,<br />

auch auf atypische Symptome zu achten.<br />

Und dies nicht nur bei Frauen – denn<br />

auch Männer können die „weiblichen”<br />

Symptome aufweisen.<br />

Neu dosiert. Mit der Erforschung<br />

kardiologischer Unterschiede machte<br />

die Gender Medizin Karriere und<br />

wurde mittlerweile um etliche <strong>an</strong>dere<br />

Erkenntnisse erweitert: So kennt die<br />

Medizin heute z.B. in der Psychiatrie,<br />

der Onkologie, Rheumatologie oder<br />

Intensivmedizin geschlechtsspezifische<br />

Besonderheiten, ebenso werden u.a. das<br />

Immunsystem, das Knochengerüst, der<br />

Verdauungstrakt oder die Lunge unter<br />

die Gender-Lupe genommen.<br />

Von besonderer Relev<strong>an</strong>z ist die Pharmakologie:<br />

Arzneimittel wirken nämlich<br />

nicht bei allen Menschen gleich. Am<br />

individuellen Stoffwechsel sind viele Faktoren<br />

beteiligt, derselbe Wirkstoff k<strong>an</strong>n<br />

deshalb bei mehreren Patient_innen g<strong>an</strong>z<br />

unterschiedlich umgesetzt werden und<br />

infolgedessen unterschiedliche (Neben-)<br />

Wirkungen zeigen. Selbst die Darreichungsform<br />

von Medikamenten k<strong>an</strong>n<br />

ausschlaggebend für die Wirkung sein.<br />

Nachdem Frauen bis vor einigen Jahren<br />

aus klinischen Studien zur Arzneimittelwirkung<br />

ausgeschlossen waren und m<strong>an</strong><br />

von den Ergebnissen der Männerstudi-<br />

en auf Frauen schloss, überrascht die<br />

Erkenntnis der Pharmakologie nicht:<br />

Frauen vertragen Medikamente <strong>an</strong>ders<br />

als Männer. Heute weiß m<strong>an</strong>, dass<br />

Unterschiede der Arzneimittelverarbeitung<br />

aus individuellen Eigenschaften<br />

resultieren, aber auch Folgen genereller<br />

Umstände sein können – was uns wieder<br />

zum Geschlecht führt. Aber nicht nur die<br />

unterschiedliche Wirkung von Medikamenten<br />

muss in einer geschlechtssensiblen<br />

Medizin beachtet werden, auch die<br />

Verschreibungspraxis gehört hinterfragt.<br />

Denn Geschlechtsvorurteile und<br />

Unwissenheit seitens der Ärzt_innen<br />

können dazu führen, dass über- oder untermedikalisiert<br />

wird. Bis heute werden<br />

Frauen etwa mehr Psychopharmaka<br />

verschrieben als Männern.<br />

Mehr Sex als Gender. Dass Unterschiede<br />

zwischen den Geschlechtern zunehmend<br />

bek<strong>an</strong>nt und erforscht werden,<br />

scheint Frauen und Männern vorerst<br />

eine bessere medizinische Versorgung zu<br />

bringen. Die Unterschiede dürfen aber<br />

über eines nicht hinwegtäuschen: Es gibt<br />

auch Gemeinsamkeiten. In einzelnen<br />

Merkmalen können Frauen bzw. Männer<br />

Äußerten Frauen ihre „atypischen“<br />

Symptome, wurden sie nicht selten als<br />

hysterisch abgestempelt, eine P<strong>an</strong>ikattacke<br />

oder dergleichen „diagnostiziert“.<br />

innerhalb ihrer Geschlechtsgruppen<br />

mehr differieren als die Gruppen unterein<strong>an</strong>der.<br />

Genau darum geht es auch<br />

in einer geschlechtssensiblen Medizin:<br />

Worin unterscheiden sich die Geschlechter<br />

– und worin gleichen sie sich? „Der<br />

Bal<strong>an</strong>ceakt einer frauen- und männergerechten<br />

Biomedizin besteht nun darin,<br />

diese Unterschiede einerseits durch<br />

klinische und experimentelle Studien<br />

herauszufinden und <strong>an</strong>dererseits nicht<br />

durch Überbewertung der biologischen<br />

Unterschiede mögliche <strong>an</strong>dere Einflüsse<br />

bei der Entstehung von Kr<strong>an</strong>kheiten zu<br />

übersehen”, schreibt die Hum<strong>an</strong>biologin<br />

Angelika Voß. 3 Gender Medizin bewegt<br />

sich also stets zwischen Sex und Gender.<br />

Doch genau in diesem Bal<strong>an</strong>ceakt entstehen<br />

Missverständnisse.<br />

Denn Gender Medizin ist heute, so<br />

wie sie meistens kommuniziert wird,<br />

eigentlich eine „Sex Medizin”, wie<br />

thema: gender medizin<br />

2 Nippert, Irmgard: „Frauengesundheitsforschung<br />

und<br />

,gender based medicine’”,<br />

in Cottm<strong>an</strong>n, Kortendiek,<br />

Schildm<strong>an</strong>n (Hg.innen): Das<br />

undisziplinierte Geschlecht.<br />

Frauen- und Geschlechterforschung<br />

– Einblick und<br />

Ausblick. Leske + Budrich<br />

2000.<br />

3 Voß, Angelika: Frauen<br />

sind <strong>an</strong>ders kr<strong>an</strong>k als<br />

Männer. Plädoyer für eine<br />

geschlechtsspezifische Medizin.<br />

Heinrich Hugendubel<br />

Verlag 2007.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 17


thema: gender medizin<br />

4 Wimmer-Puchinger, Beate<br />

et al.: „Was Frauen gut tut:<br />

Frauenpolitische Praxis,<br />

Frauengesundheitsforschung,<br />

Feministische Theorie”, in:<br />

Gerlinde Mauerer (Hg.in):<br />

Frauengesundheit in Theorie<br />

und Praxis: Feministische<br />

Perspektiven in den Gesundheitswissenschaften.<br />

tr<strong>an</strong>script <strong>2010</strong>.<br />

5 Fishm<strong>an</strong>, Jennifer, Wick,<br />

J<strong>an</strong>is, Koenig, Barbara: „The<br />

use of ,sex’ <strong>an</strong>d ,gender’<br />

to define <strong>an</strong>d characterize<br />

me<strong>an</strong>ingful differences<br />

between men <strong>an</strong>d women”,<br />

in: Agenda for Research<br />

on Women's Health for the<br />

21st Century: A Report of<br />

the Task Force on the NIH<br />

Women's Health Research<br />

Agenda for the 21st Century,<br />

2, 1999.<br />

18 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Expert_innen kritisieren. Der Fokus liege<br />

häufig auf biologischen Unterschieden,<br />

nicht jedoch auf sozialen oder strukturellen<br />

Bedingungen, wie es der Begriff<br />

Gender nahelegen würde. „Wo Gender<br />

draufsteht, ist sehr oft Gender nicht drinnen,<br />

sondern zwar auch wichtige und gut<br />

gemachte, aber streng naturwissenschaftlich<br />

biologisch-medizinische Forschung”,<br />

sagt die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte<br />

Beate Wimmer-Puchinger. 4 „Das<br />

was Gender Medicine aber meint, ist<br />

eine Analyse der Ergebnisse hinsichtlich<br />

der unterschiedlichen soziologischen Rollenmuster<br />

beziehungsweise der Gender-<br />

Gerechtigkeit.” Oft wird es auch als<br />

Die Gender Medizin schöpft ihr<br />

eigentliches Potenzial nicht aus. Denn<br />

der Geschlechterdualismus, der in einer<br />

hierarchisierenden Geschlechterordnung<br />

gipfelt, wird von der Gender Medizin meist<br />

nicht <strong>an</strong>gezweifelt.<br />

Von Frau zu Gender<br />

Ohne Frauengesundheitsbewegung gäbe es heute keine<br />

Gender Medizin. Bettina Enzenhofer hat sich die Anfänge<br />

dieser Entwicklung <strong>an</strong>gesehen.<br />

Die Zweite Frauenbewegung revoltierte gegen ein paternalistisches<br />

Medizinsystem. Ausgehend von den USA kam die<br />

Frauengesundheitsbewegung der 1960er/70er Jahre mit der<br />

Diskussion über die Legalisierung des Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruchs<br />

(„Mein Körper gehört mir!”) auch nach Europa.<br />

Grundlegend war die Publikation „Our Bodies Ourselves”<br />

des Boston Women’s Health Book Collective (1973), das die<br />

Sicht auf den weiblichen Körper revolutionierte: In diesem<br />

Buch konnten sich Frauen erstmals in einer auch für Nicht-<br />

Mediziner_innen verständlichen Sprache über ihre Körper<br />

informieren. Sie forderten Selbstbestimmung über ihren<br />

Körper ein, die eine von Männern dominierte Medizin ihnen<br />

bis dahin nicht zugest<strong>an</strong>d. Wichtige Themen der frühen (und<br />

durchaus heterogenen) Frauengesundheitsbewegung waren<br />

u.a. spezifische weibliche körperliche Erfahrungen wie Sexualität/Reproduktion/Geburt,<br />

Missbrauch, Gewalt, Depression,<br />

Sucht und frauenspezifische Gesundheitsförderung.<br />

Eine Errungenschaft der Frauengesundheitsbewegung ist die<br />

vermehrte Einbeziehung von Frauen in klinische Studien:<br />

Bis Anf<strong>an</strong>g der 1990er Jahre wurden sie – um „Risiken”<br />

(wie z.B. eine Schw<strong>an</strong>gerschaft) zu minimieren und auf die<br />

unterschiedlichen Hormonlagen nicht eingehen zu müssen<br />

– systematisch ausgeschlossen. Der M<strong>an</strong>n wurde als Norm<br />

gesetzt – dass Frauen und Männer Medikamente unterschiedlich<br />

vertragen könnten, bedachte m<strong>an</strong> nicht.<br />

Zentraler Kritikpunkt der Frauengesundheitsforschung war<br />

und ist die Medikalisierung weiblicher Lebensphasen, wie<br />

z.B. Menstruation, Schw<strong>an</strong>gerschaft oder Menopause – diese<br />

sind keine aus der „Schwäche” der Frauen resultierenden,<br />

beh<strong>an</strong>delbaren „Kr<strong>an</strong>kheiten”, sondern spezifische Körper-<br />

„politisch korrekt” <strong>an</strong>gesehen, „Gender”<br />

auf etwas zu schreiben, das eigentlich nur<br />

mit biologischen Faktoren zu tun hat, wie<br />

die Wissenschaftlerin Jennifer Fishm<strong>an</strong><br />

und ihre Kolleginnen feststellten 5 – ein<br />

begrifflicher Irrtum.<br />

Begriffe unterm Mikroskop. Diese<br />

Begriffsverwirrung entsteht wohl auch<br />

deshalb, weil das Konzept „Gender”<br />

für Mediziner_innen neu ist. „Es gibt<br />

viel Unverständnis. Die Sozial- und Naturwissenschaften<br />

schaffen es einfach<br />

nicht, aufein<strong>an</strong>der zuzugehen, das ist<br />

ein Kommunikationskonflikt”, sagt die<br />

Wissenschaftlerin Renate Baumgartner.<br />

„Mediziner_innen wollen sich oft<br />

auch nicht ihre selbstverständlichen<br />

Kategorien – wie die Differenz zwischen<br />

Frauen und Männern – infrage<br />

stellen lassen.” Eine Universitäts<strong>an</strong>gestellte,<br />

die nicht gen<strong>an</strong>nt werden will,<br />

erzählt: „Viele Lehrende haben den<br />

Eindruck: Sobald ich mich den Unterschieden<br />

zwischen Frauen und Männern<br />

widme, arbeite ich gendergerecht.<br />

Das hat aber mit Gendergerechtigkeit<br />

nichts zu tun, sondern ist biologistische<br />

Forschung.”<br />

erfahrungen, die in einem gesellschaftlichen Kontext gesehen<br />

werden müssen. Gesundheit wird in der Frauengesundheitsforschung<br />

als dynamischer Prozess mit einer Vielzahl von<br />

Einflüssen gesehen, hier werden sowohl medizinische als<br />

auch soziale, psychologische, ökonomische und politische<br />

Aspekte integriert – <strong>an</strong>ders als in konventionellen biomedizinischen<br />

Konzepten.<br />

Aktuell lässt sich eine neue Anforderung <strong>an</strong> Frauen beobachten:<br />

Die Freiheit, selbst zu entscheiden, wird zu einer Pflicht;<br />

Frauen sind jetzt M<strong>an</strong>agerinnen ihrer eigenen Gesundheit.<br />

Bei immer mehr vorgeschriebenen oder empfohlenen Untersuchungen<br />

(etwa in der Schw<strong>an</strong>gerschaft) stehen Frauen<br />

unter Druck, kompetent und informiert zu sein. Wissensvermittlung<br />

und kritische Aufklärung leisten bis heute Frauengesundheitszentren,<br />

die infolge der Frauengesundheitsbewegung<br />

gegründet wurden.<br />

Frauengesundheit bleibt aber immer ambivalent: Denn Frauen<br />

sind keine homogene Gruppe, es gibt nicht die Frauengesundheit.<br />

Vielmehr muss m<strong>an</strong> beachten, welche Frau in<br />

welcher speziellen Lebenssituation betroffen ist – dar<strong>an</strong><br />

sollten sich medizinische Angebote orientieren.<br />

Die frühe feministische Kritik hat politische Früchte<br />

getragen: In der „Ottawa Charta” der Weltgesundheitsorg<strong>an</strong>isation<br />

(1986) wurde bspw. Ch<strong>an</strong>cengleichheit in<br />

der Gesundheitsforschung verkündet, bei der 4. Weltfrauenkonferenz<br />

in Peking (1995) wurde u.a. das Recht von<br />

Frauen auf gesundheitliche Selbstbestimmung beschlossen.<br />

Auf EU-Ebene wurde 1997 im Vertrag von Amsterdam<br />

Gender Mainstreaming festgeschrieben. Durch dieses<br />

gleichstellungspolitische Instrument f<strong>an</strong>d eine wesentliche<br />

Akzentverschiebung statt: Weg von einer spezifischen Frauengesundheitsforschung<br />

hin zu einer geschlechtersensiblen<br />

Gesundheitsforschung. l


Auch in medizinischen Fachpublikationen<br />

werden die Begriffe häufig falsch<br />

verwendet, wie N<strong>an</strong>cy Krieger von<br />

der Harvard School of Public Health<br />

feststellte. 6 In den von ihr <strong>an</strong>alysierten<br />

Texten würden Sex und Gender oft<br />

synonym gebraucht. Dies sei aber falsch<br />

– denn wir besitzen immer Gender<br />

und Sex gleichzeitig. Für bestimmte<br />

Gesundheitsbedingungen sei vielmehr<br />

zu fragen: Sind Sex und Gender beide<br />

relev<strong>an</strong>t – oder keines oder nur eines<br />

von beiden? Und vor allem Forscher_innen<br />

müssen sich im Klaren darüber sein,<br />

mit welchem Begriff sie arbeiten, und<br />

damit auch, auf welcher Ebene – falls<br />

überhaupt – Unterschiede zwischen den<br />

Geschlechtern zu finden sind.<br />

Auch Angelika Voß und Brigitte Lohff<br />

kritisieren, „dass die Hum<strong>an</strong>medizin<br />

als normierende und st<strong>an</strong>dardisierende<br />

Disziplin und Disziplinierung des<br />

(geschlechtlich definierten) Körpers auf<br />

dem Fundament der ,sex based biology’<br />

ruht”. Dieses grundlegende Denken<br />

in biologisch m<strong>an</strong>ifesten Dichotomien<br />

werde aber durch eine geschlechtssensible<br />

Medizin nicht automatisch<br />

aufgelöst: „Denn mit der Feststellung<br />

des Andersseins als die Andere oder der<br />

Andere wird noch keine Gar<strong>an</strong>tie für<br />

die Anerkennung von Differenz<br />

als nicht-pathologisch, nicht-kr<strong>an</strong>khaft<br />

und nicht-therapiebedürftig<br />

gegeben.” 7<br />

Geschlechterdualismus. Ein weiterer<br />

Kritikpunkt: Die Gender Medizin<br />

schöpfe ihr eigentliches Potenzial<br />

nicht aus. Denn der zunächst von der<br />

Queer Theory und d<strong>an</strong>ach auch von den<br />

Gender Studies hinterfragte Geschlechterdualismus,<br />

der in einer hierarchisierenden<br />

Geschlechterordnung gipfelt,<br />

wird von der Gender Medizin meist<br />

nicht <strong>an</strong>gezweifelt. Stattdessen trifft<br />

der Begriff Gender „auf einen fest<br />

etablierten biologistischen Begriff<br />

von Geschlecht (sex), in dem nach wie<br />

vor eine fixe dichotome Geschlechterordnung<br />

als biologisch d.h. natürlich<br />

vorausgesetzt wird”, kritisiert auch die<br />

Medizinerin Alice Chwosta. 8 Gender<br />

verliere im medizinischen Diskurs <strong>an</strong><br />

Nicht unsere biologischen Anlagen, sondern<br />

vor allem die individuelle Lebenswelt sowie<br />

ihre spezifische historische, soziale und<br />

kulturelle Eingebundenheit sind relev<strong>an</strong>t.<br />

Weite und Vielfalt, bleibe stets eine<br />

pure Abgrenzung von Sex. „Die Gefahr<br />

eines rein in Abgrenzung verhafteten<br />

gender Begriffs ohne Verständnis für<br />

die Mech<strong>an</strong>ismen der sozialen Konstruktion<br />

von Geschlecht unter dem<br />

Motto ,das, was nicht sex ist, nennen<br />

wir jetzt eben gender’ ist (…) gegeben<br />

sex/<br />

und bestätigt sich in der moment<strong>an</strong>en<br />

Entwicklung einer Gender Medizin, die<br />

vielfach soziales Frau- bzw. M<strong>an</strong>nsein<br />

als unhinterfragte Gegebenheit, wenn<br />

nicht biologisch, d<strong>an</strong>n eben als sozial<br />

gelernt aufnimmt”, so Chwosta. Die<br />

für die Frauengesundheitsbewegung<br />

nach wie vor gültige Kritik <strong>an</strong> der Geschlechterordnung<br />

verschwinde in einer<br />

derartigen Gender Medizin.<br />

Das bestätigt auch Victoria Grace von<br />

der School of Social <strong>an</strong>d Political Sciences<br />

der Universität von C<strong>an</strong>terbury. 9<br />

Gender Medizin dichotomisiere und essentialisiere<br />

das biologische Geschlecht,<br />

denn sie definiere „männlich” und<br />

„weiblich” als streng entgegengesetzt.<br />

Auch die Sex/Gender-Trennung, die<br />

eine „biologische” Geschlechtskompo-<br />

„Sex“ verweist auf biologische und physiologische Eigenschaften,<br />

die Männer und Frauen definieren. „Gender“ be-<br />

zieht sich auf die sozial konstruierten Rollen, Verhaltenswei-<br />

gender Definition der Weltgesundheitsorg<strong>an</strong>isation (WHO):<br />

sen, Aktivitäten und Eigenschaften, die in einer Gesellschaft<br />

für Männer und Frauen als <strong>an</strong>gemessen <strong>an</strong>gesehen werden.“<br />

Gender Policy der WHO: „Gender wird verwendet, um jene<br />

Eigenschaften von Frauen und Männern zu beschreiben, die sozial<br />

konstruiert sind, während Sex sich auf Eigenschaften bezieht, die biologisch<br />

determiniert sind. Menschen werden als weiblich oder männlich<br />

geboren, lernen aber, Mädchen und Buben zu sein, die d<strong>an</strong>n zu<br />

Frauen und Männern werden. Dieses gelernte Verhalten macht die<br />

Gender-Identität aus und determiniert Gender-Rollen.“<br />

Quelle: www.who.int/gender<br />

thema: gender medizin<br />

6 Krieger, N<strong>an</strong>cy: „Genders,<br />

sexes, <strong>an</strong>d health: what<br />

are the connections – <strong>an</strong>d<br />

why does it matter?”, in:<br />

International Journal of<br />

Epidemiology, 32/2003.<br />

7 Voß, Angelika, Lohff, Brigitte:<br />

„Nach-Denkliches zur<br />

Gender Medizin”, in: Rieder,<br />

Lohff (Hg.innen): Gender<br />

Medizin. Geschlechtsspezifische<br />

Aspekte für die<br />

klinische Praxis. Springer<br />

2004.<br />

8 Chwosta, Alice: „Frauengesundheit<br />

– Gender<br />

Medizin quo vadis?”, in:<br />

AEP Informationen. Feministische<br />

Zeitschrift für Politik<br />

und Gesellschaft, 3/2006.<br />

9 Grace, Victoria: „Beyond<br />

dualism in life sciences:<br />

implications for a feminist<br />

critique of gender-specific<br />

medicine”, in: Journal of<br />

Interdisciplinary Feminist<br />

Thought, 2/1/1/2007.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 19


thema: gender medizin<br />

Weiterführende Literatur:<br />

Hochleitner, Margarethe (Hg.in.):<br />

Gender Medicine. Ringvorlesung<br />

<strong>an</strong> der Medizinischen<br />

Universität Innsbruck. Bände<br />

1–3. Facultas 2008, 2009,<br />

<strong>2010</strong><br />

Legato, Mari<strong>an</strong>ne: Evas<br />

Rippe. Die Entdeckung der<br />

weiblichen Medizin. Kiepenheuer<br />

& Witsch 2002.<br />

20 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

nente von einer „sozialen” unterscheidet,<br />

stehe der Re-Theoretisierung einer<br />

nicht-dualistischen Biologie entgegen.<br />

Denn gerade diese Fragestellungen der<br />

Gender Studies könnte eine kritische<br />

Gender Medizin aufnehmen: Wie können<br />

wir Geschlecht neu und nicht-dualistisch<br />

denken? Ohne Kritik am Geschlechterdualismus<br />

könnte sich Medizin in<br />

eine Richtung entwickeln, die Frauen<br />

und Männer als komplett unterschiedliche<br />

genetisch determinierte Gruppen<br />

betrachtet, die auch qu<strong>an</strong>titativ und qualitativ<br />

<strong>an</strong>ders beh<strong>an</strong>delt werden müssten.<br />

gender<br />

Für mehr Grauzonen. Gender Medizin<br />

könnte, will sie ihrem Namen gerecht<br />

werden, tatsächlich interdisziplinär<br />

ausgerichtet sein. Das würde zum einen<br />

bedeuten, dass sie Erkenntnisse von<br />

Gender Studies, Frauenforschung, Soziologie<br />

etc. ernst nimmt. Zum <strong>an</strong>deren<br />

würde sie auch <strong>an</strong>dere Faktoren der<br />

Ungleichbeh<strong>an</strong>dlung und ihre Interaktion<br />

in Betracht ziehen: Geschlechtliche<br />

Arbeitsteilung, Armut, Stress etc. wirken<br />

sich auf die individuelle Gesundheit<br />

aus. Nicht unsere biologischen Anlagen,<br />

sondern vor allem die individuelle<br />

agierte alles <strong>an</strong>dere als geschlechtergerecht. Margrit Eichler<br />

und <strong>an</strong>dere Wissenschaftler_innen definierten drei we-<br />

sentliche Formen der verzerrten geschlechterbezogenen<br />

bias L<strong>an</strong>ge Zeit unterlag die Medizin einem Gender Bias und<br />

Wahrnehmung: Androzentrismus, Geschlechterinsensibilität<br />

und doppelte Bewertungsmaßstäbe.<br />

Eine <strong>an</strong>drozentristische Perspektive setzt Männer als Norm voraus<br />

– Frauen werden unter diesem männlichen Blickwinkel marginalisiert<br />

oder sind unterrepräsentiert. Geschlechterinsensibilität heißt, dass das<br />

biologische oder soziale Geschlecht außer Acht gelassen wird. Liegen<br />

doppelte Bewertungsmaßstäbe vor, werden gleichartige Situationen,<br />

Eigenschaften oder Verhaltensweisen je nach Geschlecht unterschiedlich<br />

beurteilt. Dazu gehören auch Geschlechterstereotype (Charaktereigenschaften<br />

werden als naturgegeben, nicht als sozial konstruiert<br />

verst<strong>an</strong>den) und starre Geschlechterdichotomien: Die Geschlechter<br />

werden so beh<strong>an</strong>delt, als wären sie von Grund auf unterschiedliche<br />

Gruppen <strong>an</strong>statt Gruppen mit sich überschneidenden Merkmalen.<br />

Quelle: Eichler, Margrit, Reism<strong>an</strong>, Anna Lisa, Borins, Elaine M<strong>an</strong>ace: „Gender Bias in<br />

Medical Research“ in Women & Therapy, 12, 4, 1992.<br />

Lebenswelt sowie ihre spezifische historische,<br />

soziale und kulturelle Eingebundenheit<br />

sind relev<strong>an</strong>t. „Hier schwindet<br />

gegenwärtig eine großartige Ch<strong>an</strong>ce<br />

durch den Verlust einer geschlechterkritischen<br />

feministischen Perspektive”,<br />

schreibt Chwosta. „Jene Grauzonen der<br />

Intersektion von Biologie und sozialer<br />

Umwelt, die in der Festschreibung in<br />

den Körper betrachtet werden könnten,<br />

werden aus dem Blick verloren. Denn<br />

auch das ist Gender Medizin, oder<br />

könnte es sein.” Und Voß sieht noch eine<br />

weitere Ch<strong>an</strong>ce: Durch die Geschlechterperspektive<br />

werde nämlich auch die<br />

Hierarchie, in der die Biologie <strong>an</strong> der<br />

Spitze, die sozialen, kulturellen und<br />

psychischen Einflussfaktoren hingegen<br />

weiter unten <strong>an</strong>gesiedelt sind, infrage<br />

gestellt.<br />

Denn auch wenn es Sex-Unterschiede<br />

gibt: So groß sind sie nicht – vielmehr<br />

werden sie oft überbewertet. Doch<br />

Forschung, die sich differenziert mit den<br />

verschiedensten sozialen Faktoren und<br />

ihren Auswirkungen auf die individuelle<br />

Gesundheit beschäftigt, ist teuer.<br />

Notwendig ist sie aber unbedingt: Denn<br />

Gender Medizin darf nicht bedeuten,<br />

Frauen und Männer in zwei biologische<br />

Lager zu spalten und auf dahinter<br />

stehende Konstruktionsmech<strong>an</strong>ismen zu<br />

vergessen. l


„Frauen-Medizin wäre mir zu<br />

wenig gewesen“<br />

Schau mal!<br />

Stark erhöhte<br />

Genderwerte!<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Wie schwer ist es, <strong>an</strong> einer<br />

medizinischen Universität eine Disziplin<br />

zu ver<strong>an</strong>kern, deren Grundlage aus<br />

den Sozialwissenschaften stammt, wie<br />

es bei Gender Medizin der Fall ist?<br />

Das war eine Konsequenz aus jahrel<strong>an</strong>gen<br />

Diskussionen und schlussendlich<br />

eine logische Entwicklung, wenn auch<br />

eine mit Stolpersteinen. Am Beginn<br />

st<strong>an</strong>d die Frauengesundheitsbewegung<br />

in den USA in den 1970er Jahren, und<br />

die Sozialwissenschaften haben sich dem<br />

Thema und der Definition von Gender<br />

gewidmet. Nach und nach haben auch<br />

medizinische Wissenschaften das Thema<br />

besetzt: M<strong>an</strong> ist draufgekommen, dass<br />

m<strong>an</strong> da auf naturwissenschaftlicher Ebene<br />

sehr viel herausfinden k<strong>an</strong>n.<br />

Seit kurzem gibt es die Professur für<br />

Gender Medizin in Wien. Wir haben<br />

allerdings gehört, dass sie nicht so<br />

gut ausgestattet wurde, was Geld und<br />

Mitarbeiter_innen betrifft …<br />

Ich glaube, dass das vorderh<strong>an</strong>d passt,<br />

aber m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n immer nachbessern.<br />

Wichtig ist, dass der Ansatzpunkt von<br />

allen akzeptiert und gut ist, er ist ein<br />

wichtiges Zeichen. Aber: Institutionen<br />

– wie Universitäten – sind zäh. In<br />

Österreich dürfen Frauen überhaupt<br />

erst seit 1900 Medizin studieren, die<br />

Super, d<strong>an</strong>n<br />

geht endlich<br />

was weiter!<br />

Universität besteht aber seit 1365.<br />

Viele – auch Frauen – tun sich das nicht<br />

<strong>an</strong>, in so einem System zu arbeiten. Ich<br />

setze im Moment sehr auf verschiedene<br />

Maßnahmen, um Frauen zu <strong>an</strong>imieren,<br />

hier weiterzumachen, sich das also doch<br />

kurzfristig mal <strong>an</strong>zutun und d<strong>an</strong>n Fuß<br />

fassen zu können.<br />

Im Curriculum ist Gender Medizin<br />

mittlerweile fix ver<strong>an</strong>kert, und auch<br />

die etablierten Professor_innen mussten<br />

Gender Medizin in ihre Lehre integrieren.<br />

Wie waren die Reaktionen?<br />

Bevor das alles implementiert wurde,<br />

habe ich in einer Arbeitsgruppe<br />

mitgearbeitet, in der es darum ging,<br />

Leute aus den unterschiedlichsten<br />

Fachrichtungen zu fragen, welche<br />

Themenbereiche und Fragestellungen<br />

sie hier einbringen können. Am<br />

Anf<strong>an</strong>g gab es noch Erstaunen, wie<br />

m<strong>an</strong> überhaupt auf so eine Frage –<br />

nämlich die nach dem Gender-Aspekt<br />

in der Medizin – kommen k<strong>an</strong>n. Die<br />

Diskussionen haben aber dazu geführt,<br />

dass die Leute <strong>an</strong>imiert waren, sich<br />

damit zu beschäftigen – auch männliche<br />

Lehrende.<br />

In der Lehre kommt Gender Medizin<br />

als „Add On“ daher: Erst lernen die<br />

thema: gender medizin<br />

Wie sehen die Rahmenbedingungen für<br />

die Gender Medizin <strong>an</strong> den medizinischen<br />

Hochschulen aus?<br />

Sylvia Köchl und Bettina Enzenhofer<br />

trafen Karin Gutiérrez-Lobos,<br />

Vizerektorin der Medizinischen Uni Wien,<br />

zum Gespräch.<br />

Studierenden etwas über Anatomie<br />

oder Physiologie, Gender Medizin<br />

kommt d<strong>an</strong>n erst später als Zusatz<br />

hinzu. Ist das Thema damit ausreichend<br />

integriert?<br />

Wir machen das ja erst seit ein paar<br />

Jahren und befinden uns in einer ständigen<br />

Weiterentwicklung. Das wird auch<br />

eine der Aufgaben der Professur sein,<br />

das zu einer größeren Selbstverständlichkeit<br />

zu machen.<br />

Aber kommt Gender, also die Idee<br />

von Geschlecht als soziale Konstruktion,<br />

so wie es die Gender-Studies<br />

kennen, in der Gender Medizin überhaupt<br />

vor?<br />

Doch. Ich bin ja auch Psychiaterin, und<br />

gerade in der Psychiatrie spielt das<br />

eine große Rolle bei der Frage der<br />

Psychologisierung von Frauen. Ebenso<br />

bei allen Themen, die mit Vorsorge,<br />

Lebensumständen, Armut zu tun<br />

haben. Oder bei der tr<strong>an</strong>skulturellen<br />

Kompetenz, denn da geht es nicht nur<br />

um Sprachbarrieren, sondern auch um<br />

die Frage: Verstehe ich die Konzepte<br />

von Gesundheit und Kr<strong>an</strong>kheit? In<br />

<strong>an</strong>deren Bereichen, wo es einen harten<br />

Befund gibt, zum Beispiel einen<br />

Knoten im Hirn, da gibt es wenig zu<br />

philosophieren.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 21


thema: gender medizin<br />

1 Margarethe Hochleitner,<br />

Kardiologin, weitere<br />

Forschungsschwerpunkte:<br />

Präventivmedizin, Gender<br />

Studies, Frauengesundheit,<br />

Migr<strong>an</strong>tinnen. Leiterin der<br />

Koordinationsstelle für<br />

Gleichstellung, Frauenförderung<br />

und Geschlechterforschung<br />

<strong>an</strong> der Medizinischen<br />

Universität Innsbruck.<br />

22 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Die ersten Erkenntnisse der Gender<br />

Medizin kamen aus der Kardiologie,<br />

doch z.B. beim Herzinfarkt ist es ja<br />

nicht so, dass alle Frauen diesen auf<br />

eine bestimmte Weise und alle Männer<br />

ihn auf eine <strong>an</strong>dere Weise erleben.<br />

Wird das bedacht oder entstehen da<br />

vielleicht neue Schubladen?<br />

Vermutlich sind sich Männer und<br />

Frauen, die ärmer sind, sehr oft<br />

ähnlicher als eine arme Frau und eine<br />

reiche Frau. Ich glaube aber, m<strong>an</strong> soll<br />

sich nicht verrennen. Ich halte es für<br />

g<strong>an</strong>z wichtig, als Arzt oder Ärztin zu<br />

wissen, dass es Unterschiede geben<br />

k<strong>an</strong>n. Im Umg<strong>an</strong>g mit PatientInnen<br />

merkt m<strong>an</strong> ohnehin, dass sich da<br />

nichts über einen Kamm scheren<br />

lässt. M<strong>an</strong> muss aber bereits im<br />

Studium auf diese Faktoren aufmerksam<br />

gemacht werden, die m<strong>an</strong> bei<br />

Entscheidungen mitberücksichtigen<br />

muss, dass es eben einen Unterschied<br />

zwischen Männern und Frauen geben<br />

k<strong>an</strong>n oder zwischen arm und reich. Es<br />

muss gelehrt werden: Wie bedenke<br />

ich diese Vielfalt?<br />

Wie kommt Gender – das soziale<br />

Geschlecht – konkret in den Körper?<br />

Für die Psychiatrie können wir das<br />

nachvollziehen, aber wie funktioniert<br />

das in <strong>an</strong>deren Bereichen?<br />

So selbstverständlich ist es auch in<br />

der Psychiatrie nicht. Da gibt es die<br />

Untersuchung, dass Frauen mehr <strong>an</strong><br />

Depressionen erkr<strong>an</strong>ken als Männer<br />

– allerdings sind es nicht „die<br />

Frauen”, sondern die verheirateten.<br />

Das k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> erklären: Die haben<br />

eine Doppel- und Dreifachbelastung.<br />

Es gibt aber viele PsychiaterInnen,<br />

die biologisch orientiert sind, die eine<br />

Depression sofort mit Medikamenten<br />

beh<strong>an</strong>deln. Die werden in so einem Fall<br />

nicht viel ausrichten – denn in Wirklichkeit<br />

braucht es mehr Kindereinrichtungen,<br />

Betreuungseinrichtungen etc.<br />

Dieser größere Kontext – und da<br />

gebe ich Ihnen Recht – ist in <strong>an</strong>deren<br />

Bereichen der Org<strong>an</strong>medizin schwieriger<br />

zu sehen. Aber letztendlich<br />

denke ich doch, dass sich H<strong>an</strong>dlungs-<br />

felder ergeben, wenn m<strong>an</strong> solche<br />

Ergebnisse diskutiert und darstellt.<br />

Aber warum können bei Frauen die<br />

Symptome eines Herzinfarkts so<br />

g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>ders sein als bei den meisten<br />

Männern?<br />

Ich glaube, dass die Symptome überlagert<br />

sind durch <strong>an</strong>dere Dinge. Ich nenne<br />

Ihnen ein Beispiel: Bei uns kennen<br />

Sie die menopausalen Beschwerden,<br />

Hitzewallungen etc. Die Jap<strong>an</strong>erinnen<br />

kennen das nicht! Die haben dafür<br />

ein Klingeln im Ohr. Das hängt damit<br />

zusammen, dass der Stellenwert, den<br />

m<strong>an</strong> unterschiedlichen Symptomen in<br />

unterschiedlichen Kulturen zuweist,<br />

ein <strong>an</strong>derer ist. Wenn m<strong>an</strong> bei uns in<br />

der Zeitung nur liest: Wechseljahre<br />

„Vermutlich sind sich Männer und Frauen,<br />

die ärmer sind, sehr oft ähnlicher als eine<br />

arme Frau und eine reiche Frau.“<br />

sind etwas Fürchterliches, weil da wird<br />

mir heiß, da mag mich niem<strong>an</strong>d mehr<br />

etc. – d<strong>an</strong>n wird das so sein. Dass m<strong>an</strong><br />

z.B. guten Sex hat im Wechsel, wird ja<br />

kaum erwähnt. Und wenn Sie ständig<br />

lesen, dass Sie bei einem Herzinfarkt<br />

ein Ziehen im Arm haben – d<strong>an</strong>n wird<br />

das auch so sein. Ich denke, das hat viel<br />

mit Zuschreibungen zu tun.<br />

Frauen erhalten auch viel weniger<br />

Durchuntersuchungen als Männer. Margarethe<br />

Hochleitner 1 hat festgestellt,<br />

dass Männer bei Verdacht auf Herzinfarkt<br />

sofort einen Notfallhubschrauber<br />

bekommen, Frauen nicht. Durch solche<br />

Studien und diese neue Wachsamkeit<br />

verbessert sich die Situation der Frauen.<br />

Aber Sie können nicht erwarten, dass<br />

alle MedizinerInnen hochsoziologische<br />

Ideengebäude haben.<br />

Wie sehen Sie die Zukunft der Gender<br />

Medizin in Wien und in Österreich?<br />

Ich hoffe, dass es in den <strong>an</strong>deren Städten<br />

auch eine Professur geben wird, das<br />

wäre wichtig. Und ich wünsche mir, dass<br />

das alles zu einer Selbstverständlichkeit<br />

wird und Sie mich in ein paar Jahren<br />

nicht mehr interviewen müssen (lacht).<br />

Wird sich die Gender Medizin auch<br />

mal den Gender Studies zuwenden?<br />

Berührungspunkte und Kooperationen<br />

gibt es ja durchaus schon. Ich finde es<br />

auch sehr wichtig, dass m<strong>an</strong> sich z.B. in<br />

der Medizinsoziologie – also von außen<br />

– damit beschäftigt, denn durch diese<br />

Untersuchungen haben sich neue Aspekte<br />

ergeben, auch für die PatientInnen.<br />

Vor allem für die Frauen, die jetzt<br />

schon viel alerter sind und sagen: Aber<br />

ich habe wirklich Kopfweh, machen Sie<br />

bitte ein Röntgen!<br />

Wobei es in der Gender Medizin aber<br />

auch um die <strong>an</strong>dere Seite geht, nämlich:<br />

Wie geht es den Ärztinnen? Wie<br />

sieht die Hierarchie im Kr<strong>an</strong>kenhaus,<br />

im Fachgebiet aus? Wer bekommt<br />

welches Gehalt?<br />

Aber mir ist schon klar, dass wir etwas<br />

g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>deres machen als das, was Sie<br />

in den Sozialwissenschaften tun. Bei<br />

uns geht es darum zu sehen, ob wir<br />

jem<strong>an</strong>den <strong>an</strong>ders beh<strong>an</strong>deln müssen.<br />

Aber wir wollen es trotzdem Gender<br />

Medizin nennen, weil Frauen-Medizin<br />

wäre mir zu wenig gewesen.<br />

Und wenn m<strong>an</strong> es geschlechtsspezifische<br />

Medizin nennen würde? Wir<br />

finden, das meiste, was sich heute<br />

Gender Medizin nennt, ist eigentlich<br />

eine „sex based medicine“ …<br />

In vielen Bereichen haben Sie sicher<br />

Recht. Geschlechtsspezifische Medizin<br />

wäre wohl der bessere Begriff, aber<br />

jetzt heißt es Gender Medizin, damit<br />

müssen Sie jetzt leben (lacht). Und es<br />

stimmt: Gender ist ein Etikett geworden<br />

für alles Mögliche. Aber da bitte<br />

ich um Nachsicht. Ein Teil davon ist<br />

trotzdem drin. Wir schreiben Gender<br />

auch deshalb hin, um zu zeigen: Das ist<br />

uns wichtig. Darum muss es in Zukunft<br />

gehen: Wie k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> die Gender-<br />

Studies mit naturwissenschaftlichen<br />

Perspektiven verbinden? l<br />

Karin Gutiérrez-Lobos ist Vizerektorin<br />

für Personalentwicklung und Frauenförderung<br />

<strong>an</strong> der Medizinischen Universität<br />

Wien, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie,<br />

Psychotherapeutin, Moderatorin<br />

des Ö1-Radiodoktor u.v.m.


Das Wahlrecht umverteilen<br />

Die Initiative „Wahlwechsel” führte vor<br />

den Wiener Gemeinderatswahlen<br />

Wahlberechtigte und<br />

Nicht-Wahlberechtige zum Zweck der<br />

Stimmrechtsumverteilung zusammen.<br />

Simone Prenner „teilte” ihre Stimme<br />

als demokratischen Akt,<br />

Ana Petretto nahm sich eine Stimme,<br />

weil es derzeit nicht gerechter geht.<br />

Unter dem Motto „Repair Democracy” rief ENARA, das österreichische Netzwerk<br />

gegen Rassismus, zur selbstorg<strong>an</strong>isierten Umverteilung des Wahlrechts<br />

auf. Dem Ausschluss vom Wahlrecht einer steigenden Zahl von Immigr<strong>an</strong>t_innen<br />

wurde damit ein demokratischer Akt entgegengesetzt.<br />

„Wahlwechsel” unterscheidet sich von solidarischen Erklärungen und<br />

öffentlichen Bekundungen für die Demokratisierung politischer Mitbestimmung<br />

durch die Notwendigkeit zu teilen. Teilen heißt nicht spenden. Ich<br />

habe nicht wahlgewechselt, weil ich sowieso nicht wusste, was ich wählen<br />

sollte. Ich habe mein Stimmrecht nicht auf- oder abgegeben, sondern bewusst<br />

eingesetzt. Wahlwechsel ist ein realpolitischer Akt der gegenseitigen<br />

Bemächtigung.<br />

Eine der häufigsten Fragestellungen der Wahlberechtigten während der<br />

Wahlwechsel-Kampagne betraf die Umsetzung einer „nicht paktfähigen”<br />

Wahlentscheidung der nichtwahlberechtigten Person. Beispielsweise wenn<br />

der Wahlauftrag „FPÖ” lautet. Vielleicht wurde hier der Aufruf zur Paarbildung<br />

mit einem Aufruf zur Symbiose verwechselt. Wahlwechsel bedeutet für<br />

mich nicht, „eine” gemeinsame politische Entscheidung treffen zu müssen<br />

oder diese durch Beeinflussung des <strong>an</strong>deren herbeizuführen. Das hieße, die<br />

integrative Praxis „Ausschluss durch Einschluss” weiterzuführen.<br />

Und jetzt, nach der Wahl ist vor der Wahl? Das Integrations-Chop-Suey der<br />

Parteien wird sich in bek<strong>an</strong>nter „Feinjustierung” zwischen mehr oder weniger<br />

Salz bzw. Zucker weiter einkochen. Und das bedeutet für mich, dass wir<br />

weiterhin und weiter Wahlwechsel betreiben werden.<br />

Vielleicht lässt sich für die nächsten Wahlen auch eine „echt” österreichische<br />

Lösung <strong>an</strong>bieten: Neben jeder Wahlurne ist demnach ein Beichtstuhl einzurichten,<br />

strikt getrennt selbstverständlich. Beachten Sie die Reihenfolge:<br />

Zunächst wird Ihnen die Beichte abgenommen, und Ihr Beichtgeheimnis<br />

bleibt gewahrt. D<strong>an</strong>n betreten Sie die Wahlkabine. Und siehe da, ein Warnhinweis:<br />

Bitte beachten Sie vor der Wahl: Fegefeuer ersatzlos gestrichen!<br />

Simone Prenner, Mitinitiatorin des Wahlwechsels <strong>2010</strong>, wahlberechtigt.<br />

www.wahlwechsel.at<br />

<strong>an</strong>.sprüche<br />

Illustration: Bi<strong>an</strong>ca Tschaikner<br />

Ich sag dir, wen du wählen sollst, du kreuzt <strong>an</strong>. Die Nicht-Wahlberechtigten<br />

erheben ihre Stimmen und verschaffen sich d<strong>an</strong>k ihrer stimmberechtigten<br />

PartnerInnen, FreundInnen, KollegInnen oder Familien<strong>an</strong>gehörigen ein<br />

Mitspracherecht im nationalen Wahldunst. Einheimische, die für Fremde<br />

wählen, machten ihr Kreuz nach dem politischen Willen von jem<strong>an</strong>d <strong>an</strong>derem<br />

und verschafften ausgeschlossenen AusländerInnen so eine Stimme.<br />

Potenziell korrupt, würde ich sagen. Aber warum nicht, wenn es gerechter<br />

nicht geht?<br />

Die InitiatorInnen der diesjährigen Wahlwechsel-Kampagne forderten keine<br />

„2 people, 1 vote”-Dauerwahllösung, sondern ein grundsätzliches Mitbestimmungsrecht<br />

für all jene, deren Lebensmittelpunkt in Österreich ist. Zu<br />

viel verl<strong>an</strong>gt? Oder sollten wir alle neoliberale Millionärskinder sein, mit<br />

mehreren tausend Euro auf dem Konto, damit wir hierzul<strong>an</strong>de ohne behördlichen<br />

Druck studieren bzw. uns locker die Einbürgerung leisten können?<br />

Selbst wenn: Mit 1.000 Euro (etwa so viel kostet eine Staatsbürgerschaft)<br />

k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sich bessere Dinge einfallen lassen, als für einen Wisch Papier zu<br />

zahlen, der die Einbürgerung inhaltslos bekräftigt, eigentlich aber ab einer<br />

gewissen Aufenthaltsdauer und einem gewissen Integrationsgrad automatisch<br />

und weitgehend kostenfrei passieren müsste. „Unbefristete Aufenthalte”,<br />

einst in den Pässen eingetragen, sind schon längst passé. Selbst jene, die sie<br />

hatten, wurden zu einer befristeten Ausländercard mit „Daueraufenthalt-EG”<br />

befördert. Für diese verfassungswidrige Aktion in weißen H<strong>an</strong>dschuhen zahlt<br />

m<strong>an</strong> immer wieder saftig.<br />

Deshalb geht es hier um das Mitspracherecht, das den Leuten, die hier leben<br />

und wirken, von Haus aus und unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft<br />

gegeben werden sollte. Insofern hat die Wahlwechsel-Initiative ein klares,<br />

wenn auch provok<strong>an</strong>tes Signal gesetzt. Alle zusammen, trotz heterogener<br />

Urteilskraft, statt isoliert gegenein<strong>an</strong>der – und die Welt wird besser, denn das<br />

wollen wir ja alle, oder?<br />

Ana Petretto, keine Feministin, keine Aktivistin, keine Politikerin. Nicht-wahlberechtigte<br />

Filmproduzentin, Sängerin.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 23


zeitausgleich<br />

arbeitsfragen in allen lebenslagen<br />

Text: Bärbel Mende-D<strong>an</strong>neberg, Illustration: Nadine Kappacher<br />

Alt und fett<br />

„Alt und faul” hatten wir ja schon vor ein paar Ausgaben zum Thema.<br />

Jetzt also: alt und fett.<br />

Elfriede Ott ist alt. In der „Im Zentrum”-Diskussion zu den Pensionen<br />

(Titel: „Fressen Alte Zukunft auf?”) konnten wir die betagte Dame in<br />

einer Männerrunde sehen, ein bissel hilflos <strong>an</strong>gesichts der Zahlenspiele<br />

der sog. Herren Pensionsexperten. Mit 85 Jahren aber nicht zu alt, um<br />

zu arbeiten, wie ihr letzter Film zeigt. Das wollte uns die Männerrunde<br />

wohl auch sagen: Schaut euch bitte die Frau Ott <strong>an</strong>, alt, aber nicht faul,<br />

die arbeitet noch bis ins hohe Alter.<br />

Fett? K<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> so nicht sagen, ich kenne ihr Pensionskonto nicht. Dass<br />

dies ein wenig fetter sein dürfte als das der, sagen wir mal, Bedienerin<br />

oder Verkäuferin oder Kr<strong>an</strong>kenschwester, ist <strong>an</strong>zunehmen. Frau Ott ist<br />

umtriebig, so ein bisschen eine Ulknudel in ihrem jüngsten Film. Die<br />

Kunst bei der Kunst ist es, das Theater bis ins hohe Alter zu vermarkten.<br />

Vielleicht ist auch etwas Vitamin-B dabei, keine Ahnung, aber frau muss<br />

eben am Ball bleiben.<br />

Die Kunst bei der Krise ist es, bei allem Können und Wollen am Marktplatz<br />

der Arbeit einen gut bezahlten, nicht prekären Job zu finden. Am Ball zu<br />

bleiben. Ja, am Ball bleiben. Der rollt aber rund um den Erdball und ziemlich<br />

oft vorbei. Die Arbeitswelt ist ein neoliberales Theater, letzte Reihe<br />

Stehplatz. Das weiß die Bedienerin, die Verkäuferin, die Kr<strong>an</strong>kenschwester.<br />

Die feinen fetten Unterschiede beim Lohn, der Pension, den Arbeitsbedingungen<br />

interessieren die Pensionsexperten aber nicht. Also rauf mit dem<br />

Pensionsalter. Oder runter mit den Pensionen.<br />

Wer von uns Alten das Glück hat, ein bisschen was <strong>an</strong> Pension zu bekommen,<br />

weil wir brav gearbeitet haben – wenn wir also nicht durch Bildungshürden,<br />

Kindererziehen, Männer umsorgen, Alte pflegen, prekäre Arbeit,<br />

Generation Praktikum oder (wirtschafts-)politische Zw<strong>an</strong>gsmaßnahmen wie<br />

Arbeitslosigkeit dar<strong>an</strong> gehindert wurden – gehört zum Feindbild. Angedachte<br />

Feindbekämpfung: der grauen Flut das Wahlrecht ab einem bestimmten<br />

Alter verweigern? Die jungen ModernisierungsverliererInnen zw<strong>an</strong>gsweise<br />

Sozialdienste <strong>an</strong> uns Alten verrichten lassen? Echt fett.<br />

Ich würde so gerne, wie die Frau Ott, noch arbeiten. Als Journalistin.<br />

Und das fett bezahlt.<br />

Bärbel Mende-D<strong>an</strong>neberg, alt, nicht fett, aber mit 67 schon in die Jahre<br />

gekommen. Als Journalistin für die „Volksstimme“ und diverse Medien tätig,<br />

Herausgeberin und Autorin verschiedener Bücher, u.a. „Alter Vogel, flieg!<br />

Tagebuch einer pflegenden Tochter“.<br />

Nadine Kappacher gibt es da www.salon-nadine.at und dort<br />

http://meerweh.tumblr.com<br />

24 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

frauenförderung<br />

Gleichstellungspolitik ras<strong>an</strong>t<br />

Wien macht ernst: Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden in Zukunft<br />

<strong>an</strong> sogen<strong>an</strong>nte „soziale Ausführungsbedingungen” gekoppelt. Im Klartext<br />

sind damit Unternehmen zu frauenfördernden Maßnahmen verpflichtet<br />

– diese umfassen ebenso erhöhte Frauen<strong>an</strong>teile in allen Bereichen wie<br />

spezielle Förderungsmaßnahmen oder Kinderbetreuungsplätze. Wer sich<br />

nicht <strong>an</strong> die Vereinbarungen hält, wird zur Kasse gebeten.<br />

Betroffen von der Regelung sind Unternehmen mit mehr als 20 MitarbeiterInnen,<br />

die von der Stadt Wien einen mindestens sechs Monate laufenden<br />

Auftrag über eine Summe von mindestens 40.000 Euro bekommen.<br />

Vorerst gilt das Modell für Reinigungs- und Tr<strong>an</strong>sportdienste sowie<br />

für die Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten. L<strong>an</strong>gfristig, so Stadträtin<br />

S<strong>an</strong>dra Frauenberger (SPÖ), die das in Österreich bisher einzigartige<br />

Projekt gemeinsam mit den Grünen initiierte, sollen auch <strong>an</strong>dere<br />

Bereiche einbezogen werden. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek<br />

(SPÖ) ist <strong>an</strong>get<strong>an</strong> und prüft, wie sich der Wiener Schritt in „Sieben-<br />

Meilen-Stiefeln” auch auf Bundesebene gehen lässt. h<strong>an</strong><br />

http://diest<strong>an</strong>dard.at<br />

frauenquote<br />

Türöffner für neue Arbeitsformen<br />

„Die Quote ist vielleicht nicht die beste Lösung, um mehr Frauen in Führungspositionen<br />

zu bringen, aber die beste, die uns zur Verfügung steht”,<br />

bedient sich Telekom-Personalvorst<strong>an</strong>d Thomas Sattelberger bei Winston<br />

Churchill. Als erstes der 30 wichtigsten börsennotierten Unternehmen<br />

hat die Deutsche Telekom im März dieses Jahres eine Frauenquote<br />

eingeführt. Bis Ende 2015 sollen 30 Prozent der oberen und mittleren<br />

Führungspositionen im Unternehmen mit Frauen besetzt sein.<br />

„Der Zug, den wir aufs Gleis gesetzt haben, rollt”, zieht Sattelberger<br />

sechs Monate nach Einführung der Frauenquote eine positive Bil<strong>an</strong>z. So<br />

ist der Anteil von Frauen bei der Einstellung von Top-Nachwuchskräften<br />

von 33 auf 52 Prozent gestiegen, im M<strong>an</strong>agement-Entwicklungsprogramm<br />

sind jetzt 31 statt 18 Prozent Frauen vertreten. Nur auf oberster<br />

Ebene herrscht noch Nachholbedarf. Aber immerhin sitzen im 60köpfigen<br />

M<strong>an</strong>agement-Team unterhalb des Konzernvorst<strong>an</strong>ds seit März<br />

sechs Frauen, vier mehr als davor. Und auch die Männer profitieren von<br />

der Frauenquote: Diese habe sich „als Türöffner für Varietät und neue<br />

Arbeitsformen erwiesen”, so Sattelberger. Seit 2009 hat sich der Anteil<br />

der Männer, die in Elternzeit gehen, um fast 40 Prozent erhöht. kaiv<br />

www.telekom.com, www.frauenrat.de, http://diest<strong>an</strong>dard.at<br />

gender pay gap<br />

Neue Zahlen zur Einkommensgerechtigkeit<br />

Seit 29. September arbeiten Frauen in Österreich – statistisch gesehen<br />

– gratis. Der diesjährige „Equal Pay Day” erinnerte wieder dar<strong>an</strong>, wie<br />

es hierzul<strong>an</strong>de um die Einkommensgerechtigkeit bestellt ist: Österreich<br />

liegt im EU-R<strong>an</strong>king <strong>an</strong> vorletzter Stelle. Ein wenig erfreulicher sind<br />

die Daten des vom World Economic Forum erhobenen „Global Gender<br />

Gap Report <strong>2010</strong>”: Österreich hat sich im Vergleich zum Vorjahr um fünf<br />

Ränge verbessert und liegt jetzt auf Platz 37 (von insgesamt 134).<br />

Erstmals gibt es nun auch Zahlen aus dem österreichischen Bundesdienst:<br />

Der jüngste Einkommensbericht zeigt, dass auch im öffentlichen<br />

Dienst geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede existieren.


Nachdem die Bezüge im Bundesdienst gesetzlich geregelt sind, fallen die<br />

Unterschiede im Einkommen (15,9 Prozent) im Vergleich zur Privatwirtschaft<br />

(22 Prozent) aber geringer aus. Begründet wird der trotzdem<br />

bestehende Gender Pay Gap vor allem mit dem Faktor Alter – denn im<br />

Bundesdienst wird nach dem Senioritätsprinzip entlohnt: Wer älter ist,<br />

verdient mehr – und Frauen im Bundesdienst sind im Durchschnitt jünger<br />

als die dort arbeitenden Männer. Aber auch <strong>an</strong>dere Faktoren führen zum<br />

Einkommensunterschied, wie etwa dass Männer mehr Überstunden als<br />

Frauen leisten. Durch die Förderung von Frauen in Führungspositionen,<br />

aktives Karenzm<strong>an</strong>agement und eine genaue Analyse der unterschiedlichen<br />

Verteilung der Überstunden soll nun die Einkommensschere im<br />

öffentlichen Dienst verkleinert werden. be<br />

http://frauen.bka.gv.at/site/5556/default.aspx#a1, www.weforum.org/pdf/gendergap/<br />

report<strong>2010</strong>.pdf, http://diest<strong>an</strong>dard.at, www.frauen.spoe.at<br />

AktivistInnen in Graz für faire Arbeitsbedingungen in der Outdoor-Br<strong>an</strong>che, © Südwind<br />

cle<strong>an</strong> clothes<br />

Aktion für faire Arbeitsbedingungen<br />

Über die schlechten Arbeitsbedingungen in der Textilbr<strong>an</strong>che informiert<br />

die Cle<strong>an</strong> Clothes Kampagne (CCK) regelmäßig. Sie ist Teil der Cle<strong>an</strong><br />

Clothes Campaign (CCC) – einem Netzwerk, das in 14 europäischen Ländern<br />

mit 250 Partnerorg<strong>an</strong>isationen vertreten ist. Faire Arbeitsbedingungen<br />

– und damit <strong>an</strong>gemessene Löhne und Sozialleistungen – will die CCK<br />

u.a. durch Druck auf Markenfirmen, Information für KonsumentInnen oder<br />

die Unterstützung von ArbeitnehmerInnen erreichen.<br />

Im Fokus der letzten Aktion „Discover Fairness!” st<strong>an</strong>d die boomende<br />

Outdoor- und Funktionsbekleidungsbr<strong>an</strong>che. Bei Straßenaktionen in<br />

Innsbruck, Salzburg, Linz, Graz und Wien setzten sich die Demonstrie-<br />

Wissenschaftskalender & Calls for Papers<br />

renden für bessere Arbeitsbedingungen in dieser Br<strong>an</strong>che ein, denn<br />

„besonders das Bekenntnis zur Zahlung eines existenzsichernden Lohns<br />

fehlt beim Großteil der Unternehmen, und der ist ein Menschenrecht”,<br />

wie Michaela Königshofer, Koordinatorin der österreichischen Cle<strong>an</strong><br />

Clothes Kampagne, auf der CCK-Homepage erklärt. Dort findet sich auch<br />

eine Liste mit den Firmenprofilen von 14 Outdoor-Unternehmen, die u.a.<br />

zu Verhaltenskodizes und der Kontrolle von sozialen Mindestst<strong>an</strong>dards in<br />

den Produktions- und Zulieferbetrieben befragt wurden. pix/be<br />

www.cle<strong>an</strong>clothes.at<br />

arbeitsmarkt<br />

Mehr Jobs – aber für wen?<br />

Die Wiener Stadtregierung jubelte: Im Vergleich zum Vorjahr s<strong>an</strong>k im<br />

September die Zahl der Arbeitslosen in Wien um 0,3 Prozent. Was nach<br />

einem kleinen Erfolg klingt, ist aber im Detail für Frauen gar nicht positiv.<br />

Denn die Arbeitslosigkeit von Frauen ist im Steigen (plus 4,1 Prozent im<br />

Vergleich zu 2009), und besonders betroffen sind Migr<strong>an</strong>tinnen – in dieser<br />

Gruppe wurde ein Anstieg der Arbeitslosigkeit von 17,6 Prozent verzeichnet.<br />

Auch österreichweit bestätigt sich dieser Trend: Arbeitslosigkeit sinkt<br />

bei Männern und stagniert bei Frauen. Außerdem ist eine Zunahme gerade<br />

bei prekären Jobs wie Teilzeitstellen oder Leiharbeitsplätzen zu beobachten,<br />

wie Birgit Schatz, ArbeitnehmerInnensprecherin der Grünen, kritisiert.<br />

Jede_r zehnte in Österreich Beschäftige verdient nicht genug, um davon<br />

leben zu können. Zum Jubeln gibt es also wahrlich keinen Grund. be<br />

http://diest<strong>an</strong>dard.at<br />

ringvorlesung<br />

Nature meets Nurture<br />

<strong>an</strong>.riss arbeit wissenschaft<br />

Wie wird Geschlecht in Wissenschaft und Gesellschaft heute konzeptioniert?<br />

Inwieweit sind „Nature” (Angeborenes) und „Nurture” (Erworbenes)<br />

noch als dichotom zu sehen? Und wie verändern sich derartige<br />

Diskurse? Die Biologin und Gender-Studies-Professorin Sigrid Schmitz<br />

hat die diesjährige Ringvorlesung „Gendered Subjects” (Universität<br />

Wien) konzipiert. Hinter dem sperrigen Titel „Sind wir nie modern<br />

gewesen? Gender in der technologisierten Leistungsgesellschaft” verbergen<br />

sich aktuelle Debatten <strong>an</strong> der Schnittstelle von Naturwissenschaften<br />

und Gender Studies. Die Ringvorlesung ist öffentlich zugänglich, Interessierte<br />

dürfen sich auf Vorträge von Smilla Ebeling, Nina Degele, Ulrike<br />

Felt und vielen <strong>an</strong>deren freuen. be<br />

Termine: 9.11., 23.11., 30.11., 11.01., 25.01., jeweils Di, 18–20.45, 1090 Wien, Campus<br />

der Universität Wien Hof 2.8, Spitalgasse 2–4, Seminarraum des Instituts für Ethik und<br />

Recht in der Medizin (alte Kapelle), www.univie.ac.at/gender/index.php?id=12<br />

✪ Kongress: „Kritische Tage zum Geschlechterverhältnis“, H<strong>an</strong>nover, 2.–5.12., http://kongressgeschlechterkritikh<strong>an</strong>nover.blogsport.de<br />

✪ Ringvorlesung: „Jenseits der Geschlechtergrenzen“, Hamburg, Mittwoch 19–21.00, www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/test/jdggwise1011.pdf<br />

✪ Vortragsreihe: „Gender in der Populärkultur – interkulturelle Perspektiven“, Wien, 10.11., 15.12., 12.1.,<br />

www.<strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dtekunstgeschichte.net/lehre/<strong>2010</strong>w/gender_der_populaerkultur<br />

✪ Maria-Ducia-Frauenforschungspreis: Konzepte für nicht fertig gestellte Master- und Doktorarbeiten bis 23.11.,<br />

www.uibk.ac.at/leopoldine/gender-studies/preise/ducia.html<br />

✪ Papers für die Konferenz „Contested Truths: Re-Shaping <strong>an</strong>d Positioning Politics of Knowledge“, Abstract bis 1.12.,<br />

www.geschlecht-als-wissenskategorie.de<br />

✪ Artikel zum Thema „Gender <strong>an</strong>d Care“ für die Zeitschrift „GENDER“, Abstract bis 12.11., www.gender-zeitschrift.de<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 25


forum wissenschaft<br />

Schönheit vergeht?<br />

Foto: Fr<strong>an</strong>z Jachim<br />

1 Degele, Nina: Sich schön<br />

machen. Zur Soziologie von<br />

Geschlecht und Schönheitsh<strong>an</strong>deln,<br />

Wiesbaden 2004,<br />

S. 29.<br />

26 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

„Schönheit, mein Gott, Schönheit vergeht”,<br />

lautet die Antwort der 70-jährigen<br />

Wienerin Maria Schneider auf die Frage,<br />

w<strong>an</strong>n für sie eine Person in ihrem Alter<br />

schön ist. Dass diese Aussage von einer<br />

Frau stammt, verwundert nicht, schließlich<br />

unterscheiden sich die derzeitigen<br />

Körperideale in unserer Gesellschaft<br />

vor allem nach dem Geschlecht: Frauen<br />

werden vom sozial konstruierten<br />

Körperideal des jugendlichen Aussehens<br />

– inklusive einer faltenarmen Haut und<br />

einer schl<strong>an</strong>ken Figur – auf besondere<br />

Weise <strong>an</strong>gesprochen. Makellosigkeit<br />

und Reinheit unterstützen die öffentliche<br />

Darstellung uniformer weiblicher<br />

Körper, während das Schönheitsideal für<br />

Männer – trainiert, athletisch, muskulös<br />

– deren Individualität betont. Mit diesen<br />

geschlechtsspezifischen Schönheitsidealen<br />

ist eine stärkere kulturelle Normierung<br />

weiblicher Schönheitsst<strong>an</strong>dards im<br />

Vergleich zu männlichen verknüpft. So<br />

kritisiert Nina Degele den „Schönheitskult<br />

(…), der vor allem Frauen in ein<br />

enges Korsett von Schl<strong>an</strong>kheit, Jugend,<br />

Attraktivität, Sportlichkeit, Gesundheit<br />

und Leistungsfähigkeit schnürt”. 1<br />

Kaschieren, verdecken, verhüllen.<br />

Geschlechtsspezifische Körperideale<br />

und die damit verbundenen gesellschaftlichen<br />

Zuschreibungen gelten<br />

auch für Frauen und Männer im Alter<br />

zwischen 60 und 75 Jahren. In meiner<br />

in Wien im Zeitraum Dezember 2009<br />

bis März <strong>2010</strong> durchgeführten qualitativen<br />

Studie wurde deutlich, dass die<br />

Erfüllung der weiblichen Körpernorm<br />

„Schl<strong>an</strong>kheit” und das Erfahren damit<br />

einhergehender Effekte für ältere<br />

Frauen ein begehrenswertes Ziel ist.<br />

Auch wenn diese Körpernorm nicht<br />

(mehr) erreicht werden k<strong>an</strong>n, gilt sie<br />

dennoch als Vergleichsmaßstab für die<br />

Befragten. Ebenso werden körperliche<br />

Mehr denn je sind Körper heute Orte<br />

der Selbstinszenierung und Projektionsflächen,<br />

über die Menschen ihre Identität<br />

behaupten. Dies gilt auch für die Körper<br />

älterer Menschen.<br />

In ihrer Studie <strong>an</strong>alysiert Grit Höppner<br />

den Umg<strong>an</strong>g alternder Frauen und<br />

Männer mit geschlechtsspezifischen<br />

Schönheitsidealen.<br />

Anzeichen des Alter(n)s bestmöglich<br />

zu verdecken versucht, sei es durch die<br />

Verwendung „verjüngend” wirkender<br />

Cremes oder durch das Tragen „geeigneter”<br />

Kleidung.<br />

Letztere Schönheitsstrategie beschreibt<br />

eine 70-jährige Wienerin und ehemalige<br />

B<strong>an</strong>k<strong>an</strong>gestellte so: „Die Figur verändert<br />

[sich]. Zum Beispiel bei mir nicht<br />

das Gewicht, aber die Figur wird nachteiliger.<br />

(…) Das ist halt der normale<br />

biologische Prozess, den m<strong>an</strong> in einer<br />

Weise zwar akzeptieren muss, aber in<br />

<strong>an</strong>derer Weise doch versucht, so gut als<br />

möglich damit umzugehen. (…) Bei der<br />

Kleidung, (…) dass das nicht mehr so<br />

tailliert geht oder wo immer m<strong>an</strong> halt<br />

Schwachstellen hat, die m<strong>an</strong> eben ein<br />

bisschen kaschieren muss.”<br />

Eine 68-jährige Witwe und frühere<br />

Heimpflegerin beschreibt die Veränderungen<br />

in der Wahl ihrer Kleider<br />

hinsichtlich deren Tr<strong>an</strong>sparenz und


Auffälligkeit: „Es ist komischerweise<br />

oder weil es vielleicht durchsichtig ist.<br />

(…) Also zu auffallend soll es nicht<br />

mehr sein.” Eine ebenfalls 68-jährige<br />

Witwe merkt in Bezug auf ihren aktuellen<br />

Kleidungsstil <strong>an</strong>, dass dieser etwas<br />

traditioneller als früher ist: „Ich war<br />

vielleicht nicht g<strong>an</strong>z so eine Konservative,<br />

aber [auch] keine Ausgeflippte.”<br />

Doing Gender, Doing Age. Bei der Bekleidung<br />

für ältere Frauen kristallisieren<br />

sich tendenziell zwei Stile heraus:<br />

Ein figurbetonter, auffälliger Bekleidungsstil<br />

unterstützt – entsprechend<br />

der sozialkonstruktivistischen Theorie<br />

des „Doing Gender” – die Repräsentationsweise<br />

als „Frau”, während ein die<br />

Figur bedeckender und unauffälliger<br />

Bekleidungsstil – im Sinne eines „Doing<br />

Age” – als alterssignifik<strong>an</strong>tes Symbol<br />

gilt. Strategien gesellschaftlicher Regulierung<br />

wie Doing Gender und Doing<br />

Age werden dabei als Mech<strong>an</strong>ismen<br />

interpretiert, die menschliches H<strong>an</strong>deln<br />

entsprechend sozialer Normensysteme<br />

im Kontext neoliberaler Postulate – wie<br />

Eigenver<strong>an</strong>twortung und Leistungsbereitschaft<br />

– sowohl lenken als auch<br />

kontrollieren. Den Aussagen der befragten<br />

Frauen zufolge orientieren sie sich<br />

mit zunehmendem Alter verstärkt <strong>an</strong><br />

einem Bekleidungsstil, mit dem sie der<br />

Gruppe der „Alten” zugeordnet werden,<br />

während sie Figur betonende, eher<br />

durchsichtige und Aufmerksamkeit erregende<br />

Kleidungsstücke seltener tragen<br />

oder bewusst vermeiden. Daraus k<strong>an</strong>n<br />

gefolgert werden, dass ein steigendes<br />

Alter der weiblichen Repräsentationsweise<br />

entgegenläuft und damit eine<br />

Entfeminisierung des äußeren Erscheinungsbildes<br />

von Frauen unterstützt.<br />

Männliche Subjektivierung. Darüber<br />

hinaus scheint die Zuordnung als<br />

entweder weiblich (im Sinne des Doing<br />

Gender) oder alt (Doing Age entsprechend)<br />

eindeutiger zu sein als dies bei<br />

älteren Männern der Fall ist. Dies zeigt<br />

sich beispielsweise <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der Einstel-<br />

lung eines 65-jährigen verheirateten<br />

Wieners und ehemaligen Universitätsprofessors<br />

zum Schönheitsh<strong>an</strong>deln:<br />

Seine Motivation ist seit vielen Jahren<br />

unverändert durch die Prinzipien der<br />

Funktionalität und Einfachheit gekennzeichnet.<br />

Ein gleichaltriger, ehemaliger<br />

Bauingenieur beschreibt die Vorzüge<br />

des (männlichen) Alter(n)s folgendermaßen:<br />

„Das ist eben der Vorteil, wenn<br />

m<strong>an</strong> schon ein gewisses Alter hat, dass<br />

m<strong>an</strong> ein bisschen eine Narrenfreiheit<br />

genießt.” Die befragten Männer nehmen<br />

kaum Veränderungen im Rahmen<br />

ihrer Bekleidung in den letzten Jahren<br />

wahr und repräsentieren im Großen und<br />

G<strong>an</strong>zen auch weiterhin gesellschaftliche<br />

Vorstellungen von Männlichkeit. Die<br />

männliche Schönheitsnorm des individualisierten<br />

Körpers im Sinne der Beto-<br />

Schönheit vergeht nicht. Schönheit ist<br />

vielmehr ein Produkt gesellschaftlicher<br />

Aush<strong>an</strong>dlungsprozesse, sozialer Normen<br />

und individueller Repräsentationen.<br />

nung körperlicher Besonderheiten, der<br />

Nichtverdeckung von Alterszeichen und<br />

der intellektuellen Repräsentation ist,<br />

so konnte ich in der Studie zeigen, Teil<br />

männlicher Subjektivierungsprozesse.<br />

Schönheit vergeht nicht. Mit den gegenwärtig<br />

vorherrschenden gesellschaftlichen<br />

Körperbildern gehen also auch im<br />

Alter normative Zuschreibungen einher,<br />

die sich geschlechtsspezifisch unterscheiden.<br />

Frauen werden hierbei mit<br />

zunehmendem Alter auf besondere Weise<br />

marginalisiert. So gelten für ältere<br />

Frauen eher <strong>an</strong> Jugendlichkeit geknüpfte<br />

Schönheitsideale wie Makellosigkeit<br />

und Schl<strong>an</strong>kheit, die altersbedingten<br />

körperlichen Veränderungen entgegenstehen<br />

und deutlich repressiver wirken<br />

als die wesentlich individualisierteren<br />

Schönheitsideale älterer Männer. Diese<br />

erlauben es, körperliche Zeichen des<br />

Alter(n)s als Ausdruck von Persönlichkeit<br />

zu deklarieren. Männliche Subjektivierungsprozesse<br />

implizieren im<br />

Vergleich zu weiblichen also deutlich<br />

größere soziale und persönliche Freiräume.<br />

Die Definition dieser Freiräume<br />

wird in gesellschaftlichen Diskursen<br />

kreiert, bestätigt, von den befragten<br />

Frauen und Männern verinnerlicht und<br />

schließlich gelebt. Anh<strong>an</strong>d der Aussagen<br />

der Befragten sind Rückschlüsse<br />

auf (un-)bewusste vergeschlechtlichte<br />

Reproduktionsprozesse möglich, die auf<br />

gesellschaftlichen Vorstellungen konventioneller<br />

Weiblichkeit und Männlichkeit<br />

beruhen. Aus dieser Perspektive k<strong>an</strong>n<br />

die Repräsentation von Körperidealen<br />

als Strategie der Geschlechterdifferenzierung<br />

entschlüsselt werden. Diese ist<br />

hinsichtlich der heterosexuellen Norm<br />

in unserer Gesellschaft von Bedeutung,<br />

wird weibliche Attraktivität doch als<br />

mit männlichem sexuellen Begehren<br />

verknüpft gedacht.<br />

Die Attribute „alt” und „schön” bedienen<br />

damit hochgradig gegenderte,<br />

kulturelle Zuschreibungen, die letztlich<br />

zu einer Reproduktion und Bestätigung<br />

binärer, scheinbar naturgegebener<br />

Geschlechterdifferenzen führen. Umso<br />

selbstreflexiver und gesellschaftskritischer<br />

sollten soziale Inszenierungsformen<br />

über das Medium Körper ausgetragen<br />

werden: Schönheit vergeht nicht.<br />

Schönheit ist vielmehr ein Produkt<br />

gesellschaftlicher Aush<strong>an</strong>dlungsprozesse,<br />

sozialer Normen und individueller<br />

Repräsentationen. l<br />

Grit Höppner ist Absolventin des Masterstudiums<br />

Gender Studies (Universität<br />

Wien). Ihre Abschlussarbeit erscheint im<br />

Februar 2011 unter dem Titel „Alt und<br />

schön. Geschlecht und Körperbilder im<br />

Kontext neoliberaler Gesellschaften“<br />

im VS Verlag für Sozialwissenschaften,<br />

Wiesbaden.<br />

forum wissenschaft<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 27


tr<strong>an</strong>s-aktivismus<br />

Tr<strong>an</strong>sgender<br />

Day of Remembr<strong>an</strong>ce<br />

Gwen Araujo war 17 Jahre alt, als sie 2002 in Newark, Kalifornien von vier Männern erschlagen wurde. Ihr Tod löste in den USA<br />

eine breite Diskussion über Tr<strong>an</strong>sphobie aus. Installation bei einer LGBTI-Demo im Mai 2009 in S<strong>an</strong> Fr<strong>an</strong>cisco, Foto: Bri<strong>an</strong> Kusler<br />

Quellen:<br />

www.tgeu.org (Aktuelle<br />

Ergebnisse des Monitoring-<br />

Projekts: http://www.tgeu.<br />

org/node/94#t-dor-de5)<br />

http://tgeu.net<br />

www.tr<strong>an</strong>srespect-tr<strong>an</strong>sphobia.org<br />

www.tr<strong>an</strong>sgenderdor.org (mit<br />

einer internationalen Liste<br />

von Aktionen zum diesjährigen<br />

TDOR)<br />

www.rememberingourdead.org<br />

www.tr<strong>an</strong>sinterqueer.org<br />

www.diskursiv.at<br />

28 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Anlass, den „Tr<strong>an</strong>sgender Day of Rembr<strong>an</strong>ce”<br />

(TDOR) auszurufen, war der<br />

Tod von Rita Hester aus Boston, die am<br />

28. <strong>November</strong> 1998 Opfer eines Hate-<br />

Crimes wurde. Hesters Ermordung ist<br />

– so wie die meisten Hass-Verbrechen<br />

<strong>an</strong> Tr<strong>an</strong>sgender-Personen – bis heute<br />

nicht aufgeklärt. Das Verschweigen<br />

dieser Gewalt ist Teil der öffentlichen<br />

wie staatlichen Ignor<strong>an</strong>z, mit der<br />

Tr<strong>an</strong>s-Personen nach wie vor konfrontiert<br />

sind.<br />

Mit dem Gedenktag wurde zunächst<br />

in den USA, später auch in <strong>an</strong>deren<br />

Ländern ein öffentlicher Raum<br />

geschaffen, um sowohl gegen das<br />

Vergessen der Ermordeten aufzutreten<br />

als auch den Widerst<strong>an</strong>d von Tr<strong>an</strong>s-<br />

Aktivist_innen und deren Geschichte<br />

sichtbar zu machen. Seit zweieinhalb<br />

Jahren zeichnet zudem das „Tr<strong>an</strong>s<br />

Murder Monitoring Project” der NGO<br />

„Tr<strong>an</strong>sgender Europe” (TGEU) Morde<br />

<strong>an</strong> Tr<strong>an</strong>sgender-Personen in der g<strong>an</strong>zen<br />

Welt auf und veröffentlicht Statistiken<br />

und Namenslisten. 426 Namen und Geschichten<br />

wurden seither zusammengetragen,<br />

wobei es sich aber nur um jene<br />

Verbrechen h<strong>an</strong>delt, die auch medial<br />

oder durch Tr<strong>an</strong>s-Org<strong>an</strong>isationen publik<br />

gemacht wurden. Die meisten Morde<br />

werden aus Zentral- und Südamerika<br />

berichtet, sie machen 77 Prozent<br />

der Aufzeichnungen aus. Allein heuer<br />

sind bis zum Sommer weltweit über<br />

80 gewaltsame Todesfälle bek<strong>an</strong>nt<br />

geworden.<br />

Am „Tr<strong>an</strong>sgender Day of Remembr<strong>an</strong>ce”,<br />

der heuer am 20. <strong>November</strong><br />

stattfindet, werden rund um den Globus<br />

Aktionen und Ver<strong>an</strong>staltungen abgehalten,<br />

um das öffentliche Bewusstsein<br />

für physische und strukturelle Gewalt<br />

gegen Tr<strong>an</strong>s-Personen zu stärken<br />

und darüber hinaus auch der Tr<strong>an</strong>sphobie<br />

im Alltag entgegenzutreten.<br />

So hat TGEU neben dem erwähnten<br />

Monitoring-Projekt in diesem Jahr<br />

auch das Forschungsprojekt „Tr<strong>an</strong>srespect<br />

versus Tr<strong>an</strong>sphobia Worldwide”<br />

initiiert, um sich verstärkt der allgemeinen<br />

Menschenrechtssituation von<br />

Tr<strong>an</strong>s-Personen zu widmen und u.a.<br />

Daten und Rechtsinformationen für<br />

Aktivist_innen bereitzustellen, die im<br />

täglichen Kampf gegen Diskriminierung<br />

und Unterdrückung eingesetzt<br />

werden können.<br />

Seit 1999 findet jährlich im<br />

<strong>November</strong> der „Tr<strong>an</strong>sgender<br />

Tag des Erinnerns” statt, <strong>an</strong><br />

dem jener Menschen gedacht<br />

wird, die durch tr<strong>an</strong>sphobe<br />

Gewaltverbrechen ums Leben<br />

kamen.<br />

Auch wenn sich nicht jede Person, der<br />

am „Tr<strong>an</strong>sgender Day of Remembr<strong>an</strong>ce”<br />

gedacht wird, selbst als Tr<strong>an</strong>sgender<br />

definiert hat – sie alle wurden Opfer von<br />

Gewalt, die auf der Voreingenommenheit<br />

gegenüber Tr<strong>an</strong>s-Personen beruht.<br />

„Wir demonstrieren mit Wut gegen ein<br />

Gesellschaftssystem, in dem prinzipiell<br />

nur Männer und Frauen wahrgenommen<br />

und alle <strong>an</strong>deren Geschlechtlichkeiten<br />

unsichtbar gemacht werden. (…) Wir<br />

demonstrieren für ein besseres, freieres<br />

Leben, in einer Gesellschaft, in<br />

der alle so leben dürfen, wie sie es wünschen<br />

– ob Tr<strong>an</strong>s*, weder*noch, Crossdresser_innen,<br />

Tr<strong>an</strong>svestit_innen, Tr<strong>an</strong>ssexuelle,Tr<strong>an</strong>sidentische,<br />

Intersexuelle,<br />

Tr<strong>an</strong>sen, Tunten, Zwitter, Dragkings und<br />

Tr<strong>an</strong>sgender, ob mit OP(s) oder ohne,<br />

hetero oder homo, oder sonstwie, mit einem,<br />

zwei oder mehreren Partner_innen,<br />

mit Kindern oder ohne …” (Homepage<br />

von Tr<strong>an</strong>sInterQueer)<br />

Gemeinsam im Gedenken – und gegen<br />

die Tr<strong>an</strong>sphobie „in den Köpfen und auf<br />

der Straße”. l<br />

Aufzeichnung: Sylvia Köchl, Vina Yun


„Wozu die Hose?“<br />

Julia Amore ist eine der wichtigsten Tr<strong>an</strong>s-Aktivist_innen in Argentinien.<br />

Daphne Ebner hat die Schauspielerin und Journalistin in Buenos Aires<br />

zum Gespräch über den Kampf gegen ungleiche Bildungsch<strong>an</strong>cen und<br />

die Entdeckung der Tr<strong>an</strong>s-Identität als neuestes Modethema getroffen.<br />

Argentinien hat Grund zum Feiern: Am<br />

22. Juli <strong>2010</strong> wurde eine Gesetzesänderung<br />

verabschiedet, die gleichgeschlechtlichen<br />

Paaren nicht nur wie bisher die<br />

Eingetragene Partnerschaft, sondern die<br />

zivile Eheschließung erlaubt. Bereits im<br />

ersten Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes<br />

wurden über 80 gleichgeschlechtliche<br />

Ehen geschlossen.<br />

Mittlerweile arbeitet die Lobby-Org<strong>an</strong>isation<br />

FALGBT (Federación Argentina<br />

de Lesbi<strong>an</strong>as, Gays, Bisexuales y Tr<strong>an</strong>s)<br />

<strong>an</strong> drei Projekten zur Gleichberechtigung<br />

von Tr<strong>an</strong>s-Personen in Argentinien:<br />

So soll bis Ende des Jahres über den<br />

Gesetzentwurf zur Gender-Identität (Ley<br />

de identidad de género) entschieden<br />

werden, über den in Uruguay bereits<br />

2009 erfolgreich abgestimmt wurde.<br />

Das neue Gesetz soll es Tr<strong>an</strong>s-Personen<br />

künftig erlauben, innerhalb der üblichen<br />

90 Tage einen Personalausweis zu erhalten,<br />

dessen Daten ihrem real gelebten<br />

Geschlecht entsprechen. Bis jetzt müssen<br />

Tr<strong>an</strong>s-Personen in Argentinien dafür die<br />

demütigende wie pathologisierende Prozedur<br />

eines medizinischen Gutachtens<br />

sowie ein l<strong>an</strong>gwieriges Gerichtsverfahren<br />

in Kauf nehmen.<br />

Ein <strong>an</strong>deres Projekt zielt darauf ab,<br />

das staatliche Gesundheitssystem zu<br />

erweitern, um der hohen Sterblichkeitsrate<br />

unter Tr<strong>an</strong>s-Personen entgegenzuwirken,<br />

die sich ohne ärztliche Kontrolle<br />

Hormonbeh<strong>an</strong>dlungen und Operationen<br />

unterziehen. Erste Erfolge verbucht ein<br />

weiteres Projekt zur Integration von<br />

Tr<strong>an</strong>s-Personen in das argentinische<br />

Bildungssystem: Nach einer Testphase<br />

in La Mat<strong>an</strong>za wird die Initiative nun<br />

auf weitere Bezirke der Provinz Gr<strong>an</strong><br />

Buenos Aires ausgeweitet. So soll<br />

künftig auch in den Schulen in Morón,<br />

L<strong>an</strong>ús, Lomas de Zamora und General<br />

Pueyrredón das Personal dahingehend<br />

geschult werden, die Gender-Identitäten<br />

junger Tr<strong>an</strong>s-Schüler_innen im Alltag<br />

zu respektieren, beispielsweise was<br />

den Namen und die Wahl der s<strong>an</strong>itären<br />

Einrichtungen <strong>an</strong>geht.<br />

In diesem Bildungsprojekt arbeitet auch<br />

die Aktivistin Julia Amore mit. Sie ist<br />

eine der präsentesten Tr<strong>an</strong>s-Frauen in<br />

der argentinischen Öffentlichkeit: als<br />

Theaterschauspielerin und Kabarettistin,<br />

als Journalistin der renommierten<br />

Tageszeitung „Pagina 12” und als Tr<strong>an</strong>s-<br />

Aktivistin, die sich seit Jahren für die<br />

Gleichberechtigung von Tr<strong>an</strong>s-Personen<br />

in Argentinien engagiert.<br />

2007 gründete sie zusammen mit Marlene<br />

Wayar, Nati Menstrual und Susy<br />

Shock „El Teje”, die erste lateinamerik<strong>an</strong>ische<br />

Zeitung von und für Tr<strong>an</strong>s-Personen.<br />

In ihrer regelmäßigen Kolumne<br />

beschreibt sie, was es bedeutet, den<br />

Weg bis zur geschlechts<strong>an</strong>gleichenden<br />

Operation zu gehen, der sie durch die<br />

argentinische Bürokratie, Gerichte und<br />

Kr<strong>an</strong>kenhäuser, aber auch durch persönliche<br />

Zweifel und Konflikte führt.<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Welche Erfahrungen hast du<br />

bisher mit dem Projekt zur Wiedereinschulung<br />

und Integration von<br />

Tr<strong>an</strong>s-Personen in das argentinische<br />

Bildungssystem gemacht?<br />

Julia Amore: Es h<strong>an</strong>delt sich um ein<br />

sehr ambitioniertes Projekt, das in Zusammenarbeit<br />

mit den Ministerien für<br />

Bildung und Arbeit entwickelt worden<br />

ist. Allerdings ist die Integration von<br />

Tr<strong>an</strong>s-Personen extrem schwierig. Denn<br />

es ist ja nicht nur das Schulsystem,<br />

sondern die Gesellschaft <strong>an</strong> sich, aus der<br />

sie fast völlig ausgeschlossen sind. Eines<br />

der l<strong>an</strong>gfristigen Ziele ist beispielsweise,<br />

dass es endlich eine erste Generation<br />

von Tr<strong>an</strong>s-Personen gibt, die <strong>an</strong> den<br />

Universitäten studiert. Im Moment ist<br />

das noch die absolute Ausnahme.<br />

Wor<strong>an</strong> liegt das?<br />

Die Institutionen sind nicht vorbereitet<br />

auf Leute wie sie. Weder die Lehrer_innen<br />

noch die Schulleitung. Das Projekt<br />

richtet sein Augenmerk auf genau diese<br />

Problematik.<br />

Was passiert mit jungen Tr<strong>an</strong>s-Frauen,<br />

wenn ihnen der Zug<strong>an</strong>g zum Bildungssystem<br />

verweigert wird?<br />

Gerade auf dem L<strong>an</strong>d ist die Existenz<br />

der Tr<strong>an</strong>s-Frauen nach wie vor von<br />

einem Leben auf der Straße und in der<br />

Prostitution bestimmt. Und das von klein<br />

auf. Die meisten beginnen mit zehn oder<br />

elf Jahren. Deswegen ist es so wichtig,<br />

die Lehrer_innen in den Schulen fortzubilden,<br />

wie m<strong>an</strong> mit so einem jungen<br />

Menschen umgehen k<strong>an</strong>n, der bereits<br />

spürt, dass er <strong>an</strong>ders ist. Damit dieses<br />

Kind wiederum mit seiner Wesensart<br />

umzugehen lernt, ohne die Schule zu<br />

schmeißen, ausgeschlossen oder diskriminiert<br />

zu sein. Und ohne zu leiden.<br />

Denn das ist es, was uns allen passiert.<br />

Die Berührungsängste beginnen ja<br />

schon bei der Sprache. „Tr<strong>an</strong>s“ oder<br />

„travesti“ – welchen Begriff bevorzugst<br />

du selber?<br />

„Tr<strong>an</strong>s” – das ist neutraler. „Travesti” als<br />

Begriff ist dagegen sehr limitierend.<br />

Und zumindest hier in Argentinien ist die<br />

Bezeichnung „Travesti” zudem teilweise<br />

pejorativ besetzt. Nicht für mich persönlich,<br />

aber gerade umg<strong>an</strong>gssprachlich<br />

tr<strong>an</strong>s-aktivismus<br />

Plakat vom Solo-Kabarett-Programm von Julia Amore, 2009<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 29


tr<strong>an</strong>s-aktivismus<br />

Foto: Libertinus Yom<strong>an</strong>go<br />

30 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

wird es in vielen Kontexten so benutzt.<br />

Im kollektiven Bewusstsein wird mit<br />

„Travesti” vieles assoziiert, was überhaupt<br />

nichts oder sehr wenig mit der<br />

Realität zu tun hat. Zudem differenziere<br />

ich zwischen einer travesti und beispielsweise<br />

einer tr<strong>an</strong>ssexuellen Person. Tr<strong>an</strong>s<br />

als Überbegriff schließt alle mit ein:<br />

Travestis, Tr<strong>an</strong>s-Männer, Tr<strong>an</strong>s-Frauen,<br />

intersex und Personen, die sich inmitten<br />

dieses Prozesses befinden.<br />

Die Präsenz von Tr<strong>an</strong>s-Frauen ist in<br />

Argentinien sehr viel stärker als die<br />

von Tr<strong>an</strong>s-Männern. Wo sind die Tr<strong>an</strong>s-<br />

Männer? Gibt es weniger?<br />

Ich weiß nicht, ob es weniger gibt, aber<br />

sie sind auf jeden Fall weniger sichtbar.<br />

Wor<strong>an</strong> liegt das?<br />

Erstens, weil ein Teil der Selbstinszenierung<br />

der „Mariquita” oder „Maricona”<br />

genau der ist, dass alle sie <strong>an</strong>gucken<br />

und sehen, wer sie ist. Wenn eine Tr<strong>an</strong>s-<br />

Frau endlich den W<strong>an</strong>del vollzogen<br />

hat, d<strong>an</strong>n unterstreicht sie das optisch<br />

auch. Sie genießt es, nach außen hin zu<br />

zeigen, dass sie ist, was sie sein möchte,<br />

und macht, worauf sie Lust hat. Damit<br />

erzeugt sie allein schon optisch viel<br />

mehr Aufmerksamkeit als ein Tr<strong>an</strong>s-<br />

M<strong>an</strong>n. Denn was Styling und die g<strong>an</strong>ze<br />

Aufmachung <strong>an</strong>geht, sind die meisten<br />

Männer nun mal simpler und weniger<br />

vielfältig. Und ein Tr<strong>an</strong>s-M<strong>an</strong>n unterstreicht<br />

eben das. Aber es gibt definitiv<br />

sehr viele von ihnen. Nur für sie ist es<br />

noch schwieriger als für Frauen, weil<br />

das Problem der gesellschaftlichen Akzept<strong>an</strong>z<br />

in ihrem Fall noch größer ist.<br />

Wie sah denn deine eigene Schulzeit<br />

und Jugend aus?<br />

Mein Fall war speziell. Ich war l<strong>an</strong>ge<br />

Zeit ein etwas merkwürdig-<strong>an</strong>drogynes<br />

„Dazwischen” (grinst ironisch). Ich<br />

hatte Haare bis zu den Hüften, einen<br />

riesigen Lockenkopf, schwarz gefärbt,<br />

sehr rebellisch … (lacht). Und ich war<br />

„Juli”, verstehst du? In den Dokumenten<br />

st<strong>an</strong>d zwar noch Julio, aber ich<br />

war überall Juli. Was vor allem damit<br />

zusammenhing, dass ich eine moralische<br />

und fin<strong>an</strong>zielle Ver<strong>an</strong>twortung meinen<br />

Eltern gegenüber hatte. Da sie bereits<br />

ziemlich alt waren, musste ich für sie<br />

und das Haus aufkommen. Prostitution<br />

war für mich nie eine Option. Deswegen<br />

dachte ich: Dieses verkleidete,<br />

<strong>an</strong>drogyne Etwas finden die Leute<br />

stylish, und das k<strong>an</strong>n ich benutzen. Viele<br />

f<strong>an</strong>den mich nämlich unheimlich hip<br />

und modern, und ich bekam laufend<br />

Jobs in Modegeschäften usw. <strong>an</strong>geboten<br />

(lacht). Damit lief es eine g<strong>an</strong>ze Zeit<br />

l<strong>an</strong>g ziemlich gut. Ich hatte Arbeit,<br />

konnte gleichzeitig studieren und meine<br />

Ausbildung selbst fin<strong>an</strong>zieren.<br />

Hat es dir geholfen, dass du in dieser<br />

Zeit schon Theater gemacht hast?<br />

Ich weiß nicht, ob es geholfen hat. Das<br />

war eher schwierig. Ambivalent auf<br />

jeden Fall: Einerseits war da dieses<br />

unglaublich liberale Umfeld, wo alle<br />

offen und unkonventionell waren, auf der<br />

<strong>an</strong>deren Seite war es sehr schwer, vor<br />

allem mit den DozentInnen. Der Dozent,<br />

der dir hilft, eine Rolle zu entwickeln,<br />

verl<strong>an</strong>gt nun mal, dass du entweder<br />

M<strong>an</strong>n oder Frau bist, aber Möglichkeiten<br />

dazwischen gibt es nicht. Es war sogar<br />

ziemlich schwer, aber ich habe es durchgezogen<br />

und meinen Abschluss gemacht.<br />

Und wie wurde aus der <strong>an</strong>drogynen<br />

Styling-Ikone d<strong>an</strong>n Julia?<br />

Als meine Eltern starben, sagte ich mir:<br />

Ok, das war’s! Ich habe jetzt l<strong>an</strong>ge genug<br />

Röcke mit Hosen darunter getragen.<br />

Wozu die Hose? Aber das war auch das<br />

Einzige, was sich geändert hat. Ich hab<br />

mich nie operieren lassen. Das bisschen<br />

Busen und Hüften, das ich habe, ist Natur.<br />

Ich war schon immer so, wie ich heute<br />

bin. Die Leute, die mich seit Jahren kennen,<br />

sagen mir immer, dass ich mich im<br />

Grunde nie verändert habe. Das Einzige,<br />

was sich <strong>an</strong> mir verändert hat, ist der<br />

kleine Haken oben am O in meinem Namen,<br />

der nach unten gerutscht und zum A<br />

geworden ist: von Julio zu Julia.<br />

Du bist derzeit in zwei Stücken zu<br />

sehen: einmal in einer vergleichsweise<br />

konventionellen Frauenrolle in „Asesinas<br />

Anónimas“ (Deutsch: Anonyme<br />

Mörderinnen) von Jesús Gómez und<br />

d<strong>an</strong>eben als hochschw<strong>an</strong>gere, tr<strong>an</strong>ssexuelle<br />

Science-Fiction-Lesbe in<br />

„2035“ von Elisa Carricajo. Beeinflusst<br />

dein Status als Tr<strong>an</strong>s-Frau die<br />

Rollen<strong>an</strong>gebote, die du als Schauspielerin<br />

bekommst?<br />

Ich spiele schon meistens Frauenrollen.<br />

Wobei es bei den meisten Rollen<strong>an</strong>geboten<br />

tatsächlich immer wieder darum<br />

geht, die Nutte oder Tr<strong>an</strong>se oder beides<br />

in einem Stück zu spielen. Diese Art<br />

von Rollen nehme ich allerdings nicht<br />

mehr <strong>an</strong>. Es sei denn, es h<strong>an</strong>delt sich<br />

um ein gut begründetes, dramaturgisch<br />

ausgearbeitetes Projekt, das ich auch<br />

persönlich interess<strong>an</strong>t finde. Aber nur<br />

um das Klischee zu erfüllen: Nein, d<strong>an</strong>ke!<br />

Ich bin eine Frau wie jede <strong>an</strong>dere,<br />

von daher spiele ich auch Rollen wie<br />

jede <strong>an</strong>dere, in denen Gender-Fragen<br />

nicht berührt werden.<br />

Buenos Aires scheint sich im Moment<br />

zum Vorzeige-Schauplatz zu entwickeln,<br />

was Tr<strong>an</strong>sgender-Bel<strong>an</strong>ge in Lateinamerika<br />

<strong>an</strong>geht: Der Gesetzesvorschlag<br />

„Ley de identidad de género“<br />

ist eingebracht, im Dezember 2009<br />

wurde das mehrtägige Tr<strong>an</strong>s-Forum<br />

„Destravarte“ gegründet (vgl. <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong><br />

Nr. 3/<strong>2010</strong>), dein Integrations-Projekt<br />

in den Schulen geht in die nächste<br />

Etappe. Sind das punktuelle Erfolge,<br />

die längerfristig am Alltag der Tr<strong>an</strong>s-<br />

Personen nur wenig verändern, oder<br />

findet tatsächlich gerade ein gesellschaftlicher<br />

W<strong>an</strong>del statt?<br />

Es besteht nach wie vor das Problem<br />

der Akzept<strong>an</strong>z. Auch wenn es diesen<br />

g<strong>an</strong>zen Diskurs über gesellschaftliche<br />

Akzept<strong>an</strong>z gibt, den Mythos vom liberalen,<br />

offenen Denken und dass die Gesell-


schaft <strong>an</strong>geblich bereit für uns ist: Das<br />

ist eine Lüge, zumindest in Lateinamerika.<br />

Es fehlt <strong>an</strong> Empathie. Niem<strong>an</strong>d<br />

denkt dar<strong>an</strong>, dass er später mal eine<br />

Tr<strong>an</strong>s-Tochter haben könnte. Niem<strong>an</strong>d<br />

k<strong>an</strong>n sich vorstellen, einen Neffen zu<br />

haben, der tr<strong>an</strong>s ist. Und wenn es den<br />

Leuten d<strong>an</strong>n „passiert”, schlagen sie<br />

die Köpfe gegen die W<strong>an</strong>d, leiden,<br />

machen jede nur erdenkliche Therapie.<br />

Bis ihnen irgendw<strong>an</strong>n auffällt, dass es<br />

ihr Sohn ist, um den es geht. Und erst<br />

d<strong>an</strong>n fängt die wirkliche Akzept<strong>an</strong>z <strong>an</strong>:<br />

Wenn <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt wird, dass wir eine der<br />

Möglichkeiten sind, die das Leben bereithält,<br />

dass wir nicht unsichtbar sind,<br />

dass wir nun mal existieren. Diese Art<br />

der Akzept<strong>an</strong>z fängt im wahrsten Sinne<br />

des Wortes beim Einzelnen <strong>an</strong>.<br />

Wie beurteilst du die Arbeiten von<br />

Nicht-Tr<strong>an</strong>s-Leuten über Tr<strong>an</strong>s-Menschen?<br />

Das Interesse ist ja sehr groß:<br />

Künstler_innen, Sozialwissenschaftler_innen,<br />

sogar die Massenmedien –<br />

alle scheinen sich derzeit intensiv mit<br />

dem Thema zu beschäftigen.<br />

Schwierig. Hier in Argentinien und<br />

besonders in Buenos Aires k<strong>an</strong>nst du<br />

seit einigen Jahren ein Phänomen<br />

beobachten, das exemplarisch für<br />

die Konsumgesellschaft steht, in der<br />

ein Trend den nächsten ablöst: Wir<br />

„Travestis” sind gerade Mode! Das<br />

hat verschiedene Folgen, übrigens<br />

auch positive, aber die meisten sind<br />

eindeutig schädlich. Jedes neue<br />

argentinische Fernsehformat braucht<br />

im Moment zum Beispiel eine Art<br />

„Quoten-Tr<strong>an</strong>se”. Warum? Um sich zu<br />

amüsieren, sich lustig zu machen, sich<br />

dar<strong>an</strong> aufzugeilen. Gezeigt wird damit<br />

lediglich die bizarre, dunkle, schlechteste<br />

Seite von uns. Ein <strong>an</strong>gesehener<br />

Journalist hat kürzlich „einen Tag als<br />

Travesti” dokumentiert, als Frau verkleidet<br />

und mit versteckter Kamera.<br />

Als ob es darum ginge, sich als M<strong>an</strong>n<br />

oder Frau zu verkleiden.<br />

„Jedes neue argentinische Fernsehformat<br />

braucht im Moment eine Art ,Quoten-Tr<strong>an</strong>se‘.<br />

Warum? Um sich zu amüsieren, sich lustig zu<br />

machen, sich dar<strong>an</strong> aufzugeilen.“<br />

lexikon<br />

Was die Konsument_innen d<strong>an</strong>n wiederum<br />

mit der Realität gleichsetzen?<br />

Ich sage ja nicht, dass die Sexarbeit<br />

nicht einen wesentlichen Teil der Realität<br />

der meisten Tr<strong>an</strong>s-Frauen bestimmt.<br />

Aber genau gegen diesen Automatismus<br />

sollten wir vorgehen, dass für die<br />

meisten der Strich die einzige Option<br />

ist. Warum heißt tr<strong>an</strong>s sein automatisch,<br />

zur Prostitution verdammt zu sein?<br />

Ich habe daher zwei Ziele: Einerseits<br />

denen, die auf den Strich gehen, Alternativen<br />

aufzeigen und sie dabei unterstützen.<br />

Und auf der <strong>an</strong>deren Seite die<br />

Geschichte jeder einzelnen zu betrachten<br />

und zu differenzieren. Denn es gibt<br />

nicht die Travesti, sondern tausende von<br />

Einzelgeschichten. l<br />

Daphne Ebner studierte Dramaturgie und<br />

Ethnologie <strong>an</strong> der Universidad de Buenos<br />

Aires und in München. Sie schreibt zu den<br />

Themen Tr<strong>an</strong>s*Gender, Lateinamerika und<br />

tr<strong>an</strong>snationale Theaterentwicklungen.<br />

Die sp<strong>an</strong>ische Bezeichnung „Travesti“ ist weder mit dem<br />

deutschen Travestie-Begriff, der eine Kunstform bezeichnet,<br />

noch mit dem Wort „Tr<strong>an</strong>svestit“ gleichzusetzen (und wurde<br />

daher nicht übersetzt). Im argentinischen Alltagsgebrauch<br />

wird „travesti“ sehr häufig und in unterschiedlichsten Kontexten<br />

verwendet, meist in abwertenden und beleidigenden Zusammenhängen.<br />

Im Zuge von Selbstermächtigungsstrategien wird<br />

der Begriff von einigen Tr<strong>an</strong>s-Frauen bewusst eingesetzt, um ihn neu zu<br />

konnotieren. So bezeichnet sich z.B. „El Teje“ selbstbewusst als erste<br />

„Travesti“-Zeitung.<br />

„Mariquita“ oder „Maricona“ ist vom Schimpfwort „Maricón“ für homosexuelle<br />

Männer abgeleitet und wird auf Tr<strong>an</strong>s-Frauen übertragen,<br />

wobei im Machismo die Übergänge zwischen „feminin“, schwul und tr<strong>an</strong>s<br />

fließend und teilweise austauschbar sind. Ebenfalls teilweise als Selbstbezeichnung<br />

mit neuer Konnotierung in Gebrauch. Daphne Ebner<br />

leben mit kindern<br />

heim<br />

spiel<br />

Alice Ludvig<br />

Die „Grippe“<br />

Mein Sohn geht seit Ende Februar in eine Grippe. Ja, ich nenne<br />

die Krippe so, denn es h<strong>an</strong>delt sich um eine einzige Viren- und<br />

Bazillenschleuder. Wenn ich ihn morgens dort abliefere, k<strong>an</strong>n<br />

ich das Rasseln und Schnaufen in den Brustkörben der <strong>an</strong>deren<br />

Kinder hören. Er selbst hatte von Ende Februar bis Ende Mai<br />

einen sehr schlimmen Bronchialhusten. Erst die dritte Homöopathin<br />

konnte das lindern. Davor halfen weder Säuglingsinhalatoren<br />

noch herkömmliche Globuli. Ja, ich nenne die Krippe<br />

Grippe.<br />

Aber ohne sie wäre das Leben nur halb so schön. Er ist so<br />

wunderbar entsp<strong>an</strong>nt und müde, und wenn ich ihn frühmorgens<br />

hinbringe, jauchzt er schon beim Eing<strong>an</strong>gstor vor Freude. Worauf<br />

eigentlich? Ich habe keine Ahnung. Laut Fachliteratur sind<br />

Kleinkinder erst nach eineinhalb Jahren zu sozialen Kontakten<br />

außerhalb der engsten Familie fähig. Im Mai war er erst neun<br />

Monate alt, weit unter der Grenze. Kr<strong>an</strong>k sind Kinder d<strong>an</strong>n laut<br />

Lektüre übrigens im zweiten Lebensjahr durchschnittlich 19<br />

Mal. Darauf bin ich nun vorbereitet!<br />

Eines Morgens habe ich zum Beispiel bemerkt, dass seine Augen<br />

leicht gelblich verklebt waren. Ich habe das Sekret weggewischt<br />

und ihn in seine Grippe gebracht. Vielleicht ist das unver<strong>an</strong>twortlich,<br />

aber ich war überzeugt, dass die Damen dort viel mehr<br />

Erfahrung mit Kindern hätten, und wenn irgendetwas <strong>an</strong>steckend<br />

wäre, würden sie es sicher melden. Außerdem musste ich in<br />

die Arbeit. Ein guter Grund. Als ich ihn am Nachmittag wieder<br />

abholte, sah er g<strong>an</strong>z normal aus, vielleicht immer noch ein wenig<br />

verklebt. Nach zwei Stunden <strong>an</strong> der frischen Luft floss ihm der<br />

Eiter wie Tränen aus den Augen. Anscheinend wurde ihm auch in<br />

seiner Grippe das Sekret fortgewischt. Diese Augenentzündung<br />

dauerte eine volle Woche. Ich gebe immer noch der S<strong>an</strong>dkiste<br />

die Schuld, in die ich ihn gemeinsam mit einer Freundin am Vortag<br />

gesetzt hatte. Irgendwelche Bazillen halten sich dort sicher<br />

auch auf. Aber wer weiß das schon?<br />

Alice Ludvig ist Alleinerzieherin und lebt in Wien.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 31


<strong>an</strong>.riss kultur<br />

1950er jahre<br />

Lesben sind immer<br />

und überall<br />

Das QWIEN, Zentrum für<br />

schwul/lesbische Kultur<br />

und Geschichte, widmet<br />

sich einem Stück Frauengeschichte,<br />

das weitgehend<br />

unerforscht ist: lesbischem<br />

Leben in den 1950er Jahren.<br />

Frauenbilder aus dieser<br />

Zeit sind geprägt vom Wirtschaftswunder,<br />

technisch<br />

aufgerüsteten Küchen mit<br />

darin befindlichen braven<br />

Haus- und Ehefrauen – alles,<br />

was unter das Stichwort<br />

„miefig” fällt. Lesbisches<br />

Leben war zudem durch das strafrechtliche Verbot zur Heimlichkeit<br />

verdammt. Schriftliches, bildliches oder auch mündliches Quellenmaterial<br />

gibt es daher nur sehr spärlich.<br />

Das QWIEN will nun mit einem längerfristigen Projekt diese Geschichte<br />

wieder sichtbar machen. Am 17. <strong>November</strong> findet eine Vortrags- und<br />

Gesprächsver<strong>an</strong>staltung statt, die unterschiedliche Aspekte des lesbischen<br />

Lebens in den 1950ern beleuchten wird. Außerdem ist das Archiv<br />

des QWIEN auf der Suche nach Informationen über Frauenbeziehungen<br />

dieser Zeit. Wer dazu Material besitzt oder etwas zu erzählen hat, k<strong>an</strong>n<br />

sich – auch <strong>an</strong>onym – melden: QWIEN Archiv, Große Neugasse 29, 1040<br />

Wien; T: 01/9660110, archiv@qwien.at sylk<br />

„Wenn die Conny mit der Petra …“ Aspekte lesbischen Lebens in den 50er Jahren.<br />

17.11.<strong>2010</strong>, 19.00, Das Gugg, Heumühlgasse 14, 1040 Wien, mit Kirsten Plötz (D),<br />

Ines Rieder (A), Katharina Miko (A) u.a., www.qwien.at<br />

jubiläums-dating<br />

ArtNet wird Zehn<br />

Im Jahr 2000 gründeten Irene Knava, Alex<strong>an</strong>dra Steiner und Isabella<br />

Urb<strong>an</strong> die Org<strong>an</strong>isation ArtNet, um kunst- und kulturschaffende Frauen<br />

sichtbar zu machen und dadurch zu stärken. ArtNet ermöglicht es Frauen<br />

in Kulturberufen, sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen. Am<br />

4. <strong>November</strong> feiert ArtNet sein Zehnjähriges nun mit einem g<strong>an</strong>z besonderen<br />

Speed-Dating: 20 Kulturexpertinnen (unter ihnen Ulrike Heider-<br />

Lintschinger, Geschäftsführerin des T<strong>an</strong>zquartier Wien) stehen im Wiener<br />

brut bereit, um in 60 je halbstündigen Gesprächen Interessierte <strong>an</strong> ihren<br />

Erfahrungen und ihrem Wissen teilhaben zu lassen. „We got the power”,<br />

nennt sich die Ver<strong>an</strong>staltung – denn im Netzwerk liegt die Kraft. miak<br />

4.11., We got the Power – Ohne Frauen geht in der Kultur gar nichts!, 18–19.30, Einlass<br />

ab 17.00, brut im Konzerthaus, 1030 Wien, Lothringerstraße 20; Anmeldung unter office@<br />

audiencing.net ist unbedingt erforderlich. www.audiencing.net/artnet/we-got-the-power<br />

symposium<br />

Verrat – eine Untugend als Forschungsprojekt<br />

Viele PhilosophInnen und SchriftstellerInnen haben sich im Laufe der<br />

Geschichte Ged<strong>an</strong>ken über den „Verrat” gemacht, nicht zuletzt der<br />

marxistische Existentialist André Gorz in seinem Buch „Der Verräter”:<br />

32 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

„Verrat muss furchtlos vor möglicher Rache sein.”<br />

Auch das Frauen.Kultur.Labor thealit in Bremen widmet sich in seinem<br />

aktuellen Laboratorium diesem Thema. Im Oktober starteten diverse<br />

künstlerische Tests, um den Begriff genauestens zu <strong>an</strong>alysieren. Im Forschungsprojekt<br />

werden (entstehende) Projekte vorgestellt, Testversionen<br />

von Bewährungsproben am Publikum ausprobiert und zum konkreten eigenen<br />

Verrat im experimentellen Rahmen aufgefordert. Im Februar 2011<br />

wird weiter geforscht, mit einer Ausstellung und einem Symposium. miak<br />

www.thealit.de<br />

auszeichnung<br />

Goldenes Ehrenzeichen für Traude Kossatz<br />

„Meine Arbeit ist noch nicht beendet!”, sagte Traude Kossatz, Gründerin<br />

und künstlerische Direktorin des Wiener Figurentheaters LILARUM, als<br />

ihr das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich<br />

verliehen wurde. Nach über 30 Jahren künstlerischen Schaffens wurde<br />

ihr diese offizielle Anerkennung im Oktober zuteil.<br />

1939 geboren (s. auch Porträt in <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 7–8/2006), lernte Kossatz den<br />

Beruf der Uhrmacherin und w<strong>an</strong>dte sich später der Malerei zu. Die Beschäftigung<br />

mit bildender Kunst führte sie zum Entwerfen erster Schattenfiguren<br />

und Puppen, bis sie sich schließlich selbstständig machte und<br />

1980 das LILARUM gründete. Dieses funktionierte in den Anf<strong>an</strong>gstagen<br />

noch als W<strong>an</strong>derbühne, f<strong>an</strong>d einen ersten festen Spielort im 14. Wiener<br />

Gemeindebezirk und ist seit 1997 im 3. Bezirk <strong>an</strong>gesiedelt. Kossatz, die<br />

als Jugendliche nur heimlich ins Theater gehen konnte, darf sich heute<br />

durch ihre Pionierarbeit Direktorin von Wiens größtem Kindertheater<br />

nennen. Wir gratulieren! be<br />

www.lilarum.at<br />

ausstellung<br />

Die Geheimnisse der „Busenlosen“<br />

Was r<strong>an</strong>ken sich nicht alles für Legenden um die Amazonen: Ihr Söhne<br />

hätten sie umgebracht und sich den Busen abgeschnitten, um ihre Waffen<br />

besser h<strong>an</strong>dhaben zu können. Im Troj<strong>an</strong>ischen Krieg hätten sie mitgemischt,<br />

und die schöne Penthesilea habe gar dem Helden Achill den<br />

Kopf verdreht. Auch in der heutigen Zeit wird m<strong>an</strong> sie einfach nicht los:<br />

Angelina Jolie kämpft sich als Lara Croft durch allerlei abenteuerliche<br />

Settings, und modebewusste Frauen fühlen sich genötigt, Römers<strong>an</strong>dalen<br />

zu tragen. Einen eher wissenschaftlichen und faktentreuen Blick auf die<br />

„Geheimnisvollen Kriegerinnen” wirft derzeit das Historische Museum<br />

der Pfalz Speyer: Es zeigt Gräberfunde aus den Steppen zwischen Osteuropa<br />

und Sibirien, die von bewaffneten Frauen und Reiterkriegerinnen<br />

zeugen. Ein Begleitprogramm informiert d<strong>an</strong>eben umfassend über das<br />

Thema „Amazonen”. Wer braucht da noch Lara Croft? h<strong>an</strong><br />

Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen, bis 13. Februar 2011, Historisches Museum der<br />

Pfalz Speyer, 67346 Speyer, Domplatz 4, www.museum.speyer.de<br />

literatur<br />

Deutscher Buchpreis für Melinda Nadj Abonji<br />

Der Deutsche Buchpreis, der im Vorfeld der Fr<strong>an</strong>kfurter Buchmesse jährlich<br />

vergeben wird, geht heuer <strong>an</strong> die Schweizer Autorin Melinda Nadj<br />

Abonji. Sie erhält die Auszeichnung für ihren autobiografischen Rom<strong>an</strong><br />

„Tauben fliegen auf” – die Geschichte einer ungarischen Familie aus der


serbischen Vojvodina, die in die Schweiz ausw<strong>an</strong>dert und sich dort eine<br />

Existenz in der Gastronomie aufbaut. In einem Interview mit dem „Ö1”-<br />

Radiosender erläuterte die Autorin: „Es ist eine Schichtproblematik, die<br />

für mich in dem Buch eine große Rolle spielt. Es h<strong>an</strong>delt von Menschen,<br />

die sich hocharbeiten. Die die niedrigsten Arbeiten machen müssen, um<br />

überhaupt ihren Unterhalt zu verdienen.”<br />

Das Buch wurde bisher vor allem als „Migr<strong>an</strong>tInnen-Literatur” ausgezeichnet.<br />

Die Jury des Deutschen Buchpreises begründete ihre Wahl<br />

nun u.a. damit, dass der Rom<strong>an</strong> „das vertiefte Bild eines gegenwärtigen<br />

Europa im Aufbruch, das mit seiner Verg<strong>an</strong>genheit noch l<strong>an</strong>g nicht abgeschlossen<br />

hat”, zeichne. trude<br />

http://oe1.orf.at<br />

broschüre<br />

Die unverzichtbare Bibel für Freischaffende<br />

Die erste Auflage der Broschüre „Selbstständig – Unselbstständig – Erwerbslos”<br />

ist bereits vergriffen. Kein Wunder, gibt sie doch KünstlerInnen<br />

und <strong>an</strong>deren prekär Tätigen umfassend Auskunft über sozialrechtlichte<br />

Themen, Ver- und Absicherungslage. Die zahlreichen Änderungen der<br />

Arbeitslosenversicherung in den letzten Jahren z.B. führten zu einem<br />

Informationsdefizit, das oft gravierende Folgen haben k<strong>an</strong>n. Die vom Kulturrat<br />

Österreich verfasste Broschüre soll hier informieren und aufklären<br />

und enthält dementsprechend hilfreiche Sachinformationen von den<br />

zuständigen Abteilungen beim AMS, Sozialministerium (bm:ask) und bei<br />

der Sozialversicherungs<strong>an</strong>stalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA). Die<br />

neue Auflage wurde aktualisiert, um auf dem neuesten St<strong>an</strong>d durch den<br />

Paragraphen-Dschungel zu lotsen. h<strong>an</strong><br />

Download auf: http://kulturrat.at/agenda/ams/infoAMS<br />

auszeichnung<br />

Preis für DJ-Schule<br />

Die feministische Initiative „rubinia dj<strong>an</strong>es” k<strong>an</strong>n sich über den Schweizer<br />

Ch<strong>an</strong>cengleichheitspreis <strong>2010</strong> freuen, der von der Basler Regierung<br />

für besonders kreative und innovative Projekte zur Verbesserung der<br />

Ch<strong>an</strong>cengleichheit von Männern und Frauen in der Berufswelt vergeben<br />

wird. Die mit 20.000 Fr<strong>an</strong>ken dotierte Auszeichnung für die weltweit<br />

erste DJ-Schule für Frauen und Mädchen macht einerseits die Weiterentwicklung<br />

des Projekts möglich und wird <strong>an</strong>dererseits zur Erweiterung<br />

des Schweizer „DJ<strong>an</strong>e”-Netzwerks beitragen.<br />

Die 2002 von Mithras N. Leuenberger gegründete „rubinia dj<strong>an</strong>es<br />

Schule” stellt ambitionierten Mädchen und Frauen professionelles DJ-<br />

Equipment zur Verfügung, um ihnen erste Erfahrungen in der Kunst des<br />

Plattendrehens zu ermöglichen bzw. um ihr Können zu verfeinern. Außerdem<br />

dient der Treff als Kurs- und Übungslokal und soll die Vernetzung<br />

zwischen den Frauen fördern. Die Verleihung des Preises f<strong>an</strong>d am 27.<br />

Oktober in Basel statt. pix<br />

www.rubinia-dj<strong>an</strong>es.ch<br />

lebenslauf<br />

auch feministinnen altern<br />

Christi<strong>an</strong>e Erharter<br />

Automobilität<br />

Ich machte meinen Führerschein als bereits Erwachsene in Wien. Eine<br />

recht belastende Geschichte, da ich die Prüfung erst beim fünften (!)<br />

Anlauf best<strong>an</strong>d und auch nur deshalb, weil ich nach vier Misserfolgen<br />

weitere Fahrstunden in einer Fahrschule in meiner Heimatstadt auf dem<br />

L<strong>an</strong>d nahm und d<strong>an</strong>ach mit Ach und Krach durch die Prüfung kam. Das<br />

G<strong>an</strong>ze kostete mich nicht nur irre viel Geld und Nerven, sondern auch<br />

beinahe mein g<strong>an</strong>zes Selbstvertrauen. Früher dachte ich immer, dass<br />

wirklich jeder Depp Autofahren k<strong>an</strong>n und wer die Führerscheinprüfung<br />

nicht schafft, ein Vollkoffer ist.<br />

Mein erstes Auto war das alte meiner Eltern, mit dem ich noch ein Jahr<br />

l<strong>an</strong>g nach Übergabe durch die Gegend kurvte, bis es endgültig den Geist<br />

aufgab.<br />

Ob fin<strong>an</strong>zieller und ökologischer Vorbehalte sowie vernünftiger Argumente<br />

– das Öffi-Netz in Wien ist gut ausgebaut und alle Wege des<br />

Alltags fährt m<strong>an</strong> ohnehin mit dem Fahrrad – klappte es l<strong>an</strong>ge Zeit nicht<br />

mit dem eigenen Fahruntersatz. Jetzt aber besitze und teile ich seit über<br />

einem Jahr ein Auto mit meiner Partnerin. Und es fühlt sich tatsächlich<br />

sehr erwachsen <strong>an</strong>, wenn wir unsere Eltern bei ihren Wien-Besuchen<br />

durch die Gegend kutschieren oder L<strong>an</strong>dpartien mit Freundinnen samt<br />

ihren Freunden und Babys unternehmen, aber auch unabhängig und<br />

frei, wenn wir wie im Sommer mit dem besten Freund nach Kroatien<br />

auf Urlaub fahren. Er besitzt übrigens, wie die Mehrzahl der Männer in<br />

meinem FreundInnenkreis, keinen Führerschein.<br />

Unabhängig und frei fühlten sich auch Annemarie Schwarzenbach und<br />

Ella Maillart, als sie mit ihrem Ford von Genf nach Kabul fuhren, und<br />

vermutlich auch Bertha Benz, die als erster Auto fahrender Mensch in<br />

die Geschichte einging. Unternahm sie doch eine Überl<strong>an</strong>dfahrt mit dem<br />

von ihrem M<strong>an</strong>n Carl Benz konstruierten ersten Auto mit Benzinmotor.<br />

Dass Lady Di in einem Mercedes verunglückte und im Pariser Kr<strong>an</strong>kenhaus<br />

Salpêtrière starb, in dem Je<strong>an</strong>-Martin Charcot die Hysterie<br />

erforscht hat, ist aber eine g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Geschichte.<br />

Christi<strong>an</strong>e Erharter besitzt den Führerschein seit 1997 und fährt ca. 12.000<br />

Kilometer im Jahr mit dem Auto.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 33


wickelkunst<br />

Berühren verboten!<br />

Andrea Heinz hat sich von Judith Scotts Objektkunst einwickeln lassen.<br />

Judith Scott: Ohne Titel, 1991<br />

© Creative Growth Art Center Oakl<strong>an</strong>d, Fotos: Museum Gugging<br />

Judith Scott: Ohne Titel, 2005<br />

Bis 20.3.2011, „judith &<br />

shields.! – judith scott meets<br />

tribal art”, Museum im Art/<br />

Brut Center Gugging, 3400<br />

Maria Gugging,<br />

Am Campus 2, Di–So,<br />

10–17.00 (Winterzeit) bzw.<br />

18.00 (Sommerzeit),<br />

www.gugging.org<br />

34 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Selten schmerzt das Schild „Bitte<br />

nicht berühren” so sehr wie hier im<br />

Museum im Art/Brut Center Gugging.<br />

Die Arbeiten der 2005 mit 61 Jahren<br />

verstorbenen Judith Scott schreien<br />

geradezu d<strong>an</strong>ach, berührt zu werden:<br />

Meterweise Garn, Stoffreste, Bänder<br />

und Wolle in bunten Farben umhüllen<br />

Alltagsgegenstände, Holzstäbe, Plastikschläuche,<br />

Tonbänder, Regenschirme<br />

… bis daraus ein undefinierbares,<br />

märchenhaftes, weil geheimnisvolles<br />

Gebilde entsteht. Fl<strong>an</strong>kiert wird Scotts<br />

vor Lebendigkeit geradezu überbordende<br />

Objektkunst von Holzschildern aus<br />

Neuguinea: „judith scott meets tribal<br />

art.” „,Weibliche’ Wolle in den Händen<br />

einer Frau” trifft laut Begleittext auf<br />

„männliche” Objekte, die kriegerischgesellschaftlichen<br />

Zwecken dienen.<br />

Das lässt sich nun so sehen – oder so:<br />

M<strong>an</strong>chmal formen sich Scotts Objekte in<br />

weiblichen Rundungen. M<strong>an</strong>chmal mutet<br />

ihre k<strong>an</strong>tige und sperrige Form aber<br />

fast schon phallisch <strong>an</strong>. Mit H<strong>an</strong>darbeit<br />

und klassisch verst<strong>an</strong>dener Weiblichkeit<br />

hatte die Künstlerin, so darf vermutet<br />

werden, ohnehin nicht viel am Hut.<br />

Nichtsdestotrotz macht ihr Geschlecht<br />

sie zu einer Ausnahmeerscheinung:<br />

Sowohl in der Art Brut als auch in den<br />

Gugginger Räumen ist sie damit in der<br />

Minderheit. Eine doppelte Außenseiterposition,<br />

bedenkt m<strong>an</strong>, dass Art Brut im<br />

englischsprachigen Raum als „Outsider<br />

Art” bezeichnet wird.<br />

Isoliert. Die Außenseiterrolle nahm<br />

Judith Scott seit dem Tag ihrer Geburt<br />

ein: 1943 in Cincinnati, Ohio zur Welt<br />

gekommen, lebte sie bis zum Alter von<br />

siebeneinhalb Jahren bei ihren Eltern,<br />

zusammen mit ihrer Zwillingsschwester<br />

und den drei älteren Brüdern.<br />

Was selbstverständlich klingt, war<br />

alles <strong>an</strong>dere als das: Scott hatte das<br />

Down-Syndrom, und das Amerika der<br />

1940er Jahre verfuhr mit Menschen<br />

wie ihr nicht eben zimperlich. Als<br />

„unbelehrbar” eingestuft, lebte sie für<br />

die nächsten 36 Jahre in einem Heim.<br />

Dass Judith Scott taub war, wurde in all<br />

diesen Jahren nicht bemerkt. Ohne jede<br />

Möglichkeit sich auszudrücken, dürften<br />

die Anstaltsjahre für sie wie eine Isolationshaft<br />

gewesen sein.<br />

Erst 1986 nahm ihre Zwillingsschwester<br />

Joyce sie nach l<strong>an</strong>gen bürokratischen<br />

Querelen zu sich. Sie org<strong>an</strong>isierte<br />

die Aufnahme ihrer Schwester in das<br />

Creative Growth Art Center, ein Kunst-<br />

Zentrum für Menschen mit Behinderung.<br />

Dort lernte Scott in der Folge die<br />

Textilkünstlerin Sylvia Seventy kennen.<br />

Seventy brachte ihr bei, wie m<strong>an</strong> näht<br />

und Fäden mitein<strong>an</strong>der verknüpft. Vor<br />

allem aber zeigte sie ihr damit, wie sie<br />

sich artikulieren konnte.<br />

Weltberühmt. Mittlerweile ist der<br />

Name Judith Scott ein Begriff in der<br />

internationalen Kunstszene. Ihre Werke,<br />

bisweilen so groß wie die Künstlerin<br />

selbst, bringen bei Auktionen 15.000<br />

US-Dollar und mehr ein. Sie befinden<br />

sich in den Sammlungen von Museen<br />

in Paris und Prag, New York und<br />

Laus<strong>an</strong>ne, Baltimore und Chicago und<br />

werden weltweit ausgestellt. Judith<br />

Scott dürfte das wenig beeindruckt<br />

haben. Ohne lesen oder schreiben zu<br />

können, waren ihr akademische Kunstdiskurse<br />

völlig fremd. Dass ihr Schaffen<br />

der Art Brut der „unverbildeten Kunst”<br />

zugerechnet wird, bei der intellektuell<br />

übersättigte Stadtmenschen ihre Sehnsucht<br />

nach etwas „Ursprünglichkeit” zu<br />

stillen hoffen – es hätte sie wohl kaum<br />

interessiert. Ihre Hingabe galt einzig<br />

ihren Werken. Sie habe, so berichteten<br />

BeobachterInnen, die Außenwelt<br />

völlig vergessen, während sie wickelte,<br />

Gerne stibitze Judith Scott fremdes Eigentum,<br />

um es unter einem ihrer „Schmetterlingskokons“<br />

verschwinden zu lassen.<br />

verknüpfte und vernähte. „Judith bei<br />

der Arbeit zu betrachten, Zeuge der bedachten<br />

wiederholten Bewegung ihrer<br />

Hände zu sein, die ein ,Etwas’ entstehen<br />

lassen, die l<strong>an</strong>gsame Entwicklung eines<br />

,Dings’ zu verfolgen, ist nicht weniger<br />

faszinierend oder wesentlich, als die<br />

schrittweise Entstehung eines Spinnennetzes<br />

oder eines Schmetterlingskokons<br />

zu beobachten”, schreibt etwa der<br />

Kunsthistoriker John MacGregor, Autor<br />

von „Metamorphosis – The Fiber Art of<br />

Judith Scott”.<br />

Gerne stibitze Judith Scott auch fremdes<br />

Eigentum, um es unter einem ihrer<br />

„Schmetterlingskokons” verschwinden<br />

zu lassen. Ihre eigenen Werke hingegen<br />

durfte niem<strong>an</strong>d auch nur berühren – sie<br />

waren ihr Besitz, den sie eifersüchtig<br />

hütete. l


Dem Götzen Liebe<br />

den Garaus gemacht<br />

Das falsche Image des<br />

Alleinseins im „Alter” und die<br />

Bewältigung von Sinnlosigkeit<br />

im Allgemeinen:<br />

Ina Freudenschuß sprach mit<br />

der Berliner Musikerin und<br />

Autorin Christi<strong>an</strong>e Rösinger<br />

über ihr neues Solo-Album<br />

„Songs of L. <strong>an</strong>d Hate”.<br />

Kaum eine deutsche Pop-Musikerin<br />

weist eine stärkere künstlerische<br />

H<strong>an</strong>dschrift auf als Christi<strong>an</strong>e Rösinger.<br />

Dennoch konnte frau ihre Songs bisher<br />

ausschließlich im B<strong>an</strong>d-Format hören.<br />

Nun hat sich die Sängerin und Songwriterin<br />

zu ihrem Recht verholfen und ein<br />

Solo-Album veröffentlicht, das auf den<br />

vielversprechenden Titel „Songs of L.<br />

<strong>an</strong>d Hate” hört. Ihrem Idol aus frühester<br />

Kindheit, Leonard Cohen, gehuldigt,<br />

sagt schon der Titel aus, worum es auf<br />

dem neuen Album der bald 50-jährigen<br />

Musikerin geht: Liebe und vor allem<br />

die schreckliche, leidvolle Kehrseite<br />

dieser rom<strong>an</strong>tischen F<strong>an</strong>tasie, <strong>an</strong> der<br />

sich Rösinger ja bereits mit den Lassie<br />

Singers und später mit der B<strong>an</strong>d Britta<br />

künstlerisch abarbeitete. Der „Vergötzung<br />

von Liebe”, wie es die Berlinerin<br />

heute nennt, sagt sie jetzt also einmal<br />

mehr den Kampf <strong>an</strong>, ebenso wie dem<br />

Willen der Gesellschaft, Depression,<br />

Lethargie und Verzweiflung aus ihrer<br />

dauergrinsenden, konsumorientierten<br />

Mitte zu verb<strong>an</strong>nen.<br />

Musikalische Unterstützung bekommt<br />

sie dabei von Andreas Spechtl (Ja, P<strong>an</strong>ik),<br />

der Rösingers Songs größtenteils<br />

instrumental einspielte und arr<strong>an</strong>gierte.<br />

Ihre Stimme klingt auf der neuen,<br />

zurückhaltenden Produktion klarer, aber<br />

auch abgeklärter und rührender denn je,<br />

etwa wenn sie Songzeilen wie „Bist du<br />

einmal traurig und allein, gewöhn’ dich<br />

dar<strong>an</strong>, es wird bald immer so sein” zum<br />

Besten gibt.<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Du wirst nächstes Jahr 50.<br />

Nimmt die Missmutigkeit im Alter zu?<br />

Christi<strong>an</strong>e Rösinger: W<strong>an</strong>n beginnt<br />

denn „das Alter”? Ab dem Rentneralter,<br />

oder? Mit 49 oder 50 ist m<strong>an</strong> halt<br />

älter als 30 oder 35 oder 40, aber „das<br />

Alter” würde ich eher so in den letzten<br />

Lebensabschnitt legen. Wäre ich ein<br />

M<strong>an</strong>n, wäre ich jetzt in den besten Jahren.<br />

Und nein, die Missmutigkeit nimmt<br />

mit Ende 40 nicht zu, im Gegenteil, die<br />

Freiheit ist größer, die Laune steigt.<br />

Zu Lassie Singers Zeiten hieß es<br />

noch: „Liebe wird oft überbewertet“,<br />

heute bezeichnest du Liebe als „verachtenswürdig“.<br />

Was ist passiert?<br />

Das ist ja nur ein <strong>an</strong>derer stärkerer<br />

Ausdruck für dieselbe Sache. Es ist auch<br />

ein Schockbegriff für die Leute, die in<br />

unserer Paar-orientierten Gesellschaft<br />

die Vergötzung der Liebe immer weiter<br />

eintreiben.<br />

Im Lied „Sinnlos“ rufst du deine<br />

Hörerinnen dazu auf, sich dar<strong>an</strong> zu<br />

gewöhnen, allein zu sein. Das hört sich<br />

in seiner Radikalität schon fast wie<br />

Lebenshilfe für Depressive <strong>an</strong>.<br />

Also das Lied ist eher eine Persiflage<br />

auf so Beschwichtigungs-Songs, wie sie<br />

Foto: Staatsakt<br />

vor allem im Schlager und der Volksmusik<br />

vorkommen. Es ist eher bitterböse<br />

und zynisch gemeint.<br />

Davon abgesehen ist das „Alleinsein”<br />

etwas Positives, was m<strong>an</strong> sehr genießen<br />

k<strong>an</strong>n. Nur haben viele Menschen<br />

Angst davor. Und ein weiteres Klischee,<br />

nämlich dass das Alleinsein schlimmer<br />

ist, wenn m<strong>an</strong> nicht mehr jung ist,<br />

stimmt auch nicht. Ich war früher viel<br />

einsamer!<br />

Wie geht denn das „richtige“ Alleinsein?<br />

Wie es geht, ist schwer zu sagen, ich<br />

weiß nicht, ob m<strong>an</strong> das lernen k<strong>an</strong>n. Es<br />

ist eine Einstellung zu dir selbst. Das Alleinsein<br />

ist keine Bedrohung, m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n<br />

es genießen, allein mit sich zu sein. Es<br />

ist gut, Zeit mit sich zu verbringen, sich<br />

selbst genug zu sein, es ist eine Bereicherung,<br />

allein zu sein.<br />

Allein sind wir sowieso, allein geboren<br />

und sterben allein. Das ist Tatsache.<br />

Wir können von einer Beziehung in die<br />

<strong>an</strong>dere gehen, Kinder in die Welt setzen,<br />

Haustiere <strong>an</strong>schaffen, trotzdem sind wir<br />

allein.<br />

Viele deiner Songs stehen für das<br />

Recht auf Verbitterung ein. Warum?<br />

christi<strong>an</strong>e rösinger<br />

Christi<strong>an</strong>e Rösinger „Songs<br />

of L. <strong>an</strong>d Hate” (Staatsakt)<br />

www.christi<strong>an</strong>e-roesinger.de<br />

Das neue Buch von<br />

Christi<strong>an</strong>e Rösinger mit dem<br />

Arbeitstitel „Liebe wird<br />

oft überbewertet” wird im<br />

Oktober 2011 im Fischer<br />

Verlag erscheinen.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 35


christi<strong>an</strong>e rösinger<br />

36 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Wenn m<strong>an</strong> mal ordentlich verbittert ist<br />

und alles Scheiße findet und nix mehr<br />

erwartet, k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sich mit einer neuen<br />

Leichtigkeit den heiteren Seiten des<br />

Lebens hingeben!<br />

Kommen die Niedergeschlagenen in<br />

unserer Gesellschaft zu kurz?<br />

Ach, das ist so zwiespältig: Einerseits<br />

ist klar, dass alle immer depressiver<br />

werden. Die Depression gilt schon als<br />

Zivilisationskr<strong>an</strong>kheit des 21. Jahrhunderts,<br />

so wie die Mel<strong>an</strong>cholie im<br />

19. Jahrhundert. Andererseits wird<br />

verl<strong>an</strong>gt, dass m<strong>an</strong> immer so positiv und<br />

gut gelaunt durchs Leben geht.<br />

Laut Studien sind Frauen fast doppelt<br />

so oft von Depressionen betroffen wie<br />

Männer. Wor<strong>an</strong>, glaubst du, liegt das?<br />

Ich glaube, Frauen lassen sich eher beh<strong>an</strong>deln<br />

und sind daher statistisch besser<br />

erfasst. Männer werden gr<strong>an</strong>tig oder Alkoholiker,<br />

Frauen gehen zum Arzt oder<br />

zur Therapie. Wobei es erwiesen ist, dass<br />

Single-Frauen weniger depressiv sind als<br />

Frauen in einer Beziehung. Bei Männern<br />

verhält es sich umgekehrt. Viele Frauen<br />

lassen sich auch therapieren, weil sie<br />

unglücklich in der Beziehung sind, statt<br />

die Beziehung zu beenden.<br />

Die Last der – heterosexuellen –<br />

Beziehung haben Feministinnen in<br />

den 1970ern und 1980ern lautstark<br />

thematisiert. Heute scheint diese Problematik<br />

im feministischen Diskurs<br />

überhaupt nicht mehr vorzukommen.<br />

Ist da wirklich schon alles aufgearbeitet?<br />

Das ist ein großes Thema, mit dem ich<br />

mich gerade für mein nächstes Buch<br />

beschäftige. Die Problematik wird<br />

heute überhaupt nicht mehr thematisiert,<br />

denn in der vorherrschenden<br />

Paar-Ideologie darf das ja nicht sein,<br />

dass Beziehungen belastend sind. Da<br />

wird alles versucht, um die Beziehung<br />

zu retten, da mischen sich alle ein,<br />

AnthropologInnen, SoziologInnen, HirnforscherInnen<br />

und TherapeutInnen, um<br />

zu erklären, wie m<strong>an</strong> „richtig” liebt.<br />

Ein Zitat von Jill Tweedy aus „Die<br />

sogen<strong>an</strong>nte Liebe”: „Die Liebe ist für<br />

die Männer immer so praktisch gewesen,<br />

dass der Ged<strong>an</strong>ke nahe liegt, dass<br />

sie sie erfunden haben.” Leider hat es<br />

ja seit den Siebzigern und Achtzigern<br />

einige Backlashes gegeben. Heute sind<br />

Beziehung und Liebe wieder wichtiger<br />

als jemals zuvor.<br />

Aber es gibt schon noch die Stimmen,<br />

die diese Beziehungspflicht in Frage<br />

stellen, das sind die Frauen um die 50.<br />

Bei meinen Recherchen habe ich sehr<br />

viele Bücher von PsychologInnen und<br />

TherapeutInnen zum Thema „Beziehungen”<br />

gelesen, die aus ihrer Praxis<br />

berichten. Und m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n sagen, die<br />

Frau ab 50, die eine oder mehrere Ehen<br />

hinter sich hat, hat kein Interesse mehr<br />

<strong>an</strong> einer Beziehung zu einem M<strong>an</strong>n,<br />

sie freut sich nach den <strong>an</strong>strengenden<br />

Jahren der Familienfürsorge und<br />

Gefühlsarbeit, für sich zu sein, sich um<br />

ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern.<br />

Motto: 50 plus und endlich allein!<br />

Und es geht hier nicht um besonders<br />

problematische Beziehungen mit<br />

gewalttätigen Alkoholiker-Männern.<br />

Die g<strong>an</strong>z „normale” Beziehung ist für<br />

den M<strong>an</strong>n im Allgemeinen gesünder<br />

als für die Frau, sie kostet die Frau als<br />

Gefühlsarbeiterin sehr viel Nerven und<br />

Energie und nimmt ihr oft mehr als<br />

sie gibt.<br />

In den Medien, in Spielfilmen und<br />

Frauenzeitschriften hingegen wird immer<br />

wieder das Schicksal der armen<br />

älteren Frau, die leider ihren M<strong>an</strong>n<br />

nicht halten k<strong>an</strong>n, weil sie älter ist<br />

und er eine Jüngere hat, beklagt. Die<br />

gibt es bestimmt auch. Aber ich würde<br />

denken, die Mehrzahl der Frauen in<br />

meinem Alter können das Singledasein<br />

sehr genießen und wünschen sich nicht<br />

unbedingt eine Beziehung. Dieser Entschluss<br />

ist natürlich mit 50 einfacher<br />

zu fassen als in jüngeren Jahren. Da<br />

„Das Klischee, dass das Alleinsein schlimmer<br />

ist, wenn m<strong>an</strong> nicht mehr jung ist, stimmt auch<br />

nicht. Ich war früher viel einsamer!“<br />

ist ja d<strong>an</strong>n noch diese g<strong>an</strong>ze „Kinder<br />

– ja oder nein”-Frage offen usw. M<strong>an</strong><br />

muss schon ein paar Beziehungen<br />

gehabt haben, um darauf verzichten zu<br />

können.<br />

Zurück zu deinem Solo-Album: In<br />

einem der Songs stellst du fest, dass<br />

„alles so sinnlos“ sei. Was treibt eine<br />

da noch <strong>an</strong>, Musik zu machen?


Natürlich ist alles sinnlos. Aber wenn<br />

m<strong>an</strong> die Sinnlosigkeit erk<strong>an</strong>nt hat und<br />

keinen Sinn mehr sucht, k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong><br />

die Dinge gelassen nehmen wie sie<br />

kommen.<br />

Was mich <strong>an</strong>treibt Musik zu machen,<br />

k<strong>an</strong>n ich gar nicht genau sagen. Ich<br />

k<strong>an</strong>n auch zwischendurch mal ein Jahr<br />

l<strong>an</strong>g keinen Song schreiben. Trotzdem<br />

ist das Songschreiben halt mein Beruf,<br />

das, was ich am Besten k<strong>an</strong>n. Ich<br />

schreibe gerne Lieder, weil ich gerne<br />

auftrete und gerne mit meinen Liedern<br />

unterwegs bin. Und wenn mir jem<strong>an</strong>d<br />

sagt, dass er meine Lieder mag oder<br />

sie oft im Ohr hat oder dass ihn meine<br />

Lieder trösten, d<strong>an</strong>n ist das ein toller<br />

Moment und vielleicht eine Sekunde<br />

l<strong>an</strong>g weniger sinnlos als sonst.<br />

Du hast den Begriff der LoFi-Boheme<br />

erfunden und geprägt. Wenn du heute<br />

noch einmal tauschen könntest: Würdest<br />

du dich für den „9 to 5“-Job-<br />

Lebensentwurf entscheiden?<br />

Um Gottes Willen, vielleicht mal für<br />

drei Wochen oder so. Nein. Ich bin zurzeit<br />

sehr zufrieden mit meinem Leben.<br />

Die CD kommt raus, ich geh’ jetzt für<br />

ein paar Wochen als „writer in residence”<br />

<strong>an</strong> die Universität in Edinburgh.<br />

Im nächsten Jahr gibt es die Konzerte<br />

zur Platte, im Herbst erscheint mein<br />

Buch. Ich brauche keinen täglichen Job.<br />

Mit wem tauschst du dich heute musikalisch<br />

bzw. künstlerisch aus? Sind<br />

da viele Frauen deines Alters dabei?<br />

Ich bin meistens mit jüngeren Leuten<br />

zusammen, so zwischen 25 und 35.<br />

Ich hab auch ein paar Freundinnen in<br />

meinem Alter, aber die arbeiten auf<br />

<strong>an</strong>deren Gebieten. Leute in meinem<br />

Alter neigen leider zur Bequemlichkeit,<br />

bleiben lieber daheim bei<br />

Freund, Kind, Hund. Die Jüngeren sind<br />

flexibler, mit denen k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> besser<br />

ausgehen. Und musikalisch mach’ ich<br />

das neue Projekt mit Andreas Spechtl<br />

zusammen, der 26 ist. Auf Tour sind<br />

auch eine jüngere Gitarristin und<br />

Schlagzeuger dabei.<br />

Es gibt in der Musikszene wenige<br />

Frauen in meinem Alter. Fr<strong>an</strong>coise<br />

Cactus, Gudrun Gut, Michaela Meli<strong>an</strong><br />

fallen mir ein. Die mag ich alle, aber<br />

die machen g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Sachen.<br />

Siehst du dich mit deinen Erfahrungen<br />

als Teil einer bestimmten „Frauengeneration“?<br />

Eigentlich nicht. Ich hab mich immer<br />

azyklisch verhalten. Mit 20 ein Kind<br />

gekriegt, als die aus meiner Generation<br />

ihre Jugend auslebten. Mit 49 Oma<br />

„Heute sind Beziehung und Liebe wieder<br />

wichtiger als jemals zuvor. Aber es gibt schon<br />

noch die Stimmen, die diese Beziehungspflicht<br />

infrage stellen, das sind die Frauen um die 50.“<br />

geworden, während um mich herum<br />

die Frauen mit 40 oder 42 Mutter<br />

wurden …<br />

Mit deinem neuen Album referierst du<br />

gleich auf zwei honorige alte Männer<br />

der Rockmusik: Leonard Cohen und<br />

Bob Dyl<strong>an</strong>. Wie kam es dazu?<br />

Ich liebe Leonard Cohen schon seit ich<br />

zwölf bin. Und ich wollte immer einen<br />

Albumtitel mit „Songs of” haben. Die<br />

Idee mit dem Dyl<strong>an</strong>-Cover hatte Andreas<br />

Spechtl. Mir selbst bedeutet Dyl<strong>an</strong><br />

nicht so arg viel. Aber ich f<strong>an</strong>d es gut,<br />

die Geschlechterrollen auf dem Cover<br />

zu vertauschen. l<br />

Ina Freudenschuß ist Redakteurin bei<br />

dieSt<strong>an</strong>dard.at und derzeit in Familienkarenz.<br />

lesbennest<br />

the fabulous life of a queer femme in action<br />

denice<br />

List of dem<strong>an</strong>ds<br />

I know it is only <strong>November</strong> when you read this, but I thought that<br />

I will give you all enough time to be able to fulfill the christmas<br />

wishes from your favorite columnist. Lord knows that I deserve<br />

them. So, dear baby Cheesus, please bring me following:<br />

• Better education for the people in Vienna. Especially in religion,<br />

history, sociology <strong>an</strong>d gender studies. And while you’re at it:<br />

Please give them some solidarity <strong>an</strong>d toler<strong>an</strong>ce, too. If things still<br />

don’t ch<strong>an</strong>ge after this, please give them some new brains.<br />

• Some new fire <strong>an</strong>d sparks in Vienna’s queer nightlife. 100%<br />

shallowness <strong>an</strong>d not giving a shit about politics, mixed with some<br />

ironically me<strong>an</strong>t political <strong>an</strong>d sexist incorrectness is so 2007.<br />

I w<strong>an</strong>t some glamour with brains. Some glitter with empathy.<br />

Some seriousness with a twinkle in your eyes. Some irony that<br />

actually is funny <strong>an</strong>d not just patronizing.<br />

• A riot grrrl revival. We are currently running around with<br />

grunge checked shirts tied around our waists again, but where<br />

are the new Bikini Kills? I w<strong>an</strong>t a d<strong>an</strong>ce floor where everyone<br />

takes their tops off.<br />

• I wish for more fluent sexualities, genders <strong>an</strong>d desires. For<br />

people to actually ditch the dichotomies. Not only talk about it.<br />

• I w<strong>an</strong>t the queer theorists to go out <strong>an</strong>d get drunk <strong>an</strong>d silly, <strong>an</strong>d<br />

for the party p<strong>an</strong>ts to read a book.<br />

• The destruction of the artsy fartsy lookist hierarchy. I w<strong>an</strong>t to<br />

see the mice d<strong>an</strong>ce on the table while the cats are still in the<br />

room.<br />

• Some goddamn spont<strong>an</strong>eity. For people to pull that stick out off<br />

their asses <strong>an</strong>d use it to poke the sleepers awake.<br />

• Personally I need the following to have the strength <strong>an</strong>d motivation<br />

to join the new queer revolution: Better pay for my hard<br />

work, cool high heel boots made for people with chubby legs, a<br />

dedicated audience which follows me around, a big blueberry<br />

crunch cheese cake <strong>an</strong>d a neverending supply of blue Lucky<br />

Strikes.<br />

Denice tries hard not to f<strong>an</strong>tasize too much about being a revolutionary<br />

leader since it would go against her philosophy.<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 37


<strong>an</strong>.lesen<br />

Dis/abled<br />

Was bedeutet es, in einer sexistischen<br />

und rassistischen Gesellschaft<br />

behindert zu sein? Der Sammelb<strong>an</strong>d<br />

„Gendering Disability” geht der<br />

Bedeutung von „Behinderung” im<br />

Kontext von Mehrfachdiskriminierung<br />

nach und führt die Debatten auf<br />

neue Weise zusammen.<br />

Von Vina Yun<br />

Während in den letzten Jahren das Konzept der<br />

Intersektionalität in den deutschsprachigen Gender<br />

Studies einen regelrechten Hype erfahren<br />

hat, sind intersektionale Ansätze in den Disability<br />

Studies relativ neu. Das Konzept der intersektionalen<br />

Analyse wird im vorliegenden Sammelb<strong>an</strong>d<br />

„Gendering Disability” als Möglichkeit<br />

begriffen, sich der Komplexität von mehrfacher<br />

Diskriminierung <strong>an</strong>zunähern: Der B<strong>an</strong>d untersucht<br />

die wechselseitige Beziehung zwischen den<br />

Kategorien „Geschlecht” und „Behinderung”,<br />

geht aber zugleich den Verknüpfungen von „Dis/<br />

Ability” mit Sexualität, Ethnisierung und Klasse<br />

nach. In diesem Sinne stellt der B<strong>an</strong>d eine bisl<strong>an</strong>g<br />

wenig bearbeitete Schnittstelle von Gender<br />

und Disability Studies dar, die durch Erkenntnisse<br />

aus der Rassismus- und Migrationsforschung, der<br />

Postkolonialen Theorie sowie den Queer Studies<br />

weiter ausformuliert wird.<br />

Entl<strong>an</strong>g dieser multiplen Perspektive werden<br />

auch die (teilweise verschütteten) Verbindungen<br />

zwischen den Disziplinen neu gezogen: Denn<br />

sowohl die feministische Geschlechterforschung<br />

als auch die im <strong>an</strong>gloamerik<strong>an</strong>ischen Raum<br />

gewachsenen Disability Studies hinterfragen,<br />

ebenso wie Queer und Postcolonial Theory, mit<br />

ihrem kritischen Blick auf die kulturelle Konstruktion<br />

von Körpern hegemoniale Body Politics<br />

und dichotome Identitätsentwürfe (männlich/<br />

weiblich, behindert/nicht-behindert). Mehr noch<br />

machen die Beiträge im B<strong>an</strong>d die Parallelen<br />

zwischen der Konstruktion von „weiblichen” und<br />

38 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

„behinderten” Körpern sowie die Vergeschlechtlichung<br />

und Rassifizierung von Kr<strong>an</strong>kheit und<br />

Behinderung deutlich.<br />

In der Ausein<strong>an</strong>dersetzung um die Mehrdimensionalität<br />

von „Differenz” bzw. mehrfacher Diskriminierung<br />

geht es dabei sowohl um die „Dekonstruktion<br />

binärer Zuschreibungen als auch<br />

um die Problematisierung ihrer realen Effekte”,<br />

wie die Herausgeberinnen im Vorwort erklären.<br />

Multiple Diskriminierung bedeutet allerdings<br />

nicht einfach, dass sich die Differenzen „addieren”<br />

– so äußert sich mehrfache Ausgrenzung<br />

für Frauen (und <strong>an</strong>dere) mit Behinderung nicht<br />

einfach in der z.B. Potenzierung des Sexismus,<br />

sondern meist in der grundsätzlichen Negierung<br />

ihrer Sexualität.<br />

In Rückgriff auf diese Erfahrung fordert die<br />

Politikwissenschaftlerin Heike Raab in ihrem<br />

Artikel über Disability und Queerness, heteronormative<br />

Geschlechterordnung nicht nur <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d<br />

von Sexualität und Geschlecht zu denken,<br />

sondern auch Behinderung mit einzubeziehen:<br />

Denn „um Geschlecht zu dekonstruieren, muss<br />

m<strong>an</strong> erst über Geschlechtlichkeit verfügen,<br />

die (…) Menschen mit Behinderung oftmals<br />

verweigert wird.”<br />

Dass Behinderung mit <strong>an</strong>deren Differenzkategorien<br />

wie Geschlecht überhaupt zusammengedacht<br />

wird, ist vor allem ein Verdienst von<br />

Aktivist_innen aus der „Krüppel_innenbewegung”<br />

der 1980er Jahre, wie Mitherausgeberin<br />

Sw<strong>an</strong>tje Köbsell betont. In ihrem sehr lesens-<br />

Queers on Wheels auf der Regenbogenparade 2009, © Queers on Wheels<br />

werten Beitrag, der ins Thema „Behinderung,<br />

Geschlecht und Körper” einführt, zeichnet<br />

Köbsell u.a. die Entwicklung der (weiß dominierten)<br />

Behindertenbewegung im deutsch- und<br />

englischsprachigen Raum seit den 1970ern nach,<br />

die in der Diskussion über Behinderung das medizinische<br />

Modell erfolgreich durch ein soziales<br />

Modell ersetzte – nach dem Motto: „Behindert<br />

ist, wer behindert wird”. Behinderung ist demnach<br />

keine individuelle, natürliche Eigenschaft,<br />

die m<strong>an</strong> „besitzt”, sondern ein Prozess, der<br />

Menschen mit bestimmten Merkmalen gesellschaftliche<br />

Partizipation vorenthält.<br />

Mit dem erneuerten Fokus auf Körperpolitiken<br />

reklamieren Aktivist_innen den „behinderten”,<br />

eigenen Körper nun wieder in den Diskurs<br />

hinein. Mit der Einbindung aktivistischer Perspektiven<br />

– siehe z.B. die Beiträge von Christi<strong>an</strong>e<br />

Hutson zu „Ableism” und Sexismus aus<br />

Schwarzer Perspektive oder der Rückblick von<br />

Sigrid Arnade auf die Lobbyarbeit für die UN-<br />

Behindertenrechtskonvention – fasst dieser sehr<br />

empfehlenswerte Sammelb<strong>an</strong>d, erstmalig für<br />

den deutschsprachigen Raum, die politischen und<br />

theoretischen Debatten zusammen und bietet<br />

einen hervorragenden Einstieg in den aktuellen<br />

St<strong>an</strong>d der Disability Studies. l<br />

Jutta Jacob, Sw<strong>an</strong>tje Köbsell, Eske Wollrad<br />

(Hg.innen): Gendering Disability. Intersektionale<br />

Aspekte von Behinderung und Geschlecht<br />

Tr<strong>an</strong>script <strong>2010</strong>, 26,60 Euro


Am Abh<strong>an</strong>g l Bergliteratur<br />

wird zwar nur von Alpinist_innen<br />

als Genre geführt, wird<br />

aber dennoch unterschätzt,.<br />

Neu in der Liste ist der<br />

Rom<strong>an</strong> „Fallhöhe”, der ein<br />

(seltsamerweise ziemlich<br />

überschaubares) Klassentreffen<br />

in den Bergen zum Thema hat. 15 Jahre<br />

nach der Matura w<strong>an</strong>dern drei Frauen und zwei<br />

Männer gemeinsam in der Schweizer Heimat.<br />

Glücklich sind die Mittdreißiger nur auf den<br />

ersten Blick. Die allseits beliebte Marina hat<br />

ihre Potenziale verspielt und ist nicht aus dem<br />

Ort der Kindheit weggekommen. S<strong>an</strong>dra reist<br />

aus K<strong>an</strong>ada nach zehn Jahren zum ersten Mal<br />

wieder in die Schweiz. Ihre alte Jugendliebe<br />

hat seinen Traum vom Künstlerdasein nicht<br />

verwirklicht. Eveline ist voller Neurosen und<br />

hat ihrer ehemals besten Freundin Marina<br />

alte Konflikte nicht verziehen. Und Frido lebt<br />

als verheirateter Anwalt bürgerlich mit zwei<br />

Kindern. Die Nacht in der Berghütte gestaltet<br />

die Autorin Sabina Altermatt als kriminalistisch<br />

<strong>an</strong>gehauchtes Kammerspiel und lässt es richtig<br />

krachen: Der Alkohol bringt alte Verletzungen<br />

wieder <strong>an</strong>s Licht, Rückblicke zeigen die<br />

Entwicklung der desillusionierten Freund_innen.<br />

S<strong>an</strong>dra offenbart endlich den eigentlichen<br />

Grund ihrer Rückkehr: Sie möchte eine Sterbehilfeorg<strong>an</strong>isation<br />

aufsuchen. Und Marinas<br />

jugendlicher Sohn taucht in der Einöde auf mit<br />

der Absicht, endlich seinen Vater kennenzulernen.<br />

Die Autorin lässt die Leserin mit gekonnt<br />

klarer, nüchterner Sprache auf ihre Figuren<br />

blicken und zwischen Realismus und Resignation<br />

hin- und herschw<strong>an</strong>ken. Fiona Sara Schmidt<br />

Sabina Altermatt: Fallhöhe<br />

Limmat <strong>2010</strong>, 23,20 Euro<br />

Endlich absolut l Es wurde<br />

Zeit, dass in der von Klaus<br />

Theweleit herausgegebenen<br />

Reihe „absolute” über<br />

„Schlüsseldiskurse der<br />

Gegenwart” Frauen wieder<br />

mal sichtbar werden.<br />

Bisher widmete sich nur<br />

einer der 17 erschienen Bände einer Frau und<br />

Feministin, nämlich Simone de Beauvoir. Nun<br />

also ein B<strong>an</strong>d der wieder stark verdichtet, um<br />

sozusagen alles gut zu machen, zum Komplex,<br />

zum riesigen Feld, zur Herausforderung „Feminismus”.<br />

Das ist schon schön. Diese Kompilation<br />

feministischer Texte wurde zusammengestellt<br />

und kommentiert von Gudrun Ankele aus Wien,<br />

bek<strong>an</strong>nt geworden mit ihrem Perform<strong>an</strong>ce-Trio<br />

Schwestern Brüll. Die Erwartungen werden<br />

erfüllt, besser noch, die Leserin bekommt Unerwartetes<br />

unter die Nase gerieben und wird mit<br />

Verbindungen konfrontiert, die neugierig machen.<br />

So finden sich Valie Export und Olympe de<br />

Gouges gemeinsam im Abschnitt „Komplizierte<br />

Kollektive” oder Monique Wittig mit Kathleen<br />

H<strong>an</strong>nah/Bikini Kill im Kapitel „Exklusive<br />

Utopien”. Ankele stellt Pop-Autorin Virginie<br />

Despentes neben Judith Butler, Gustav oder die<br />

Guerrilla Girls neben Donna Haraway. Aber auch<br />

weniger bek<strong>an</strong>nte bzw. historische Texte wie beispielsweise<br />

von Mina Loy oder Helene Druskowitz<br />

sind hier zu lesen. Damit eröffnet das Buch<br />

unterschiedlichste Lesemöglichkeiten und bietet<br />

auch Nicht-so-Eingecheckten die Möglichkeit für<br />

einen Quereinstieg – bek<strong>an</strong>ntlich der lustvollste<br />

Weg, sich ein neues Terrain zu erobern.<br />

Karo Rumpfhuber<br />

Gudrun Ankele (Hg.in): absolute Feminismus<br />

or<strong>an</strong>ge press <strong>2010</strong>, 18,50 Euro<br />

(In) Freiheit denken l Dieses<br />

Buch hat das nicht unbescheidene<br />

Ziel, Geschlechterdifferenz<br />

neu zu denken,<br />

um „die derzeitigen Diskussionen<br />

über das Geschlecht<br />

als ‚soziale Konstruktion’<br />

(…) aus der Dichotomie<br />

von M<strong>an</strong>n und Frau (…), aus dem Dualismus<br />

von Biologie und Kultur, Natur und Gesellschaft<br />

<strong>an</strong>.lesen<br />

(…) [zu] erlösen”. Die Herausgebenden haben<br />

u.a. Textauszüge von Beauvoir über Butler<br />

bis Muraro eingeleitet, kommentiert und<br />

verknüpft. Es wird damit nicht nur eine Fülle<br />

von verstreuten und wieder zu entdeckenden<br />

Quellen dargeboten, sondern auch die Möglichkeit,<br />

sich einzelnen Autorinnen zu widmen,<br />

oder den verschiedenen Denkbewegungen<br />

nachzugehen. Das Elementare ist die Sichtung<br />

der vielschichtigen Bedeutungen des Begriffs<br />

der Differenz (wie Andersheit, Nichtidentität,<br />

Différ<strong>an</strong>ce, Alterität) sowie die Unterscheidung<br />

zwischen diskurslogischen Gewohnheiten, über<br />

die Geschlechter zu reden und in der Differenz<br />

sinnvoll zu sprechen.<br />

Ein Lehr- und Lernbuch für alle, die Unterschiede<br />

jenseits festgefahrener Grenzen<br />

philosophisch begreifen wollen, und für jene,<br />

für die das Gleichheitsideal ein gefälschtes ist.<br />

Denn erst die Freiheit der Anderen ermöglicht<br />

die eigene. Birge Krondorfer<br />

Anke Drygala, Andrea Günter (Hg.innen):<br />

Paradigma Geschlechterdifferenz. Ein philosophisches<br />

Lesebuch<br />

Ulrike Helmer <strong>2010</strong>, 30,80 Euro<br />

Fernes Dasein l „Ich habe<br />

mir beim Naschmarkt feine<br />

Sachen eingekauft. Hab heute<br />

Abend Gäste. Die Lampe,<br />

den Teppich, die Kommode,<br />

die Nähmaschine, die neuen<br />

Vorhänge”, erklärt Josi ihrem<br />

Sohn. Und das ist nicht<br />

mal gelogen: Denn die Protagonistin lebt,<br />

nachdem sich ihr M<strong>an</strong>n als schwul geoutet hat,<br />

alleine – <strong>an</strong> Einrichtungsgegenstände gerichtete<br />

Monologe sind <strong>an</strong> der Tagesordnung. Josi,<br />

die weiß, dass das Unglück – im Gegensatz<br />

zum Glück – immer öfter als einmal kommt,<br />

muss außerdem mit einer Krebsdiagnose<br />

und den Folgen leben: Wo früher ihre Brüste<br />

waren, sind nun Kreuze.<br />

Im Urlaub auf Hydra werden die Beziehungskonstellationen<br />

interess<strong>an</strong>t. Hier trifft Josi<br />

zum einen Max Lorber, der sie fasziniert, zum<br />

<strong>an</strong>deren die Familie Köhlmeier und somit ihre<br />

eigene Erfinderin: Denn die Autorin Monika<br />

Helfer ist die Ehefrau von Michael Köhlmeier,<br />

ihre gemeinsame Tochter Paula verunglückte<br />

2003 bei einer W<strong>an</strong>derung. Die Protagonistin<br />

Josi lernt nun die 12-jährige Paula kennen<br />

und freundet sich mit ihr <strong>an</strong>. Doch wie auch<br />

die Beziehungen zu allen <strong>an</strong>deren, bleibt diese<br />

Freundschaft ambivalent: mal nah, d<strong>an</strong>n wieder<br />

dist<strong>an</strong>ziert. Es ist ein ständiges Ringen für<br />

Josi, wie sie mit <strong>an</strong>deren umgehen soll, aber<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 39


<strong>an</strong>.lesen<br />

bonustrack: Clara Luzia<br />

m<strong>an</strong>chmal schafft sie es g<strong>an</strong>z gut. Wenn sie<br />

etwa Paula erklärt, „ich würde dir gern sagen,<br />

dass ich deine Freundin sein will, aber ich hatte<br />

es dir schon gestern sagen wollen, und da habe<br />

ich mich nicht getraut, weil ich mir gedacht<br />

habe, was mache ich, wenn sie nicht will”, d<strong>an</strong>n<br />

ist sie ihr für einen Moment g<strong>an</strong>z nah.<br />

Bettina Enzenhofer<br />

Monika Helfer: Bevor ich schlafen k<strong>an</strong>n<br />

Deuticke <strong>2010</strong>, 18,40 Euro<br />

Obsession l Hier regiert das<br />

Unbehagen! Lydia Mischkulnig<br />

erzählt von der Beziehung<br />

zweier Schwestern. Als<br />

Kinder noch unzertrennlich,<br />

ist Renate später von der<br />

jüngeren Marie regelrecht<br />

besessen. Nähern dürfte sie<br />

sich ihr nur noch auf 30 Meter, aber <strong>an</strong> Grenzen<br />

wird sich in diesem Rom<strong>an</strong> nicht gehalten.<br />

In einer eindrucksvollen, außergewöhnlichen<br />

Sprache werden die Geschehnisse ras<strong>an</strong>t vor<strong>an</strong>getrieben,<br />

ins Kriminalistische driften sie durch<br />

einen M<strong>an</strong>n, den Renate sehr begehrte, der<br />

40 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

jedoch Marie vorzog. Schwarzer Humor at its<br />

best, und immer begleitet von Hassliebe: „Sie<br />

hatte einen brill<strong>an</strong>ten Kopf, und dennoch konnte<br />

jeder Dahergelaufene ihn ihr so arg verdrehen.<br />

Diesen Schädel hätte m<strong>an</strong> doch längst abreißen<br />

müssen”, denkt Renate über Marie. Die Jagd<br />

hört nicht auf, und zwischendurch ist d<strong>an</strong>n nicht<br />

mal mehr klar, was eigentlich wirklich passiert<br />

ist. Bettina Enzenhofer<br />

Lydia Mischkulnig: Schwestern der Angst<br />

Haymon <strong>2010</strong>, 17,90 Euro<br />

Strafrecht gegendert l „Hat<br />

Strafrecht ein Geschlecht?”,<br />

fragt dieser Sammelb<strong>an</strong>d.<br />

Die Antwort darauf, es sei ein<br />

männliches, existiert seit den<br />

1990er Jahren. So wichtig die<br />

damalige fundierte Kritik <strong>an</strong><br />

der Überbewertung von Eigentumsdelikten<br />

im Gegensatz zur Unterbewertung<br />

von Vergewaltigungen ist – die zeitgenössische<br />

Analyse gräbt tiefer. Männer und Frauen werden<br />

aufgrund der männlichen und weiblichen<br />

Rollen, die sie spielen, vor dem Recht, das „für<br />

Jetzt ist sie also vorbei, die Tour, die mir in der letzten <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>-Ausgabe<br />

noch bevorst<strong>an</strong>d und mich schon im Vorfeld irrwitzig gestresst hat.<br />

Jetzt könnte m<strong>an</strong> meinen, der Stress sei<br />

vorbei, Wohlgefallen auf allen Seiten.<br />

Und ja, es könnte tatsächlich so sein,<br />

h<strong>an</strong>delte es sich nicht um mein Leben.<br />

Mein Leben ist nämlich jenes, das durch<br />

meine kreative und stets erfolgreiche<br />

Art der Problemfindung am Laufen gehalten<br />

wird. Ist ein Problem – oh nein,<br />

bewahre! – gelöst, bin ich flink und flexibel<br />

darin, sofort ein neues zu formulieren.<br />

Für diese tolle Strategie war die<br />

Tour natürlich ein Pool nicht enden wollender<br />

Gelegenheiten: Jeden Tag eine<br />

<strong>an</strong>dere Stadt, jeden Tag <strong>an</strong>dere, uns unbek<strong>an</strong>nte<br />

Menschen, jeden Tag das reine<br />

Ungewissen – da lässt sich im Vorfeld<br />

spekulieren, konjunktivieren und problematisieren,<br />

noch und nöcher!<br />

Nun gibt es aber den bereits in der<br />

letzten Kolumne erwähnten Kollegen<br />

Max – ein Sonnenschein, wie m<strong>an</strong> ihn sich prächtiger nicht ausdenken<br />

könnte –, der mit meiner Art der Lebenserschwernis gänzlich unvertraut<br />

alle gleich” sein will, ungleich beh<strong>an</strong>delt. In der<br />

richterlichen Milde für den „Beziehungstäter”<br />

etwa deutet sich eine „implizite Komplizenschaft<br />

von Männern in hegemonialen Positionen<br />

mit untergeordneten Männern auf Kosten<br />

des weiblichen Geschlechts” (Gerlinda Smaus)<br />

<strong>an</strong>. An diesen „untergeordneten Männern”<br />

richtet sich das Strafrecht aus. Sie innerhalb<br />

ihrer zugewiesenen Gender-Rolle zu disziplinieren,<br />

ist oberstes Ziel der Prävention. Bei<br />

Frauen wird eher die (verinnerlichte) soziale<br />

Kontrolle vorausgesetzt, die aus ihrer Gender-<br />

Rolle resultiert und sie tatsächlich viel weniger<br />

häufig Straftaten begehen lässt. In diesem<br />

Buch stellt sich das Strafrecht als repressive<br />

Institution dar, die geschlechtliche Arbeitsteilung,<br />

Hierarchisierung der Geschlechterrollen<br />

und Schichtzugehörigkeit ständig reproduziert:<br />

Deswegen, und nicht weil es „männlich” ist, ist<br />

es auch abzuschaffen. Sylvia Köchl<br />

Gaby Temme, Christine Künzel (Hg.innen):<br />

Hat Strafrecht ein Geschlecht? Zur Deutung<br />

und Bedeutung der Kategorie Geschlecht in<br />

strafrechtlichen Diskursen vom 18. Jahrhundert<br />

bis heute<br />

tr<strong>an</strong>script <strong>2010</strong>, 28,60 Euro<br />

Nichts, das kein Problem werden könnte!<br />

ist. Ich hoffte ja, auf der Tour ein bisschen was von seiner jugendlichen<br />

Leichtigkeit abbekommen zu können, zumal wir ja den Großteil der Zeit<br />

zusammengequetscht im engen Tourbus<br />

verbrachten und ich immer schon die<br />

Vorstellung hatte, dass sich die Grenzen<br />

von Menschen irgendwie verwischen und<br />

vermischen, sobald sich viele von ihnen<br />

auf kleinem Raum befinden.<br />

Aber es wäre ja nicht ich, wenn sich daraus<br />

nicht gleich das nächste Problem ergeben<br />

hätte. Statt mich also im Tourbus<br />

der Grenzen auflösenden Kraft hinzugeben,<br />

die mich <strong>an</strong> Maxens Sonnenschein<br />

hätte partizipieren lassen können, quälten<br />

mich Fragen wie: Stinke ich? Nehme<br />

ich zu viel Platz weg? Atme ich zu Raum<br />

einnehmend? Sabbere ich alles voll, sollte<br />

ich einschlafen? Wurde also nichts aus<br />

dem Good-Vibes-Übertritt von Max auf<br />

mich, stattdessen konnte ich meine Problematisierungs-Skills<br />

ins schier Bodenlose<br />

vertiefen. Aber wer weiß – es heißt<br />

ja immer, die Inspiration entspringt oft eher einem Unglücks- denn einem<br />

Glücksgefühl. Vielleicht also gerade noch Glück gehabt!<br />

Clara Humpel betreibt seit 2006 ihr Plattenlabel Asinella Records (Marilies Jagsch, Luise Pop, Bettina Koester, Clara Luzia, Mika Vember) und macht selbst<br />

unter ihren Vornamen Clara Luzia Musik.<br />

Illustration: Lina Walde, http://evaundeva.blogspot.com


Sophie Hassfurther © Markus Lackinger, www.jazzfoto.at<br />

Iba de gaunz oamen Leit hieß der<br />

B<strong>an</strong>d mit Mundartgedichten von<br />

Christine Nöstlinger, der erstmals<br />

1974 (noch unter einem <strong>an</strong>deren Titel)<br />

erschien. Die Schauspielerin Caroline<br />

Kocz<strong>an</strong> und Erich Meixner wählten für<br />

ihr Ensemble Bassena Social Club<br />

(Extraplatte) einige der Texte aus und<br />

vertonten sie. Herausgekommen sind<br />

nicht unbedingt Wiener Lieder, dafür<br />

kleine Alltagsszenen, die – da erfreulicherweise<br />

ohne Zeigefinger gemeint<br />

– selten positive Auswege aufzeigen.<br />

Aufs erste k<strong>an</strong>n d<strong>an</strong>n ein Lied wie „A<br />

Malea” g<strong>an</strong>z gemütlich herkommen,<br />

etwa wenn bedauert wird, dass die<br />

Ehefrau <strong>an</strong> einer Embolie verschieden<br />

ist. Dabei war die „Watschn” nicht<br />

schlimmer als sonst – und dass sie auf<br />

eine K<strong>an</strong>te gefallen ist, war sicher nicht<br />

<strong>an</strong> ihrem Tode schuld … Hier wechseln<br />

sich Lieder aus weiblicher und männlicher<br />

Perspektive ab, aber Nöstlinger<br />

hat bek<strong>an</strong>ntlich auch ein Herz für<br />

Kinder: Wie für jenes, das bald genauso<br />

wie der Vater nur mehr die Tischplatte<br />

<strong>an</strong>starren wird – der Optimismus spricht<br />

aber mehr aus der Musik als aus den<br />

Texten.<br />

Anna Zauner-Pagitsch spielt zahlreiche<br />

unterschiedliche Typen historischer<br />

Harfen. Für die Tripelharfe, einem<br />

chromatisch gestimmten Instrument,<br />

das ohne Pedale auskommt, hat sie<br />

Cembalo-Werke von Joh<strong>an</strong>n Sebasti<strong>an</strong><br />

Bach bearbeitet. Der im Vergleich<br />

zum Cembalo l<strong>an</strong>ge Nachhall lässt die<br />

bek<strong>an</strong>nten Stücke aus den „Englischen<br />

Suiten” in überraschenden Kl<strong>an</strong>glichtern<br />

erscheinen. Auf dem Album Bach<br />

auf der Harfe (Extraplatte) finden<br />

sich jedoch auch zwei kurze Miniaturen,<br />

die von der Harfenistin selbst stammen.<br />

Die Sp<strong>an</strong>nung zwischen moderner<br />

Kl<strong>an</strong>gsprache und historischem Instrument,<br />

das noch nicht der Ästhetik des<br />

homogenen Kl<strong>an</strong>gs frönt, entwickelt<br />

seinen eigenen Reiz.<br />

Saxophon und Klarinette – das ist<br />

keine ungewöhnliche Kombination.<br />

Die Salzburger Jazz-Saxophonistin<br />

Sophie Hassfurther musiziert auf<br />

ihrem Debütalbum mit dem türkischen<br />

Klarinettisten Oguz Büyükberber – der<br />

Titel Orient Express (Extraplatte) darf<br />

jedoch nicht dazu verführen, folkloristische<br />

Klänge zu erwarten, dafür f<strong>an</strong>tasievolles<br />

Spiel mit Formen, Melodien,<br />

Harmonien, Rhythmen. Und dies nicht<br />

nur ironiefrei: So gibt „Animal Farm”<br />

Raum für instrumentales und stimmliches<br />

Grummeln und Sirren, während<br />

z.B. „Sis” vor allem die Tiefe auslotet.<br />

Ein tiefgehender, nicht nur instrumentaler<br />

Dialog.<br />

Eine interess<strong>an</strong>te Platte mit Blockflötenmusik<br />

des 20. Jahrhunderts hat<br />

Leora Vinik mit der Pi<strong>an</strong>istin Liora<br />

Ziv-li eingespielt: Auf Modern Music<br />

Reizvolle<br />

Kl<strong>an</strong>gdialoge<br />

Was herauskommt, wenn Nöstlinger vertont wird,<br />

Klarinetten mit Saxophonen plaudern<br />

oder Bach auf die Harfe kommt,<br />

hat sich Regina Himmelbauer <strong>an</strong>gehört.<br />

for Recorder & Pi<strong>an</strong>o werden<br />

„Klassiker” wie H<strong>an</strong>s-Martin Linde,<br />

H<strong>an</strong>s Ulrich Staeps oder H<strong>an</strong>s Gál<br />

detailreich interpretiert. Das jüngste<br />

Werk in dieser Sammlung ist das<br />

irisierende „Glimpse of a Question from<br />

a dist<strong>an</strong>t Desert” (2007) der israelischen<br />

Komponistin Hagar Kadima. Die<br />

Sorgfältigkeit der Produktion zeigt sich<br />

auch am Booklet sowie einer zusätzlichen<br />

DVD, auf dem die Blockflötistin<br />

gleichsam „stille” Bilder zur Musik<br />

findet, wie etwa in der Betrachtung der<br />

Entstehung eines Bildes der Malerin<br />

Mirjam Walter, der Keramikerin Talma<br />

Tamari oder der Tänzerin Shimrit Gol<strong>an</strong>.<br />

Eine zurückhaltende, konzentrierte und<br />

geistvolle CD (zu beziehen über<br />

vinik@netvision.net.il).<br />

Die Mezzosopr<strong>an</strong>istin Magdalena<br />

Kožená zählt zu den Stars der Alte-<br />

Musik-Szene. Auf ihrem neuesten<br />

Album Lettere amorose (Deutsche<br />

Grammophon) hat sie auch die dramatische<br />

Szene „L’Eraclito amoroso”<br />

der frühbarocken Komponistin Barbara<br />

Strozzi (1619–1664) aufgenommen.<br />

Diese bewegende Klage über den<br />

Lamento-Bass ist wohl eine der düstersten<br />

Aufnahmen – erdenschwer und<br />

ausdrucksvoll, ohne in leere Theatralik<br />

zu verfallen. l<br />

<strong>an</strong>.kl<strong>an</strong>g<br />

Links:<br />

www.bassenasocialclub.at<br />

www.harfen.at/<strong>an</strong>na_zauner_pagitsch<br />

www.sophiehassfurther.com<br />

http://ce-acfp.co.tv/boxwoodeurope<strong>an</strong>-recorder<br />

www.kozena.cz<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 41


<strong>an</strong>.sehen<br />

... und alles funktioniert total schön<br />

© coop99 / AG Doku<br />

Menschen in weißen Overalls<br />

h<strong>an</strong>teln sich <strong>an</strong> Fensterbänken entl<strong>an</strong>g.<br />

Rufen ein<strong>an</strong>der unverständliche<br />

Dinge zu, lachen. Schließlich<br />

wird mit Erfolg <strong>an</strong> der Vorderfront<br />

der Wiener Kunstakademie ein<br />

riesiges Tr<strong>an</strong>sparent entrollt:<br />

„Reclaim (y)our education!” Die<br />

Besetzung beginnt. Die Kamera<br />

wackelt. It’s real.<br />

Brav nach aristotelischem Dramenaufbau<br />

wird die Geschichte<br />

der Proteste am Beispiel der<br />

Universität Wien erzählt, zusammengehalten<br />

durch die Kritik <strong>an</strong><br />

Leistungsdruck, Verschulung und<br />

ökonomischem Verwertungszw<strong>an</strong>g,<br />

die sich wie ein roter Faden<br />

durchzieht.<br />

Von einer Einführung in die Problematik<br />

des Bologna-Prozesses<br />

(Stimme aus dem Off: „Wie m<strong>an</strong><br />

als Student mitbekommt, dass alles<br />

l<strong>an</strong>gsam zerfällt”) geht es gleich<br />

weiter zur Audimax-Besetzung,<br />

auf die unmittelbar die Solidarisierung<br />

einer breiten Öffentlichkeit<br />

folgt – vor allem, so suggerieren<br />

die Kurzinterviews, aufgrund des<br />

hohen und ordnungsverliebten<br />

Org<strong>an</strong>isierungsgrades („Haltet<br />

eure Vokü sauber”, „Selbstver-<br />

42 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

<strong>an</strong>twortung”, „Fühl dich wie zu<br />

Hause, wasch ab!”). Die Bewegung<br />

professionalisiert sich, Arbeitsgruppen<br />

werden gebildet, Pressekonferenzen<br />

abgehalten, Sprecher_innen<br />

treten <strong>an</strong> und wechseln sich ab, das<br />

„Experiment Basisdemokratie”<br />

geht in die heiße Phase und „alles<br />

funktioniert” laut einer Studentin<br />

„total schön.”<br />

Die Klimax ist schließlich erreicht,<br />

wenn eine internationale<br />

Besetzungs-Vernetzung höchsten<br />

Grades hergestellt ist, die AG Doku<br />

von einer europäischen Stadt in die<br />

nächste jettet und Anti-Flag, Je<strong>an</strong><br />

Ziegler und Gustav sich die Audimax-Türklinke<br />

in die H<strong>an</strong>d geben.<br />

Ex-Wissenschaftsminister Joh<strong>an</strong>nes<br />

Hahn ist zu keinem Kompromiss<br />

bereit, Uni-Wien-Rektor Winkler<br />

erzählt verträumt von ’68, die<br />

Gruppe „Squatting Teachers”<br />

solidarisiert sich. Und d<strong>an</strong>n geht es<br />

auch schon wieder bergab. Erste<br />

Streitigkeiten stellen sich ein, Müdigkeit<br />

macht sich breit, über das<br />

Klimpern eines Audimax-Pi<strong>an</strong>isten<br />

brüllen sich zwei Besetzer_innen<br />

<strong>an</strong>, ein weißgekleideter Nikolaus<br />

geht vorbei. Der Hörsaal ist fast<br />

leer. Und das Drama darf d<strong>an</strong>n<br />

auch mit der Katastrophe enden:<br />

Die Held_innen sterben nicht (wie<br />

bei Aristoteles), sondern werden<br />

geräumt, in Wien und in allen<br />

solidarischen Städten, ein einsamer<br />

Student zwischen Bullenspalieren<br />

spielt in einem Kölner Hörsaal auf<br />

der akustischen Gitarre Bob Marleys<br />

„Redemption Song”. Da ist er<br />

endlich, der bis zu Minute 68 sehnlich<br />

erwartete Schauer. Schmalzige<br />

Nostalgie, Antonioni pack ein, wir<br />

machen uns die Musikvideos unserer<br />

Politisierung selbst.<br />

D<strong>an</strong>ach wabert es noch ein<br />

Weilchen weiter. Der „Hochschuldialog”<br />

wird zum Scheitern<br />

gebracht, Beatrix Karl wird neue<br />

Wissenschaftsministerin, und die<br />

Vorbereitungen zu den Bologna-<br />

Gipfel-Protesten gehen los. Ein<br />

Fazit wird formuliert: Die Protestbewegung<br />

war erfolgreich, weil<br />

Bildung zum Thema geworden ist.<br />

D<strong>an</strong>n, erstaunlich zynisch in diesem<br />

allzu freundlichen Film: Schwenk<br />

auf den Eignungstest zum Medizinstudium.<br />

Tausende Bewerber_innen<br />

lassen sich von Securitys durchchecken,<br />

bevor sie sich im übervollen<br />

Megahörsaal zur Prüfung<br />

niederlassen. Ende.<br />

Aus 900 Stunden Videomaterial<br />

hat die AG Doku* mit der Wiener<br />

Produktionsfirma Coop99 einen knapp<br />

85-minütigen Kinofilm über die<br />

Bildungsproteste im Herbst 2009<br />

geschnitten. Dabei kommt vieles vor<br />

und vieles zu kurz.<br />

Von Lisa Bolyos<br />

Der Authentizitätsfaktor der<br />

zahlreichen wackelnden Kameras,<br />

die immer g<strong>an</strong>z nah dr<strong>an</strong> sind am<br />

Geschehen, hat Charme und erlaubt<br />

auch unterschiedliche Blickwinkel<br />

auf die Bewegung und ihre viele<br />

kleinen Details. Widersprüche und<br />

Momente der aufregenden Politisierung,<br />

Fragestellungen jenseits<br />

von Bachelor und Master, jenseits<br />

von selbstbezüglicher Mittelschichtskritik<br />

<strong>an</strong> einem l<strong>an</strong>gweiligen<br />

Universitätssystem fallen der<br />

strengen Timeline aber zum Opfer.<br />

Ob es für eine Filmproduktion<br />

genügt, sympathisches Material<br />

chronologisch <strong>an</strong>ein<strong>an</strong>derzureihen<br />

– vielleicht ist das schon zu viel<br />

gefragt. „Wir wollten ja keinen<br />

Film machen, der über die Proteste<br />

reflektiert,” sagt Produzent Antonin<br />

Svoboda. Und das ist (leider)<br />

gelungen. l<br />

„#unibrennt – Bildungsprotest 2.0“<br />

(A <strong>2010</strong>) läuft seit 29.10. in den<br />

österreichischen Kinos.<br />

* Arbeitsgruppe Dokumentation, die aus der<br />

Bewegung unibrennt entst<strong>an</strong>d und in mehreren,<br />

unabhängigen Zusammenhängen die<br />

Proteste auf Video dokumentierte.


Redaktionsschluss Termine 12/10:<br />

02.11.<strong>2010</strong> termine@<strong>an</strong>schlaege.at<br />

fest<br />

musik<br />

5.11., ab 22.00, Wien<br />

Club Quote feat. Chicken Exit (HU),<br />

DJ C, Tomke & Vina Y.<br />

fl uc, 1020, Praterstern, www.fl uc.at<br />

13.11., 22.00, Wien<br />

10 Jahre LADYSHAVE, mit Electric<br />

Indigo u. irradiation, Kosten: 10/VVK<br />

8 Euro,<br />

brut im Künstlerhaus, 1010 Wien,<br />

Karlsplatz 5, T. 01/587 87 74,<br />

www.brut-wien.at,<br />

www.ladyshave.fi nearts.at<br />

20.11., 21.00, Wien<br />

Die Rosa Lila Villa wird 28, Geburtstagsfest<br />

in Kooperation mit MiGay,<br />

nähere Infos zu Redaktionsschluss<br />

noch nicht bek<strong>an</strong>nt, siehe unter<br />

www.villa.at<br />

Rosa Lila Villa, 1060 Wien, Linke<br />

Wienzeile 102, T. 01/586 81 50<br />

ab 17.11., Berlin, Wien u.a.<br />

M.I.A., Tourdaten: 17.11., Berlin,<br />

Columbiahalle; 28.11., München,<br />

Muffathalle; 29.11. Zürich, Rote<br />

Fabrik; 30.11., Wien, Gasometer<br />

bis 5.12., Salzburg u. Wien<br />

Bock auf Kultur <strong>2010</strong>, Benefi z-Festival<br />

zu Gunsten der Flüchtlingshelferin<br />

Ute Bock, Programm unter<br />

www.bockaufkultur.at<br />

film<br />

7.11., 18–23.00, Wien<br />

Laughing matters: Lesbische St<strong>an</strong>dup<br />

Comedy aus den USA, im Rahmen<br />

der Reihe „Das Patriarchat auslachen<br />

Humor als feministische Strategie”,<br />

für Frauen_Lesben_Tr<strong>an</strong>spersonen_<br />

Intersexpersonen<br />

Frauencafé, 1080 Wien, L<strong>an</strong>geg. 11,<br />

www.frauencafe.com<br />

19.11., 18.30, Wien<br />

Lesben im Postkommunismus,<br />

Filmscreening u. Diskussion, mit<br />

J<strong>an</strong>a Cvicova, H<strong>an</strong>a Museion, Anna<br />

Borgos, Dorottya Rédai (Budapest),<br />

Petra Galkova, Moderation: Nina<br />

Hechenberger u. Verena Fabris, auf<br />

Englisch u. Deutsch<br />

Frauenhetz – Feministische Bildung,<br />

Kultur und Politik, 1030 Wien,<br />

Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715<br />

98 88, www.frauenhetz.at<br />

29.11., 17–19.00, Wien<br />

Lesbischer Kultfi lm, für Lesben_Bisexuelle_Tr<strong>an</strong>s*<br />

zwischen 13 u. 20<br />

Jahren<br />

Lila Tipp Lesbenberatung – Beratungs-<br />

und Infostelle in der Rosa Lila<br />

Villa, 1060 Wien, Linke Wienzeile<br />

102, T. 01/586 81 50, www.villa.at<br />

bühne<br />

ab 17.11., 19.30, Wien<br />

Bunbury – The Import<strong>an</strong>ce of being<br />

earnest, von Oscar Wilde, eine Produktion<br />

von Theater SHOWinisten,<br />

mit: Lucy McEvil, Lilly Prohaska,<br />

Sus<strong>an</strong>na Knechtl u.a., Regie: Hubsi<br />

Kramer, weitere Termine: 20., 24.,<br />

27.11., 4., 8., 10.12., Kosten: 18/erm.<br />

12 Euro<br />

3raum Anatomietheater, 1030 Wien,<br />

Beatrixg. 11, T. 0650/323 33 77,<br />

www.3raum.or.at<br />

ab 27.11., 20.00, Wien<br />

Who shot the Princess? Boxstop<br />

Telenovelas, Erstaufführung, Konzept,<br />

Regie, Text, Sound: Gin/i Müller, mit<br />

Flor Edwarda Gurrola, weitere Termine:<br />

28., 29., 30.11., 1.12., Kosten:<br />

13/erm. 7 Euro<br />

brut im Künstlerhaus, 1010 Wien,<br />

Karlsplatz 5, T. 01/587 87 74, www.<br />

brut-wien.at,<br />

seminar<br />

workshop<br />

5.–7.11., Schw<strong>an</strong>berg<br />

I love my Vagina: Feminismus-<br />

Seminar für Einsteigerinnen ohne<br />

Vorkenntnisse, ver<strong>an</strong>staltet vom<br />

Feminismus-Stammtisch der Grünalternativen<br />

Jugend Steiermark, UKB:<br />

20 Euro, Fahrtkosten, Unterkunft u.<br />

Verpfl egung gratis,<br />

Anm. unter www.gaj-stmk.at<br />

ab 6.11., Wien<br />

Feminist/queer Radio-Grundkurs<br />

bei Radio ORANGE 94.0, Fokus<br />

auf queer/feministische Radioarbeit<br />

in Inhalt u. Form, Trainer_innen:<br />

Renate Strauss, Sushila Mesquita,<br />

Petra Y, Nino Jaeger, Termine:<br />

6.11., 10–18.00 Einführung; 11.11.,<br />

17–21.00, Akustisches Gestalten;<br />

12.11., 17–21.00, Recht; 16.11.,<br />

17–21.00, Live-Radio; Kosten: 34<br />

Euro, kostenlos f. Erwerbslose, Anm.<br />

bis 1.11. unter www.o94.at od. Tel.<br />

01/319 09 99<br />

ORANGE 94.0 – Das Freie Radio in<br />

Wien, 1200 Wien, Klosterneuburger<br />

Str. 1, T. 01/31 909 99, www.o94.at<br />

13.11., 10–21.00, Wien<br />

Wen DO – Feministische Selbstverteidigung<br />

für Frauen und Mädchen:<br />

„Eingreifen gegen Rassismus”, Kosten:<br />

20–120 Euro (Gehaltsstaffel),<br />

Informationen u. Anm. bis 3.11. unter<br />

T. 01/408 50 57<br />

FZ, 1090 Wien, Währingerstr. 59,<br />

Stiege 6, http://wolfsmutter.at/sistaz/<br />

wendo_wien/wendo.php<br />

16.11., 18.00, Wien<br />

Linux-Workshop, for ladyz* only<br />

w23, 1010 Wien, Wipplingerstr. 23,<br />

http://techbabbel.raw.at<br />

26.11., 16.30–19.30, Wien<br />

Wirtschaft <strong>an</strong>ders denken, Workshop<br />

mit Barbara Schöllenberger, kein<br />

Wirtschaftswissen od. Vorkenntnisse<br />

nötig, ab 20.00 Buchpräsentation<br />

mit den Autorinnen von „Wirtschaft<br />

<strong>an</strong>ders denken: Feministische Wirtschaftsalphabetisierung”,<br />

Anm. bis<br />

19.11., UKB: Spende<br />

Frauenhetz – Feministische Bildung,<br />

Kultur und Politik, 1030 Wien,<br />

Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715<br />

98 88, www.frauenhetz.at<br />

30.11., 18.00, Wien<br />

LaTeX-Workshop, for ladyz* only<br />

w23, 1010 Wien, Wipplingerstr. 23,<br />

http://techbabbel.raw.at/<br />

4. u. 5.12., 10–19.00, Wien<br />

Wen DO – Feministische Selbstverteidigung<br />

für Frauen und Mädchen:<br />

Grundkurs „Sich verteidigen und<br />

gegen Sexismus h<strong>an</strong>deln”, Kosten:<br />

20–120 Euro (Gehaltsstaffel), Informationen<br />

u. Anm. bis 24.11. unter T.<br />

01/408 50 57<br />

FZ, 1090 Wien, Währingerstr. 59,<br />

Stiege 6, http://wolfsmutter.at/sistaz/<br />

wendo_wien/wendo.php<br />

vortrag<br />

diskussion<br />

6.–7.11., Berlin<br />

Frauengesundheit, 17. Jahrestagung<br />

des Arbeitskreis Frauengesundheit<br />

in Medizin, Psychotherapie und<br />

Gesellschaft, Kosten: 30–100 Euro,<br />

6.11., 20.00: AKF-Frauenfest, UKB:<br />

25 Euro, Anm. f. die Tagung unter: T.<br />

030/86 393-316 od. buero@akf-info.<br />

de, Ort: Hotel Christophorus, 13587<br />

Berlin, Schönwalder Allee 26/3<br />

AKF, 10713 Berlin, Sigmaringer Str.<br />

1, T. 030/86 393-316,<br />

www.akf-info.de<br />

8.11., 19.00, Wien<br />

AsylwerberInnen und Obdachlose<br />

in Österreich heute: Die Frage<br />

nach Alternativen, im Rahmen der<br />

Reihe „Doppel-Porträt”, mit Ute<br />

Bock u. Cecily Corti, Moderation:<br />

Radov<strong>an</strong> Grahovac u. Peter Kreisky,<br />

<strong>an</strong>schließend Filmprojektion aktueller<br />

Projekte der Aktivistinnen u. Buffet<br />

Fleischerei Experimentaltheater,<br />

1070 Wien, Kircheng. 44, T. 01/524<br />

07 38, www.experimentaltheater.com<br />

ab 8.11., 19.00, Wien<br />

Ver<strong>an</strong>staltungsreihe „Culture of<br />

Control? Überwachung, Kontrolle und<br />

Subjektivierung”, Konzept u. Org<strong>an</strong>isation<br />

Ulrike Mayer u. Odin Kroeger, u.a.<br />

8.11.: Andrea Kretschm<strong>an</strong>n: Kontrollkulturen<br />

– Felder, Formen und AkteurInnen<br />

der Überwachung, 24.1.2011:<br />

Gundula Ludwig „Geschlecht und<br />

Heteronormativität überwachen”<br />

Depot, 1070, Breite Gasse 3,<br />

http://depot.or.at<br />

10.11., 18.30, Wien<br />

„Fin<strong>an</strong>zierungen & Kredite”, im<br />

Rahmen der Vortragsreihe „Frauen<br />

und Geld”, Vortragende: D<strong>an</strong>iela Orlik,<br />

UKB: 7 Euro, Anm. bis 7.11. bei elke.<br />

spitzer@prokonzept.at, T. 01/817 41 44<br />

Institut Frauensache, 1030 Wien,<br />

Obere Viaduktg. 24, T. 01/89 58 440,<br />

www.frauensache.at<br />

12.11, 18.00, Wien<br />

„Welches Wissen gegen die Krise?”<br />

– 25 Jahre BEIGEWUM, mit Brigitte<br />

Unger, Gundula Ludwig, Jörg Flecker,<br />

Karin Fischer, Moderation: Beat<br />

Weber, Fest nach der Diskussion<br />

1090 Wien, Albert Schweitzer Haus,<br />

Schwarzsp<strong>an</strong>ierstr. 13,<br />

www.beigewum.at<br />

12.11., 17–20.00, Neuenburg/<br />

Neuchâtel<br />

Bologna und Ch<strong>an</strong>cengleichheit, mit<br />

Helene Füger, Thea Weiss Sampietro,<br />

Cátia C<strong>an</strong>deias, Moderation: Julika<br />

Funk, ver<strong>an</strong>staltet vom Verein Feministische<br />

Wissenschaft Schweiz,<br />

Kosten: 20/erm. 10 CHF<br />

Universität Neuenburg, Raum RN.02<br />

im Gebäude der Geisteswissenschaften,<br />

2002 Neuenburg/Neuchâtel,<br />

Espace Louis-Agassiz 1,<br />

www.2unine.ch, www.femwiss.ch<br />

12.11., 15–17.00, Wien<br />

Notate zum Körperregime, mit Birge<br />

Krondorfer, Moderation: Gerlinde<br />

Mauerer<br />

Institut für Soziologie, 1010 Wien,<br />

Rooseveltplatz 2, www.frauenhetz.at<br />

13.11., 19.00, Wien<br />

Was Frauen arm macht, mit Gisela<br />

Notz, Moderation: Birge Krondofer<br />

Frauenhetz – Feministische Bildung,<br />

Kultur und Politik, 1030 Wien,<br />

Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715<br />

98 88, www.frauenhetz.at<br />

17.11., 18.30, Wien<br />

Beharrliche Leiblichkeit: Zur<br />

Vorgeschichte aktueller Embodiment-<br />

Debatten, mit Marlen Bidwell-Steiner<br />

Institut für Wissenschaft und Kunst,<br />

1090 Wien, Bergg. 17, T. 01/317 43 42,<br />

www.univie.ac.at/iwk<br />

22.11., 19.00, Wien<br />

Totgesagte leben länger – Die<br />

österreichische Frauenbewegung, im<br />

Rahmen der Reihe „Nachdrücklich<br />

vorbildlich: Auf den Spuren von<br />

Pionierinnen und Zukunftsfrauen”,<br />

Kosten: 10/erm. 7 Euro<br />

KosmosTheater, 1070 Wien,<br />

Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26,<br />

www.kosmostheater.at<br />

22.11., 19.00, Graz<br />

Burn-out: Wenn Frauen über ihre<br />

Grenzen gehen, mit Beate Kopp-<br />

Kelter, UKB: 8 Euro, Anm. erwünscht<br />

Frauengesundheitszentrum, 8010<br />

Graz, Jo<strong>an</strong>neumring 3, T. 0316/83 79 98,<br />

www.fgz.co.at<br />

25.11., 9.30–21.00, Garching<br />

Liesel Beckm<strong>an</strong>n Symposium <strong>2010</strong>:<br />

Gender in den Wirtschaftswissenschaften,<br />

Teilnahme kostenlos, nähere<br />

Informationen unter: T. 089/289 252<br />

98 od. lbs@tum.de<br />

Institute for Adv<strong>an</strong>ced Study der<br />

Technischen Universität München,<br />

85748 Garching, Lichtenbergstr. 2a,<br />

www.tum-ias.de<br />

3.12., 18.00, Berlin<br />

G(enuss)-Fläche und weibliche Ejakulation,<br />

Impulsgebung u. Erfahrungsaustausch,<br />

Kosten: 3 Euro, mit Dr. Laura Méritt<br />

Exklusivitäten, 10961 Berlin, Fürbringerstr.<br />

2, www.weiblichequelle.de<br />

ausstellung<br />

<strong>an</strong>.künden<br />

1.–30.11., in g<strong>an</strong>z Europa<br />

Europäischer Monat der Fotografi e,<br />

Österreich-Programm unter www.monatderfotografi<br />

e.at u- www.eyes-on.at<br />

Eyes On Infopoint im MUSA, 1010<br />

Wien, Feldererstr. 6–8, Di, Mi, Fr 11–<br />

18.00, Do 11–20.00, Sa 11–16.00,<br />

T.01/4000-84 00, www.musa.at<br />

5.11.–20.2., Wien<br />

Power Up: Female Pop Art, Künstlerinnen:<br />

Sister Corita, Kiki Kogelnik,<br />

Niki de Saint Phalle u.a., Kunsthalle<br />

Wie, Halle 1, 1070 Wien, Museumsquartier,<br />

Museumsplatz 1, tgl.<br />

10–19.00, Do 10–21.00, T. 01/521<br />

89 33, www.kunsthallewien.at<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 43


<strong>an</strong>.künden<br />

ElVira / www.bildergegengewalt.net<br />

9.11. –7.12., Wien<br />

Display, von Schönheitsdiktaten u.<br />

Schönheitsidealen, Künstlerinnen:<br />

Käthe Hager von Strobele, Maria<br />

Hahnenkamp, Ulrike Lienbacher, Mar-<br />

Jessica Lurie, Foto: Petra Cvelbar<br />

Herta Müller, Foto: Annette Pohnert,<br />

Carl H<strong>an</strong>ser Verlag<br />

44 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

16 Tage<br />

Seit seiner offiziellen Initiierung im Jahr<br />

1999 durch die Vereinten Nationen, die auf<br />

die Entführung und Ermordung der Schwestern<br />

Mirabal 1960 zurückgeht, wird der Internationale<br />

Tag gegen die Beseitigung von<br />

Gewalt <strong>an</strong> Frauen weltweit am 25. <strong>November</strong><br />

mit Aktionen und Ver<strong>an</strong>staltungen beg<strong>an</strong>gen.<br />

Der 25. <strong>November</strong> ist auch Startschuss für<br />

die „16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen”. Der<br />

10. Dezember, der Internationale Tag der<br />

Menschenrechte, bildet den Abschluss dieser<br />

globalen Kampagne. Damit soll auf die Einhaltung<br />

der Menschenrechte für Frauen und<br />

Mädchen sowie die notwendige Stärkung von<br />

Frauenrechten im Allgemeinen aufmerksam<br />

gemacht werden.<br />

Programm Berlin: www.berlin.de/sen/frauen/<br />

oeff-raum/25_11/index.html, Wien: www.wien.<br />

gv.at/menschen/frauen/ver<strong>an</strong>staltungen/16gewalt.html,<br />

Zürich: www.16tage.ch, und <strong>an</strong>dere<br />

Städte in g<strong>an</strong>z Europa:<br />

www.un.org/depts/dhl/violence<br />

gret Wibmer, Eröffnung: 8.11., 19.00<br />

Fotogalerie Wien/WUK, 1090 Wien,<br />

Währingerstr. 59, Di–Fr 14–19.00,<br />

Sa 10–14.00, T. 01/408 54 62,<br />

www.fotogalerie-wien.at<br />

11.11.–24.11., Graz<br />

Frauen gegen Gewalt: Die kolumbi<strong>an</strong>ische<br />

Frauenorg<strong>an</strong>isation „Org<strong>an</strong>ización<br />

Femenina Popular”, Eröffnung:<br />

10.11., 17.00<br />

Women in Klezmer<br />

Zum siebten Mal bespielt das KlezMORE Festival<br />

Wien mit jüdischer Musik in all ihren Variationen,<br />

von zeitgenössischen Interpretationen bis hin zur<br />

Vielfalt traditioneller Formen. Mit Auftritten von<br />

u.a. Timna Brauer (A), Andrea P<strong>an</strong>cur (D), Jessica<br />

Lurie (USA) und Rodinka (FR) wird die Frauenquote<br />

auch hier gepusht. Voll koscher!<br />

6.–21.11., KlezMORE Festival Vienna,<br />

<strong>an</strong> verschiedenen Spielstätten, Festivalinfo<br />

T. 0676/521 91 04, www.klezmore-vienna.at<br />

Der kalte Schmuck<br />

des Lebens<br />

Unter diesem Titel wird der Literaturnobelpreisträgerin<br />

von 2009, Herta Müller, nun die erste<br />

umfassende Ausstellung gewidmet. Das Literaturhaus<br />

Berlin zeigt Originalm<strong>an</strong>uskripte und<br />

literarische Zeugnisse und bringt auf der Finissage,<br />

auf der der rumänischen Sängerin Maria<br />

T<strong>an</strong>ase gedacht wird, Müller sogar zum Singen.<br />

bis 21.11., Finissage am 17.11. mit Herta<br />

Müller u. S<strong>an</strong>dra Weigl & B<strong>an</strong>d, Literaturhaus<br />

Berlin, 10719 Berlin, Fas<strong>an</strong>enstr. 23, Di–Mi,<br />

Fr–So u. Feiertag 11–19.00, Do 11–21.00,<br />

T. 030/887 286-0, www.literaturhaus-berlin.de<br />

Frauendokumentations- und Projektzentrum,<br />

8010 Graz, Radetzkystr. 18,<br />

Mo, Di, Fr 10–13.00, MI 14–17.00, T.<br />

0316/82 06 28, www.doku.at<br />

bis 14.11., Maria Gugging<br />

mahn – maskulines? Männerbilder<br />

– die Abbildung des M<strong>an</strong>nes und<br />

„Männliches” in der Art Brut<br />

galerie gugging, 3400 Maria Gugging,<br />

Am Campus 2, T. 02243/87 087 381,<br />

www.gugging.org<br />

bis 17.11., Linz<br />

Marlen Haushofer: „Ich möchte<br />

wissen, wo ich hingekommen bin!”<br />

StifterHaus, Adalbert-Stifter-Platz<br />

1, 4020 Linz, T. 0732/77 20-1295,<br />

www.stifter-haus.at<br />

bis 21.11., Jena<br />

Louise Bourgeois: Skulpturen, Zeichnungen<br />

und Druckgrafik<br />

Städtische Museen Jena, Kunstsammlung,<br />

07743 Jena, Markt 7, Di<br />

u. Mi 10–17.00, Do 14–22.00, Sa<br />

u. So 11–18.00, T. 03641/4982-65,<br />

ww.kunstsammlung.jena.de<br />

bis 5.12., Wien<br />

Retrospektive Frida Kahlo<br />

B<strong>an</strong>k Austria Kunstforum, 1010 Wien,<br />

Freyung 8, Mo–So 10–19.00, Fr<br />

10–21.00, T. 01/537 33 26,<br />

www.b<strong>an</strong>kaustria-kunstforum.at<br />

bis 12.12., Wien<br />

Ana Torf: Album/Tracks B<br />

Generali Foundation, 1040 Wien,<br />

Wiedner Haupstr. 15, Di–So, feiertags<br />

11–18.00, Do 11–20.00, Vortrag<br />

Mieke Bal 2.12., 19.00, T. 01/504 98<br />

80, http://foundation.generali.at<br />

bis 13.12., Wien<br />

Das Theater mit dem Gender – 10<br />

Jahre KosmosTheater<br />

Jubiläumsausstellung, Konzept und<br />

Ausführung: Bettina Frenzel, geöffnet<br />

<strong>an</strong> Spieltagen, ab 90 min. vor Vorstellungsbeginn,<br />

Eintritt frei<br />

KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng.<br />

42, T. 01/523 12 26,<br />

www.kosmostheater.at<br />

bis 9.1., Fr<strong>an</strong>kfurt/Main<br />

Not in Fashion – Mode und Fotografie<br />

der 90er Jahre<br />

Museum für Moderne Kunst, 60311<br />

Fr<strong>an</strong>kfurt/Main, Domstr. 10, Di<br />

10–18.00, Mi 10–20.00, Do–So<br />

10–18.00, T. 069/212 304 47,<br />

www.mmk-fr<strong>an</strong>kfurt.de<br />

bis 30.1., Wien<br />

Valie Export: Zeit und Gegenzeit,<br />

Führungen durch die Künstlerin:<br />

3.11. 19–20.00, durch die Kuratorin:<br />

16.11., 17–18.00, Themenführung:<br />

17.11., 19–20.00, Diskussion<br />

„Wegbereiterin und Leitfigur”: 1.12.,<br />

19–20.00, Teilnahme kostenlos,<br />

Anm. unter public@belvedere.at<br />

Unteres Belvedere, Or<strong>an</strong>gerie, 1030<br />

Wien, Rennweg 6, tgl. 10–18.00, Mi<br />

10–21.00, T. 01/79 55 70,<br />

www.belvedere.at<br />

bis 31.1., Wien<br />

Sofia Goscinski: Disorders<br />

Kunsthalle Wien, photo wall & video wall<br />

1070 Wien, Museumsplatz 1, tgl.<br />

10–19.00, Do 10–21.00, T. 01/521<br />

89-0, www.kunsthallewien.at<br />

bis 6.2., München<br />

Tronies – Marlene Dumas und die<br />

Alten Meister<br />

Haus der Kunst, 80538 München,<br />

Prinzregentenstr. 1, Mo–So<br />

10–20.00, Do 10–22.00, T. 089/211<br />

27-115, www.hausderkunst.de<br />

bis 13.2., Speyer<br />

Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen<br />

Historisches Museum der Pfalz Speyer,<br />

67346 Speyer, Domplatz 4,<br />

T. 06232/13 25 0,<br />

www.museum-speyer.de<br />

bis 13.3., Wien<br />

Sus<strong>an</strong> Hefuna: 7xANA, Installationsserie<br />

im Rahmen des Projekts<br />

„MAPPING WIEN”<br />

Sigmund Freud Museum, 1090 Wien,<br />

Bergg. 19, tgl. 9–17.00, T. 01/319 15 96,<br />

www.freud-museum.at<br />

lesung<br />

10.11., 19.00, Wien<br />

Angelika Reitzer „Unter uns” u.<br />

Melinda Nadj Abonji „Tauben fliegen<br />

auf”, Einleitung u. Gespräch: D<strong>an</strong>iela<br />

Strigl u. Petra Messner, im Rahmen<br />

der Reihe „Textdialog: Familienmuster<br />

im W<strong>an</strong>del – Zerfließende<br />

Identitäten und starke Charaktere”<br />

Alte Schmiede, Literarisches Quartier,<br />

1010 Wien, Schönlaterng. 9,<br />

T. 01/512 44 46-74,<br />

www.alte-schmiede.at<br />

12.11., 20.00, Wien<br />

Slam b, Poetry Slam, mit Slam-Masterin<br />

Di<strong>an</strong>a Köhle, Anm. ab 19.00, für eigene<br />

Teilnahme mitzubringen: 2 selbst<br />

verfasste Texte zu jew. max. 5 min<br />

Literaturhaus Wien, 1070 Wien,<br />

Zieglerg. 26A, www.literaturhaus.at,<br />

www.slamb.at<br />

24.11., 20.15, Wien<br />

textstrom Poetry Slam, Moderation:<br />

Mieze Medusa, Special Guest: PEH,<br />

Anm. ab 19.30, für eigene Teilnahme<br />

mitzubringen: 2 selbst verfasste Texte<br />

zu jew. max. 5 min<br />

rhiz, 1080 Wien, Gürtelbogen 37,<br />

http://rhiz.org,<br />

www.miezemedusa.com<br />

3.12., 19.00, Wien<br />

Lydia Mischkulnig „Streifzug oder<br />

Moralischer Kater” u. Sabine Scholl<br />

„Euphorie und Schässburg-Gefühl”,<br />

Lesungen und Diskussion, im Rahmen<br />

der Reihe „mitSPRACHE unterwegs<br />

– Literarische Reportagen”<br />

Alte Schmiede, Literarisches Quartier,<br />

1010 Wien, Schönlaterng. 9, T.<br />

01/512 44 46-74,<br />

www.alte-schmiede.at<br />

aktivitäten<br />

jeden 1. Do, ab 18.00, Wien<br />

Offenes Plenum des Frauencafé<br />

Kollektivs<br />

Frauencafé, 1080 Wien, L<strong>an</strong>geg. 11,<br />

www.frauencafe.com<br />

jeden 1. Do, ab 18.30, Wien<br />

Plenum des FrauenLesbenMädchen-<br />

Zentrums<br />

1090 Wien, Währinger Str. 59/Stiege<br />

6, T. 01/408 50 57, http://fz-bar.<br />

wolfsmutter.com<br />

jeden Do u. Fr, 18–24.00, Wien<br />

Feministische Kneipe, für Frauen_Lesben_Tr<strong>an</strong>spersonen_Intersexpersonen<br />

Frauencafé, 1080 Wien, L<strong>an</strong>geg. 11,<br />

www.frauencafe.com<br />

Do, 16.30–18.30, Hamburg<br />

Das LesbenTreff-Café, für Lesben<br />

jeden Alters<br />

20357 Hamburg, Glashüttenstr. 2, T.<br />

040/24 50 02, www.lesbenvereinintervention.de


5.–7.11., Salzburg<br />

Herbst.T<strong>an</strong>z <strong>2010</strong> – t<strong>an</strong>zimpulse<br />

Salzburg. Workshop: Butoh, mit<br />

Yumiko Yoshioka, Anm. unter<br />

workshops<strong>2010</strong>@t<strong>an</strong>zimpulse.at u. T.<br />

0676/97 55 293<br />

t<strong>an</strong>z_house, ARGEkultur, 5020<br />

Salzburg, Ulrike-Gschw<strong>an</strong>dtner-Str. 5,<br />

www.t<strong>an</strong>zimpulse.at<br />

8. u. 22.11., zw. 17 u. 19.00, Wien<br />

Offener Abend zum Selbstgestalten,<br />

für Lesben_Bisexuelle_Tr<strong>an</strong>s*<br />

zwischen 13 u. 20 Jahren<br />

Lila Tipp Lesbenberatung – Die Beratungs-<br />

und Infostelle in der Rosa Lila<br />

Villa, 1060 Wien, Linke Wienzeile<br />

102, T. 01/586 81 50, www.villa.at<br />

25.11., Wien<br />

FrauenMädchenLesbenDemo <strong>an</strong>lässlich<br />

des Internationalen Tags gegen Gewalt<br />

<strong>an</strong> Frauen, Information u. Terminbek<strong>an</strong>ntgabe<br />

f. Vorbereitungstreffen unter<br />

lesbenfrauennachrichten@gmx.at<br />

Autonomos FrauenLesbenMädchen-<br />

Zentrum, 1090 Wien, Währingerstr. 59/<br />

Stiege 6, 2. Stock, T. 01/408 50 57,<br />

http://fz-bar.wolfsmutter.com<br />

beratung<br />

ab 1.11., 18–20.00, Hamburg<br />

Projektwerkstatt: Coming Out, für<br />

junge Lesben/Bisexuelle, weitere Termine:<br />

8., 15., 22., 29.11., Anm. unter<br />

jlz@lesbenverein-intervention.de<br />

Lesbenverein Intervention, 20357<br />

Hamburg, Glashüttenstr. 2,<br />

T. 040/43 04 624,<br />

www.lesbenverein-intervention.de<br />

Marta Carbayo „Won Wom<strong>an</strong> Show”, Foto: Chapitó<br />

jeden 2. u. 4. Sa, 14–18.00, Wien<br />

Frauen-Lesben-Theatergruppe, für<br />

Frauen und Mädchen jeden Alters,<br />

Infos: Regina Stierschneider, T.<br />

0664/186 06 13, regina@elektrobox.com<br />

FZ – Autonomes FrauenLesbenMädchenZentrum,<br />

1090 Wien, Währinger<br />

Str. 59/Stiege 6<br />

Do, 17.30–20.45, Wien<br />

SAPPHO – Psychotherapeutische<br />

Gruppe für lesbische und bisexuelle<br />

Frauen: Das zufriedene les-bi-sche Ich<br />

bin Ich, 14-tägig jeweils Do, Kosten: 48<br />

Euro pro Abend, Anm.: T. 01/585 69 66<br />

Beratungsstelle COURAGE, 1060<br />

Wien, Windmühlg. 15/1/7,<br />

www.courage-beratung.at<br />

ab 3.11., <strong>an</strong> verschiedenen Orten in<br />

Vorarlberg<br />

FEMAIL-Sprechtage, kostenlose u.<br />

vertrauliche Information u. Beratung<br />

zu Themen wie Beihilfen, Karenz,<br />

Wiedereinstieg, Bildung, Gesundheit,<br />

Trennung u. Pension, Sprechtage in<br />

den Regionen mit Claudia Bernard und<br />

Sevinç Kapaklı – Termine unter<br />

T. 05522/31002, www.femail.at<br />

ab 18.11., 18–21.00, Wien<br />

Jahres-Gruppe für Frauen im Aufbruch,<br />

Coaching, Begleitung u. Beratung für<br />

Themen wie Lebenspl<strong>an</strong>, Lebensbal<strong>an</strong>ce,<br />

Lebensentwürfe, Veränderungsprozesse,<br />

Leitung: D<strong>an</strong>iela Reiter, Termine:<br />

18.11., 16.12., 20.1., 17.2., 17.3.,<br />

28.4., 19.5., 16.6.2011, Kosten: 72<br />

Euro/Abend, max. 8 Teilnehmerinnen,<br />

Anm. u. Information: T. 0699/10 52 61<br />

47 od. d<strong>an</strong>iela.reiter@diereiter.at<br />

Seminarzentrum Lindengasse, 1070<br />

Wien, Lindeng. 30/12, www.diereiter.at<br />

Ansichten einer Clownin<br />

Mit oder ohne rote Nase treten sie wieder auf, die Clowns<br />

des internationalen „CLOWNIN”-Festivals in Wien, eines<br />

der insgesamt nur drei Clownfrauen-Festivals auf<br />

der g<strong>an</strong>zen Welt (neben Andorra und Rio de J<strong>an</strong>eiro). An<br />

neun Festivaltagen werden dem erwachsenen Publikum<br />

Stücke heimischer und internationaler Künstlerinnen gezeigt,<br />

darunter zwei Uraufführungen und zahlreiche österreichische<br />

Erstaufführungen. Das Festival wird durch<br />

einen theoretischen Diskurs und Workshops begleitet.<br />

26.11.–4.12., CLOWNIN – Das internationale Clownfrauenfestival<br />

<strong>2010</strong>, KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterngasse<br />

42, Eröffnung 26.11., Diskursabend<br />

29.11. u. Closing Party 4.12. bei freiem Eintritt,<br />

T. 01/523 12 26, www.kosmostheater.at, www.clownin.at<br />

radio<br />

fixtermine<br />

Mo 18–19.00, Wien<br />

Khorschid Kh<strong>an</strong>um – Die persischsprachige<br />

Frauensendung<br />

Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 1. Mo<br />

Mo 19–20.00, Kärnten<br />

Frauenstimmen – Glas zena<br />

Radio Agora 105.5 MHz (Dobrac),<br />

wöchentlich<br />

Mo 21–22.00, Schweiz<br />

K-Punkt Kalila – Feminine und<br />

feministische Themen<br />

K<strong>an</strong>al K 94.9 MHz (Aargau),<br />

Livestream auf http://k<strong>an</strong>alk.ch,<br />

wöchentlich<br />

Di, 13–14.00, Wien<br />

Globale Dialoge – Women on Air<br />

Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, wöchentlich<br />

Di, 18–19.00, Wien<br />

Weibertalk – Sendung des Autonomen<br />

FrauenLesbenZentrums Innsbruck<br />

Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 2. Di<br />

Di, 20–21.00, Deutschl<strong>an</strong>d<br />

Mrs. Pepsteins Welt – Feminismus-<br />

Allüren und Musik, Musik, Musik<br />

Radio Blau 99.2 MHz (Leipzig),<br />

www.mrspepstein.de, alle 4 Wochen<br />

Di, 21–22.00, Wien<br />

female:pressure – Feministisches<br />

Magazin zu Musik- und Clubkultur<br />

Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 2. Di<br />

Mi 18–18.30, Salzburg<br />

Frauenzimmer – Plattform für eine<br />

frauenspezifische Information<br />

Radiofabrik 107.5 MHz (Salzburg<br />

Stadt), wöchentlich<br />

Mi 18–19.00, Wien<br />

Bauch, Bein, Po – Die Sendung für<br />

die g<strong>an</strong>ze Frau<br />

Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 2. Mi<br />

Fr 18–19.00, Wien<br />

Radio UFF – Sendung des Unabhängigen<br />

FrauenForums<br />

Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 1. Fr<br />

Fr 19–20.00, Oberösterreich<br />

SPACEfemFM Frauenradio<br />

Radio FRO 105.0 MHz (Linz), jeden<br />

1., 3. u. 4. Fr<br />

Ann Liv Young/Cinderella, Foto: Michael Guerrero<br />

Foto: Vina Yun<br />

Give me a grrr!<br />

Sa 18–19.00, Deutschl<strong>an</strong>d<br />

Rainbow City – Radio für Lesben und<br />

Schwule<br />

97.2 MHz (Berlin), Livestream<br />

auf www.radiorainbowcity.de,<br />

wöchentlich<br />

Sa 19–20.00, Steiermark<br />

Bertas Bücherstunde – Das feministische<br />

Literaturmagazin<br />

Radio Helsinki 92.6 MHz (Graz),<br />

jeden 4. Sa<br />

So, 19–20.00, Tirol<br />

Weibertalk – Sendung des Autonomen<br />

FrauenLesbenZentrums<br />

Innsbruck<br />

FREIRAD 105.9 MHz<br />

(Innsbruck),jeden 1. So<br />

Cindarella Story<br />

adv<strong>an</strong>ced<br />

<strong>an</strong>.künden<br />

Erklären die jungen Feministinnen die Zweite Frauenbewegung<br />

für tot? Warum nennen sie sich zumeist „Mädchen”<br />

oder „Girls” und nicht Frauen? Wer sind die Riot<br />

Grrrls, und welche Rolle spielt das Internet in Sachen<br />

Vernetzung? Diesen und <strong>an</strong>deren Fragen wird in einem<br />

Seminar auf dem Frauenferienhof Moin Moin mit Feministin,<br />

Aktivistin und Unternehmerin Steph<strong>an</strong>ie Mayfield<br />

nachgeg<strong>an</strong>gen.<br />

12.–14.11., Kosten: 199 Euro, Anm. unter www.frauenferienhof.de,<br />

Moin Moin Frauenferienhof Ostfriesl<strong>an</strong>d,<br />

26446 Friedeburg, Zum Lengener Meer 2,<br />

T. 04956/4956, www.steph<strong>an</strong>ie-mayfield.de<br />

Die Südstaaten-Cinderella Shelly (aka Starperformerin<br />

Ann Liv Young) ist so gar nicht nach<br />

den Gebrüdern Grimm: Sie pfeift auf Prince Charming,<br />

ist vielmehr fasziniert von weiblicher Macht<br />

und davon überzeugt, dass ihr kein Märchenprinz<br />

zu ihrem Glück fehlt. Shelly ist dreist, aufdringlich,<br />

schmuddelig, und versucht, sich „fit for feminism”<br />

zu machen. Nichts mit Schuhprinzessin!<br />

ab 11.11., Cinderella, österreichische Erstaufführung,<br />

mit Ann Liv Young u. Michael Guerrero,<br />

weitere Termine: 12.–14.11., Kosten: 13/<br />

erm. 7 Euro<br />

brut/Konzerthaus, 1030 Wien, Lothringerstr.<br />

20, T. 01/587 87 74, www.brut-wien.at,<br />

www.<strong>an</strong>nlivyoung.com<br />

<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 45


zappho des monats<br />

46 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> gibt’s in folgenden Buchh<strong>an</strong>dlungen:<br />

Fachbuchh<strong>an</strong>dlung ÖGB 1010 Rathausstr. 21<br />

Kuppitsch 1010 Schottengasse 4<br />

Morawa 1010 Wollzeile 11<br />

Winter 1010 Rathausstr. 18<br />

Frick International 1010 Schulerstr. 1-3<br />

tiempo 1010 Joh<strong>an</strong>nesgasse 16<br />

Facultas 1010 Universitätsstr. 7<br />

Lhotzkys Literaturbuffet 1020 Taborstraße 28<br />

Buchh<strong>an</strong>dlung polycollege 1050 Reinprechtsdorferstr. 38<br />

phil 1060 Gumpendorferstr. 10-12<br />

Südwind 1070 Mariahilferstr. 8<br />

Tabak Trafik Brosenbauch 1070 Kaiserstr. 96<br />

und auch in vielen Städten in Deutschl<strong>an</strong>d.<br />

Vollständige Liste der Verkaufsstellen auf:<br />

www.<strong>an</strong>schlaege.at<br />

www.myspace.com/<strong>an</strong>.schlaege<br />

Vorschau auf die Dezember/Jänner-Ausgabe:<br />

Fat Feminism<br />

Neoliberale Körperpolitiken torten<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> tv<br />

8.11., 21.00<br />

auf OKTO<br />

webstream:<br />

www.okto.tv<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>-tv präsentiert:<br />

Zur Diskussionsreihe von<br />

SYNEMA „Frauen Arbeit Film”:<br />

Gespräche mit Brigitte Mayr<br />

u.v.m. über innovative Role-<br />

Models und neue Frauenbilder.<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>-Abopreise:<br />

Schnupperabo (3 Hefte): 10/12* Euro<br />

Jahresabo (10 Hefte): 35/ermäßigt 29/45* Euro<br />

Unterstützungsabo (10 Hefte): 43/53* Euro<br />

* Gültig für Europa, weitere Ausl<strong>an</strong>dspreise auf Anfrage.<br />

Weitere Infos unter abo@<strong>an</strong>schlaege.at oder auf<br />

www.<strong>an</strong>schlaege.at.<br />

Riedl 1080 Alser Str. 39<br />

Löwenherz 1090 Berggasse 8<br />

Südwind 1090 Schwarzsp<strong>an</strong>ierstr. 15<br />

Infoladen Infomaden 1110 Wiel<strong>an</strong>dgasse 2-4<br />

Infoladen Treibs<strong>an</strong>d 4040 Rudolfstr. 17<br />

Kulturverein Waschaecht 4600 Dragonenstr. 22<br />

Rupertusbuchh<strong>an</strong>dlung 5020 Dreifaltigkeitsgasse 12<br />

Wagnersche Buchhdlg. 6020 Museumstr. 4<br />

Amazone-Zentrum 6900 Brockm<strong>an</strong>ngasse 15<br />

Berta – Bücher & Produkte 8020 Siebenundvierzigergasse 27<br />

Hacek-Bücherei 9020 Paulitschgasse 5/7<br />

KBuch 9020 Universitätsstr. 90<br />

FRAUENHOTEL artemisia BERLIN<br />

Zimmer zum Wohlfühlen in Citylage. Ab 39,- Euro.<br />

Br<strong>an</strong>denburgische Str. 18, 10707 Berlin, T 0049 30 8738905<br />

artemisia@frauenhotel-berlin.de, www.frauenhotel-berlin.de


Gender Check –<br />

Narratives <strong>an</strong>d Exhibition<br />

Practices<br />

SymPoSium<br />

19./20. <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />

Eine Initiative der<br />

Homöopathie<br />

für Frauen<br />

Dr. a Maria Pertiller<br />

Fachärztin für Allgemeinmedizin<br />

ÖAK-Diplom Homöopathie<br />

und Akupunktur<br />

und begleitende Krebstherapien<br />

Telefon und Fax: 01/416 54 56<br />

1140 Wien, Lützowgasse 8/4/3<br />

Ordination nach Vereinbarung<br />

keine Kassen


Jetzt<br />

abonnieren.<br />

Schnupperabo (3 Hefte): 10 / 12* Euro<br />

Jahresabo (10 Hefte): 35 (ermäßigt 29) / 45* Euro<br />

Unterstützungsabo (10 Hefte): 43 / 53* Euro<br />

* gültig für Europa, weitere Ausl<strong>an</strong>dspreise auf Anfrage<br />

Infos und Bestellungen unter abo@<strong>an</strong>schlaege.at oder auf www.<strong>an</strong>schlaege.at<br />

Start des Mentoring-<br />

Programms <strong>an</strong> der Uni Wien –<br />

Bewerbungsfrist jetzt!<br />

Die Abteilung Frauenförderung und Gleichstellung der Universität Wien lädt Postdoktor<strong>an</strong> dinnen<br />

und Habilit<strong>an</strong>dinnen der Universität Wien sowie Postdoktor<strong>an</strong>dinnen, die sich um<br />

eine Anstellung <strong>an</strong> der Universität Wien bewerben wollen, ein, sich für das<br />

Mentoring-Programm muv als Mentee zu bewerben. Das neue Programm läuft<br />

von März 2011 bis Jänner 2012. Die Bewerbungsfrist endet am 15. <strong>November</strong> <strong>2010</strong>.<br />

Bewerbungsunterlagen und weitere Infos:<br />

http://personalwesen.univie.ac.at/frauenfoerderung/mentoring/<br />

E-Mail: mentoring.frauenfoerderung@univie.ac.at<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> Nr. 11/10, 24. Jahrg<strong>an</strong>g, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M

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