November 2010 (PDF) - an.schläge
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€ 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l l<br />
das feministische monatsmagazin. november <strong>2010</strong><br />
Christi<strong>an</strong>e Rösinger<br />
Gegen die Vergötzung der Liebe<br />
Das Geschlecht im Körper<br />
Status Quo und Kritik (<strong>an</strong>) der Gender Medizin<br />
#unibrennt – Bildungsprotest 2.0<br />
Vom besetzten Hörsaal ins Kino<br />
Plus: 16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen >> Gay Cops >> Tr<strong>an</strong>sgender Day of Remembr<strong>an</strong>ce >><br />
Wahlwechsel revisited >> Wickelkunst von Judith Scott >> Gender & Disability >> und vieles mehr
Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt<br />
en en en en en en Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt<br />
<strong>an</strong> <strong>an</strong><br />
Frauen Frauen Frauen Frauen<br />
16 16 16 16 16 16 Gewalt Gewalt Gewalt<br />
Frauen Frauen Gewalt Gewalt<br />
FrauenTage 16Tage Tage Tage Tage Tage Tage<br />
Nationalagge<br />
gegen<br />
<strong>an</strong><br />
Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt Gewalt<br />
Frauen<br />
Rechtzeitig zum Nationalfeiertag vor einigen Jahren ruft ein Redakteur des österreichischen<br />
Wochenmagazins NEWS bei mir <strong>an</strong>: „Wir machen eine Geschichte zur<br />
Beziehung der Österreicher zur Nationalagge. Wir fotograeren Menschen mit<br />
der österreichischen Fahne und holen dazu Statements ein. Dürfen wir Sie auch fotograeren?<br />
Mit der österreichischen Fahne, die sie als Kopftuch tragen? Sie dürfen<br />
auch einige Worte dazu sagen, zu Integration und so. Sie sind doch Migr<strong>an</strong>tin und<br />
Österreicherin, oder? Sie werden in prominentem Umfeld abgebildet: Bundespräsident<br />
Fischer, Herm<strong>an</strong>n Nitsch, H<strong>an</strong>s Kr<strong>an</strong>kl kommen in der Geschichte auch vor...“<br />
Es geht wieder einmal um das Kopftuch. Doch diese Anfrage verwirrt: Geht es um<br />
die Identikation mit dem österreichischen Staat? Geht es um Integration? Ist das<br />
Kopftuch doch kein Hindernis für die Aufnahme in die Liga der österreichischen<br />
Prominenz, wenn es rot-weiß-rot ist? Ist das Symbol für „Rückständigkeit und<br />
Frauenunterdrückung“ nicht mehr so bedrohlich, wenn es aus der österreichischen<br />
Nationalagge geschnitten ist? Und vor allem: Was hat es zu bedeuten, in einer<br />
Gesellschaft, die vehement Entschleierung fordert, ein Angebot zur Verschleierung<br />
zu bekommen? Die Beweggründe des Boulevardjournalismus sind unergründlich.<br />
Kopftuch sells!<br />
Idee, Konzept und Realisierung:<br />
Dummheit tut weh.<br />
Bitte keine blöden Fragen mehr!<br />
PEREGRINA<br />
Bildungs-, Beratungs-<br />
und Therapiezentrum<br />
für Immigr<strong>an</strong>tinnen<br />
MITEINANDER LERNEN<br />
Bildung, Beratung und<br />
Psychotherapie für Frauen,<br />
Kinder und Familien<br />
www.lefoe.at / Tel. 01-58 11 881 www.peregrina.at / Tel. 01-408 61 19 www.miteinlernen.at / Tel. 01-493 16 08<br />
Texte: Gamze Ong<strong>an</strong> und Deniz Başpınar<br />
Diseño Gráco: Renata Behncke / Colaboración: Claudia Gomez
Politik<br />
06 >>> <strong>an</strong>.riss politik<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong><br />
08 >>> Kein Hörschutz für T<strong>an</strong>te Ingrid<br />
In der Liste der <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten Berufskr<strong>an</strong>kheiten finden sich Frauen kaum wieder<br />
10 >>> Die Stahlarbeiterin im Kindergarten<br />
Warum Feministinnen in Tschechien als „staatsfeindlich” gelten<br />
12 >>> Cops unter dem Regenbogen<br />
Lesben, Schwule und Tr<strong>an</strong>sgenders wollen die Polizei reformieren<br />
14 >>> <strong>an</strong>.riss international<br />
Thema: Gender Medizin<br />
16 >>> Status, quo vadis?<br />
Eine kritische Best<strong>an</strong>dsaufnahme von Gender Medizin in Österreich<br />
18 >>> Von Frau zu Gender<br />
Die Geschichte der Frauengesundheitsbewegung seit den 1970er Jahren<br />
21 >>> „Frauen-Medizin wäre mir zu wenig gewesen“<br />
Interview: Karin Gutiérrez-Lobos zu den Rahmenbedingungen der Gender Medizin in Wien<br />
Gesellschaft<br />
24 >>> <strong>an</strong>.riss arbeit wissenschaft<br />
26 >>> Schönheit vergeht?<br />
Wie alternde Frauen mit den herrschenden Schönheitsnormen umgehen<br />
28 >>> Tr<strong>an</strong>sgender Day of Remembr<strong>an</strong>ce<br />
Gemeinsam gegen Tr<strong>an</strong>sphobie auftreten<br />
29 >>> „Wozu die Hose?“<br />
Interview: Julia Amore spricht über Tr<strong>an</strong>s-Aktivismus in Argentinien<br />
Kultur<br />
32 >>> <strong>an</strong>.riss kultur<br />
34 >>> Berühren verboten!<br />
Judith Scott wickelt mit ihrer Kunst ein<br />
35 >>> Dem Götzen Liebe den Garaus gemacht<br />
Interview: Christi<strong>an</strong>e Rösinger über ihr neues Solo-Album und das „Alleinsein” in der Liebe<br />
Rubriken<br />
<strong>an</strong>.sage: Offener Brief <strong>an</strong> den Österr. Medienverb<strong>an</strong>d<br />
sprechblase: Sager des Monats<br />
plusminus: Butch & Femme<br />
<strong>an</strong>.frage: 16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen<br />
medienmix: It gets better Project, Nisaa FM,<br />
Olympe<br />
<strong>an</strong>.sprüche: Das Wahlrecht umverteilen<br />
<strong>an</strong>.lesen: Jutta Jacob u.a., Sabine Altermatt, Gudrun<br />
Ankele, Anke Drygala/Andrea Günter, Monika Helfer,<br />
Lydia Mischkulnig, Gaby Temme/Christine Künzel<br />
<strong>an</strong>.kl<strong>an</strong>g: Bassena Social Club, Anna Zauner-<br />
Pagitsch, Sophie Hassfurther, Leora Vinik,<br />
Magdalena Kožená<br />
<strong>an</strong>.sehen: #unibrennt – Bildungsprotest 2.0<br />
<strong>an</strong>.künden: Termine & Tipps<br />
05<br />
06<br />
06<br />
07<br />
15<br />
23<br />
38<br />
41<br />
42<br />
43<br />
Kolumnen<br />
neul<strong>an</strong>d<br />
zeitausgleich<br />
heimspiel<br />
lebenslauf<br />
lesbennest<br />
bonustrack: clara luzia<br />
katzenpost<br />
zappho des monats<br />
09<br />
24<br />
31<br />
33<br />
37<br />
40<br />
43<br />
46
04 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
editorial<br />
impressum<br />
Im Vorfeld zum „Tag der Freien Medien” am 15. Oktober<br />
hat eine Gruppe Freier Medien- und Kulturinitiativen –<br />
darunter auch die <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> – einen offenen Brief <strong>an</strong> den<br />
Österreichischen Medienverb<strong>an</strong>d verfasst (vollständiger<br />
Wortlaut siehe auf der gegenüberliegenden Seite). Einer<br />
der Kritikpunkte war die Schieflage im Geschlechterverhältnis<br />
am Ver<strong>an</strong>staltungspodium – symptomatisch für das<br />
m<strong>an</strong>gelnde Bewusstsein für Genderfragen in der hiesigen<br />
Medienpolitik.<br />
Inzwischen hat der Medienverb<strong>an</strong>d öffentlich ge<strong>an</strong>twortet<br />
und meint u.a., „dass eine Mediendefinition vor fachlichem,<br />
nicht vor ideologischem oder welt<strong>an</strong>schaulichem<br />
Hintergrund erarbeitet werden muss.”<br />
Nun, rein fachlich gesehen müssten die Medien, die<br />
den offenen Brief unterschrieben haben, allesamt bei<br />
komfortablen Einkünften in bestens ausgestatteten<br />
Innenstadtbüros sitzen. Warum wir in der Realität nicht<br />
so erfolgsverwöhnt sind? Weil sich bei uns „Erfolg” eben<br />
doch erst vor „ideologischem Hintergrund” einstellt –<br />
nämlich d<strong>an</strong>n, wenn wir die Gesellschaft, in der wir leben,<br />
verbessert haben. Ja, verbessert, lieber Medienverb<strong>an</strong>d,<br />
nicht nur „objektiv und kritisch beschrieben”, wie es in<br />
deiner Antwort heißt.<br />
Als feministisches, linkes Medium hoffen wir, mit dem offenen<br />
Brief zudem einen Schritt in Richtung Repolitisierung<br />
der sog. alternativen Medienszene zu setzen – aber auch<br />
die in den letzten Jahren ins Stocken geratene Vernetzung<br />
unter „kritischen” Medien auf neue Beine zu stellen.<br />
Wir bleiben dr<strong>an</strong>.<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> werden gefördert von:<br />
Feminist Superheroines<br />
Am 25. <strong>November</strong> 1960 wurden die drei Schwestern<br />
Patria (*1924), Minerva (*1926) und María Teresa<br />
(*1935) Mirabal vom dominik<strong>an</strong>ischen Geheimdienst<br />
im Auftrag des Diktators Rafael Trujillo ermordet. Die<br />
Schwestern – „die Schmetterlinge“ gen<strong>an</strong>nt – hatten<br />
zuvor die Untergrund-Widerst<strong>an</strong>dsbewegung „14. Juni“<br />
unterstützt, die für den Sturz Trujillos kämpfte.<br />
1981 wurde ihr Todestag beim ersten Kongress<br />
lateinamerik<strong>an</strong>ischer und karibischer Feministinnen in<br />
Kolumbien zum Gedenktag für die Opfer von Gewalt<br />
<strong>an</strong> Frauen ausgerufen. 1999 erklärte die UNO ihn zum<br />
Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt <strong>an</strong> Frauen.<br />
Seither findet jährlich die internationale Kampagne<br />
„16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen“ statt, die bis zum<br />
10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte,<br />
läuft.<br />
Illustration: Lina Walde<br />
Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik. A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76, e-mail: redaktion@<strong>an</strong>schlaege.at,<br />
office@<strong>an</strong>schlaege.at, www.<strong>an</strong>schlaege.at l Koordinierende Redakteurinnen: Sylvia Köchl, office@<strong>an</strong>schlaege.at, T.01/920 16 78, Vina Yun, redaktion@<strong>an</strong>schlaege.at, T. 01/920 16 76<br />
Buchhaltung, Abos: Verena Stern, buchhaltung@<strong>an</strong>schlaege.at, abo@<strong>an</strong>schlaege.at l Termine, Tipps: Nadine Kegele, termine@<strong>an</strong>schlaege.at l Inserate: Michèle Thoma, mi.thoma@chello.at l Redaktion:<br />
Bettina Enzenhofer/be, Andrea Heinz/h<strong>an</strong>, Sylvia Köchl/sylk, Silke Pixner/pix, Fiona Sara Schmidt/fis, Verena Stern/vers, Lea Susemichel/les, Irmi Wutscher/trude, Vina Yun/viyu l<br />
Praktikum: S<strong>an</strong>ja Nedeljkovic l Texte: Lisa Bolyos, Daphne Ebner, Christi<strong>an</strong>e Erharter, Denice Fredriksson, Ina Freudenschuß, Beate Hammond, Regina Himmelbauer, Sonja Hofmair,<br />
Grit Höppner, Gabi Horak/GaH, Kathrin Iv<strong>an</strong>csits/kaiv, Mia Kager/miak, Birge Krondorfer, Alice Ludvig, Clara Luzia, Bärbel Mende-D<strong>an</strong>neberg, S<strong>an</strong>ja Nedeljkovic/s<strong>an</strong>e, Ana<br />
Petretto, Simone Prenner, Karo Rumpfhuber, Ramona Vogel, Anita Weidhofer/atina l Layoutkonzept & Layout: Lisa Bolyos l Coverfoto: Staatsakt, Collage: Lisa Bolyos l Cartoons & Illustrationen:<br />
Paula Bolyos, Nadine Kappacher, Lisa Max, Bi<strong>an</strong>ca Tschaikner, Lina Walde, Zappho l Fotos: <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>-Archiv, Rongem Boyo, Chapitó, coop99/AG Doku, Creative Growth Art Center<br />
Oakl<strong>an</strong>d/Museum Gugging, Petra Cvebar, ElVira/www.bildergegengewalt.net, Michael Guerrero, Fr<strong>an</strong>z Jachim, Sylvia Köchl, Bri<strong>an</strong> Kusler, Michael Lackinger, Annette Pohnert,<br />
Staatsakt, Südwind, F<strong>an</strong>gor Wojciech, Verena W./www.bildergegengewalt.net, Libertinus Yom<strong>an</strong>go, Vina Yun l Homepage: Mirjam Bromundt, www.<strong>an</strong>schlaege.at l Druck: H.R.G. Druck-<br />
erei © <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Titel, Vorsp<strong>an</strong>n und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen<br />
vorbehalten. l ISSN 1993-3002
Sehr geehrter Vorst<strong>an</strong>d des Österreichischen Medienverb<strong>an</strong>des!<br />
Der Österreichische Medienverb<strong>an</strong>d hat für morgen, den 15. Oktober <strong>2010</strong>,<br />
den „Tag der Freien Medien” ausgerufen – zum zweiten Mal seit seiner<br />
Gründung im Jahr 2008. Zu diesem Anlass finden im Quartier für digitale<br />
Kultur im Wiener Museumsquartier u.a. eine Medienmesse und eine Podiumsdiskussion<br />
zur Stellung der Freien Medien in Österreich statt.<br />
Als Projekte und Initiativen, die im Feld der freien und autonomen Medien-<br />
und Kulturarbeit agieren, haben wir uns gegen eine Teilnahme am „Tag<br />
der Freien Medien” entschieden und möchten Ihnen hiermit die Gründe für<br />
diese Entscheidung kommunizieren.<br />
Wir möchten betonen, dass unsere gemeinsame Stellungnahme unabhängig<br />
von einer Einladung zum „Tag der Freien Medien” erfolgt – einige der unterzeichnenden<br />
Medieninitiativen wurden explizit zur Teilnahme <strong>an</strong> dieser Ver<strong>an</strong>staltung<br />
geladen, m<strong>an</strong>che nicht. Unsere Kritik richtet sich allerdings nicht<br />
bloß gegen den Event, sondern vielmehr auf die politischen Verhältnisse, wie<br />
sie gerade am „Tag der Freien Medien” eben nicht zur Sprache kommen.<br />
Die Gründe für unsere Nichtteilnahme am „Tag der Freien Medien” sind:<br />
(1) Das Diskussionspodium ist mit Martin Blumenau/FM4, Medienstaatssekretär<br />
Josef Ostermayer und diepresse.com-Chef Peter Krotky besetzt. Mit<br />
Michaela Wein vom Online-Magazin mok<strong>an</strong>t.at sitzt eine einzige Frau und<br />
Vertreterin eines „Freien Mediums” als Diskut<strong>an</strong>tin am Podium. Neben der –<br />
gelinde gesagt – unausgewogenen „Gender Bal<strong>an</strong>ce” am Podium stellt sich für<br />
uns insbesondere die Frage, welchen Beitrag die drei erstgen<strong>an</strong>nten Diskut<strong>an</strong>ten<br />
zu einer konstruktiven Debatte über Freie Medienarbeit liefern können.<br />
(2) F<strong>an</strong>d der erste vom Österreichischen Medienverb<strong>an</strong>d org<strong>an</strong>isierte „Tag<br />
der Freien Medien” 2008 noch im fluc und damit in einer Location statt, die<br />
klar im Feld der freien und autonomen Kulturarbeit zu verorten ist, so hat<br />
m<strong>an</strong> sich heuer für das Museumsquartier als Ver<strong>an</strong>staltungsort entschieden.<br />
Damit sollen Fragen der Freien Medienarbeit ausgerechnet in einem der<br />
„Hot Spots” neoliberal gesteuerter Kreativwirtschaft in Wien verh<strong>an</strong>delt<br />
werden, was unseres Erachtens einer klaren Positionierung von Freier Medienarbeit<br />
jenseits eines ökonomischen Nützlichkeitsdiskurses entgegenläuft.<br />
(3) Nicht weniger paradox erscheint uns der Umst<strong>an</strong>d, dass Besucher_innen,<br />
die keine schriftliche Vor<strong>an</strong>meldung vorweisen können, beim „Tag der<br />
Freien Medien” keinen freien Eintritt erhalten. Eine solche Regelung mag<br />
gängige Praxis bei vergleichbaren „Fachmessen” im Museumsquartier oder<br />
<strong>an</strong>derswo sein – dass den in der Regel auf breite Öffentlichkeit und niederschwelligen<br />
Zug<strong>an</strong>g zielenden Freien Medien mit einer solchen Praxis kein<br />
guter Dienst erwiesen wird, scheint uns aber offensichtlich.<br />
Abgesehen davon drängt sich uns in Zusammenh<strong>an</strong>g mit dem Begriff „Freie<br />
Medien” noch eine weitere, grundsätzlichere Frage auf. Laut Selbstbeschreibung<br />
versteht sich der Österreichische Medienverb<strong>an</strong>d nämlich als<br />
Interessenvertretung für Print-Publikationen und elektronische Medien,<br />
die den Fokus ihrer Arbeit auf die Förderung Freier Klein- und Kleinstmedien<br />
gelegt hat. Was dabei jedoch konkret unter „Freie Medien” verst<strong>an</strong>den<br />
wird, bleibt weitgehend unklar.<br />
In seinem „Working Paper” definiert der Medienverb<strong>an</strong>d den Begriff „frei”<br />
als „unabhängig”, und zwar „zwischen inhaltlicher Gestaltung und Fin<strong>an</strong>-<br />
Offener Brief <strong>an</strong> den Österreichischen Medienverb<strong>an</strong>d<br />
<strong>an</strong>lässlich des Tags der Freien Medien am 15.10.<strong>2010</strong><br />
zierung” (siehe http://medienverb<strong>an</strong>d.at/wp-content/uploads/misc<strong>an</strong>ellous/<br />
OeMVB_Definition_Freie_Medien.pdf). Eine inhaltliche Dimension des Begriffs<br />
im Sinne eines politischen Selbstverständnisses oder einer politischen<br />
Positionierung sucht m<strong>an</strong> vergebens. So lässt sich nicht einmal ein <strong>an</strong>tidiskriminatorischer<br />
Grundkonsens, wie er etwa in der Charta der Freien Radios<br />
Österreich (http://www.freie-radios.at/article.php?ordner_id=27&id=194)<br />
als Minimal<strong>an</strong>forderung <strong>an</strong> Freie Medienarbeit formuliert ist, ausmachen.<br />
Insofern kommt auch der „partizipative Zug<strong>an</strong>g”, wie er im „Working Paper”<br />
als Merkmal Freier Medien beschrieben wird, äußerst schwammig daher<br />
und thematisiert weder gesellschaftliche Ausschlüsse aufgrund von z.B.<br />
Rassismus, Sexismus, Homo-/Tr<strong>an</strong>sphobie oder „Disability” noch Strategien,<br />
wie eine medienpolitische Partizipation diskriminierter Personengruppen<br />
aussehen könnte.<br />
Dies erstaunt nicht nur <strong>an</strong>gesichts des insgesamt kritikwürdigen Zust<strong>an</strong>ds<br />
der österreichischen Medienl<strong>an</strong>dschaft, sondern auch und vor allem <strong>an</strong>gesichts<br />
der zunehmend nach rechts rückenden politischen Verhältnisse, wie<br />
sie schon seit längerem (nicht bloß) in Österreich zu beobachten sind.<br />
Unserem Selbstverständnis nach muss der Begriff „Freie Medien” deshalb<br />
wesentlich darauf abzielen, Raum für gesellschaftskritische Diskurse herzustellen<br />
und damit eine Plattform für linke, em<strong>an</strong>zipatorische Positionen<br />
– insbesondere jene von Migr<strong>an</strong>t_innen – <strong>an</strong>bieten. Freie Medien rücken<br />
also solche Perspektiven in den Mittelpunkt, die von den bürgerlichen Medien<br />
wenig oder gar nicht berücksichtigt werden und der vermeintlichen<br />
„Professionalität”, „Objektivität” und dem, was „berichtenswert” sei, entgegenstehen.<br />
Nicht zuletzt fehlt aus unserer Sicht eine differenzierte wie kritische Ausein<strong>an</strong>dersetzung,<br />
was die l<strong>an</strong>gfristigen Zukunftsperspektiven Freier Medienarbeit<br />
betrifft, etwa hinsichtlich der Frage der fortschreitenden prekären<br />
Arbeits- und Existenzbedingungen, den Überlebensch<strong>an</strong>cen nicht-kommerzieller<br />
Medien, der Subventionslage und Anerkennung migr<strong>an</strong>tischer Medien<br />
u.ä.<br />
Mit unserer Kritik möchten wir Impulse für eine medienpolitische Debatte<br />
setzen, die Freie Medien nicht als „alternative Produkte”, sondern als Artikulations-<br />
und Interventionsplattform begreift, die gegen den herrschenden<br />
gesellschaftlichen Konsens <strong>an</strong>tritt.<br />
Gezeichnet (in alphabetischer Reihenfolge):<br />
Anneg<strong>an</strong>g – Magazin zur Überwindung der inneren Sicherheit,<br />
www.<strong>an</strong>neg<strong>an</strong>g.org<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> – Das feministische Monatsmagazin, www.<strong>an</strong>schlaege.at<br />
fiber – werkstoff für feminismus und popkultur, www.fibrig.net<br />
grundrisse – zeitschrift für linke theorie & debatte, www.grundrisse.net<br />
IG Kultur Österreich, www.igkultur.at<br />
Kulturrat Österreich, www.kulturrat.at<br />
Kulturrisse – Zeitschrift für radikaldemokratische Kulturpolitik,<br />
www.kulturrisse.at<br />
MALMOE, www.malmoe.org<br />
migrazine.at – Online Magazin von Migr<strong>an</strong>tinnen für alle, http://migrazine.at<br />
Wien, 14. Oktober <strong>2010</strong><br />
<strong>an</strong>.sage<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 05
<strong>an</strong>.riss politik<br />
Verena W. / www.bildergegengewalt.net<br />
Peregrina – Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigr<strong>an</strong>tinnen,<br />
06 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
gegen gewalt<br />
Demo-Aufruf<br />
Im Rahmen der „16 Tage gegen<br />
Gewalt <strong>an</strong> Frauen” (siehe<br />
<strong>an</strong>.frage, S. 7), die von 25.<br />
<strong>November</strong> bis 10. Dezember<br />
stattfinden, ist zum Auftakt eine<br />
FrauenLesbenMädchen-Demo<br />
gepl<strong>an</strong>t. Die Vorbereitungs- und<br />
Vernetzungstreffen im Autonomen<br />
FrauenLesbenMädchenZentrum<br />
haben bereits begonnen, engagierte<br />
Frauen sind jederzeit willkommen<br />
und melden sich unter lesbenfrauennachrichten@gmx.at.<br />
trude<br />
Autonomes FrauenLesbenMädchenZentrum, 1090 Wien, Währingerstraße 59/Stiege 6 (2. Stock)<br />
Kommende Termine der Vernetzungstreffen: 11.11., 19.11., 22.11.<br />
peregrina<br />
Klappe auf!<br />
Seit 26 Jahren berät und unterstützt der Verein Peregrina Migr<strong>an</strong>tinnen<br />
bei sozialen und psychologischen Problemen. Jetzt wurde dieses Engagement<br />
mit dem Alex<strong>an</strong>der-Friedm<strong>an</strong>n-Preis des Psychosozialen Zentrums<br />
ESRA gewürdigt, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Wir gratulieren!<br />
Aktuell beteiligt sich Peregrina <strong>an</strong> der Aktion „16 Tage gegen Gewalt<br />
<strong>an</strong> Frauen”. Gemeinsam mit mehreren <strong>an</strong>deren NGOs, die das Projekt<br />
„Klappe auf!” gegründet haben, wurde ein Videoclip gestaltet, der vom<br />
25.11. bis 10.12. auf www.diest<strong>an</strong>dard.at zu sehen sein wird. Unter dem<br />
Motto „Dummheit tut weh! Bitte keine blöden Fragen mehr!” setzt sich<br />
das Video mit institutionalisierter Diskriminierung und diskursiver Gewalt<br />
gegen Migr<strong>an</strong>tinnen ausein<strong>an</strong>der. trude/sylk<br />
Währingerstraße 59, 1090 Wien, www.peregrina.at, www.esra.at<br />
„Für uns<br />
Christen ist<br />
das eine moralische<br />
Frage“<br />
Finnl<strong>an</strong>d hat ein Problem: die Ev<strong>an</strong>gelisch-<br />
Lutherische Kirche. Seitdem der Bischof<br />
von Tampere und die Vorsitzende der finnischen<br />
Christdemokraten, Päivi Räsänen, in<br />
einer TV-Diskussion homosexuelle Beziehungen<br />
öffentlich verurteilten, traten innerhalb<br />
einer Woche rund 20.000 Menschen aus<br />
der Kirche aus – per Mausklick. Seit 2003<br />
ist im High-Tech verliebten Finnl<strong>an</strong>d der<br />
Kirchenaustritt nämlich unterschriftenlos<br />
via Online-Formular möglich. M<strong>an</strong> möchte<br />
sagen: vorbildlich. viyu<br />
À la butch (+)<br />
menschenrechte<br />
NGO-Bericht für Österreich<br />
Ab Jänner 2011 unterzieht sich Österreich erstmals der „Universellen<br />
Menschenrechtsprüfung”, mit der die Menschenrechtssituation in den<br />
192 UN-Mitgliedsländern verbessert werden soll. Mitte Oktober übergab<br />
die österreichische Bundesregierung der UNO ihren Staatenbericht zur<br />
Situation der Menschenrechte im L<strong>an</strong>d. Anh<strong>an</strong>d der Staatenberichte<br />
wird alle vier Jahre (seit 2008) vom UN-Menschenrechtsrat in Genf die<br />
Implementierung von Menschenrechtsverpflichtungen in den Mitgliedsstaaten<br />
geprüft.<br />
Zeitgleich zum Bericht der Bundesregierung haben österreichische NGOs<br />
ihre Einschätzung der Wahrung von Menschenrechten in Österreich <strong>an</strong><br />
die UNO übermittelt, seit Ende Oktober liegt dieser Parallelbericht vor.<br />
Der Verein ZARA, der auch den jährlichen Rassismus-Report für Österreich<br />
herausgibt, dokumentiert in seinem Schattenbericht „eine m<strong>an</strong>gelhafte<br />
Anti-Diskriminierungsgesetzgebung und den fehlenden politischen<br />
Willen, Rassismus als alltägliches Phänomen <strong>an</strong>zuerkennen und zu<br />
bekämpfen” und möchte diese Tatsachen von der UNO untersucht wissen.<br />
ZARA ortet in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen Probleme:<br />
beim Aufenthalts- und Wahlrecht, bei der Vergabe von Arbeitsplätzen und<br />
Wohnungen, beim Zug<strong>an</strong>g zu Bildung – also alles Bereiche, in denen Rassismus<br />
die gesellschaftliche Beteiligung verhindert. Arbeitsplätze oder<br />
Wohnungen würden immer wieder offen mit Verweis auf die Hautfarbe<br />
oder die Bekleidung (Kopftuch) verweigert. Es müsse die g<strong>an</strong>ze „Menschenrechts-Infrastruktur”<br />
verbessert werden. sylk/viyu<br />
www.menschenrechte-jetzt.at/universelle-menschenrechtsprufung, zara.or.at<br />
sexarbeit<br />
Prostitutionsgesetz für Oberösterreich<br />
In Oberösterreich ist die L<strong>an</strong>desregierung bemüht, die bisherigen Regelungen<br />
zur Sexarbeit durch ein einheitliches und verpflichtendes Prostitutionsgesetz<br />
zu ersetzen. Dem Verein maiz sowie aktiven und ehemaligen<br />
plus<br />
Es muss nicht immer L<strong>an</strong>ghaar und Lipstick<br />
sein: Bulldaggers, Tomboys, Drag Kings,<br />
Butches, Gender Queers und Dapper Dykes<br />
dominierten den Laufsteg der Fashion-Show,<br />
die Mitte Oktober in Los Angeles stattf<strong>an</strong>d.<br />
Mit dem Event wurde die Jahreskonferenz<br />
der Grassroots-Org<strong>an</strong>isation „BUTCH<br />
Voices” (www.butchvoices.com) eingeläutet,<br />
die die g<strong>an</strong>ze B<strong>an</strong>dbreite von „wom<strong>an</strong>identified<br />
Butches” über „tr<strong>an</strong>s-masculine<br />
Studs” bis hin zu „faggot-identified Aggressives”<br />
feiert. W<strong>an</strong>n bloß wird Wien endlich<br />
L.A. werden? viyu<br />
À la femme (+)<br />
Am 6. und 7. <strong>November</strong> wird in Hamburg<br />
queere Feminität im Theorie und<br />
Praxis erkundet: Der Workshop „Exploring<br />
Femmeness”, org<strong>an</strong>isiert von der AG Queer<br />
Studies in Kooperation mit dem Zentrum<br />
GenderWissen, widmet sich Politiken, Begehren,<br />
Strategien und Skills à la Femme.<br />
Angesprochen sind alle, die selbst queere,<br />
lesbische, bisexuelle und schwule Feminitäten<br />
verkörpern bzw. sich mit den eigenen<br />
Aspekten von Femmeness ausein<strong>an</strong>dersetzen<br />
möchten. Anmeldung und Infos unter<br />
femmeworkshop@gmx.de. viyu
SexarbeiterInnen liegt der Entwurf vor, in einem offenen Brief <strong>an</strong> die<br />
Oberösterreichische L<strong>an</strong>desregierung haben sie dazu Stellung genommen.<br />
Im Allgemeinen wird das Gesetzesvorhaben von den SexarbeiterInnen<br />
zwar begrüßt, in einigen Punkten jedoch auch be<strong>an</strong>st<strong>an</strong>det. Der Hauptkritikpunkt<br />
lautet, dass es bei dem Gesetz vorr<strong>an</strong>gig um Beschränkung und<br />
Kontrolle, nicht aber um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die<br />
in der Prostitution Tätigen geht. Denn es lässt den Gemeinden und der Polizei<br />
einen großen H<strong>an</strong>dlungsspielraum, und für SexarbeiterInnen gibt es<br />
eine Reihe <strong>an</strong> Pflichten, es fehlen aber positiv formulierte Rechte. Dies,<br />
so heißt es in dem offenen Brief, mache erneut deutlich, dass Sexarbeit<br />
nicht erwünscht ist und als gesellschaftliche Realität negiert wird. trude<br />
Stellungnahme unter www.maiz.at<br />
mindestsicherung<br />
Bettengebühr<br />
Ab <strong>November</strong> sollen Obdachlose, die Mindestsicherung erhalten und eine<br />
Notschlafstelle länger als zwei Monate be<strong>an</strong>spruchen, einen „symbolischen<br />
Beitrag” von vier Euro pro Nacht bezahlen. Das gilt für Unterkünfte,<br />
die vom Fonds Soziales Wien geführt werden. Ehrenamtlich betriebene<br />
Notschlafstellen können die Bedingungen für die Übernachtung weiter<br />
selbst festlegen. Grund für die Neuregelung ist, dass mit der bedarfsorientierten<br />
Mindestsicherung, die 744 Euro pro Monat beträgt, auch 186<br />
Euro Wohnkosten<strong>an</strong>teil ausbezahlt werden.<br />
SozialarbeiterInnen und Obdachloseneinrichtungen haben sich deshalb<br />
zur Initiative für kostenlose Notschlafstellen (INKONO) zusammengeschlossen.<br />
Sie kritisieren die Einführung der Gebühr massiv, v.a. da<br />
dadurch mehr Menschen auf der Straße schlafen würden. Die Notschlafstellen<br />
seien außerdem nicht mit einem Wohnplatz gleichzusetzen, denn<br />
sie können erst ab 17 Uhr bezogen und müssen am nächsten Morgen<br />
wieder verlassen werden. Hinzu kommt, dass der Wohnkosten<strong>an</strong>teil von<br />
der Stadt ausbezahlt und durch die Gebühr wieder eingehoben wird, was<br />
nur sinnlosen Verwaltungsaufw<strong>an</strong>d mit sich bringt. Die Alternative wäre,<br />
den Anteil ohne die Auflage auszuzahlen, dass er nur für Wohnkosten<br />
verwendet werden darf. Damit bliebe die Autonomie der Obdachlosen gewahrt,<br />
das Geld so einzusetzen, wie sie es möchten, um mit dem zusätzlichen<br />
Anteil z.B. Schulden zu bezahlen. trude<br />
fm4.orf.at/stories/1664862, https://wohnungslos.wordpress.com<br />
abtreibungsgegnerInnen<br />
Dämonen auf der Jugendmesse<br />
Bei der Berliner Jugendmesse YOU, die dieses Jahr von 1. bis 3. Oktober<br />
stattf<strong>an</strong>d, haben fundamental-christliche AbtreibungsgegnerInnen einen<br />
St<strong>an</strong>d zur Verfügung gestellt bekommen. Fraueneinrichtungen, darunter<br />
Pro Choice Berlin, protestierten im Vorfeld mit einem offenen Brief<br />
gegen die St<strong>an</strong>dvergabe: Die Vereine ALfA (Aktion Lebensrecht für<br />
Alle) und Kaleb (Kooperative Arbeit Leben ehrfürchtig bewahren) böten<br />
keine Aufklärung über Sexualität und Verhütung, sondern dämonisierten<br />
lediglich Abtreibungen. Dies sei problematisch, da „Jugendliche die<br />
Anbieter der Messe als Autorität wahrnehmen und oft nicht in der Lage<br />
sind, deren Informationen zu überprüfen”. trude<br />
http://europe<strong>an</strong>prochoicenetwork.wordpress.com<br />
Die Fahne hissen<br />
Jedes Jahr findet von 25. <strong>November</strong> bis 10. Dezember die internationale<br />
Kampagne „16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen” statt. Seit<br />
1992 beteiligt sich der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser<br />
(AÖF) <strong>an</strong> der Aktion, die vom Centre for Women’s Global<br />
Leadership ins Leben gerufen wurde. S<strong>an</strong>ja Nedeljkovic befragte<br />
Felice Drott von AÖF zur Entwicklung der Kampagne.<br />
Die „16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen“ finden in Österreich nun<br />
zum 19. Mal statt – erheblich häufiger als in <strong>an</strong>deren europäischen<br />
Ländern. Wie kommt es dazu?<br />
Vergleichen wir Österreichs Situation mit <strong>an</strong>deren europäischen<br />
Ländern, d<strong>an</strong>n ist es sicherlich eine Frage der den Fraueneinrichtungen<br />
zur Verfügung stehenden Ressourcen. Spürbar größer<br />
ist die Beteiligung <strong>an</strong> der Kampagne in jenen Ländern, die bspw.<br />
über nationale Dachorg<strong>an</strong>isationen der Frauenhäuser und Beratungsstellen<br />
verfügen. Ist die Fin<strong>an</strong>zierung der Frauenhäuser und<br />
Beratungsstellen nicht gesichert, ist es schwierig, eine kontinuierliche<br />
Kampagne durchzuführen.<br />
Welche sichtbaren Veränderungen können Sie seit der ersten<br />
Aktion erkennen?<br />
Es freut uns zu sehen, dass die Kampagne mittlerweile in g<strong>an</strong>z<br />
Österreich bek<strong>an</strong>nt ist. Vor allem die 2001 von TERRE DES<br />
FEMMES entwickelte Fahnenaktion „Frei leben ohne Gewalt”<br />
hat sich mit unserer kontinuierlichen Lobbyarbeit immer mehr<br />
verselbstständigt. Mittlerweile beteiligen sich viele NGOs, Universitäten,<br />
Schulen, diverse Institutionen sowie mehrere Ministerien und<br />
hissen jährlich die Fahne.<br />
Wie sieht eine feministische Öffentlichkeitsarbeit zum Thema<br />
Gewalt aus?<br />
Das kommt darauf <strong>an</strong>. Noch vor 20 Jahren z.B. war es notwendig,<br />
überhaupt auf die Thematik aufmerksam zu machen. Die Parteinahme<br />
für Frauen und die Schaffung bzw. Fin<strong>an</strong>zierungssicherung<br />
adäquater Versorgungsstrukturen wie Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen,<br />
Notrufe etc. st<strong>an</strong>den früher im Mittelpunkt unserer<br />
Arbeit. Heute geht es darüber hinaus auch vermehrt um strukturell<br />
ver<strong>an</strong>kerte Bewusstseinbildung und Prävention.<br />
Obwohl sich Institutionen immer wieder für Präventionsmaßnahmen<br />
aussprechen, bleiben viele Versprechungen bloßes Lippenbekenntnis.<br />
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?<br />
Wir wünschen uns eine strukturelle Ver<strong>an</strong>kerung von Gewaltprävention<br />
im Bildungsbereich. Diese sollte vom Kindergarten bis in<br />
die Universitäten reichen und – entsprechend aufbereitet –<br />
verpflichtend in die Lehrpläne aufgenommen werden. Dringend<br />
nötig ist aus unserer Sicht eine flächendeckende Bewusstseins-<br />
Kampagne in allen Schulen sowie eine begleitende Aus- und Fortbildung<br />
für Pädagog_innen.<br />
Weitere Infos unter: www.aoef.at<br />
<strong>an</strong>.frage<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 07
arbeitsschutz<br />
Kein Hörschutz<br />
für T<strong>an</strong>te Ingrid<br />
08 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
In der Liste der <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten Berufskr<strong>an</strong>kheiten<br />
finden sich Frauen kaum wieder.<br />
Kreuzweh darf der Presslufthammer verursachen,<br />
aber nicht das Heben von Patient_innen.<br />
Eine Überarbeitung der Kriterien ist überfällig.<br />
Von Gabi Horak<br />
Vier Kinder hämmern auf Holzinstrumente,<br />
zwei Mädchen streiten lauthals<br />
um ein Lastauto, drei <strong>an</strong>dere spielen<br />
Nachlaufen. Lärmpegel: über 80 Dezibel.<br />
Bei Arbeitsplätzen in der Industrie<br />
ist da bereits ein Hörschutz vorgeschrieben,<br />
weil 85dB das Gehör nachweislich<br />
schädigen. Im Kindergarten lächeln die<br />
„T<strong>an</strong>ten” und werden nachmittags beim<br />
Einkaufen be-lächelt: „Kindergärtnerin<br />
bist du, das ist ja süß.” Die harten<br />
Arbeitsbedingungen der Kleinkindpädagoginnen<br />
und -pädagogen werden aber<br />
nicht nur von der Allgemeinheit unterschätzt,<br />
sondern auch vom Gesetzgeber.<br />
Kaputter Rücken. „Das Berufsleben<br />
macht auch Frauen kr<strong>an</strong>k, doch bei den<br />
typischen Frauenbr<strong>an</strong>chen wird einfach<br />
weggeschaut”, kritisiert die Grüne<br />
Frauensprecherin Judith Schwentner. Sie<br />
hat Anf<strong>an</strong>g Oktober (nach 2009 bereits<br />
zum zweiten Mal) im parlamentarischen<br />
Sozialausschuss einen Antrag gestellt, die<br />
Liste der 53 Berufskr<strong>an</strong>kheiten zu überarbeiten.<br />
Denn Frauen hätten es deutlich<br />
schwerer, Berufskr<strong>an</strong>kheiten geltend zu<br />
machen, weil die derzeit <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten<br />
Berufskr<strong>an</strong>kheiten deutlich auf männerdominierte<br />
Br<strong>an</strong>chen zugeschnitten sind.<br />
Ein Wirbelsäulenschaden etwa ist nur<br />
d<strong>an</strong>n <strong>an</strong>zuerkennen, wenn er durch<br />
„Erschütterungen bei der Arbeit mit<br />
Pressluftwerkzeugen und gleichartig<br />
wirkenden Werkzeugen und Maschinen”<br />
hervorgerufen wurde. Körperliche<br />
Schwerstarbeit wie im frauendominierten<br />
Bereich der Pflege kommt in<br />
diesem Kriterienkatalog schlichtweg<br />
nicht vor.<br />
Dabei liegt der Zusammenh<strong>an</strong>g zwischen<br />
kaputtem Rücken und Pflege-<br />
berufen auf der H<strong>an</strong>d. Im Bericht des<br />
Wiener WHO-Modellprojektes „Gesundheit<br />
und Kr<strong>an</strong>kenhaus” von 1995<br />
hieß es (mit Verweis auf zahlreiche<br />
Sekundärliteratur): „Für Angehörige<br />
der Gesundheitsdienste sind Rückenbeschwerden<br />
eine typische Berufskr<strong>an</strong>kheit.”<br />
Und in <strong>an</strong>deren Ländern, in denen<br />
Erkr<strong>an</strong>kungen des Muskel-Skelett-<br />
Apparats als Berufskr<strong>an</strong>kheit <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt<br />
sind, liegt der Frauen<strong>an</strong>teil bereits bei<br />
45 Prozent.<br />
Eine Erhebung der deutschen Bundes<strong>an</strong>stalt<br />
für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin hat ergeben, dass sich<br />
der Pflegeberuf durch psychische und<br />
besondere körperliche Belastungen<br />
auszeichnet. Für zwei von drei Pflegenden<br />
gehört das Heben schwerer<br />
Lasten zum Berufsalltag. Im Baugewerbe<br />
muss nur jeder Zweite häufig<br />
schwer heben.<br />
Lärmschäden Nr. 1. Hier liegt es also<br />
eindeutig <strong>an</strong> der Politik, zu h<strong>an</strong>deln und<br />
das Gesetz endlich <strong>an</strong> den Berufsalltag<br />
<strong>an</strong>zupassen. Die Liste der Berufskr<strong>an</strong>kheiten<br />
ist dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz<br />
(ASVG) <strong>an</strong>gehängt.<br />
Formal zuständig für die Überarbeitung<br />
wäre das Gesundheitsministerium.<br />
Dem jährlichen Tätigkeitsbericht der<br />
Arbeitsinspektion ist zu entnehmen,<br />
wie oft und bei wem verschiedene<br />
Berufskr<strong>an</strong>kheiten <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt wurden.<br />
Die Nicht<strong>an</strong>erkennung einer Berufskr<strong>an</strong>kheit<br />
hat g<strong>an</strong>z konkrete Folgen für die Betroffenen:<br />
So fallen sie etwa um die Versehrtenrente um,<br />
und die Kosten einer Rehabilitation werden<br />
nicht übernommen.<br />
Für das Jahr 2009 entfielen dabei nur<br />
16 Prozent der Anerkennungen auf<br />
Frauen – hauptsächlich Hauterkr<strong>an</strong>kungen,<br />
etwa bei Friseurinnen. Durch<br />
Lärm verursachte Schwerhörigkeit ist<br />
die insgesamt häufigste Berufskr<strong>an</strong>kheit,<br />
der Frauen<strong>an</strong>teil liegt hier bei<br />
zwei Prozent. Diese niedrige Zahl – so<br />
die Mutmaßung im Entschließungs<strong>an</strong>trag<br />
der Grünen – kommt u.a. dadurch
zust<strong>an</strong>de, dass Frauen auch weitaus<br />
seltener auf Lärmschäden untersucht<br />
werden. Denn immerhin geht es auch<br />
in frauendominierten Br<strong>an</strong>chen wie in<br />
der Textil- und Nahrungsmittelindustrie,<br />
<strong>an</strong> pädagogischen Arbeitsplätzen oder<br />
in der Gastronomie sehr laut zu. „Es<br />
braucht dringend eine bessere Überprüfung<br />
der Arbeitsbedingungen in frauendominierten<br />
Br<strong>an</strong>chen”, fordert Judith<br />
Schwentner. „Denn Berufskr<strong>an</strong>kheiten<br />
werden u.a. auch im Zuge von Untersuchungen<br />
am Arbeitsplatz entdeckt.”<br />
Eine weitere Lücke in der Liste der<br />
Berufskr<strong>an</strong>kheiten sind psychische<br />
Kr<strong>an</strong>kheiten. Die Zahl der Kr<strong>an</strong>kenstände<br />
wegen psychiatrischer Leiden<br />
hat sich in Österreich seit den 1990er<br />
Jahren mehr als verdoppelt. Bei Frauen<br />
sind psychische Erkr<strong>an</strong>kungen bereits<br />
der Hauptgrund für eine kr<strong>an</strong>kheitsbedingte<br />
Frühpension.<br />
Schon wieder vertagt. Die Nicht<strong>an</strong>erkennung<br />
einer Berufskr<strong>an</strong>kheit hat g<strong>an</strong>z<br />
konkrete Folgen für die Betroffenen: So<br />
fallen sie etwa um die Versehrtenrente<br />
um, und die Kosten einer Rehabilitation<br />
werden nicht übernommen.<br />
Der Frauen<strong>an</strong>teil bei den <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten<br />
Berufskr<strong>an</strong>kheiten lag in den 1990er<br />
Jahren bei rund 30 Prozent, heute bei<br />
16 Prozent. Es ist für Frauen in den<br />
letzten Jahren also sogar schwerer geworden,<br />
ihre Kr<strong>an</strong>kheiten als berufsbedingt<br />
<strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt zu bekommen.<br />
Doch nicht nur eine grundsätzliche,<br />
geschlechtergerechte Überarbeitung<br />
der Berufskr<strong>an</strong>kheiten wäre nötig, auch<br />
die Prävention und arbeitsmedizinische<br />
Untersuchungen sollten – gerade in<br />
frauendominierten Br<strong>an</strong>chen – verstärkt<br />
werden. Und nicht zuletzt sollten Frauen<br />
in Entscheidungen über Sicherheit<br />
und Gesundheit am Arbeitsplatz stärker<br />
einbezogen werden. So bedauerten die<br />
Grünen im Sozialausschuss, dass nur<br />
wenige Frauen in der Arbeitsinspektion<br />
arbeiten würden. Sozialminister<br />
Hundstorfer erwiderte laut Ausschuss-<br />
Protokoll, er hätte gerne mehr<br />
weibliches Personal in der Arbeitsinspektion,<br />
„allerdings sei eine entsprechende<br />
technische Grundausbildung<br />
erforderlich”.<br />
Wie schon 2009 wurde der Antrag im<br />
Sozialausschuss auch in diesem Jahr im<br />
Oktober vertagt – „unter einem völlig<br />
fadenscheinigen Argument”, wie An-<br />
tragstellerin Schwentner feststellt. „Die<br />
ÖVP meinte, dafür sei der Gesundheitsausschuss<br />
zuständig, und ich solle den<br />
Antrag dort einbringen.” Nötig wäre<br />
diese formale Verrenkung nicht, denn<br />
auch der Sozialausschuss k<strong>an</strong>n jederzeit<br />
den Gesundheitsminister einladen. Dass<br />
eine Überarbeitung des Berufskr<strong>an</strong>kheiten-Katalogs<br />
grundsätzlich <strong>an</strong>gebracht<br />
sei, darüber herrschte im Ausschuss<br />
jedoch bei allen Parteien Konsens.<br />
Schwentner: „Alle sind sich einig, dass<br />
aufgrund der veränderten Gegebenheiten<br />
in der Arbeitswelt eine Anpassung<br />
der Berufskr<strong>an</strong>kheiten dringend nötig<br />
ist. Es ist allerdings beschämend, dass<br />
die Regierung hier auf Kosten der Frauen<br />
untätig bleibt.”<br />
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek<br />
wollte sich auf Anfrage der <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong><br />
nicht darauf festlegen, die grüne Forderung<br />
nach Überarbeitung der Liste<br />
der Berufskr<strong>an</strong>kheiten zu unterstützen.<br />
Auch wenn sie durchaus H<strong>an</strong>dlungsbedarf<br />
sieht: „Um konkret Berufskr<strong>an</strong>kheiten<br />
vorbeugen zu können, braucht<br />
es vor allem eine gute betriebliche Gesundheitsförderung.<br />
Prävention ist der<br />
entscheidende Faktor.” Außerdem verweist<br />
Heinisch-Hosek auf den Kontext<br />
der „Doppel- und Dreifachbelastung”,<br />
weshalb auch <strong>an</strong> einigen <strong>an</strong>dere Rädern<br />
zu drehen wäre, um Frauengesundheit<br />
zu verbessern. „Auch Änderungen der<br />
Org<strong>an</strong>isation der Arbeit selbst, z.B. bei<br />
der Arbeitszeit, sind in Hinblick auf eine<br />
Verbesserung der Work-Life-Bal<strong>an</strong>ce<br />
zu überlegen. Aber wir müssen vor<br />
allem mehr Kinderbetreuungsplätze zur<br />
Verfügung stellen und die Väterkarenz<br />
ausbauen.”<br />
Pädagog_innen werden auch weiterhin<br />
ohne Hörschutz ihren Dienst verrichten<br />
und Pflegepersonal Tag und Nacht<br />
Schwerarbeit leisten. Dass traditionelle<br />
Frauenberufe weiterhin Niedriglohn-<br />
Br<strong>an</strong>chen mit gesundheitsschädigenden<br />
Arbeitsbedingungen, die noch dazu nicht<br />
als solche <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt werden, bleiben,<br />
ist kein Naturgesetz. Nachdem alle<br />
Wahlen geschlagen sind, könnten die<br />
Regierungsparteien die Aufmerksamkeit<br />
auf einige rechtliche Baustellen<br />
richten. Geschlechtergerechte Arbeitsbedingungen<br />
stehen g<strong>an</strong>z oben auf der<br />
Liste. l<br />
neul<strong>an</strong>d<br />
entdeckungen im alltag<br />
Beate Hammond<br />
Grace Kellys Enkel<br />
Die stets so konservativ wirkende Grace Kelly war in<br />
vieler Hinsicht ihrer Zeit voraus. Sie hatte Liebhaber,<br />
vor und nach ihrer Hochzeit. Sie f<strong>an</strong>d <strong>an</strong> Homosexualität<br />
nichts Verwerfliches – schier unglaublich im miefigen<br />
Amerika der 1950er Jahre. Und sie setzte symbolische<br />
H<strong>an</strong>dlungen gegen Rassismus. Als die schwarze Sängerin<br />
und Tänzerin Josephine Baker im mondänen New Yorker<br />
„Stork Club” nicht bedient wurde, verließ sie diesen aus<br />
Protest gemeinsam mit ihren Freunden. Später, als sie<br />
g<strong>an</strong>z konventionell einen Fürsten geheiratet und sich aus<br />
ihrem Beruf zurückgezogen hatte, stellte die nunmehrige<br />
Fürstin von Monaco Josephine Baker eine Villa zur<br />
Verfügung, da diese knapp bei Kasse war.<br />
Nun könnte sie die Großmutter des ersten Fürsten von<br />
Monaco mit sichtbarer afrik<strong>an</strong>ischer Herkunft werden,<br />
denn der bisher einzige Sohn ihres Sohnes Albert ist ein<br />
gewisser Alex<strong>an</strong>dre Coste, das Ergebnis einer Beziehung<br />
mit einer togoischen Flugbegleiterin. Fürst Albert von<br />
Monaco hat die Vaterschaft im Juli 2005 <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt, kurz<br />
bevor er selbst die Nachfolge seines verstorbenen Vaters<br />
Rainier <strong>an</strong>trat. Artikel 10 der Verfassung von Monaco<br />
sieht zwar vor, dass nur „legitime” Nachfahren des<br />
Monarchen für die Thronfolge in Frage kommen – nur<br />
macht das fr<strong>an</strong>zösische Zivilgesetz keinen Unterschied<br />
zwischen ehelichen und unehelichen Kindern. Notfalls<br />
könnte Alex<strong>an</strong>dre vor den Europäischen Gerichtshof<br />
für Menschenrechte ziehen, allerdings wurde hier ein<br />
britischer Antrag, die Thronfolge zu ändern, schon einmal<br />
mit dem Hinweis abgeschmettert, dass Thronfolge kein<br />
Menschenrecht sei.<br />
Die patrilineare Primogenitur, also der Überg<strong>an</strong>g der<br />
Thronfolge auf den erstgeborenen ehelichen Sohn, ist in<br />
den meisten Monarchien der Welt nach wie vor Gesetz.<br />
In Schweden allerdings geht seit 1980 die Thronfolge auf<br />
das erstgeborene Kind, egal ob männlich oder weiblich,<br />
über. Dies geschah übrigens per Parlamentsbeschluss und<br />
gegen den Willen der königlichen Familie. Mal sehen,<br />
was nun in Monaco passiert.<br />
Beate Hammond macht ihre Entdeckungen in Wien.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 09
postsozialismus<br />
10 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Die Stahlarbeiterin<br />
im Kindergarten<br />
Im Kommunismus em<strong>an</strong>zipiert,<br />
im Kapitalismus degradiert?<br />
Ramona Vogel wirft einen<br />
Blick auf die aktuelle Gleichstellungspolitik<br />
in Tschechien<br />
und den ambivalenten Umg<strong>an</strong>g<br />
mit den Geschlechterbildern<br />
der realsozialistischen Verg<strong>an</strong>genheit.<br />
Auf die Revolution von 1989 ist m<strong>an</strong> in<br />
Tschechien zurecht stolz: Männer wie<br />
Frauen wehrten sich gleichermaßen<br />
gegen das repressive realsozialistische<br />
System und seine verkrusteten Strukturen<br />
– mit Erfolg. Ende gut, alles gut?<br />
Die GewinnerInnen von Revolutionen<br />
sind selten deren VorkämpferInnen, und<br />
in Tschechien haben die Frauen klar<br />
verloren.<br />
Betrachtet m<strong>an</strong> die Arbeitsmarktdaten,<br />
stehen die tschechischen Frauen glänzend<br />
da: In kaum einem <strong>an</strong>deren L<strong>an</strong>d<br />
der Welt arbeitet ein so hoher Anteil <strong>an</strong><br />
Frauen in Vollzeit wie hier. Nur vier bis<br />
fünf Prozent der Frauen in Tschechien<br />
bleiben zu Hause. Allein dies schon<br />
als Zeichen für Gleichberechtigung zu<br />
interpretieren, wäre allerdings falsch:<br />
„In Tschechien ist das Familienmodell<br />
auf zwei Verdiener ausgelegt”, erklärt<br />
Alena Krˇížková, Leiterin der Abteilung<br />
für Gender-Forschung <strong>an</strong> der Akademie<br />
der Wissenschaften in Prag, der<br />
einzigen Forschungsstelle dieser Art im<br />
g<strong>an</strong>zen L<strong>an</strong>d.<br />
Der Durchschnittslohn beträgt in Tschechien<br />
rund 950 Euro – und dies bei mit<br />
Österreich und Deutschl<strong>an</strong>d vergleich-<br />
baren Lebenshaltungskosten. Zusätzlich<br />
ergaben Erhebungen des Europäischen<br />
Statistikamtes, dass tschechische Frauen<br />
über 25 Prozent weniger verdienen<br />
als ihre männlichen Kollegen. In den<br />
M<strong>an</strong>agementpositionen gehen Schätzungen<br />
von bis zu 40 Prozent Lohnunterschied<br />
aus. Allerdings muss m<strong>an</strong><br />
die Größenordnung der Einkommensunterschiede<br />
relativieren: So geht die<br />
Schere bei den 25- bis 37-Jährigen am<br />
weitesten ausein<strong>an</strong>der – also in jener<br />
Altersgruppe, in der es am häufigsten zu<br />
Arbeitsunterbrechungen aufgrund von<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaften kommt. Rechnet<br />
m<strong>an</strong> all diese Faktoren aus der Statistik<br />
heraus, bleibt ein Einkommensunterschied<br />
von rund zehn Prozent, der somit<br />
im europäischen Benachteiligungsdurchschnitt<br />
liegt.<br />
Mehrfachbelastungen. Obwohl die<br />
Arbeitszeiten von Frauen und Männern<br />
ungefähr gleich l<strong>an</strong>g sind, sind<br />
die privaten Verhältnisse innerhalb<br />
von (Ehe-) Partnerschaften klar<br />
getrennt. Laut einer Untersuchung der<br />
deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
verbringen Frauen in Tschechien im<br />
F<strong>an</strong>gor Wojciech: Figures/Postaci, 1950. Museum of Art in Łód´z<br />
Durchschnitt 21 Stunden pro Woche<br />
mit Hausarbeit, Männer aber nur rund<br />
fünf Stunden.<br />
Unterstützt wird dies durch die<br />
schwierige Vereinbarkeit von Beruf<br />
und Familie. Jungen Müttern stehen in<br />
Tschechien drei verschiedene Modelle<br />
zur Wahl: Sie können zwei, drei<br />
oder vier Jahre zu Hause bleiben und<br />
erhalten einen ihrem Gehalt <strong>an</strong>nähernd<br />
entsprechenden Lohnausgleich. Pavla<br />
Špondrová, Gleichstellungsbeauftragte<br />
der tschechischen Regierung, kritisiert<br />
dieses Modell: „In keinem <strong>an</strong>deren<br />
europäischen L<strong>an</strong>d gibt es derart l<strong>an</strong>ge<br />
Erziehungszeiten. Das ist sehr schlecht<br />
für die Frauen, denn nach diesen vier<br />
Jahren haben sie den Bezug zur Arbeit<br />
verloren. Wenn sie ihren Job überhaupt<br />
noch haben, müssen sie quasi bei fast<br />
Null <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen.”<br />
Staatliche Kinderkrippen, die Kinder ab<br />
zwei Jahren aufnehmen, sind in Tschechien<br />
rar. Der Bedarf sei nicht gegeben,<br />
argumentiert die Regierung.<br />
Em<strong>an</strong>zipiert = staatsfeindlich. Noch<br />
deutlicher wird das Bild <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der<br />
Ergebnisse einer europaweiten Erhe-
ung, die die Einstellung zu Geschlechterrollen<br />
<strong>an</strong>alysiert. Über die Hälfte<br />
der befragten TschechInnen stimmten<br />
Aussagen zu wie: „Der M<strong>an</strong>n sollte<br />
das Geld verdienen, die Frau sollte sich<br />
um den Haushalt kümmern.” Damit<br />
liegt Tschechien europaweit <strong>an</strong> der<br />
Spitze. „In <strong>an</strong>deren Bereichen sind die<br />
TschechInnen hingegen sehr liberal”,<br />
resümiert Pavla Špondrová, „so sind<br />
viele mit der Gleichberechtigung von<br />
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften<br />
einverst<strong>an</strong>den.”<br />
Em<strong>an</strong>zipationsbemühungen stoßen in<br />
Tschechien nicht nur auf das übliche<br />
patriarchalische Ablehnungsmuster<br />
– sie werden gleichsam mit Staatsfeindlichkeit<br />
und Rückwärtsgew<strong>an</strong>dtheit<br />
identifiziert. „Em<strong>an</strong>zipierte<br />
Frauen werden mit Kommunisten<br />
gleichgestellt” und würden in der<br />
tschechischen Gesellschaft vollkommen<br />
diskreditiert, darin stimmen<br />
Alena Krˇížková und Pavla Špondrová<br />
überein.<br />
Der Kommunismus formulierte schon<br />
zur Zeit seiner Entstehung das Ziel<br />
der Gleichberechtigung von M<strong>an</strong>n und<br />
Frau. In der Tschechoslowakei der<br />
1950er Jahre wurde die Em<strong>an</strong>zipation<br />
der Frau jedoch von der sowjetischen<br />
Besatzung als zentrales Element der<br />
kommunistischen Staatsdoktrin ausgegeben.<br />
Ob der Staat d<strong>an</strong>n auch auf der<br />
Grundlage dieser hehren Grundsätze<br />
h<strong>an</strong>delte, sei dahingestellt. Tatsache<br />
ist, dass bei der niedrigen Produktivität<br />
nicht auf die Hälfte der arbeitsfähigen<br />
Bevölkerung verzichtet werden<br />
konnte. Mehr noch: Frauen wurden<br />
nicht nur als dringend benötigte Produktionsfaktoren<br />
auf den Arbeitsmarkt<br />
geholt, sondern gezielt gefördert. Dabei<br />
erk<strong>an</strong>nte m<strong>an</strong>, dass ein entscheidender<br />
Faktor der Benachteiligung<br />
der Frauen ihre eigene Berufswahl<br />
war – ein Erkenntnismoment, der 50<br />
Jahre später fast in Vergessenheit<br />
geraten scheint.<br />
Recht auf Arbeit. Wie auch in <strong>an</strong>deren<br />
Ländern werden die weniger gut verdienenden<br />
und gesellschaftlich geschätzten<br />
Tätigkeiten wie Erziehungsarbeit im<br />
Kindergarten und in der Grundschule<br />
fast vollständig von Frauen ausgeübt.<br />
Sobald das Ansehen und der Verdienst<br />
steigen, nimmt die Zahl der Männer zu,<br />
und in den höchsten Positionen kehrt<br />
sich das Verhältnis d<strong>an</strong>n fast vollständig<br />
um. Mittels Propag<strong>an</strong>da versuchten<br />
die KommunistInnen, dieses Rollenbild<br />
aufzubrechen. So wurden etwa in den<br />
damaligen Kinderbüchern Frauen als<br />
Stahlarbeiterinnen, Chemikerinnen oder<br />
Ärztinnen gefeiert.<br />
Die Zahl der in klassischen Männerberufen<br />
arbeitenden Frauen war während<br />
des Realsozialismus wesentlich höher<br />
Em<strong>an</strong>zipationsbemühungen stoßen in<br />
Tschechien nicht nur auf das übliche<br />
patriarchalische Ablehnungsmuster – sie<br />
werden gleichsam mit Staatsfeindlichkeit<br />
und Rückwärtsgew<strong>an</strong>dtheit identifiziert.<br />
als heute und wurde explizit unterstützt.<br />
Frauen, die in typischen Männerberufen<br />
arbeiteten, galten als Symbole der<br />
Überlegenheit des kommunistischen<br />
Regimes gegenüber dem Westen. „Dies<br />
hat sich im Bewusstsein der Menschen<br />
hier in Tschechien ver<strong>an</strong>kert.<br />
Die Gleichstellung der Frauen ist ein<br />
Thema, das m<strong>an</strong> unmittelbar verbindet<br />
mit dem alten, ungewollten Regime”,<br />
sagt Alena Krˇížková. „Dies führt nun<br />
zu einer Ablehnung des Themas, und es<br />
wird sogar mit Rev<strong>an</strong>chismus gleichgesetzt.”<br />
Und das sowohl von Männern als auch<br />
von Frauen. Denn im Gegensatz zu<br />
den kapitalistischen Ländern mussten<br />
tschechische Frauen das Recht,<br />
arbeiten zu gehen, nicht erst erkämpfen<br />
– sie wurden von Staats wegen dazu<br />
verpflichtet. Hinzu kommt, dass die<br />
Regierung, die diese Schritte einleitete,<br />
von der Bevölkerung des L<strong>an</strong>des immer<br />
als „Besatzer” begriffen wurde.<br />
Links ausgeschlossen. Alles, was in<br />
Tschechien auch nur den Anschein von<br />
linken Denkmustern erweckt, wird<br />
gesellschaftlich unterminiert. So wurde<br />
Ende September dieses Jahres die<br />
Soziologin Tereza Stöckelová unter<br />
großem Aufsehen vom renommierten<br />
deutsch-tschechischen Gesprächsforum<br />
ausgeschlossen. Als Begründung wurde<br />
ihr Engagement in einer NGO gen<strong>an</strong>nt,<br />
die sich zum linken Spektrum bekennt.<br />
In den tschechischen Medien f<strong>an</strong>d sich<br />
dies, wenn überhaupt, als R<strong>an</strong>dnotiz<br />
wieder.<br />
Auch J<strong>an</strong>a Kavková, Vorsitzende der<br />
außerparlamentarischen Vereinigung<br />
„Pro50Prozent”, die sich für eine Frauenquote<br />
in der Politik einsetzt, kennt<br />
diese Vorurteile: „M<strong>an</strong> wird immer<br />
wieder mit diesen Vorwürfen abgek<strong>an</strong>zelt.<br />
Alles, was auch nur im Verdacht<br />
steht, mit dem alten Regime zu tun zu<br />
haben, trifft auf Ablehnung.” Selbst<br />
wenn es sich um Projekte h<strong>an</strong>delt, die<br />
von der Regierung selbst ausgehen. So<br />
wurde vor einigen Jahren eine eher<br />
harmlose Broschüre in Schulen verteilt,<br />
die über politisch korrekte Formulierungen<br />
aufklären sollte. „Das Medienecho<br />
war enorm. Die Broschüre wurde derart<br />
hart sowohl von den Politikern als auch<br />
von den Medien attackiert, dass wir<br />
sie zurücknehmen mussten,” sagt Pavla<br />
Špondrová. Doch das sei nicht einmal<br />
das größte Problem: „Es betrifft ja<br />
auch die Männer. Sie stehen durch diese<br />
starren Rollenklischees selbst enorm<br />
unter Druck.” Ihrer Meinung nach ist<br />
häusliche Gewalt eine der Folgen dieses<br />
Drucks und ein Problem, auf das sie sich<br />
jetzt konzentrieren will. l<br />
Ramona Vogel ist freie Journalistin und<br />
lebt und arbeitet zurzeit in Prag.<br />
postsozialismus<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 11
gay cops<br />
Cops unter dem<br />
Regenbogen<br />
Lesben, Schwule und Tr<strong>an</strong>sgender bei der Polizei:<br />
Ein Streifzug durch ein gesellschaftliche Sp<strong>an</strong>nungsfeld,<br />
basierend auf einem Gespräch mit Ewald Widi,<br />
Gründer und Obm<strong>an</strong>n der „GayCops Austria”.<br />
Von Sonja Hofmair<br />
Dieser Artikel erschien<br />
zuerst in der Zeitschrift<br />
„STIMME von und für<br />
Minderheiten”, Nr. 76/<strong>2010</strong>,<br />
zum Thema „Polizei –<br />
Spiegel der Gesellschaft?”<br />
http://minderheiten.at<br />
Link:<br />
www.gaycopsaustria.at<br />
12 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Schwule, Lesben und Tr<strong>an</strong>sgender in der<br />
Polizei? Im ersten Moment ein seltsam<br />
<strong>an</strong>mutender Ged<strong>an</strong>ke. Immerhin blicken<br />
Homosexuelle auf eine jahrhundertel<strong>an</strong>ge<br />
Unrechtsgeschichte und die<br />
daraus resultierende Verfolgung durch<br />
die Polizei zurück. Die Kriminalisierung<br />
von Homosexualität – diffamierend als<br />
„widernatürliche Unzucht” bezeichnet<br />
– war bis 1971 im § 129 des Österreichischen<br />
Strafgesetzbuches ver<strong>an</strong>kert.<br />
Die Angst vor der Polizei ist ein stetig<br />
wiederkehrendes Thema in Biografien<br />
von Schwulen und Lesben – sie erzählen<br />
vom Verstecken und Vertuschen, von<br />
Razzien, Verhören und Prügeln.<br />
Vor fünf Jahren haben sich nun homosexuelle<br />
Polizist_innen aus Österreich zu<br />
einer Initiative zusammengeschlossen,<br />
die gegen Vorurteile und Diskriminierung<br />
von Lesben, Schwulen und Tr<strong>an</strong>sgendern<br />
in der Exekutive <strong>an</strong>kämpft.<br />
Seit 2007 sind die „GayCops Austria”<br />
als Verein org<strong>an</strong>isiert und zählen derzeit<br />
rund 70 Mitglieder. Ziel ihrer Arbeit<br />
ist einerseits, ein Bewusstsein für<br />
LGBT-Anliegen innerhalb der Polizei<br />
zu schaffen, <strong>an</strong>dererseits das Vertrauen<br />
der Community in die Polizei und ihre<br />
Arbeit zu fördern. Damit befinden sich<br />
die GayCops in einem Sp<strong>an</strong>nungsfeld<br />
zwischen der Durchsetzung rechtlicher<br />
Normen aufgrund ihrer beruflichen<br />
Funktion und dem Aufbrechen gesellschaftlicher<br />
Normen aufgrund ihres<br />
Engagements für Lebensentwürfe<br />
abseits von Zweigeschlechtlichkeit und<br />
Heterosexualität.<br />
Bedrohlich und belächelt. Noch immer<br />
ist die Polizei eine männlich dominierte<br />
Arbeitswelt. Derzeit sind 87,6 Prozent<br />
der österreichischen Exekutivbeamten<br />
männlich. In Räumen, die weitgehend<br />
Männern vorbehalten sind, ist Homo-<br />
phobie – insbesondere Schwulenfeindlichkeit<br />
– besonders verbreitet. Nach<br />
der australischen Männlichkeitsforscherin<br />
Raewyn Connell ist dieser Abwertungsprozess<br />
für die Konstruktion von<br />
Männlichkeit bedeutsam. Zum einen ist<br />
für Connells Männlichkeitskonzept die<br />
strukturelle Domin<strong>an</strong>z von Männern<br />
gegenüber Frauen ausschlaggebend,<br />
da von dieser alle Männer profitieren.<br />
Weiters gibt es aber eine Vielzahl <strong>an</strong><br />
unterschiedlichen Männlichkeiten, die<br />
nicht einfach gleichwertig nebenein<strong>an</strong>der<br />
existieren, sondern in einem hierarchischen<br />
Verhältnis stehen – bestimmte<br />
Männlichkeiten werden ausgegrenzt und<br />
untergeordnet. Dies trifft auf homosexuelle<br />
Männlichkeiten besonders<br />
stark zu: „Es gibt in der westlichen<br />
Welt keine Beziehung unter Männern,<br />
Grafitti von B<strong>an</strong>ksy in Brighton, Engl<strong>an</strong>d. Foto: Rongem Boyo<br />
die mehr symbolische Last tragen würde<br />
als jene zwischen Schwulen und Heterosexuellen.<br />
Es h<strong>an</strong>delt sich dabei (…) um<br />
eine kollektive Beziehung, die sich auf<br />
das soziale Geschlecht auf gesamtgesellschaftlicher<br />
Ebene auswirkt.”<br />
Ewald Widi, Gründer und Obm<strong>an</strong>n<br />
der „GayCops Austria”, ist mit dieser<br />
problematischen Beziehung in seinem<br />
Arbeitsalltag konfrontiert: „Als<br />
ich mich meinen Kollegen noch nicht<br />
<strong>an</strong>vertraut habe, haben sie sich immer<br />
das Recht herausgenommen, über meine<br />
Sexualität zu sprechen: ‚Ist der schwul?<br />
Ist der nicht schwul?’ Und alles hinter<br />
meinem Rücken. Und wenn m<strong>an</strong> es d<strong>an</strong>n<br />
offensiv <strong>an</strong>geht und sagt: ‚Hey, ich bin<br />
schwul’, d<strong>an</strong>n wird einem dieses Recht<br />
genommen.” Widis Offenheit führt<br />
dazu, dass sich m<strong>an</strong>che Kollegen von
ihm dist<strong>an</strong>zieren oder von ihm fordern,<br />
„Berufliches und Privates zu trennen”.<br />
Da die Polizei <strong>an</strong> die Vorstellung einer<br />
besonders aggressiven Maskulinität<br />
gekoppelt ist, wird durch diese Forderung<br />
versucht, das Bild vom harten,<br />
„männlichen” Polizisten aufrechtzuerhalten,<br />
indem das Schwulsein und die<br />
damit verbundenen Zuschreibungen ins<br />
Private abgeschoben werden – denn,<br />
wie Connell es zuspitzt, „die patriarchale<br />
Kultur hat eine sehr simple Erklärung<br />
für schwule Männer: es fehlt ihnen <strong>an</strong><br />
Männlichkeit.” Widi schüttelt den Kopf:<br />
„Ich bin 24 Stunden am Tag schwul<br />
und nicht nur privat, ich nehme meine<br />
Umwelt auch als Schwuler wahr, wenn<br />
ich im Dienst bin”.<br />
Falsche Beschützerinstinkte. Die<br />
Situation von lesbischen Polizistinnen<br />
ist durchaus unterschiedlich zu der ihrer<br />
schwulen Kollegen. „Schwule sind bedrohlich,<br />
Lesben nicht. Lesben sind der<br />
kumpelhafte Typ oder die Schade-dasssie-der-Männerwelt-vorenthalten-bleibt-<br />
Frau”, erzählt Sabine A., Polizistin in<br />
Linz und im Vorst<strong>an</strong>d der „GayCops<br />
Austria”. Auch Ewald Widi nimmt wahr,<br />
dass in lesbischen Kolleginnen zwar<br />
kein Bedrohungspotential gesehen<br />
wird, gesellschaftliche Vorurteile aber<br />
dennoch Auswirkungen auf ihr Arbeitsumfeld<br />
haben: „‚Hat noch keinen<br />
M<strong>an</strong>n abgekriegt, der kommt noch, ist<br />
verwirrt, ist nur eine Phase, wird sich<br />
wieder legen’ – und so werden die Kolleginnen<br />
d<strong>an</strong>n auch beh<strong>an</strong>delt: So nicht<br />
g<strong>an</strong>z ernst nehmen.” Lesbische Polizistinnen<br />
sind somit einer doppelten Diskriminierung<br />
ausgesetzt, da ihnen auch<br />
als Frauen Eigenschaften wie Schwäche<br />
oder Zerbrechlichkeit zugeschrieben<br />
werden, wie die Psychologin Bärbel<br />
Werdes beschreibt: „Einerseits fürchten<br />
die männlichen Polizisten in gefährlichen<br />
Momenten nicht ausreichend von<br />
ihren Kolleginnen unterstützt zu werden<br />
und <strong>an</strong>dererseits haben die männlichen<br />
Beamten das Gefühl, dass sie auf ihre<br />
Kolleginnen verstärkt aufpassen bzw.<br />
diese beschützen müssen.”<br />
Moralische Diskrep<strong>an</strong>zen. Polizeiliche<br />
LGBT-Vereine wie die „GayCops” in<br />
Österreich oder „VelsPol” in Deutschl<strong>an</strong>d<br />
leisten einen wesentlichen Beitrag<br />
zur zunehmenden Öffnung des Polizeiberufs<br />
für Menschen aller Geschlechter<br />
und Begehrensweisen sowie zur<br />
bewussten Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit<br />
unterschiedlichen Lebensentwürfen<br />
innerhalb der Polizei. Trotz dieser positiven<br />
Entwicklungen bleibt die Exekutive<br />
jedoch mit staatlicher Herrschaft<br />
verknüpft, wodurch ihr ein problematisches<br />
Verhältnis zu Minderheiten und<br />
oppositionellem politischen Aktivismus<br />
imm<strong>an</strong>ent ist. Der Berliner Politikwissenschafter<br />
H<strong>an</strong>s-Gerd Jaschke betrachtet<br />
die Polizei historisch als „Repräsent<strong>an</strong>t<br />
des Bestehenden, als Vollzugsorg<strong>an</strong><br />
der <strong>an</strong>tireformerischen Kräfte”, denn<br />
rückblickend war es „immer die Polizei,<br />
die sich jenen sozialen Bewegungen<br />
buchstäblich in den Weg stellte, die auf<br />
mehr Demokratie, auf gesellschaftliche<br />
Auf Initiative der GayCops wird das Thema<br />
Homosexualität heute in der Grundausbildung<br />
der Polizei beh<strong>an</strong>delt.<br />
Reformen und das Aufbrechen verkrusteter<br />
Strukturen drängten”.<br />
Aufgrund dieser Erfahrungen stehen politische<br />
Aktivist_innen, die gegen Homophobie,<br />
Tr<strong>an</strong>sphobie sowie jede <strong>an</strong>dere<br />
Form der Diskriminierung kämpfen, der<br />
Polizei häufig kritisch gegenüber. Die<br />
Gruppe „Rosa Antifa Wien” setzt sich<br />
beispielsweise in ihrem Grundsatzpapier<br />
mit der Exekutive als dem alltäglich<br />
präsenten Symbol der Staatsgewalt<br />
ausein<strong>an</strong>der: „Warum müssen wir eine<br />
allgegenwärtige, aufgerüstete Polizei<br />
ertragen, die die Gesetze zum Schutz der<br />
Reichen vor den Armen durchsetzt, und<br />
uns in allen Lebensbereichen bespitzelt,<br />
kontrolliert und schik<strong>an</strong>iert. Zu ihren<br />
Gesetzen gehört nicht zuletzt, dass wir<br />
mithelfen müssen, Menschen hinzuschlachten,<br />
in Kriegen, in denen es immer<br />
wieder nur um Geld, Macht und Einfluss<br />
der HERRschenden geht”.<br />
Mit der Kritik oppositioneller politischer<br />
Aktivist_innen <strong>an</strong> der Polizei<br />
konfrontiert, erzählt auch Ewald Widi<br />
von Diskrep<strong>an</strong>zen beim Exekutieren<br />
von Gesetzen, die er moralisch nicht<br />
unterstützt. Schließlich rechtfertigt er<br />
sein H<strong>an</strong>deln aber mit dem Argument<br />
der Gewaltentrennung: „Der 209er<br />
zum Beispiel, der gleichgeschlechtliche<br />
Kontakte unter 18 Jahren untersagt<br />
hat – was soll ein Polizist machen, wenn<br />
er das zu verfolgen hat? Wenn mir das<br />
gesagt wird, d<strong>an</strong>n hab ich zu ermitteln,<br />
<strong>an</strong>dernfalls ist es Amtsmissbrauch. Da<br />
k<strong>an</strong>n ich aber dem Polizisten keinen<br />
Vorwurf machen, ich bin nur Exekutive,<br />
ich bin ausführendes Org<strong>an</strong> – da muss<br />
sich die Legislative was überlegen”.<br />
H<strong>an</strong>dlungsspielräume. Seine Aufgabe<br />
sieht Widi in der Sensibilisierung seiner<br />
Kolleg_innen und im Kampf gegen Diskriminierung<br />
innerhalb der Polizei. Dies<br />
ist eine wichtige Voraussetzung, um das<br />
Vertrauen der Community in die Polizei<br />
zu fördern: „Wenn mir im Darkroom in<br />
einem Lokal etwas gestohlen wird, d<strong>an</strong>n<br />
ist es wichtig, einfach zu sagen, dass<br />
es mir im Darkroom gestohlen worden<br />
ist. Es bringt nichts, wenn ich sage, es<br />
war in der U3 um 15 Uhr 30. Es ist<br />
immer noch so, dass die Leute sich das<br />
nicht trauen. Sie haben Angst, dass der<br />
Beamte oder die Beamtin sagt, ‚Was<br />
machen Sie denn dort?!’” Auf Initiative<br />
der GayCops wird das Thema Homosexualität<br />
heute in der Grundausbildung<br />
beh<strong>an</strong>delt. Derzeit ist Widi besonders<br />
stolz auf eine Plakataktion, im Zuge<br />
derer in jeder Wiener Polizeistation<br />
ein Plakat mit der Aufschrift „Hilfe<br />
für Lesben, Schwule und Tr<strong>an</strong>sgender”<br />
sichtbar aufgehängt wurde.<br />
Trotz berechtigter grundsätzlicher<br />
Kritik <strong>an</strong> der Exekutive und den Fällen<br />
polizeilicher Willkür und Repression gegenüber<br />
Aktivist_innen, die für Minderheitenrechte<br />
kämpfen, ist die Courage<br />
und das Engagement der GayCops sehr<br />
zu begrüßen. Da Polizist_innen trotz<br />
ihrer Weisungsgebundenheit über einen<br />
gewissen H<strong>an</strong>dlungsspielraum verfügen,<br />
wird eine veränderte Einstellung zu<br />
Homosexualität innerhalb der Polizei<br />
Auswirkungen auf ihren Umg<strong>an</strong>g mit<br />
Lesben, Schwulen und Tr<strong>an</strong>sgendern in<br />
der täglichen Arbeit mit sich bringen. l<br />
Sonja Hofmair studiert Politikwissenschaft<br />
in Wien und ist Redakteurin bei<br />
„Radio Stimme“, der Sendung der<br />
Initiative Minderheiten.<br />
Literatur:<br />
gay cops<br />
Behr, Rafael: „Polizeiarbeit<br />
– immer noch<br />
Männersache? Tradition,<br />
Hegemonie und die Folgen<br />
der Geschlechterdebatte<br />
in der Polizei”. In: Peter<br />
Leßm<strong>an</strong>n-Faust (Hg.): Polizei<br />
und Politische Bildung.<br />
VS Verlag 2008.<br />
Connell, Raewyn (vormals<br />
Robert): Der gemachte<br />
M<strong>an</strong>n. Konstruktion und<br />
Krise von Männlichkeiten.<br />
VS Verlag 2006.<br />
Jaschke, H<strong>an</strong>s-Gerd: Öffentliche<br />
Sicherheit im Kulturkonflikt.<br />
Zur Entwicklung<br />
der städtischen Schutzpolizei<br />
in der multikulturellen<br />
Gesellschaft. Campus 1997.<br />
Werdes, Bärbel: Frauen in<br />
der Polizei – Einbruch in<br />
eine Männerdomäne. In:<br />
H<strong>an</strong>s-Jürgen L<strong>an</strong>ge (Hg.):<br />
Die Polizei der Gesellschaft<br />
– zur Soziologie der inneren<br />
Sicherheit. Leske+Budrich:<br />
Opladen 2003.<br />
Internetquellen:<br />
Rosa Antifa Wien: „Ein bisschen<br />
was Grundsätzliches”.<br />
www.raw.at/texte/attack/<br />
wir_ueber_uns.htm<br />
Schorn, Herbert: „Als Lesbe<br />
bei der Polizei: ,Tabuthema’.<br />
In: OÖ Nachrichten<br />
– Online-Ausgabe. www.<br />
nachrichten.at/oberoesterreich/linz/art66,419132<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 13
<strong>an</strong>.riss international<br />
Ruchama Marton, Physici<strong>an</strong>s for Hum<strong>an</strong> Rights-Israel<br />
vereinte nationen<br />
Menschenrecht auf Wasser<br />
Ende Juli <strong>2010</strong> nahm die UN-Generalversammlung eine von Bolivien<br />
vorgelegte Resolution <strong>an</strong>, die den Anspruch auf sauberes Trinkwasser und<br />
s<strong>an</strong>itäre Einrichtungen zum Menschenrecht erklärt – allerdings ohne<br />
völkerrechtliche Verpflichtung. Die Resolution wurde von den 163 <strong>an</strong>wesenden<br />
UN-Mitgliedstaaten mit großer Mehrheit <strong>an</strong>genommen, 41 – fast<br />
ausschließlich Industriestaaten – enthielten sich jedoch ihrer Stimmen,<br />
darunter Großbrit<strong>an</strong>nien und die USA. Der Beschluss löste eine Kontroverse<br />
unter den Mitgliedsstaaten aus.<br />
Während die USA die Resolution der Generalversammlung noch ablehnten<br />
– mit der Begründung, das internationale Recht <strong>an</strong>erkenne kein Recht<br />
auf Wasser und S<strong>an</strong>itär<strong>an</strong>lagen –, befürworten sie nun eine weitere Entschließung,<br />
nämlich jene des Genfer UN-Menschenrechtsrates, die am 30.<br />
September verabschiedet wurde: Demnach k<strong>an</strong>n „das Recht auf sauberes<br />
Trinkwasser und s<strong>an</strong>itäre Einrichtungen direkt aus dem Recht auf einen<br />
<strong>an</strong>gemessenen Lebensst<strong>an</strong>dard abgeleitet werden”. Großbrit<strong>an</strong>nien lehnt<br />
hingegen mit demselben Argument auch diese Resolution ab.<br />
Mit dem Beschluss des UN-Menschenrechtsrates wird der Anspruch auf<br />
Wasser und S<strong>an</strong>itärversorgung rechtlich bindend: Die Mitgliedstaaten sind<br />
nunmehr verpflichtet, dieses Menschenrecht zu erfüllen bzw. sicherzustellen,<br />
dass dieses einklagbar ist. Damit wird die jahrel<strong>an</strong>ge Diskussion um die<br />
Frage, ob es ein solches Recht überhaupt gibt, endlich beendet.<br />
Laut den Vereinten Nationen haben 884 Millionen Menschen noch immer<br />
einen unzureichenden Zug<strong>an</strong>g zu sauberem Trinkwasser. G<strong>an</strong>ze 2,6<br />
Milliarden leben ohne grundlegende S<strong>an</strong>itärversorgung. Jährlich fordern<br />
die Folgen von verschmutztem Wasser mehr Menschenleben als AIDS,<br />
Malaria und Masern zusammen. s<strong>an</strong>e/viyu<br />
www.ohchr.org, www.institut-fuer-menschenrechte.de, www.amnesty.ch, www.hum<strong>an</strong>-<br />
rights.ch, http://derst<strong>an</strong>dard.at<br />
14 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
alternativer nobelpreis<br />
Gesundheit für alle<br />
Den mit 200.000 Euro dotierten „Alternativen Nobelpreis” der Stockholmer<br />
Stiftung „Right Livelihood Award” teilen sich heuer Nnimmo<br />
Bassey (Nigeria), Erwin Kräutler (Brasilien), Shrikrishna Upadhya von<br />
der Org<strong>an</strong>isation Sappros (Nepal) und die „Physici<strong>an</strong>s for Hum<strong>an</strong> Rights-<br />
Israel” (PHRI, „MedizinerInnen für Menschenrechte-Israel”). PHRI<br />
wurde 1988, zur Zeit der ersten Initifada, von der Ärztin Ruchama Marton<br />
gegründet und ist ein Zusammenschluss israelischer und palästinensischer<br />
MedizinerInnen mit dem Ziel, allen Menschen unabhängig von<br />
ihrem Rechtsstatus, ihrer Nationalität/Ethnizität und Religion medizinische<br />
Versorgung zu gewähren.<br />
Insbesondere in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten,<br />
wo kein gesetzlicher Anspruch auf medizinische Versorgung besteht,<br />
ist die ärztliche Betreuung durch PHRI unentbehrlich. PHRI org<strong>an</strong>isiert<br />
nicht nur direkte medizinische Versorgung, wie z.B. eine mobile<br />
Klinik für Gef<strong>an</strong>gene, Asylsuchende und Undokumentierte oder eine<br />
Frauenklinik, sondern engagiert sich auch in Kampagnen gegen eine<br />
Politik, die beim Zug<strong>an</strong>g zum Gesundheitswesen zwischen Israelis und<br />
AraberInnen auf diskriminierende Weise unterscheidet. Die Preise<br />
werden am 6. Dezember im schwedischen Parlament in Stockholm<br />
überreicht. atina<br />
www.rightlivelihood.org<br />
weltliteratur<br />
Die neue Formensprache der Marie NDiaye<br />
Es ist bereits die zweite wichtige Auszeichnung, die der fr<strong>an</strong>zösischen<br />
Autorin Marie NDiaye für ihren Rom<strong>an</strong> „Drei starke Frauen” verliehen<br />
wurde. Nachdem sie im verg<strong>an</strong>genen Jahr den „Prix Goncourt”, einen<br />
der begehrtesten Literaturpreise Fr<strong>an</strong>kreichs, erhalten hatte, wurde ihr<br />
Buch Ende September auch mit dem „Internationaler Literaturpreis<br />
– Haus der Kulturen der Welt” in Berlin ausgezeichnet. Durch den mit<br />
25.000 Euro dotierten Preis wurde ein Werk gewürdigt, das vorführt,<br />
„was Schreiben jenseits der althergebrachten Kategorien von Heimat<br />
und Herkunft sein k<strong>an</strong>n: ‚Weltkulturliteratur’ jenseits von Migration und<br />
Exil, die eine neue grenzüberschreitende Formensprache vor<strong>an</strong>treibt”,<br />
wie es in der Begründung der JurorInnen heißt.<br />
NDiaye, die 1967 nahe Paris als Tochter einer fr<strong>an</strong>zösischen Mutter und<br />
eines senegalesischen Vaters geboren wurde, schildert in ihrem Rom<strong>an</strong><br />
drei höchst unterschiedliche Frauenbiografien zwischen Afrika und<br />
Europa. Die Schriftstellerin selbst lebt inzwischen in Berlin. „Ich wollte<br />
weg aus Fr<strong>an</strong>kreich. Seit Sarkozy <strong>an</strong> der Macht ist, ist die Atmosphäre<br />
vergiftet”, sagte sie 2009 in einem Interview mit dem „Tagesspiegel”.<br />
Der Übersetzerpreis in der Höhe von 10.000 Euro ging <strong>an</strong> Claudia Kalscheuer,<br />
die den Rom<strong>an</strong> ins Deutsche übersetzte. les<br />
www.hkw.de, www.tagesspiegel.de; Marie NDiaye: „Drei starke Frauen”, Suhrkamp <strong>2010</strong>,<br />
23,60 Euro<br />
kuwait<br />
(K)Eine Reform für Haus<strong>an</strong>gestellte<br />
Fast ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung in Kuwait wird von<br />
Haus<strong>an</strong>gestellten – vorwiegend Arbeitsmigr<strong>an</strong>tinnen – gestellt. Damit<br />
weist der Golfstaat den höchsten Anteil <strong>an</strong> Haus<strong>an</strong>gestellten pro Einwohner_in<br />
im Nahen Osten auf. Unter welchen Umständen diese arbeiten
und leben, dokumentiert ein aktueller Bericht der Org<strong>an</strong>isation Hum<strong>an</strong><br />
Rights Watch (HRW): Nach kuwaitischem Recht sind Arbeitnehmer_innen<br />
immer nur bei einem einzigen Arbeitgeber beschäftigt und dürfen<br />
diesen ohne dessen Zustimmung nicht wechseln oder verlassen. Haus<strong>an</strong>gestellte,<br />
die z.B. wegen unbezahlter Löhne, sexueller Übergriffe oder<br />
Missh<strong>an</strong>dlung zu fliehen versuchen oder eine Beschwerde einreichen,<br />
werden häufig der „heimlichen Flucht” <strong>an</strong>geklagt, und die Betroffenen<br />
müssen sich vor Gericht ver<strong>an</strong>tworten. In den meisten Fällen greift die<br />
Regierungsbehörde auf Abschiebung zurück.<br />
Das arbeitgeberbasierte System bietet Haus<strong>an</strong>gestellten nur wenig<br />
Schutz. Vom Arbeitsrecht, das <strong>an</strong>dere Arbeitnehmer_innen schützt,<br />
sind sie ausgeschlossen, Lohn<strong>an</strong>sprüche einzuklagen stellt daher eine<br />
besondere Hürde dar.<br />
Am 26. September kündigte die kuwaitische Regierung eine Reform<br />
des herrschenden Bürgschaftssystems, der sog. Kafala, <strong>an</strong>. Demnach<br />
fungiert der Arbeitgeber als Gar<strong>an</strong>t für eine_n ausländische_n Arbeitnehmer_in<br />
und k<strong>an</strong>n darüber entscheiden, wo er_sie arbeitet, oder<br />
auch den Entzug der Aufenthaltserlaubnis einfordern. Das Kafala-System<br />
soll in Zukunft durch eine staatliche Einstellungsbehörde ersetzt<br />
werden – ob das Gesetz auch für Haus<strong>an</strong>gestellte gelten wird, wurde<br />
allerdings nicht <strong>an</strong>gegeben.<br />
„Seit Jahren spricht die Regierung von einer ‚Kafala’-Reform. Die<br />
Maßnahmen zum Schutz dieser Arbeitskräfte müssen nun endlich<br />
in die Tat umgesetzt werden”, kommentiert Sarah Leah Whitson,<br />
Direktorin der Abteilung Naher Osten bei HRW die jüngste Entwicklung.<br />
Angaben von HRW zufolge haben Haus<strong>an</strong>gestellte aus Sri L<strong>an</strong>ka,<br />
Indonesien, den Philippinen und Äthiopien im Jahr 2009 über<br />
10.000 Beschwerden bei ihren jeweiligen Botschaften in Kuwait<br />
eingereicht. s<strong>an</strong>e<br />
www.hrw.org/de<br />
It gets better!<br />
Der Youtube-K<strong>an</strong>al It gets better Project<br />
wurde für LGBT-Teenager ins Leben gerufen,<br />
nachdem es in den USA eine Serie von Suiziden<br />
junger Schwuler gegeben hatte: „Here’s what<br />
you c<strong>an</strong> do: Make a video. Tell them it gets<br />
better.” Diesem Aufruf folgten zahlreiche Aktivist_innen<br />
– darunter auch viele Celebrities –,<br />
deren unterschiedliche Lebensgeschichten Mut<br />
machen und optimistisch stimmen. Wer selbst<br />
ein Video uploaden möchte, sei versichert:<br />
Glückliche Frauen aus der g<strong>an</strong>zen Welt werden<br />
immer gebraucht. fis<br />
textilindustrie<br />
Faire Uni-Kleidung<br />
Nisaa heißt Frau<br />
Der erste kommerzielle Frauenradiosender<br />
in Palästina, Nisaa FM, sendet seit Sommer<br />
sechs Stunden pro Tag aus Ramallah. Nach<br />
eigenen Angaben „unpolitisch”, möchten die<br />
Macher_innen (nicht nur) Frauen unterhalten,<br />
informieren und zum Grenzen überschreitenden<br />
Austausch inspirieren. Gleichzeitig ermutigt<br />
Nisaa FM seine Hörer_innen mit Erfolgsgeschichten<br />
und Diskussionen, ihre Rechte<br />
als Frauen in der palästinensischen Gesellschaft<br />
zu artikulieren. Der Stream ist unter<br />
www.radionisaa.net/english.html erreichbar. fis<br />
Ausbeutung ist in der Textil- und Bekleidungsindustrie nicht die Ausnahme,<br />
sondern die Regel: Menschenunwürdige Produktionsbedingungen, Hungerlöhne,<br />
Repressionen und Diskriminierungen (z.B. in Form sexualisierter Gewalt)<br />
gegenüber den mehrheitlich weiblichen ArbeiterInnen stehen in den<br />
Produktionsstätten im „globalen Süden” auf der Tagesordnung. Das Projekt<br />
„Alta Gracia” in der Dominik<strong>an</strong>ischen Republik vollführt eine Trendumkehr:<br />
Mit einem Monatslohn von umgerechnet 500 US-Dollar ist die Bezahlung<br />
der ArbeiterInnen in der „Alta Gracia”-Fabrik rund drei Mal höher als der<br />
l<strong>an</strong>desweit „reguläre” Lohn in dieser Br<strong>an</strong>che. Ins Leben gerufen wurde<br />
das Projekt vom US-amerik<strong>an</strong>ischen Bekleidungsunternehmen „Knights<br />
Apparel”. Die im Jahr 2000 von Joe Bozich gegründete Firma schloss<br />
Abkommen mit zahlreichen US-Universitäten und löste Nike als größten<br />
Anbieter von College-Logo-Bekleidung ab. Derzeit lässt das Unternehmen<br />
in 30 Zulieferbetrieben auf der g<strong>an</strong>zen Welt produzieren. „Alta Gracia”<br />
wurde 2008 in Zusammenarbeit mit dominik<strong>an</strong>ischen GewerkschafterInnen,<br />
Uni-AktivistInnen aus den USA und dem „Workers Rights Consortium”<br />
initiiert, einer Vereinigung von 186 Universitäten, die dafür eintritt, dass<br />
die Hersteller von Universitäts-Labelkleidung den ArbeiterInnen z.B. faire<br />
Löhne zahlen und gewerkschaftliche Org<strong>an</strong>isierung erlauben.<br />
Die T-Shirts und Kapuzenpullis von „Alta Gracia”, die u.a. von den „United<br />
Students Against Sweatshops” beworben werden, kosten zwischen 18<br />
und 40 US-Dollar und werden seit diesem Herbst auf über 250 Uni-Campi<br />
in den USA vertrieben. Wie l<strong>an</strong>ge diese Idee „profitfähig” ist, wird<br />
sich weisen. ExpertInnen sind sich jedenfalls sicher, dass StudentInnen<br />
eine Marke vorziehen werden, die damit wirbt, dass sie ArbeiterInnen<br />
gerechte Löhne zahlt. atina/viyu<br />
www.workersrights.org, http://en.maquilasolidarity.org, http://altagraciaapparel.com,<br />
www.nytimes.com<br />
<strong>an</strong>.riss international<br />
medienmix<br />
Anti-Populismus<br />
Die neueste Ausgabe der feministischen<br />
Politik- und Theorie-Zeitschrift Olympe aus<br />
der Schweiz versammelt Beiträge zum Thema<br />
Burka und Kopftuch: „Wider die Instrumentalisierung<br />
von Frauenrechten” lautet der Schwerpunkttitel<br />
programmatisch. Denn: „Die zentrale<br />
Frage der Gleichstellung muslimischer Frauen<br />
ist nicht das Kopftuch, nicht die Burka, sondern<br />
die Frage, wie ihre Rechte gar<strong>an</strong>tiert und<br />
durchgesetzt werden können”, so die Herausgeberinnen<br />
im Vorwort. Heftbestellungen und<br />
Infos unter: www.olympeheft.ch. viyu<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 15
thema: gender medizin<br />
Wie kommt das<br />
Geschlecht<br />
in den Körper?<br />
Vor einigen Jahren beh<strong>an</strong>delten die <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> in einem Schwerpunkt das Thema<br />
Gender Medizin (siehe Ausgabe 11/2006). Zahlreiche Kongresse, eine Professur<br />
und einen Universitätslehrg<strong>an</strong>g später klopfen wir das Thema erneut ab:<br />
Wo steht die Gender Medizin heute? Was weiß diese junge Wissenschaft über<br />
die Rolle von Geschlecht in der Erforschung und Beh<strong>an</strong>dlung von Kr<strong>an</strong>kheiten?<br />
Und welche Forderungen stellen Kritiker_innen <strong>an</strong> die Gender Medizin?<br />
Status, quo vadis?<br />
Gender Medizin ist heute endgültig in Österreich <strong>an</strong>gekommen.<br />
Eine kritische Best<strong>an</strong>dsaufnahme dieser jungen Disziplin von Bettina Enzenhofer.<br />
1 In Veröffentlichungen<br />
zu Gender Medizin wird<br />
zwar auch auf Tr<strong>an</strong>sidente<br />
oder Intersexuelle Bezug<br />
genommen, nichtsdestotrotz<br />
wird in der Regel von einem<br />
binären Geschlechtersystem<br />
ausgeg<strong>an</strong>gen.<br />
16 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Sind Männer vom Mars, Frauen von<br />
der Venus? Ein derartiges Differenzdenken<br />
liegt gegenwärtig auch in<br />
der Medizin im Trend. Der aktuelle<br />
Name dafür: Gender Medizin. Das im<br />
englischsprachigen Raum als „Gender<br />
Based Medicine” bek<strong>an</strong>nt gewordene<br />
Fachgebiet richtet den Blick auf<br />
medizinisch relev<strong>an</strong>te Unterschiede<br />
zwischen Frauen und Männern. Es<br />
<strong>an</strong>alysiert, ob, wie und warum es Diskrep<strong>an</strong>zen<br />
zwischen den Geschlechtern<br />
gibt: in der Entwicklung von Kr<strong>an</strong>kheiten,<br />
in der Beh<strong>an</strong>dlung sowie in der<br />
Verfügbarkeit von adäquaten Therapien<br />
und Diagnosemethoden. Auch sozialmedizinische<br />
Aspekte, wie die von<br />
Patient_innen selbst unternommenen<br />
Bemühungen zur Bewältigung ihrer<br />
Kr<strong>an</strong>kheit, die Bereitschaft zur Kooperation<br />
mit Ärzt_innen bzw. die Interaktion<br />
zwischen Ärzt_in und Patient_in,<br />
interessieren die geschlechtssensible<br />
Medizin. Den Begriff „Gender” entlehnt<br />
die vergleichsweise junge Disziplin<br />
aus der Geschlechterforschung und<br />
sagt: Mit dem biologischen Geschlecht<br />
(„Sex”) werden wir geboren, das<br />
soziale Geschlecht („Gender”) und<br />
damit geschlechtsspezifi sche Lebensbedingungen<br />
prägen sich aber auch in den<br />
Körper ein und haben einen mindestens<br />
ebenso großen Einfl uss auf Kr<strong>an</strong>kheit<br />
und Gesundheit. Das Ziel einer<br />
Gender, Gender...<br />
das klingt irgendwie<br />
so melodisch und<br />
harmonisch.<br />
Wenn der<br />
wüsste, was es<br />
bedeutet...<br />
Collagen: SylK<br />
geschlechtssensiblen Medizin ist eine<br />
für beide Geschlechter 1 <strong>an</strong>gemessene<br />
medizinische Versorgung.<br />
Org<strong>an</strong>-Inspektion. Gender Medizin ist<br />
mittlerweile auch in Österreich auf universitärer<br />
Ebene ver<strong>an</strong>kert: Im Jänner<br />
dieses Jahres wurde in Wien die erste<br />
und bisher einzige Professur für Gender<br />
Medicine <strong>an</strong> Alex<strong>an</strong>dra Kautzky-Willer<br />
vergeben. Die Medizinische Universität<br />
Wien bietet außerdem seit diesem<br />
Wintersemester einen postgradualen<br />
Lehrg<strong>an</strong>g zu Gender Medizin <strong>an</strong>. In die<br />
Curricula ist Gender Medizin ohnehin<br />
schon länger integriert – <strong>an</strong> den österreichischen<br />
medizinischen Universitäten
kommen Studierende heute <strong>an</strong> den<br />
gesundheitsbezogenen Gender-Aspekten<br />
nicht mehr vorbei.<br />
Die Österreichische Gesellschaft für geschlechtsspezifische<br />
Medizin (ÖGGSM)<br />
tagt regelmäßig, in Berlin f<strong>an</strong>d im September<br />
die „Summer School on Gender<br />
Medicine” statt, und Ende <strong>November</strong><br />
wird in Tel Aviv der 5. Kongress der International<br />
Society of Gender Medicine<br />
(IGM) ausgetragen. Mit der Etablierung<br />
der geschlechtssensiblen Medizin geht<br />
es also vor<strong>an</strong>. Doch die Frage ist: Inwieweit<br />
ist Gender für die Gender Medizin<br />
wirklich relev<strong>an</strong>t? Denn in den meisten<br />
Kongressprogrammen oder Büchern zum<br />
Thema ist die Abwesenheit der Gender<br />
Studies, die in Gender-Fragen die meiste<br />
Kompetenz hat, besonders auffällig.<br />
Davon unbeeindruckt werden unter dem<br />
Titel „Gender Medizin” unterschiedlichste<br />
medizinische Fachrichtungen<br />
neu geschrieben: mit Fokus auf die<br />
geschlechtsspezifischen Unterschiede<br />
zwischen Frauen und Männern, die nun<br />
„in nahezu jedem Org<strong>an</strong> des menschlichen<br />
Körpers” 2 entdeckt werden.<br />
H<strong>an</strong>d aufs Herz. Angef<strong>an</strong>gen hat alles<br />
mit der Kardiologin Mari<strong>an</strong>ne Legato.<br />
Sie erk<strong>an</strong>nte Ende der 1980er Jahre,<br />
dass sich Frauen und Männer in puncto<br />
Herzkr<strong>an</strong>kheiten unterscheiden. Legato<br />
gilt als Pionierin: Sie gründete 1997<br />
das „Partnership for Gender-Specific<br />
Medicine” <strong>an</strong> der Universität von<br />
Columbia und das „Journal of Gender-<br />
Specific Medicine” (heute: „Gender<br />
Medicine”). Ihre Bücher waren<br />
wegweisend, ihr Wissen zu den kardiologischen<br />
Unterschieden zwischen Frauen<br />
und Männern ist heute einer breiteren<br />
Öffentlichkeit bek<strong>an</strong>nt. Dachte m<strong>an</strong><br />
jahrzehntel<strong>an</strong>g, dass z.B. ein Herzinfarkt<br />
typischerweise von Symptomen<br />
wie einem brennenden Druckschmerz,<br />
der in den linken Arm ausstrahlt, begleitet<br />
wird, so weiß m<strong>an</strong> heute, dass bei<br />
jeder fünften Frau die Symptome g<strong>an</strong>z<br />
<strong>an</strong>ders aussehen können: Schmerzen<br />
können im Oberbauch oder Rücken auftreten<br />
und zu Kurzatmigkeit, Übelkeit<br />
und Schweißausbruch führen.<br />
Der Grund für dieses Unwissen war,<br />
dass Frauen in die medizinischen Studien<br />
schlichtweg nicht miteinbezogen<br />
wurden. Der M<strong>an</strong>n galt als Norm, in der<br />
<strong>an</strong>drozentristischen Vorstellung funktionierte<br />
der weibliche Körper ident. Dies<br />
führte zu weiteren Irrtümern, wie etwa<br />
zu der Ansicht, dass Frauen bis ins hohe<br />
Alter nicht <strong>an</strong> koronaren Herzkr<strong>an</strong>kheiten<br />
erkr<strong>an</strong>ken oder zumindest nur <strong>an</strong><br />
milderen Formen als Männer. Nachdem<br />
bis dahin frauenspezifische Symptome<br />
nicht als Symptome einer Herzerkr<strong>an</strong>kung<br />
wahrgenommen wurden, ein<br />
logischer Schluss. Äußerten Frauen ihre<br />
„atypischen” Symptome, wurden sie<br />
nicht selten als hysterisch abgestempelt,<br />
eine P<strong>an</strong>ikattacke oder dergleichen<br />
„diagnostiziert”. Heute weiß m<strong>an</strong>, dass<br />
koronare Herzkr<strong>an</strong>kheiten bei Frauen<br />
öfter zu einem Herzinfarkt führen und<br />
öfter tödlich verlaufen als bisher <strong>an</strong>genommen.<br />
Für eine richtige Beh<strong>an</strong>dlung<br />
ist eine korrekte Diagnose essenziell,<br />
Ärzt_innen sind also dazu aufgerufen,<br />
auch auf atypische Symptome zu achten.<br />
Und dies nicht nur bei Frauen – denn<br />
auch Männer können die „weiblichen”<br />
Symptome aufweisen.<br />
Neu dosiert. Mit der Erforschung<br />
kardiologischer Unterschiede machte<br />
die Gender Medizin Karriere und<br />
wurde mittlerweile um etliche <strong>an</strong>dere<br />
Erkenntnisse erweitert: So kennt die<br />
Medizin heute z.B. in der Psychiatrie,<br />
der Onkologie, Rheumatologie oder<br />
Intensivmedizin geschlechtsspezifische<br />
Besonderheiten, ebenso werden u.a. das<br />
Immunsystem, das Knochengerüst, der<br />
Verdauungstrakt oder die Lunge unter<br />
die Gender-Lupe genommen.<br />
Von besonderer Relev<strong>an</strong>z ist die Pharmakologie:<br />
Arzneimittel wirken nämlich<br />
nicht bei allen Menschen gleich. Am<br />
individuellen Stoffwechsel sind viele Faktoren<br />
beteiligt, derselbe Wirkstoff k<strong>an</strong>n<br />
deshalb bei mehreren Patient_innen g<strong>an</strong>z<br />
unterschiedlich umgesetzt werden und<br />
infolgedessen unterschiedliche (Neben-)<br />
Wirkungen zeigen. Selbst die Darreichungsform<br />
von Medikamenten k<strong>an</strong>n<br />
ausschlaggebend für die Wirkung sein.<br />
Nachdem Frauen bis vor einigen Jahren<br />
aus klinischen Studien zur Arzneimittelwirkung<br />
ausgeschlossen waren und m<strong>an</strong><br />
von den Ergebnissen der Männerstudi-<br />
en auf Frauen schloss, überrascht die<br />
Erkenntnis der Pharmakologie nicht:<br />
Frauen vertragen Medikamente <strong>an</strong>ders<br />
als Männer. Heute weiß m<strong>an</strong>, dass<br />
Unterschiede der Arzneimittelverarbeitung<br />
aus individuellen Eigenschaften<br />
resultieren, aber auch Folgen genereller<br />
Umstände sein können – was uns wieder<br />
zum Geschlecht führt. Aber nicht nur die<br />
unterschiedliche Wirkung von Medikamenten<br />
muss in einer geschlechtssensiblen<br />
Medizin beachtet werden, auch die<br />
Verschreibungspraxis gehört hinterfragt.<br />
Denn Geschlechtsvorurteile und<br />
Unwissenheit seitens der Ärzt_innen<br />
können dazu führen, dass über- oder untermedikalisiert<br />
wird. Bis heute werden<br />
Frauen etwa mehr Psychopharmaka<br />
verschrieben als Männern.<br />
Mehr Sex als Gender. Dass Unterschiede<br />
zwischen den Geschlechtern zunehmend<br />
bek<strong>an</strong>nt und erforscht werden,<br />
scheint Frauen und Männern vorerst<br />
eine bessere medizinische Versorgung zu<br />
bringen. Die Unterschiede dürfen aber<br />
über eines nicht hinwegtäuschen: Es gibt<br />
auch Gemeinsamkeiten. In einzelnen<br />
Merkmalen können Frauen bzw. Männer<br />
Äußerten Frauen ihre „atypischen“<br />
Symptome, wurden sie nicht selten als<br />
hysterisch abgestempelt, eine P<strong>an</strong>ikattacke<br />
oder dergleichen „diagnostiziert“.<br />
innerhalb ihrer Geschlechtsgruppen<br />
mehr differieren als die Gruppen unterein<strong>an</strong>der.<br />
Genau darum geht es auch<br />
in einer geschlechtssensiblen Medizin:<br />
Worin unterscheiden sich die Geschlechter<br />
– und worin gleichen sie sich? „Der<br />
Bal<strong>an</strong>ceakt einer frauen- und männergerechten<br />
Biomedizin besteht nun darin,<br />
diese Unterschiede einerseits durch<br />
klinische und experimentelle Studien<br />
herauszufinden und <strong>an</strong>dererseits nicht<br />
durch Überbewertung der biologischen<br />
Unterschiede mögliche <strong>an</strong>dere Einflüsse<br />
bei der Entstehung von Kr<strong>an</strong>kheiten zu<br />
übersehen”, schreibt die Hum<strong>an</strong>biologin<br />
Angelika Voß. 3 Gender Medizin bewegt<br />
sich also stets zwischen Sex und Gender.<br />
Doch genau in diesem Bal<strong>an</strong>ceakt entstehen<br />
Missverständnisse.<br />
Denn Gender Medizin ist heute, so<br />
wie sie meistens kommuniziert wird,<br />
eigentlich eine „Sex Medizin”, wie<br />
thema: gender medizin<br />
2 Nippert, Irmgard: „Frauengesundheitsforschung<br />
und<br />
,gender based medicine’”,<br />
in Cottm<strong>an</strong>n, Kortendiek,<br />
Schildm<strong>an</strong>n (Hg.innen): Das<br />
undisziplinierte Geschlecht.<br />
Frauen- und Geschlechterforschung<br />
– Einblick und<br />
Ausblick. Leske + Budrich<br />
2000.<br />
3 Voß, Angelika: Frauen<br />
sind <strong>an</strong>ders kr<strong>an</strong>k als<br />
Männer. Plädoyer für eine<br />
geschlechtsspezifische Medizin.<br />
Heinrich Hugendubel<br />
Verlag 2007.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 17
thema: gender medizin<br />
4 Wimmer-Puchinger, Beate<br />
et al.: „Was Frauen gut tut:<br />
Frauenpolitische Praxis,<br />
Frauengesundheitsforschung,<br />
Feministische Theorie”, in:<br />
Gerlinde Mauerer (Hg.in):<br />
Frauengesundheit in Theorie<br />
und Praxis: Feministische<br />
Perspektiven in den Gesundheitswissenschaften.<br />
tr<strong>an</strong>script <strong>2010</strong>.<br />
5 Fishm<strong>an</strong>, Jennifer, Wick,<br />
J<strong>an</strong>is, Koenig, Barbara: „The<br />
use of ,sex’ <strong>an</strong>d ,gender’<br />
to define <strong>an</strong>d characterize<br />
me<strong>an</strong>ingful differences<br />
between men <strong>an</strong>d women”,<br />
in: Agenda for Research<br />
on Women's Health for the<br />
21st Century: A Report of<br />
the Task Force on the NIH<br />
Women's Health Research<br />
Agenda for the 21st Century,<br />
2, 1999.<br />
18 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Expert_innen kritisieren. Der Fokus liege<br />
häufig auf biologischen Unterschieden,<br />
nicht jedoch auf sozialen oder strukturellen<br />
Bedingungen, wie es der Begriff<br />
Gender nahelegen würde. „Wo Gender<br />
draufsteht, ist sehr oft Gender nicht drinnen,<br />
sondern zwar auch wichtige und gut<br />
gemachte, aber streng naturwissenschaftlich<br />
biologisch-medizinische Forschung”,<br />
sagt die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte<br />
Beate Wimmer-Puchinger. 4 „Das<br />
was Gender Medicine aber meint, ist<br />
eine Analyse der Ergebnisse hinsichtlich<br />
der unterschiedlichen soziologischen Rollenmuster<br />
beziehungsweise der Gender-<br />
Gerechtigkeit.” Oft wird es auch als<br />
Die Gender Medizin schöpft ihr<br />
eigentliches Potenzial nicht aus. Denn<br />
der Geschlechterdualismus, der in einer<br />
hierarchisierenden Geschlechterordnung<br />
gipfelt, wird von der Gender Medizin meist<br />
nicht <strong>an</strong>gezweifelt.<br />
Von Frau zu Gender<br />
Ohne Frauengesundheitsbewegung gäbe es heute keine<br />
Gender Medizin. Bettina Enzenhofer hat sich die Anfänge<br />
dieser Entwicklung <strong>an</strong>gesehen.<br />
Die Zweite Frauenbewegung revoltierte gegen ein paternalistisches<br />
Medizinsystem. Ausgehend von den USA kam die<br />
Frauengesundheitsbewegung der 1960er/70er Jahre mit der<br />
Diskussion über die Legalisierung des Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruchs<br />
(„Mein Körper gehört mir!”) auch nach Europa.<br />
Grundlegend war die Publikation „Our Bodies Ourselves”<br />
des Boston Women’s Health Book Collective (1973), das die<br />
Sicht auf den weiblichen Körper revolutionierte: In diesem<br />
Buch konnten sich Frauen erstmals in einer auch für Nicht-<br />
Mediziner_innen verständlichen Sprache über ihre Körper<br />
informieren. Sie forderten Selbstbestimmung über ihren<br />
Körper ein, die eine von Männern dominierte Medizin ihnen<br />
bis dahin nicht zugest<strong>an</strong>d. Wichtige Themen der frühen (und<br />
durchaus heterogenen) Frauengesundheitsbewegung waren<br />
u.a. spezifische weibliche körperliche Erfahrungen wie Sexualität/Reproduktion/Geburt,<br />
Missbrauch, Gewalt, Depression,<br />
Sucht und frauenspezifische Gesundheitsförderung.<br />
Eine Errungenschaft der Frauengesundheitsbewegung ist die<br />
vermehrte Einbeziehung von Frauen in klinische Studien:<br />
Bis Anf<strong>an</strong>g der 1990er Jahre wurden sie – um „Risiken”<br />
(wie z.B. eine Schw<strong>an</strong>gerschaft) zu minimieren und auf die<br />
unterschiedlichen Hormonlagen nicht eingehen zu müssen<br />
– systematisch ausgeschlossen. Der M<strong>an</strong>n wurde als Norm<br />
gesetzt – dass Frauen und Männer Medikamente unterschiedlich<br />
vertragen könnten, bedachte m<strong>an</strong> nicht.<br />
Zentraler Kritikpunkt der Frauengesundheitsforschung war<br />
und ist die Medikalisierung weiblicher Lebensphasen, wie<br />
z.B. Menstruation, Schw<strong>an</strong>gerschaft oder Menopause – diese<br />
sind keine aus der „Schwäche” der Frauen resultierenden,<br />
beh<strong>an</strong>delbaren „Kr<strong>an</strong>kheiten”, sondern spezifische Körper-<br />
„politisch korrekt” <strong>an</strong>gesehen, „Gender”<br />
auf etwas zu schreiben, das eigentlich nur<br />
mit biologischen Faktoren zu tun hat, wie<br />
die Wissenschaftlerin Jennifer Fishm<strong>an</strong><br />
und ihre Kolleginnen feststellten 5 – ein<br />
begrifflicher Irrtum.<br />
Begriffe unterm Mikroskop. Diese<br />
Begriffsverwirrung entsteht wohl auch<br />
deshalb, weil das Konzept „Gender”<br />
für Mediziner_innen neu ist. „Es gibt<br />
viel Unverständnis. Die Sozial- und Naturwissenschaften<br />
schaffen es einfach<br />
nicht, aufein<strong>an</strong>der zuzugehen, das ist<br />
ein Kommunikationskonflikt”, sagt die<br />
Wissenschaftlerin Renate Baumgartner.<br />
„Mediziner_innen wollen sich oft<br />
auch nicht ihre selbstverständlichen<br />
Kategorien – wie die Differenz zwischen<br />
Frauen und Männern – infrage<br />
stellen lassen.” Eine Universitäts<strong>an</strong>gestellte,<br />
die nicht gen<strong>an</strong>nt werden will,<br />
erzählt: „Viele Lehrende haben den<br />
Eindruck: Sobald ich mich den Unterschieden<br />
zwischen Frauen und Männern<br />
widme, arbeite ich gendergerecht.<br />
Das hat aber mit Gendergerechtigkeit<br />
nichts zu tun, sondern ist biologistische<br />
Forschung.”<br />
erfahrungen, die in einem gesellschaftlichen Kontext gesehen<br />
werden müssen. Gesundheit wird in der Frauengesundheitsforschung<br />
als dynamischer Prozess mit einer Vielzahl von<br />
Einflüssen gesehen, hier werden sowohl medizinische als<br />
auch soziale, psychologische, ökonomische und politische<br />
Aspekte integriert – <strong>an</strong>ders als in konventionellen biomedizinischen<br />
Konzepten.<br />
Aktuell lässt sich eine neue Anforderung <strong>an</strong> Frauen beobachten:<br />
Die Freiheit, selbst zu entscheiden, wird zu einer Pflicht;<br />
Frauen sind jetzt M<strong>an</strong>agerinnen ihrer eigenen Gesundheit.<br />
Bei immer mehr vorgeschriebenen oder empfohlenen Untersuchungen<br />
(etwa in der Schw<strong>an</strong>gerschaft) stehen Frauen<br />
unter Druck, kompetent und informiert zu sein. Wissensvermittlung<br />
und kritische Aufklärung leisten bis heute Frauengesundheitszentren,<br />
die infolge der Frauengesundheitsbewegung<br />
gegründet wurden.<br />
Frauengesundheit bleibt aber immer ambivalent: Denn Frauen<br />
sind keine homogene Gruppe, es gibt nicht die Frauengesundheit.<br />
Vielmehr muss m<strong>an</strong> beachten, welche Frau in<br />
welcher speziellen Lebenssituation betroffen ist – dar<strong>an</strong><br />
sollten sich medizinische Angebote orientieren.<br />
Die frühe feministische Kritik hat politische Früchte<br />
getragen: In der „Ottawa Charta” der Weltgesundheitsorg<strong>an</strong>isation<br />
(1986) wurde bspw. Ch<strong>an</strong>cengleichheit in<br />
der Gesundheitsforschung verkündet, bei der 4. Weltfrauenkonferenz<br />
in Peking (1995) wurde u.a. das Recht von<br />
Frauen auf gesundheitliche Selbstbestimmung beschlossen.<br />
Auf EU-Ebene wurde 1997 im Vertrag von Amsterdam<br />
Gender Mainstreaming festgeschrieben. Durch dieses<br />
gleichstellungspolitische Instrument f<strong>an</strong>d eine wesentliche<br />
Akzentverschiebung statt: Weg von einer spezifischen Frauengesundheitsforschung<br />
hin zu einer geschlechtersensiblen<br />
Gesundheitsforschung. l
Auch in medizinischen Fachpublikationen<br />
werden die Begriffe häufig falsch<br />
verwendet, wie N<strong>an</strong>cy Krieger von<br />
der Harvard School of Public Health<br />
feststellte. 6 In den von ihr <strong>an</strong>alysierten<br />
Texten würden Sex und Gender oft<br />
synonym gebraucht. Dies sei aber falsch<br />
– denn wir besitzen immer Gender<br />
und Sex gleichzeitig. Für bestimmte<br />
Gesundheitsbedingungen sei vielmehr<br />
zu fragen: Sind Sex und Gender beide<br />
relev<strong>an</strong>t – oder keines oder nur eines<br />
von beiden? Und vor allem Forscher_innen<br />
müssen sich im Klaren darüber sein,<br />
mit welchem Begriff sie arbeiten, und<br />
damit auch, auf welcher Ebene – falls<br />
überhaupt – Unterschiede zwischen den<br />
Geschlechtern zu finden sind.<br />
Auch Angelika Voß und Brigitte Lohff<br />
kritisieren, „dass die Hum<strong>an</strong>medizin<br />
als normierende und st<strong>an</strong>dardisierende<br />
Disziplin und Disziplinierung des<br />
(geschlechtlich definierten) Körpers auf<br />
dem Fundament der ,sex based biology’<br />
ruht”. Dieses grundlegende Denken<br />
in biologisch m<strong>an</strong>ifesten Dichotomien<br />
werde aber durch eine geschlechtssensible<br />
Medizin nicht automatisch<br />
aufgelöst: „Denn mit der Feststellung<br />
des Andersseins als die Andere oder der<br />
Andere wird noch keine Gar<strong>an</strong>tie für<br />
die Anerkennung von Differenz<br />
als nicht-pathologisch, nicht-kr<strong>an</strong>khaft<br />
und nicht-therapiebedürftig<br />
gegeben.” 7<br />
Geschlechterdualismus. Ein weiterer<br />
Kritikpunkt: Die Gender Medizin<br />
schöpfe ihr eigentliches Potenzial<br />
nicht aus. Denn der zunächst von der<br />
Queer Theory und d<strong>an</strong>ach auch von den<br />
Gender Studies hinterfragte Geschlechterdualismus,<br />
der in einer hierarchisierenden<br />
Geschlechterordnung gipfelt,<br />
wird von der Gender Medizin meist<br />
nicht <strong>an</strong>gezweifelt. Stattdessen trifft<br />
der Begriff Gender „auf einen fest<br />
etablierten biologistischen Begriff<br />
von Geschlecht (sex), in dem nach wie<br />
vor eine fixe dichotome Geschlechterordnung<br />
als biologisch d.h. natürlich<br />
vorausgesetzt wird”, kritisiert auch die<br />
Medizinerin Alice Chwosta. 8 Gender<br />
verliere im medizinischen Diskurs <strong>an</strong><br />
Nicht unsere biologischen Anlagen, sondern<br />
vor allem die individuelle Lebenswelt sowie<br />
ihre spezifische historische, soziale und<br />
kulturelle Eingebundenheit sind relev<strong>an</strong>t.<br />
Weite und Vielfalt, bleibe stets eine<br />
pure Abgrenzung von Sex. „Die Gefahr<br />
eines rein in Abgrenzung verhafteten<br />
gender Begriffs ohne Verständnis für<br />
die Mech<strong>an</strong>ismen der sozialen Konstruktion<br />
von Geschlecht unter dem<br />
Motto ,das, was nicht sex ist, nennen<br />
wir jetzt eben gender’ ist (…) gegeben<br />
sex/<br />
und bestätigt sich in der moment<strong>an</strong>en<br />
Entwicklung einer Gender Medizin, die<br />
vielfach soziales Frau- bzw. M<strong>an</strong>nsein<br />
als unhinterfragte Gegebenheit, wenn<br />
nicht biologisch, d<strong>an</strong>n eben als sozial<br />
gelernt aufnimmt”, so Chwosta. Die<br />
für die Frauengesundheitsbewegung<br />
nach wie vor gültige Kritik <strong>an</strong> der Geschlechterordnung<br />
verschwinde in einer<br />
derartigen Gender Medizin.<br />
Das bestätigt auch Victoria Grace von<br />
der School of Social <strong>an</strong>d Political Sciences<br />
der Universität von C<strong>an</strong>terbury. 9<br />
Gender Medizin dichotomisiere und essentialisiere<br />
das biologische Geschlecht,<br />
denn sie definiere „männlich” und<br />
„weiblich” als streng entgegengesetzt.<br />
Auch die Sex/Gender-Trennung, die<br />
eine „biologische” Geschlechtskompo-<br />
„Sex“ verweist auf biologische und physiologische Eigenschaften,<br />
die Männer und Frauen definieren. „Gender“ be-<br />
zieht sich auf die sozial konstruierten Rollen, Verhaltenswei-<br />
gender Definition der Weltgesundheitsorg<strong>an</strong>isation (WHO):<br />
sen, Aktivitäten und Eigenschaften, die in einer Gesellschaft<br />
für Männer und Frauen als <strong>an</strong>gemessen <strong>an</strong>gesehen werden.“<br />
Gender Policy der WHO: „Gender wird verwendet, um jene<br />
Eigenschaften von Frauen und Männern zu beschreiben, die sozial<br />
konstruiert sind, während Sex sich auf Eigenschaften bezieht, die biologisch<br />
determiniert sind. Menschen werden als weiblich oder männlich<br />
geboren, lernen aber, Mädchen und Buben zu sein, die d<strong>an</strong>n zu<br />
Frauen und Männern werden. Dieses gelernte Verhalten macht die<br />
Gender-Identität aus und determiniert Gender-Rollen.“<br />
Quelle: www.who.int/gender<br />
thema: gender medizin<br />
6 Krieger, N<strong>an</strong>cy: „Genders,<br />
sexes, <strong>an</strong>d health: what<br />
are the connections – <strong>an</strong>d<br />
why does it matter?”, in:<br />
International Journal of<br />
Epidemiology, 32/2003.<br />
7 Voß, Angelika, Lohff, Brigitte:<br />
„Nach-Denkliches zur<br />
Gender Medizin”, in: Rieder,<br />
Lohff (Hg.innen): Gender<br />
Medizin. Geschlechtsspezifische<br />
Aspekte für die<br />
klinische Praxis. Springer<br />
2004.<br />
8 Chwosta, Alice: „Frauengesundheit<br />
– Gender<br />
Medizin quo vadis?”, in:<br />
AEP Informationen. Feministische<br />
Zeitschrift für Politik<br />
und Gesellschaft, 3/2006.<br />
9 Grace, Victoria: „Beyond<br />
dualism in life sciences:<br />
implications for a feminist<br />
critique of gender-specific<br />
medicine”, in: Journal of<br />
Interdisciplinary Feminist<br />
Thought, 2/1/1/2007.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 19
thema: gender medizin<br />
Weiterführende Literatur:<br />
Hochleitner, Margarethe (Hg.in.):<br />
Gender Medicine. Ringvorlesung<br />
<strong>an</strong> der Medizinischen<br />
Universität Innsbruck. Bände<br />
1–3. Facultas 2008, 2009,<br />
<strong>2010</strong><br />
Legato, Mari<strong>an</strong>ne: Evas<br />
Rippe. Die Entdeckung der<br />
weiblichen Medizin. Kiepenheuer<br />
& Witsch 2002.<br />
20 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
nente von einer „sozialen” unterscheidet,<br />
stehe der Re-Theoretisierung einer<br />
nicht-dualistischen Biologie entgegen.<br />
Denn gerade diese Fragestellungen der<br />
Gender Studies könnte eine kritische<br />
Gender Medizin aufnehmen: Wie können<br />
wir Geschlecht neu und nicht-dualistisch<br />
denken? Ohne Kritik am Geschlechterdualismus<br />
könnte sich Medizin in<br />
eine Richtung entwickeln, die Frauen<br />
und Männer als komplett unterschiedliche<br />
genetisch determinierte Gruppen<br />
betrachtet, die auch qu<strong>an</strong>titativ und qualitativ<br />
<strong>an</strong>ders beh<strong>an</strong>delt werden müssten.<br />
gender<br />
Für mehr Grauzonen. Gender Medizin<br />
könnte, will sie ihrem Namen gerecht<br />
werden, tatsächlich interdisziplinär<br />
ausgerichtet sein. Das würde zum einen<br />
bedeuten, dass sie Erkenntnisse von<br />
Gender Studies, Frauenforschung, Soziologie<br />
etc. ernst nimmt. Zum <strong>an</strong>deren<br />
würde sie auch <strong>an</strong>dere Faktoren der<br />
Ungleichbeh<strong>an</strong>dlung und ihre Interaktion<br />
in Betracht ziehen: Geschlechtliche<br />
Arbeitsteilung, Armut, Stress etc. wirken<br />
sich auf die individuelle Gesundheit<br />
aus. Nicht unsere biologischen Anlagen,<br />
sondern vor allem die individuelle<br />
agierte alles <strong>an</strong>dere als geschlechtergerecht. Margrit Eichler<br />
und <strong>an</strong>dere Wissenschaftler_innen definierten drei we-<br />
sentliche Formen der verzerrten geschlechterbezogenen<br />
bias L<strong>an</strong>ge Zeit unterlag die Medizin einem Gender Bias und<br />
Wahrnehmung: Androzentrismus, Geschlechterinsensibilität<br />
und doppelte Bewertungsmaßstäbe.<br />
Eine <strong>an</strong>drozentristische Perspektive setzt Männer als Norm voraus<br />
– Frauen werden unter diesem männlichen Blickwinkel marginalisiert<br />
oder sind unterrepräsentiert. Geschlechterinsensibilität heißt, dass das<br />
biologische oder soziale Geschlecht außer Acht gelassen wird. Liegen<br />
doppelte Bewertungsmaßstäbe vor, werden gleichartige Situationen,<br />
Eigenschaften oder Verhaltensweisen je nach Geschlecht unterschiedlich<br />
beurteilt. Dazu gehören auch Geschlechterstereotype (Charaktereigenschaften<br />
werden als naturgegeben, nicht als sozial konstruiert<br />
verst<strong>an</strong>den) und starre Geschlechterdichotomien: Die Geschlechter<br />
werden so beh<strong>an</strong>delt, als wären sie von Grund auf unterschiedliche<br />
Gruppen <strong>an</strong>statt Gruppen mit sich überschneidenden Merkmalen.<br />
Quelle: Eichler, Margrit, Reism<strong>an</strong>, Anna Lisa, Borins, Elaine M<strong>an</strong>ace: „Gender Bias in<br />
Medical Research“ in Women & Therapy, 12, 4, 1992.<br />
Lebenswelt sowie ihre spezifische historische,<br />
soziale und kulturelle Eingebundenheit<br />
sind relev<strong>an</strong>t. „Hier schwindet<br />
gegenwärtig eine großartige Ch<strong>an</strong>ce<br />
durch den Verlust einer geschlechterkritischen<br />
feministischen Perspektive”,<br />
schreibt Chwosta. „Jene Grauzonen der<br />
Intersektion von Biologie und sozialer<br />
Umwelt, die in der Festschreibung in<br />
den Körper betrachtet werden könnten,<br />
werden aus dem Blick verloren. Denn<br />
auch das ist Gender Medizin, oder<br />
könnte es sein.” Und Voß sieht noch eine<br />
weitere Ch<strong>an</strong>ce: Durch die Geschlechterperspektive<br />
werde nämlich auch die<br />
Hierarchie, in der die Biologie <strong>an</strong> der<br />
Spitze, die sozialen, kulturellen und<br />
psychischen Einflussfaktoren hingegen<br />
weiter unten <strong>an</strong>gesiedelt sind, infrage<br />
gestellt.<br />
Denn auch wenn es Sex-Unterschiede<br />
gibt: So groß sind sie nicht – vielmehr<br />
werden sie oft überbewertet. Doch<br />
Forschung, die sich differenziert mit den<br />
verschiedensten sozialen Faktoren und<br />
ihren Auswirkungen auf die individuelle<br />
Gesundheit beschäftigt, ist teuer.<br />
Notwendig ist sie aber unbedingt: Denn<br />
Gender Medizin darf nicht bedeuten,<br />
Frauen und Männer in zwei biologische<br />
Lager zu spalten und auf dahinter<br />
stehende Konstruktionsmech<strong>an</strong>ismen zu<br />
vergessen. l
„Frauen-Medizin wäre mir zu<br />
wenig gewesen“<br />
Schau mal!<br />
Stark erhöhte<br />
Genderwerte!<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Wie schwer ist es, <strong>an</strong> einer<br />
medizinischen Universität eine Disziplin<br />
zu ver<strong>an</strong>kern, deren Grundlage aus<br />
den Sozialwissenschaften stammt, wie<br />
es bei Gender Medizin der Fall ist?<br />
Das war eine Konsequenz aus jahrel<strong>an</strong>gen<br />
Diskussionen und schlussendlich<br />
eine logische Entwicklung, wenn auch<br />
eine mit Stolpersteinen. Am Beginn<br />
st<strong>an</strong>d die Frauengesundheitsbewegung<br />
in den USA in den 1970er Jahren, und<br />
die Sozialwissenschaften haben sich dem<br />
Thema und der Definition von Gender<br />
gewidmet. Nach und nach haben auch<br />
medizinische Wissenschaften das Thema<br />
besetzt: M<strong>an</strong> ist draufgekommen, dass<br />
m<strong>an</strong> da auf naturwissenschaftlicher Ebene<br />
sehr viel herausfinden k<strong>an</strong>n.<br />
Seit kurzem gibt es die Professur für<br />
Gender Medizin in Wien. Wir haben<br />
allerdings gehört, dass sie nicht so<br />
gut ausgestattet wurde, was Geld und<br />
Mitarbeiter_innen betrifft …<br />
Ich glaube, dass das vorderh<strong>an</strong>d passt,<br />
aber m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n immer nachbessern.<br />
Wichtig ist, dass der Ansatzpunkt von<br />
allen akzeptiert und gut ist, er ist ein<br />
wichtiges Zeichen. Aber: Institutionen<br />
– wie Universitäten – sind zäh. In<br />
Österreich dürfen Frauen überhaupt<br />
erst seit 1900 Medizin studieren, die<br />
Super, d<strong>an</strong>n<br />
geht endlich<br />
was weiter!<br />
Universität besteht aber seit 1365.<br />
Viele – auch Frauen – tun sich das nicht<br />
<strong>an</strong>, in so einem System zu arbeiten. Ich<br />
setze im Moment sehr auf verschiedene<br />
Maßnahmen, um Frauen zu <strong>an</strong>imieren,<br />
hier weiterzumachen, sich das also doch<br />
kurzfristig mal <strong>an</strong>zutun und d<strong>an</strong>n Fuß<br />
fassen zu können.<br />
Im Curriculum ist Gender Medizin<br />
mittlerweile fix ver<strong>an</strong>kert, und auch<br />
die etablierten Professor_innen mussten<br />
Gender Medizin in ihre Lehre integrieren.<br />
Wie waren die Reaktionen?<br />
Bevor das alles implementiert wurde,<br />
habe ich in einer Arbeitsgruppe<br />
mitgearbeitet, in der es darum ging,<br />
Leute aus den unterschiedlichsten<br />
Fachrichtungen zu fragen, welche<br />
Themenbereiche und Fragestellungen<br />
sie hier einbringen können. Am<br />
Anf<strong>an</strong>g gab es noch Erstaunen, wie<br />
m<strong>an</strong> überhaupt auf so eine Frage –<br />
nämlich die nach dem Gender-Aspekt<br />
in der Medizin – kommen k<strong>an</strong>n. Die<br />
Diskussionen haben aber dazu geführt,<br />
dass die Leute <strong>an</strong>imiert waren, sich<br />
damit zu beschäftigen – auch männliche<br />
Lehrende.<br />
In der Lehre kommt Gender Medizin<br />
als „Add On“ daher: Erst lernen die<br />
thema: gender medizin<br />
Wie sehen die Rahmenbedingungen für<br />
die Gender Medizin <strong>an</strong> den medizinischen<br />
Hochschulen aus?<br />
Sylvia Köchl und Bettina Enzenhofer<br />
trafen Karin Gutiérrez-Lobos,<br />
Vizerektorin der Medizinischen Uni Wien,<br />
zum Gespräch.<br />
Studierenden etwas über Anatomie<br />
oder Physiologie, Gender Medizin<br />
kommt d<strong>an</strong>n erst später als Zusatz<br />
hinzu. Ist das Thema damit ausreichend<br />
integriert?<br />
Wir machen das ja erst seit ein paar<br />
Jahren und befinden uns in einer ständigen<br />
Weiterentwicklung. Das wird auch<br />
eine der Aufgaben der Professur sein,<br />
das zu einer größeren Selbstverständlichkeit<br />
zu machen.<br />
Aber kommt Gender, also die Idee<br />
von Geschlecht als soziale Konstruktion,<br />
so wie es die Gender-Studies<br />
kennen, in der Gender Medizin überhaupt<br />
vor?<br />
Doch. Ich bin ja auch Psychiaterin, und<br />
gerade in der Psychiatrie spielt das<br />
eine große Rolle bei der Frage der<br />
Psychologisierung von Frauen. Ebenso<br />
bei allen Themen, die mit Vorsorge,<br />
Lebensumständen, Armut zu tun<br />
haben. Oder bei der tr<strong>an</strong>skulturellen<br />
Kompetenz, denn da geht es nicht nur<br />
um Sprachbarrieren, sondern auch um<br />
die Frage: Verstehe ich die Konzepte<br />
von Gesundheit und Kr<strong>an</strong>kheit? In<br />
<strong>an</strong>deren Bereichen, wo es einen harten<br />
Befund gibt, zum Beispiel einen<br />
Knoten im Hirn, da gibt es wenig zu<br />
philosophieren.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 21
thema: gender medizin<br />
1 Margarethe Hochleitner,<br />
Kardiologin, weitere<br />
Forschungsschwerpunkte:<br />
Präventivmedizin, Gender<br />
Studies, Frauengesundheit,<br />
Migr<strong>an</strong>tinnen. Leiterin der<br />
Koordinationsstelle für<br />
Gleichstellung, Frauenförderung<br />
und Geschlechterforschung<br />
<strong>an</strong> der Medizinischen<br />
Universität Innsbruck.<br />
22 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Die ersten Erkenntnisse der Gender<br />
Medizin kamen aus der Kardiologie,<br />
doch z.B. beim Herzinfarkt ist es ja<br />
nicht so, dass alle Frauen diesen auf<br />
eine bestimmte Weise und alle Männer<br />
ihn auf eine <strong>an</strong>dere Weise erleben.<br />
Wird das bedacht oder entstehen da<br />
vielleicht neue Schubladen?<br />
Vermutlich sind sich Männer und<br />
Frauen, die ärmer sind, sehr oft<br />
ähnlicher als eine arme Frau und eine<br />
reiche Frau. Ich glaube aber, m<strong>an</strong> soll<br />
sich nicht verrennen. Ich halte es für<br />
g<strong>an</strong>z wichtig, als Arzt oder Ärztin zu<br />
wissen, dass es Unterschiede geben<br />
k<strong>an</strong>n. Im Umg<strong>an</strong>g mit PatientInnen<br />
merkt m<strong>an</strong> ohnehin, dass sich da<br />
nichts über einen Kamm scheren<br />
lässt. M<strong>an</strong> muss aber bereits im<br />
Studium auf diese Faktoren aufmerksam<br />
gemacht werden, die m<strong>an</strong> bei<br />
Entscheidungen mitberücksichtigen<br />
muss, dass es eben einen Unterschied<br />
zwischen Männern und Frauen geben<br />
k<strong>an</strong>n oder zwischen arm und reich. Es<br />
muss gelehrt werden: Wie bedenke<br />
ich diese Vielfalt?<br />
Wie kommt Gender – das soziale<br />
Geschlecht – konkret in den Körper?<br />
Für die Psychiatrie können wir das<br />
nachvollziehen, aber wie funktioniert<br />
das in <strong>an</strong>deren Bereichen?<br />
So selbstverständlich ist es auch in<br />
der Psychiatrie nicht. Da gibt es die<br />
Untersuchung, dass Frauen mehr <strong>an</strong><br />
Depressionen erkr<strong>an</strong>ken als Männer<br />
– allerdings sind es nicht „die<br />
Frauen”, sondern die verheirateten.<br />
Das k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> erklären: Die haben<br />
eine Doppel- und Dreifachbelastung.<br />
Es gibt aber viele PsychiaterInnen,<br />
die biologisch orientiert sind, die eine<br />
Depression sofort mit Medikamenten<br />
beh<strong>an</strong>deln. Die werden in so einem Fall<br />
nicht viel ausrichten – denn in Wirklichkeit<br />
braucht es mehr Kindereinrichtungen,<br />
Betreuungseinrichtungen etc.<br />
Dieser größere Kontext – und da<br />
gebe ich Ihnen Recht – ist in <strong>an</strong>deren<br />
Bereichen der Org<strong>an</strong>medizin schwieriger<br />
zu sehen. Aber letztendlich<br />
denke ich doch, dass sich H<strong>an</strong>dlungs-<br />
felder ergeben, wenn m<strong>an</strong> solche<br />
Ergebnisse diskutiert und darstellt.<br />
Aber warum können bei Frauen die<br />
Symptome eines Herzinfarkts so<br />
g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>ders sein als bei den meisten<br />
Männern?<br />
Ich glaube, dass die Symptome überlagert<br />
sind durch <strong>an</strong>dere Dinge. Ich nenne<br />
Ihnen ein Beispiel: Bei uns kennen<br />
Sie die menopausalen Beschwerden,<br />
Hitzewallungen etc. Die Jap<strong>an</strong>erinnen<br />
kennen das nicht! Die haben dafür<br />
ein Klingeln im Ohr. Das hängt damit<br />
zusammen, dass der Stellenwert, den<br />
m<strong>an</strong> unterschiedlichen Symptomen in<br />
unterschiedlichen Kulturen zuweist,<br />
ein <strong>an</strong>derer ist. Wenn m<strong>an</strong> bei uns in<br />
der Zeitung nur liest: Wechseljahre<br />
„Vermutlich sind sich Männer und Frauen,<br />
die ärmer sind, sehr oft ähnlicher als eine<br />
arme Frau und eine reiche Frau.“<br />
sind etwas Fürchterliches, weil da wird<br />
mir heiß, da mag mich niem<strong>an</strong>d mehr<br />
etc. – d<strong>an</strong>n wird das so sein. Dass m<strong>an</strong><br />
z.B. guten Sex hat im Wechsel, wird ja<br />
kaum erwähnt. Und wenn Sie ständig<br />
lesen, dass Sie bei einem Herzinfarkt<br />
ein Ziehen im Arm haben – d<strong>an</strong>n wird<br />
das auch so sein. Ich denke, das hat viel<br />
mit Zuschreibungen zu tun.<br />
Frauen erhalten auch viel weniger<br />
Durchuntersuchungen als Männer. Margarethe<br />
Hochleitner 1 hat festgestellt,<br />
dass Männer bei Verdacht auf Herzinfarkt<br />
sofort einen Notfallhubschrauber<br />
bekommen, Frauen nicht. Durch solche<br />
Studien und diese neue Wachsamkeit<br />
verbessert sich die Situation der Frauen.<br />
Aber Sie können nicht erwarten, dass<br />
alle MedizinerInnen hochsoziologische<br />
Ideengebäude haben.<br />
Wie sehen Sie die Zukunft der Gender<br />
Medizin in Wien und in Österreich?<br />
Ich hoffe, dass es in den <strong>an</strong>deren Städten<br />
auch eine Professur geben wird, das<br />
wäre wichtig. Und ich wünsche mir, dass<br />
das alles zu einer Selbstverständlichkeit<br />
wird und Sie mich in ein paar Jahren<br />
nicht mehr interviewen müssen (lacht).<br />
Wird sich die Gender Medizin auch<br />
mal den Gender Studies zuwenden?<br />
Berührungspunkte und Kooperationen<br />
gibt es ja durchaus schon. Ich finde es<br />
auch sehr wichtig, dass m<strong>an</strong> sich z.B. in<br />
der Medizinsoziologie – also von außen<br />
– damit beschäftigt, denn durch diese<br />
Untersuchungen haben sich neue Aspekte<br />
ergeben, auch für die PatientInnen.<br />
Vor allem für die Frauen, die jetzt<br />
schon viel alerter sind und sagen: Aber<br />
ich habe wirklich Kopfweh, machen Sie<br />
bitte ein Röntgen!<br />
Wobei es in der Gender Medizin aber<br />
auch um die <strong>an</strong>dere Seite geht, nämlich:<br />
Wie geht es den Ärztinnen? Wie<br />
sieht die Hierarchie im Kr<strong>an</strong>kenhaus,<br />
im Fachgebiet aus? Wer bekommt<br />
welches Gehalt?<br />
Aber mir ist schon klar, dass wir etwas<br />
g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>deres machen als das, was Sie<br />
in den Sozialwissenschaften tun. Bei<br />
uns geht es darum zu sehen, ob wir<br />
jem<strong>an</strong>den <strong>an</strong>ders beh<strong>an</strong>deln müssen.<br />
Aber wir wollen es trotzdem Gender<br />
Medizin nennen, weil Frauen-Medizin<br />
wäre mir zu wenig gewesen.<br />
Und wenn m<strong>an</strong> es geschlechtsspezifische<br />
Medizin nennen würde? Wir<br />
finden, das meiste, was sich heute<br />
Gender Medizin nennt, ist eigentlich<br />
eine „sex based medicine“ …<br />
In vielen Bereichen haben Sie sicher<br />
Recht. Geschlechtsspezifische Medizin<br />
wäre wohl der bessere Begriff, aber<br />
jetzt heißt es Gender Medizin, damit<br />
müssen Sie jetzt leben (lacht). Und es<br />
stimmt: Gender ist ein Etikett geworden<br />
für alles Mögliche. Aber da bitte<br />
ich um Nachsicht. Ein Teil davon ist<br />
trotzdem drin. Wir schreiben Gender<br />
auch deshalb hin, um zu zeigen: Das ist<br />
uns wichtig. Darum muss es in Zukunft<br />
gehen: Wie k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> die Gender-<br />
Studies mit naturwissenschaftlichen<br />
Perspektiven verbinden? l<br />
Karin Gutiérrez-Lobos ist Vizerektorin<br />
für Personalentwicklung und Frauenförderung<br />
<strong>an</strong> der Medizinischen Universität<br />
Wien, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie,<br />
Psychotherapeutin, Moderatorin<br />
des Ö1-Radiodoktor u.v.m.
Das Wahlrecht umverteilen<br />
Die Initiative „Wahlwechsel” führte vor<br />
den Wiener Gemeinderatswahlen<br />
Wahlberechtigte und<br />
Nicht-Wahlberechtige zum Zweck der<br />
Stimmrechtsumverteilung zusammen.<br />
Simone Prenner „teilte” ihre Stimme<br />
als demokratischen Akt,<br />
Ana Petretto nahm sich eine Stimme,<br />
weil es derzeit nicht gerechter geht.<br />
Unter dem Motto „Repair Democracy” rief ENARA, das österreichische Netzwerk<br />
gegen Rassismus, zur selbstorg<strong>an</strong>isierten Umverteilung des Wahlrechts<br />
auf. Dem Ausschluss vom Wahlrecht einer steigenden Zahl von Immigr<strong>an</strong>t_innen<br />
wurde damit ein demokratischer Akt entgegengesetzt.<br />
„Wahlwechsel” unterscheidet sich von solidarischen Erklärungen und<br />
öffentlichen Bekundungen für die Demokratisierung politischer Mitbestimmung<br />
durch die Notwendigkeit zu teilen. Teilen heißt nicht spenden. Ich<br />
habe nicht wahlgewechselt, weil ich sowieso nicht wusste, was ich wählen<br />
sollte. Ich habe mein Stimmrecht nicht auf- oder abgegeben, sondern bewusst<br />
eingesetzt. Wahlwechsel ist ein realpolitischer Akt der gegenseitigen<br />
Bemächtigung.<br />
Eine der häufigsten Fragestellungen der Wahlberechtigten während der<br />
Wahlwechsel-Kampagne betraf die Umsetzung einer „nicht paktfähigen”<br />
Wahlentscheidung der nichtwahlberechtigten Person. Beispielsweise wenn<br />
der Wahlauftrag „FPÖ” lautet. Vielleicht wurde hier der Aufruf zur Paarbildung<br />
mit einem Aufruf zur Symbiose verwechselt. Wahlwechsel bedeutet für<br />
mich nicht, „eine” gemeinsame politische Entscheidung treffen zu müssen<br />
oder diese durch Beeinflussung des <strong>an</strong>deren herbeizuführen. Das hieße, die<br />
integrative Praxis „Ausschluss durch Einschluss” weiterzuführen.<br />
Und jetzt, nach der Wahl ist vor der Wahl? Das Integrations-Chop-Suey der<br />
Parteien wird sich in bek<strong>an</strong>nter „Feinjustierung” zwischen mehr oder weniger<br />
Salz bzw. Zucker weiter einkochen. Und das bedeutet für mich, dass wir<br />
weiterhin und weiter Wahlwechsel betreiben werden.<br />
Vielleicht lässt sich für die nächsten Wahlen auch eine „echt” österreichische<br />
Lösung <strong>an</strong>bieten: Neben jeder Wahlurne ist demnach ein Beichtstuhl einzurichten,<br />
strikt getrennt selbstverständlich. Beachten Sie die Reihenfolge:<br />
Zunächst wird Ihnen die Beichte abgenommen, und Ihr Beichtgeheimnis<br />
bleibt gewahrt. D<strong>an</strong>n betreten Sie die Wahlkabine. Und siehe da, ein Warnhinweis:<br />
Bitte beachten Sie vor der Wahl: Fegefeuer ersatzlos gestrichen!<br />
Simone Prenner, Mitinitiatorin des Wahlwechsels <strong>2010</strong>, wahlberechtigt.<br />
www.wahlwechsel.at<br />
<strong>an</strong>.sprüche<br />
Illustration: Bi<strong>an</strong>ca Tschaikner<br />
Ich sag dir, wen du wählen sollst, du kreuzt <strong>an</strong>. Die Nicht-Wahlberechtigten<br />
erheben ihre Stimmen und verschaffen sich d<strong>an</strong>k ihrer stimmberechtigten<br />
PartnerInnen, FreundInnen, KollegInnen oder Familien<strong>an</strong>gehörigen ein<br />
Mitspracherecht im nationalen Wahldunst. Einheimische, die für Fremde<br />
wählen, machten ihr Kreuz nach dem politischen Willen von jem<strong>an</strong>d <strong>an</strong>derem<br />
und verschafften ausgeschlossenen AusländerInnen so eine Stimme.<br />
Potenziell korrupt, würde ich sagen. Aber warum nicht, wenn es gerechter<br />
nicht geht?<br />
Die InitiatorInnen der diesjährigen Wahlwechsel-Kampagne forderten keine<br />
„2 people, 1 vote”-Dauerwahllösung, sondern ein grundsätzliches Mitbestimmungsrecht<br />
für all jene, deren Lebensmittelpunkt in Österreich ist. Zu<br />
viel verl<strong>an</strong>gt? Oder sollten wir alle neoliberale Millionärskinder sein, mit<br />
mehreren tausend Euro auf dem Konto, damit wir hierzul<strong>an</strong>de ohne behördlichen<br />
Druck studieren bzw. uns locker die Einbürgerung leisten können?<br />
Selbst wenn: Mit 1.000 Euro (etwa so viel kostet eine Staatsbürgerschaft)<br />
k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sich bessere Dinge einfallen lassen, als für einen Wisch Papier zu<br />
zahlen, der die Einbürgerung inhaltslos bekräftigt, eigentlich aber ab einer<br />
gewissen Aufenthaltsdauer und einem gewissen Integrationsgrad automatisch<br />
und weitgehend kostenfrei passieren müsste. „Unbefristete Aufenthalte”,<br />
einst in den Pässen eingetragen, sind schon längst passé. Selbst jene, die sie<br />
hatten, wurden zu einer befristeten Ausländercard mit „Daueraufenthalt-EG”<br />
befördert. Für diese verfassungswidrige Aktion in weißen H<strong>an</strong>dschuhen zahlt<br />
m<strong>an</strong> immer wieder saftig.<br />
Deshalb geht es hier um das Mitspracherecht, das den Leuten, die hier leben<br />
und wirken, von Haus aus und unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft<br />
gegeben werden sollte. Insofern hat die Wahlwechsel-Initiative ein klares,<br />
wenn auch provok<strong>an</strong>tes Signal gesetzt. Alle zusammen, trotz heterogener<br />
Urteilskraft, statt isoliert gegenein<strong>an</strong>der – und die Welt wird besser, denn das<br />
wollen wir ja alle, oder?<br />
Ana Petretto, keine Feministin, keine Aktivistin, keine Politikerin. Nicht-wahlberechtigte<br />
Filmproduzentin, Sängerin.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 23
zeitausgleich<br />
arbeitsfragen in allen lebenslagen<br />
Text: Bärbel Mende-D<strong>an</strong>neberg, Illustration: Nadine Kappacher<br />
Alt und fett<br />
„Alt und faul” hatten wir ja schon vor ein paar Ausgaben zum Thema.<br />
Jetzt also: alt und fett.<br />
Elfriede Ott ist alt. In der „Im Zentrum”-Diskussion zu den Pensionen<br />
(Titel: „Fressen Alte Zukunft auf?”) konnten wir die betagte Dame in<br />
einer Männerrunde sehen, ein bissel hilflos <strong>an</strong>gesichts der Zahlenspiele<br />
der sog. Herren Pensionsexperten. Mit 85 Jahren aber nicht zu alt, um<br />
zu arbeiten, wie ihr letzter Film zeigt. Das wollte uns die Männerrunde<br />
wohl auch sagen: Schaut euch bitte die Frau Ott <strong>an</strong>, alt, aber nicht faul,<br />
die arbeitet noch bis ins hohe Alter.<br />
Fett? K<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> so nicht sagen, ich kenne ihr Pensionskonto nicht. Dass<br />
dies ein wenig fetter sein dürfte als das der, sagen wir mal, Bedienerin<br />
oder Verkäuferin oder Kr<strong>an</strong>kenschwester, ist <strong>an</strong>zunehmen. Frau Ott ist<br />
umtriebig, so ein bisschen eine Ulknudel in ihrem jüngsten Film. Die<br />
Kunst bei der Kunst ist es, das Theater bis ins hohe Alter zu vermarkten.<br />
Vielleicht ist auch etwas Vitamin-B dabei, keine Ahnung, aber frau muss<br />
eben am Ball bleiben.<br />
Die Kunst bei der Krise ist es, bei allem Können und Wollen am Marktplatz<br />
der Arbeit einen gut bezahlten, nicht prekären Job zu finden. Am Ball zu<br />
bleiben. Ja, am Ball bleiben. Der rollt aber rund um den Erdball und ziemlich<br />
oft vorbei. Die Arbeitswelt ist ein neoliberales Theater, letzte Reihe<br />
Stehplatz. Das weiß die Bedienerin, die Verkäuferin, die Kr<strong>an</strong>kenschwester.<br />
Die feinen fetten Unterschiede beim Lohn, der Pension, den Arbeitsbedingungen<br />
interessieren die Pensionsexperten aber nicht. Also rauf mit dem<br />
Pensionsalter. Oder runter mit den Pensionen.<br />
Wer von uns Alten das Glück hat, ein bisschen was <strong>an</strong> Pension zu bekommen,<br />
weil wir brav gearbeitet haben – wenn wir also nicht durch Bildungshürden,<br />
Kindererziehen, Männer umsorgen, Alte pflegen, prekäre Arbeit,<br />
Generation Praktikum oder (wirtschafts-)politische Zw<strong>an</strong>gsmaßnahmen wie<br />
Arbeitslosigkeit dar<strong>an</strong> gehindert wurden – gehört zum Feindbild. Angedachte<br />
Feindbekämpfung: der grauen Flut das Wahlrecht ab einem bestimmten<br />
Alter verweigern? Die jungen ModernisierungsverliererInnen zw<strong>an</strong>gsweise<br />
Sozialdienste <strong>an</strong> uns Alten verrichten lassen? Echt fett.<br />
Ich würde so gerne, wie die Frau Ott, noch arbeiten. Als Journalistin.<br />
Und das fett bezahlt.<br />
Bärbel Mende-D<strong>an</strong>neberg, alt, nicht fett, aber mit 67 schon in die Jahre<br />
gekommen. Als Journalistin für die „Volksstimme“ und diverse Medien tätig,<br />
Herausgeberin und Autorin verschiedener Bücher, u.a. „Alter Vogel, flieg!<br />
Tagebuch einer pflegenden Tochter“.<br />
Nadine Kappacher gibt es da www.salon-nadine.at und dort<br />
http://meerweh.tumblr.com<br />
24 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
frauenförderung<br />
Gleichstellungspolitik ras<strong>an</strong>t<br />
Wien macht ernst: Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden in Zukunft<br />
<strong>an</strong> sogen<strong>an</strong>nte „soziale Ausführungsbedingungen” gekoppelt. Im Klartext<br />
sind damit Unternehmen zu frauenfördernden Maßnahmen verpflichtet<br />
– diese umfassen ebenso erhöhte Frauen<strong>an</strong>teile in allen Bereichen wie<br />
spezielle Förderungsmaßnahmen oder Kinderbetreuungsplätze. Wer sich<br />
nicht <strong>an</strong> die Vereinbarungen hält, wird zur Kasse gebeten.<br />
Betroffen von der Regelung sind Unternehmen mit mehr als 20 MitarbeiterInnen,<br />
die von der Stadt Wien einen mindestens sechs Monate laufenden<br />
Auftrag über eine Summe von mindestens 40.000 Euro bekommen.<br />
Vorerst gilt das Modell für Reinigungs- und Tr<strong>an</strong>sportdienste sowie<br />
für die Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten. L<strong>an</strong>gfristig, so Stadträtin<br />
S<strong>an</strong>dra Frauenberger (SPÖ), die das in Österreich bisher einzigartige<br />
Projekt gemeinsam mit den Grünen initiierte, sollen auch <strong>an</strong>dere<br />
Bereiche einbezogen werden. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek<br />
(SPÖ) ist <strong>an</strong>get<strong>an</strong> und prüft, wie sich der Wiener Schritt in „Sieben-<br />
Meilen-Stiefeln” auch auf Bundesebene gehen lässt. h<strong>an</strong><br />
http://diest<strong>an</strong>dard.at<br />
frauenquote<br />
Türöffner für neue Arbeitsformen<br />
„Die Quote ist vielleicht nicht die beste Lösung, um mehr Frauen in Führungspositionen<br />
zu bringen, aber die beste, die uns zur Verfügung steht”,<br />
bedient sich Telekom-Personalvorst<strong>an</strong>d Thomas Sattelberger bei Winston<br />
Churchill. Als erstes der 30 wichtigsten börsennotierten Unternehmen<br />
hat die Deutsche Telekom im März dieses Jahres eine Frauenquote<br />
eingeführt. Bis Ende 2015 sollen 30 Prozent der oberen und mittleren<br />
Führungspositionen im Unternehmen mit Frauen besetzt sein.<br />
„Der Zug, den wir aufs Gleis gesetzt haben, rollt”, zieht Sattelberger<br />
sechs Monate nach Einführung der Frauenquote eine positive Bil<strong>an</strong>z. So<br />
ist der Anteil von Frauen bei der Einstellung von Top-Nachwuchskräften<br />
von 33 auf 52 Prozent gestiegen, im M<strong>an</strong>agement-Entwicklungsprogramm<br />
sind jetzt 31 statt 18 Prozent Frauen vertreten. Nur auf oberster<br />
Ebene herrscht noch Nachholbedarf. Aber immerhin sitzen im 60köpfigen<br />
M<strong>an</strong>agement-Team unterhalb des Konzernvorst<strong>an</strong>ds seit März<br />
sechs Frauen, vier mehr als davor. Und auch die Männer profitieren von<br />
der Frauenquote: Diese habe sich „als Türöffner für Varietät und neue<br />
Arbeitsformen erwiesen”, so Sattelberger. Seit 2009 hat sich der Anteil<br />
der Männer, die in Elternzeit gehen, um fast 40 Prozent erhöht. kaiv<br />
www.telekom.com, www.frauenrat.de, http://diest<strong>an</strong>dard.at<br />
gender pay gap<br />
Neue Zahlen zur Einkommensgerechtigkeit<br />
Seit 29. September arbeiten Frauen in Österreich – statistisch gesehen<br />
– gratis. Der diesjährige „Equal Pay Day” erinnerte wieder dar<strong>an</strong>, wie<br />
es hierzul<strong>an</strong>de um die Einkommensgerechtigkeit bestellt ist: Österreich<br />
liegt im EU-R<strong>an</strong>king <strong>an</strong> vorletzter Stelle. Ein wenig erfreulicher sind<br />
die Daten des vom World Economic Forum erhobenen „Global Gender<br />
Gap Report <strong>2010</strong>”: Österreich hat sich im Vergleich zum Vorjahr um fünf<br />
Ränge verbessert und liegt jetzt auf Platz 37 (von insgesamt 134).<br />
Erstmals gibt es nun auch Zahlen aus dem österreichischen Bundesdienst:<br />
Der jüngste Einkommensbericht zeigt, dass auch im öffentlichen<br />
Dienst geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede existieren.
Nachdem die Bezüge im Bundesdienst gesetzlich geregelt sind, fallen die<br />
Unterschiede im Einkommen (15,9 Prozent) im Vergleich zur Privatwirtschaft<br />
(22 Prozent) aber geringer aus. Begründet wird der trotzdem<br />
bestehende Gender Pay Gap vor allem mit dem Faktor Alter – denn im<br />
Bundesdienst wird nach dem Senioritätsprinzip entlohnt: Wer älter ist,<br />
verdient mehr – und Frauen im Bundesdienst sind im Durchschnitt jünger<br />
als die dort arbeitenden Männer. Aber auch <strong>an</strong>dere Faktoren führen zum<br />
Einkommensunterschied, wie etwa dass Männer mehr Überstunden als<br />
Frauen leisten. Durch die Förderung von Frauen in Führungspositionen,<br />
aktives Karenzm<strong>an</strong>agement und eine genaue Analyse der unterschiedlichen<br />
Verteilung der Überstunden soll nun die Einkommensschere im<br />
öffentlichen Dienst verkleinert werden. be<br />
http://frauen.bka.gv.at/site/5556/default.aspx#a1, www.weforum.org/pdf/gendergap/<br />
report<strong>2010</strong>.pdf, http://diest<strong>an</strong>dard.at, www.frauen.spoe.at<br />
AktivistInnen in Graz für faire Arbeitsbedingungen in der Outdoor-Br<strong>an</strong>che, © Südwind<br />
cle<strong>an</strong> clothes<br />
Aktion für faire Arbeitsbedingungen<br />
Über die schlechten Arbeitsbedingungen in der Textilbr<strong>an</strong>che informiert<br />
die Cle<strong>an</strong> Clothes Kampagne (CCK) regelmäßig. Sie ist Teil der Cle<strong>an</strong><br />
Clothes Campaign (CCC) – einem Netzwerk, das in 14 europäischen Ländern<br />
mit 250 Partnerorg<strong>an</strong>isationen vertreten ist. Faire Arbeitsbedingungen<br />
– und damit <strong>an</strong>gemessene Löhne und Sozialleistungen – will die CCK<br />
u.a. durch Druck auf Markenfirmen, Information für KonsumentInnen oder<br />
die Unterstützung von ArbeitnehmerInnen erreichen.<br />
Im Fokus der letzten Aktion „Discover Fairness!” st<strong>an</strong>d die boomende<br />
Outdoor- und Funktionsbekleidungsbr<strong>an</strong>che. Bei Straßenaktionen in<br />
Innsbruck, Salzburg, Linz, Graz und Wien setzten sich die Demonstrie-<br />
Wissenschaftskalender & Calls for Papers<br />
renden für bessere Arbeitsbedingungen in dieser Br<strong>an</strong>che ein, denn<br />
„besonders das Bekenntnis zur Zahlung eines existenzsichernden Lohns<br />
fehlt beim Großteil der Unternehmen, und der ist ein Menschenrecht”,<br />
wie Michaela Königshofer, Koordinatorin der österreichischen Cle<strong>an</strong><br />
Clothes Kampagne, auf der CCK-Homepage erklärt. Dort findet sich auch<br />
eine Liste mit den Firmenprofilen von 14 Outdoor-Unternehmen, die u.a.<br />
zu Verhaltenskodizes und der Kontrolle von sozialen Mindestst<strong>an</strong>dards in<br />
den Produktions- und Zulieferbetrieben befragt wurden. pix/be<br />
www.cle<strong>an</strong>clothes.at<br />
arbeitsmarkt<br />
Mehr Jobs – aber für wen?<br />
Die Wiener Stadtregierung jubelte: Im Vergleich zum Vorjahr s<strong>an</strong>k im<br />
September die Zahl der Arbeitslosen in Wien um 0,3 Prozent. Was nach<br />
einem kleinen Erfolg klingt, ist aber im Detail für Frauen gar nicht positiv.<br />
Denn die Arbeitslosigkeit von Frauen ist im Steigen (plus 4,1 Prozent im<br />
Vergleich zu 2009), und besonders betroffen sind Migr<strong>an</strong>tinnen – in dieser<br />
Gruppe wurde ein Anstieg der Arbeitslosigkeit von 17,6 Prozent verzeichnet.<br />
Auch österreichweit bestätigt sich dieser Trend: Arbeitslosigkeit sinkt<br />
bei Männern und stagniert bei Frauen. Außerdem ist eine Zunahme gerade<br />
bei prekären Jobs wie Teilzeitstellen oder Leiharbeitsplätzen zu beobachten,<br />
wie Birgit Schatz, ArbeitnehmerInnensprecherin der Grünen, kritisiert.<br />
Jede_r zehnte in Österreich Beschäftige verdient nicht genug, um davon<br />
leben zu können. Zum Jubeln gibt es also wahrlich keinen Grund. be<br />
http://diest<strong>an</strong>dard.at<br />
ringvorlesung<br />
Nature meets Nurture<br />
<strong>an</strong>.riss arbeit wissenschaft<br />
Wie wird Geschlecht in Wissenschaft und Gesellschaft heute konzeptioniert?<br />
Inwieweit sind „Nature” (Angeborenes) und „Nurture” (Erworbenes)<br />
noch als dichotom zu sehen? Und wie verändern sich derartige<br />
Diskurse? Die Biologin und Gender-Studies-Professorin Sigrid Schmitz<br />
hat die diesjährige Ringvorlesung „Gendered Subjects” (Universität<br />
Wien) konzipiert. Hinter dem sperrigen Titel „Sind wir nie modern<br />
gewesen? Gender in der technologisierten Leistungsgesellschaft” verbergen<br />
sich aktuelle Debatten <strong>an</strong> der Schnittstelle von Naturwissenschaften<br />
und Gender Studies. Die Ringvorlesung ist öffentlich zugänglich, Interessierte<br />
dürfen sich auf Vorträge von Smilla Ebeling, Nina Degele, Ulrike<br />
Felt und vielen <strong>an</strong>deren freuen. be<br />
Termine: 9.11., 23.11., 30.11., 11.01., 25.01., jeweils Di, 18–20.45, 1090 Wien, Campus<br />
der Universität Wien Hof 2.8, Spitalgasse 2–4, Seminarraum des Instituts für Ethik und<br />
Recht in der Medizin (alte Kapelle), www.univie.ac.at/gender/index.php?id=12<br />
✪ Kongress: „Kritische Tage zum Geschlechterverhältnis“, H<strong>an</strong>nover, 2.–5.12., http://kongressgeschlechterkritikh<strong>an</strong>nover.blogsport.de<br />
✪ Ringvorlesung: „Jenseits der Geschlechtergrenzen“, Hamburg, Mittwoch 19–21.00, www1.uni-hamburg.de/QUEERAG/test/jdggwise1011.pdf<br />
✪ Vortragsreihe: „Gender in der Populärkultur – interkulturelle Perspektiven“, Wien, 10.11., 15.12., 12.1.,<br />
www.<strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dtekunstgeschichte.net/lehre/<strong>2010</strong>w/gender_der_populaerkultur<br />
✪ Maria-Ducia-Frauenforschungspreis: Konzepte für nicht fertig gestellte Master- und Doktorarbeiten bis 23.11.,<br />
www.uibk.ac.at/leopoldine/gender-studies/preise/ducia.html<br />
✪ Papers für die Konferenz „Contested Truths: Re-Shaping <strong>an</strong>d Positioning Politics of Knowledge“, Abstract bis 1.12.,<br />
www.geschlecht-als-wissenskategorie.de<br />
✪ Artikel zum Thema „Gender <strong>an</strong>d Care“ für die Zeitschrift „GENDER“, Abstract bis 12.11., www.gender-zeitschrift.de<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 25
forum wissenschaft<br />
Schönheit vergeht?<br />
Foto: Fr<strong>an</strong>z Jachim<br />
1 Degele, Nina: Sich schön<br />
machen. Zur Soziologie von<br />
Geschlecht und Schönheitsh<strong>an</strong>deln,<br />
Wiesbaden 2004,<br />
S. 29.<br />
26 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
„Schönheit, mein Gott, Schönheit vergeht”,<br />
lautet die Antwort der 70-jährigen<br />
Wienerin Maria Schneider auf die Frage,<br />
w<strong>an</strong>n für sie eine Person in ihrem Alter<br />
schön ist. Dass diese Aussage von einer<br />
Frau stammt, verwundert nicht, schließlich<br />
unterscheiden sich die derzeitigen<br />
Körperideale in unserer Gesellschaft<br />
vor allem nach dem Geschlecht: Frauen<br />
werden vom sozial konstruierten<br />
Körperideal des jugendlichen Aussehens<br />
– inklusive einer faltenarmen Haut und<br />
einer schl<strong>an</strong>ken Figur – auf besondere<br />
Weise <strong>an</strong>gesprochen. Makellosigkeit<br />
und Reinheit unterstützen die öffentliche<br />
Darstellung uniformer weiblicher<br />
Körper, während das Schönheitsideal für<br />
Männer – trainiert, athletisch, muskulös<br />
– deren Individualität betont. Mit diesen<br />
geschlechtsspezifischen Schönheitsidealen<br />
ist eine stärkere kulturelle Normierung<br />
weiblicher Schönheitsst<strong>an</strong>dards im<br />
Vergleich zu männlichen verknüpft. So<br />
kritisiert Nina Degele den „Schönheitskult<br />
(…), der vor allem Frauen in ein<br />
enges Korsett von Schl<strong>an</strong>kheit, Jugend,<br />
Attraktivität, Sportlichkeit, Gesundheit<br />
und Leistungsfähigkeit schnürt”. 1<br />
Kaschieren, verdecken, verhüllen.<br />
Geschlechtsspezifische Körperideale<br />
und die damit verbundenen gesellschaftlichen<br />
Zuschreibungen gelten<br />
auch für Frauen und Männer im Alter<br />
zwischen 60 und 75 Jahren. In meiner<br />
in Wien im Zeitraum Dezember 2009<br />
bis März <strong>2010</strong> durchgeführten qualitativen<br />
Studie wurde deutlich, dass die<br />
Erfüllung der weiblichen Körpernorm<br />
„Schl<strong>an</strong>kheit” und das Erfahren damit<br />
einhergehender Effekte für ältere<br />
Frauen ein begehrenswertes Ziel ist.<br />
Auch wenn diese Körpernorm nicht<br />
(mehr) erreicht werden k<strong>an</strong>n, gilt sie<br />
dennoch als Vergleichsmaßstab für die<br />
Befragten. Ebenso werden körperliche<br />
Mehr denn je sind Körper heute Orte<br />
der Selbstinszenierung und Projektionsflächen,<br />
über die Menschen ihre Identität<br />
behaupten. Dies gilt auch für die Körper<br />
älterer Menschen.<br />
In ihrer Studie <strong>an</strong>alysiert Grit Höppner<br />
den Umg<strong>an</strong>g alternder Frauen und<br />
Männer mit geschlechtsspezifischen<br />
Schönheitsidealen.<br />
Anzeichen des Alter(n)s bestmöglich<br />
zu verdecken versucht, sei es durch die<br />
Verwendung „verjüngend” wirkender<br />
Cremes oder durch das Tragen „geeigneter”<br />
Kleidung.<br />
Letztere Schönheitsstrategie beschreibt<br />
eine 70-jährige Wienerin und ehemalige<br />
B<strong>an</strong>k<strong>an</strong>gestellte so: „Die Figur verändert<br />
[sich]. Zum Beispiel bei mir nicht<br />
das Gewicht, aber die Figur wird nachteiliger.<br />
(…) Das ist halt der normale<br />
biologische Prozess, den m<strong>an</strong> in einer<br />
Weise zwar akzeptieren muss, aber in<br />
<strong>an</strong>derer Weise doch versucht, so gut als<br />
möglich damit umzugehen. (…) Bei der<br />
Kleidung, (…) dass das nicht mehr so<br />
tailliert geht oder wo immer m<strong>an</strong> halt<br />
Schwachstellen hat, die m<strong>an</strong> eben ein<br />
bisschen kaschieren muss.”<br />
Eine 68-jährige Witwe und frühere<br />
Heimpflegerin beschreibt die Veränderungen<br />
in der Wahl ihrer Kleider<br />
hinsichtlich deren Tr<strong>an</strong>sparenz und
Auffälligkeit: „Es ist komischerweise<br />
oder weil es vielleicht durchsichtig ist.<br />
(…) Also zu auffallend soll es nicht<br />
mehr sein.” Eine ebenfalls 68-jährige<br />
Witwe merkt in Bezug auf ihren aktuellen<br />
Kleidungsstil <strong>an</strong>, dass dieser etwas<br />
traditioneller als früher ist: „Ich war<br />
vielleicht nicht g<strong>an</strong>z so eine Konservative,<br />
aber [auch] keine Ausgeflippte.”<br />
Doing Gender, Doing Age. Bei der Bekleidung<br />
für ältere Frauen kristallisieren<br />
sich tendenziell zwei Stile heraus:<br />
Ein figurbetonter, auffälliger Bekleidungsstil<br />
unterstützt – entsprechend<br />
der sozialkonstruktivistischen Theorie<br />
des „Doing Gender” – die Repräsentationsweise<br />
als „Frau”, während ein die<br />
Figur bedeckender und unauffälliger<br />
Bekleidungsstil – im Sinne eines „Doing<br />
Age” – als alterssignifik<strong>an</strong>tes Symbol<br />
gilt. Strategien gesellschaftlicher Regulierung<br />
wie Doing Gender und Doing<br />
Age werden dabei als Mech<strong>an</strong>ismen<br />
interpretiert, die menschliches H<strong>an</strong>deln<br />
entsprechend sozialer Normensysteme<br />
im Kontext neoliberaler Postulate – wie<br />
Eigenver<strong>an</strong>twortung und Leistungsbereitschaft<br />
– sowohl lenken als auch<br />
kontrollieren. Den Aussagen der befragten<br />
Frauen zufolge orientieren sie sich<br />
mit zunehmendem Alter verstärkt <strong>an</strong><br />
einem Bekleidungsstil, mit dem sie der<br />
Gruppe der „Alten” zugeordnet werden,<br />
während sie Figur betonende, eher<br />
durchsichtige und Aufmerksamkeit erregende<br />
Kleidungsstücke seltener tragen<br />
oder bewusst vermeiden. Daraus k<strong>an</strong>n<br />
gefolgert werden, dass ein steigendes<br />
Alter der weiblichen Repräsentationsweise<br />
entgegenläuft und damit eine<br />
Entfeminisierung des äußeren Erscheinungsbildes<br />
von Frauen unterstützt.<br />
Männliche Subjektivierung. Darüber<br />
hinaus scheint die Zuordnung als<br />
entweder weiblich (im Sinne des Doing<br />
Gender) oder alt (Doing Age entsprechend)<br />
eindeutiger zu sein als dies bei<br />
älteren Männern der Fall ist. Dies zeigt<br />
sich beispielsweise <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der Einstel-<br />
lung eines 65-jährigen verheirateten<br />
Wieners und ehemaligen Universitätsprofessors<br />
zum Schönheitsh<strong>an</strong>deln:<br />
Seine Motivation ist seit vielen Jahren<br />
unverändert durch die Prinzipien der<br />
Funktionalität und Einfachheit gekennzeichnet.<br />
Ein gleichaltriger, ehemaliger<br />
Bauingenieur beschreibt die Vorzüge<br />
des (männlichen) Alter(n)s folgendermaßen:<br />
„Das ist eben der Vorteil, wenn<br />
m<strong>an</strong> schon ein gewisses Alter hat, dass<br />
m<strong>an</strong> ein bisschen eine Narrenfreiheit<br />
genießt.” Die befragten Männer nehmen<br />
kaum Veränderungen im Rahmen<br />
ihrer Bekleidung in den letzten Jahren<br />
wahr und repräsentieren im Großen und<br />
G<strong>an</strong>zen auch weiterhin gesellschaftliche<br />
Vorstellungen von Männlichkeit. Die<br />
männliche Schönheitsnorm des individualisierten<br />
Körpers im Sinne der Beto-<br />
Schönheit vergeht nicht. Schönheit ist<br />
vielmehr ein Produkt gesellschaftlicher<br />
Aush<strong>an</strong>dlungsprozesse, sozialer Normen<br />
und individueller Repräsentationen.<br />
nung körperlicher Besonderheiten, der<br />
Nichtverdeckung von Alterszeichen und<br />
der intellektuellen Repräsentation ist,<br />
so konnte ich in der Studie zeigen, Teil<br />
männlicher Subjektivierungsprozesse.<br />
Schönheit vergeht nicht. Mit den gegenwärtig<br />
vorherrschenden gesellschaftlichen<br />
Körperbildern gehen also auch im<br />
Alter normative Zuschreibungen einher,<br />
die sich geschlechtsspezifisch unterscheiden.<br />
Frauen werden hierbei mit<br />
zunehmendem Alter auf besondere Weise<br />
marginalisiert. So gelten für ältere<br />
Frauen eher <strong>an</strong> Jugendlichkeit geknüpfte<br />
Schönheitsideale wie Makellosigkeit<br />
und Schl<strong>an</strong>kheit, die altersbedingten<br />
körperlichen Veränderungen entgegenstehen<br />
und deutlich repressiver wirken<br />
als die wesentlich individualisierteren<br />
Schönheitsideale älterer Männer. Diese<br />
erlauben es, körperliche Zeichen des<br />
Alter(n)s als Ausdruck von Persönlichkeit<br />
zu deklarieren. Männliche Subjektivierungsprozesse<br />
implizieren im<br />
Vergleich zu weiblichen also deutlich<br />
größere soziale und persönliche Freiräume.<br />
Die Definition dieser Freiräume<br />
wird in gesellschaftlichen Diskursen<br />
kreiert, bestätigt, von den befragten<br />
Frauen und Männern verinnerlicht und<br />
schließlich gelebt. Anh<strong>an</strong>d der Aussagen<br />
der Befragten sind Rückschlüsse<br />
auf (un-)bewusste vergeschlechtlichte<br />
Reproduktionsprozesse möglich, die auf<br />
gesellschaftlichen Vorstellungen konventioneller<br />
Weiblichkeit und Männlichkeit<br />
beruhen. Aus dieser Perspektive k<strong>an</strong>n<br />
die Repräsentation von Körperidealen<br />
als Strategie der Geschlechterdifferenzierung<br />
entschlüsselt werden. Diese ist<br />
hinsichtlich der heterosexuellen Norm<br />
in unserer Gesellschaft von Bedeutung,<br />
wird weibliche Attraktivität doch als<br />
mit männlichem sexuellen Begehren<br />
verknüpft gedacht.<br />
Die Attribute „alt” und „schön” bedienen<br />
damit hochgradig gegenderte,<br />
kulturelle Zuschreibungen, die letztlich<br />
zu einer Reproduktion und Bestätigung<br />
binärer, scheinbar naturgegebener<br />
Geschlechterdifferenzen führen. Umso<br />
selbstreflexiver und gesellschaftskritischer<br />
sollten soziale Inszenierungsformen<br />
über das Medium Körper ausgetragen<br />
werden: Schönheit vergeht nicht.<br />
Schönheit ist vielmehr ein Produkt<br />
gesellschaftlicher Aush<strong>an</strong>dlungsprozesse,<br />
sozialer Normen und individueller<br />
Repräsentationen. l<br />
Grit Höppner ist Absolventin des Masterstudiums<br />
Gender Studies (Universität<br />
Wien). Ihre Abschlussarbeit erscheint im<br />
Februar 2011 unter dem Titel „Alt und<br />
schön. Geschlecht und Körperbilder im<br />
Kontext neoliberaler Gesellschaften“<br />
im VS Verlag für Sozialwissenschaften,<br />
Wiesbaden.<br />
forum wissenschaft<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 27
tr<strong>an</strong>s-aktivismus<br />
Tr<strong>an</strong>sgender<br />
Day of Remembr<strong>an</strong>ce<br />
Gwen Araujo war 17 Jahre alt, als sie 2002 in Newark, Kalifornien von vier Männern erschlagen wurde. Ihr Tod löste in den USA<br />
eine breite Diskussion über Tr<strong>an</strong>sphobie aus. Installation bei einer LGBTI-Demo im Mai 2009 in S<strong>an</strong> Fr<strong>an</strong>cisco, Foto: Bri<strong>an</strong> Kusler<br />
Quellen:<br />
www.tgeu.org (Aktuelle<br />
Ergebnisse des Monitoring-<br />
Projekts: http://www.tgeu.<br />
org/node/94#t-dor-de5)<br />
http://tgeu.net<br />
www.tr<strong>an</strong>srespect-tr<strong>an</strong>sphobia.org<br />
www.tr<strong>an</strong>sgenderdor.org (mit<br />
einer internationalen Liste<br />
von Aktionen zum diesjährigen<br />
TDOR)<br />
www.rememberingourdead.org<br />
www.tr<strong>an</strong>sinterqueer.org<br />
www.diskursiv.at<br />
28 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Anlass, den „Tr<strong>an</strong>sgender Day of Rembr<strong>an</strong>ce”<br />
(TDOR) auszurufen, war der<br />
Tod von Rita Hester aus Boston, die am<br />
28. <strong>November</strong> 1998 Opfer eines Hate-<br />
Crimes wurde. Hesters Ermordung ist<br />
– so wie die meisten Hass-Verbrechen<br />
<strong>an</strong> Tr<strong>an</strong>sgender-Personen – bis heute<br />
nicht aufgeklärt. Das Verschweigen<br />
dieser Gewalt ist Teil der öffentlichen<br />
wie staatlichen Ignor<strong>an</strong>z, mit der<br />
Tr<strong>an</strong>s-Personen nach wie vor konfrontiert<br />
sind.<br />
Mit dem Gedenktag wurde zunächst<br />
in den USA, später auch in <strong>an</strong>deren<br />
Ländern ein öffentlicher Raum<br />
geschaffen, um sowohl gegen das<br />
Vergessen der Ermordeten aufzutreten<br />
als auch den Widerst<strong>an</strong>d von Tr<strong>an</strong>s-<br />
Aktivist_innen und deren Geschichte<br />
sichtbar zu machen. Seit zweieinhalb<br />
Jahren zeichnet zudem das „Tr<strong>an</strong>s<br />
Murder Monitoring Project” der NGO<br />
„Tr<strong>an</strong>sgender Europe” (TGEU) Morde<br />
<strong>an</strong> Tr<strong>an</strong>sgender-Personen in der g<strong>an</strong>zen<br />
Welt auf und veröffentlicht Statistiken<br />
und Namenslisten. 426 Namen und Geschichten<br />
wurden seither zusammengetragen,<br />
wobei es sich aber nur um jene<br />
Verbrechen h<strong>an</strong>delt, die auch medial<br />
oder durch Tr<strong>an</strong>s-Org<strong>an</strong>isationen publik<br />
gemacht wurden. Die meisten Morde<br />
werden aus Zentral- und Südamerika<br />
berichtet, sie machen 77 Prozent<br />
der Aufzeichnungen aus. Allein heuer<br />
sind bis zum Sommer weltweit über<br />
80 gewaltsame Todesfälle bek<strong>an</strong>nt<br />
geworden.<br />
Am „Tr<strong>an</strong>sgender Day of Remembr<strong>an</strong>ce”,<br />
der heuer am 20. <strong>November</strong><br />
stattfindet, werden rund um den Globus<br />
Aktionen und Ver<strong>an</strong>staltungen abgehalten,<br />
um das öffentliche Bewusstsein<br />
für physische und strukturelle Gewalt<br />
gegen Tr<strong>an</strong>s-Personen zu stärken<br />
und darüber hinaus auch der Tr<strong>an</strong>sphobie<br />
im Alltag entgegenzutreten.<br />
So hat TGEU neben dem erwähnten<br />
Monitoring-Projekt in diesem Jahr<br />
auch das Forschungsprojekt „Tr<strong>an</strong>srespect<br />
versus Tr<strong>an</strong>sphobia Worldwide”<br />
initiiert, um sich verstärkt der allgemeinen<br />
Menschenrechtssituation von<br />
Tr<strong>an</strong>s-Personen zu widmen und u.a.<br />
Daten und Rechtsinformationen für<br />
Aktivist_innen bereitzustellen, die im<br />
täglichen Kampf gegen Diskriminierung<br />
und Unterdrückung eingesetzt<br />
werden können.<br />
Seit 1999 findet jährlich im<br />
<strong>November</strong> der „Tr<strong>an</strong>sgender<br />
Tag des Erinnerns” statt, <strong>an</strong><br />
dem jener Menschen gedacht<br />
wird, die durch tr<strong>an</strong>sphobe<br />
Gewaltverbrechen ums Leben<br />
kamen.<br />
Auch wenn sich nicht jede Person, der<br />
am „Tr<strong>an</strong>sgender Day of Remembr<strong>an</strong>ce”<br />
gedacht wird, selbst als Tr<strong>an</strong>sgender<br />
definiert hat – sie alle wurden Opfer von<br />
Gewalt, die auf der Voreingenommenheit<br />
gegenüber Tr<strong>an</strong>s-Personen beruht.<br />
„Wir demonstrieren mit Wut gegen ein<br />
Gesellschaftssystem, in dem prinzipiell<br />
nur Männer und Frauen wahrgenommen<br />
und alle <strong>an</strong>deren Geschlechtlichkeiten<br />
unsichtbar gemacht werden. (…) Wir<br />
demonstrieren für ein besseres, freieres<br />
Leben, in einer Gesellschaft, in<br />
der alle so leben dürfen, wie sie es wünschen<br />
– ob Tr<strong>an</strong>s*, weder*noch, Crossdresser_innen,<br />
Tr<strong>an</strong>svestit_innen, Tr<strong>an</strong>ssexuelle,Tr<strong>an</strong>sidentische,<br />
Intersexuelle,<br />
Tr<strong>an</strong>sen, Tunten, Zwitter, Dragkings und<br />
Tr<strong>an</strong>sgender, ob mit OP(s) oder ohne,<br />
hetero oder homo, oder sonstwie, mit einem,<br />
zwei oder mehreren Partner_innen,<br />
mit Kindern oder ohne …” (Homepage<br />
von Tr<strong>an</strong>sInterQueer)<br />
Gemeinsam im Gedenken – und gegen<br />
die Tr<strong>an</strong>sphobie „in den Köpfen und auf<br />
der Straße”. l<br />
Aufzeichnung: Sylvia Köchl, Vina Yun
„Wozu die Hose?“<br />
Julia Amore ist eine der wichtigsten Tr<strong>an</strong>s-Aktivist_innen in Argentinien.<br />
Daphne Ebner hat die Schauspielerin und Journalistin in Buenos Aires<br />
zum Gespräch über den Kampf gegen ungleiche Bildungsch<strong>an</strong>cen und<br />
die Entdeckung der Tr<strong>an</strong>s-Identität als neuestes Modethema getroffen.<br />
Argentinien hat Grund zum Feiern: Am<br />
22. Juli <strong>2010</strong> wurde eine Gesetzesänderung<br />
verabschiedet, die gleichgeschlechtlichen<br />
Paaren nicht nur wie bisher die<br />
Eingetragene Partnerschaft, sondern die<br />
zivile Eheschließung erlaubt. Bereits im<br />
ersten Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes<br />
wurden über 80 gleichgeschlechtliche<br />
Ehen geschlossen.<br />
Mittlerweile arbeitet die Lobby-Org<strong>an</strong>isation<br />
FALGBT (Federación Argentina<br />
de Lesbi<strong>an</strong>as, Gays, Bisexuales y Tr<strong>an</strong>s)<br />
<strong>an</strong> drei Projekten zur Gleichberechtigung<br />
von Tr<strong>an</strong>s-Personen in Argentinien:<br />
So soll bis Ende des Jahres über den<br />
Gesetzentwurf zur Gender-Identität (Ley<br />
de identidad de género) entschieden<br />
werden, über den in Uruguay bereits<br />
2009 erfolgreich abgestimmt wurde.<br />
Das neue Gesetz soll es Tr<strong>an</strong>s-Personen<br />
künftig erlauben, innerhalb der üblichen<br />
90 Tage einen Personalausweis zu erhalten,<br />
dessen Daten ihrem real gelebten<br />
Geschlecht entsprechen. Bis jetzt müssen<br />
Tr<strong>an</strong>s-Personen in Argentinien dafür die<br />
demütigende wie pathologisierende Prozedur<br />
eines medizinischen Gutachtens<br />
sowie ein l<strong>an</strong>gwieriges Gerichtsverfahren<br />
in Kauf nehmen.<br />
Ein <strong>an</strong>deres Projekt zielt darauf ab,<br />
das staatliche Gesundheitssystem zu<br />
erweitern, um der hohen Sterblichkeitsrate<br />
unter Tr<strong>an</strong>s-Personen entgegenzuwirken,<br />
die sich ohne ärztliche Kontrolle<br />
Hormonbeh<strong>an</strong>dlungen und Operationen<br />
unterziehen. Erste Erfolge verbucht ein<br />
weiteres Projekt zur Integration von<br />
Tr<strong>an</strong>s-Personen in das argentinische<br />
Bildungssystem: Nach einer Testphase<br />
in La Mat<strong>an</strong>za wird die Initiative nun<br />
auf weitere Bezirke der Provinz Gr<strong>an</strong><br />
Buenos Aires ausgeweitet. So soll<br />
künftig auch in den Schulen in Morón,<br />
L<strong>an</strong>ús, Lomas de Zamora und General<br />
Pueyrredón das Personal dahingehend<br />
geschult werden, die Gender-Identitäten<br />
junger Tr<strong>an</strong>s-Schüler_innen im Alltag<br />
zu respektieren, beispielsweise was<br />
den Namen und die Wahl der s<strong>an</strong>itären<br />
Einrichtungen <strong>an</strong>geht.<br />
In diesem Bildungsprojekt arbeitet auch<br />
die Aktivistin Julia Amore mit. Sie ist<br />
eine der präsentesten Tr<strong>an</strong>s-Frauen in<br />
der argentinischen Öffentlichkeit: als<br />
Theaterschauspielerin und Kabarettistin,<br />
als Journalistin der renommierten<br />
Tageszeitung „Pagina 12” und als Tr<strong>an</strong>s-<br />
Aktivistin, die sich seit Jahren für die<br />
Gleichberechtigung von Tr<strong>an</strong>s-Personen<br />
in Argentinien engagiert.<br />
2007 gründete sie zusammen mit Marlene<br />
Wayar, Nati Menstrual und Susy<br />
Shock „El Teje”, die erste lateinamerik<strong>an</strong>ische<br />
Zeitung von und für Tr<strong>an</strong>s-Personen.<br />
In ihrer regelmäßigen Kolumne<br />
beschreibt sie, was es bedeutet, den<br />
Weg bis zur geschlechts<strong>an</strong>gleichenden<br />
Operation zu gehen, der sie durch die<br />
argentinische Bürokratie, Gerichte und<br />
Kr<strong>an</strong>kenhäuser, aber auch durch persönliche<br />
Zweifel und Konflikte führt.<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Welche Erfahrungen hast du<br />
bisher mit dem Projekt zur Wiedereinschulung<br />
und Integration von<br />
Tr<strong>an</strong>s-Personen in das argentinische<br />
Bildungssystem gemacht?<br />
Julia Amore: Es h<strong>an</strong>delt sich um ein<br />
sehr ambitioniertes Projekt, das in Zusammenarbeit<br />
mit den Ministerien für<br />
Bildung und Arbeit entwickelt worden<br />
ist. Allerdings ist die Integration von<br />
Tr<strong>an</strong>s-Personen extrem schwierig. Denn<br />
es ist ja nicht nur das Schulsystem,<br />
sondern die Gesellschaft <strong>an</strong> sich, aus der<br />
sie fast völlig ausgeschlossen sind. Eines<br />
der l<strong>an</strong>gfristigen Ziele ist beispielsweise,<br />
dass es endlich eine erste Generation<br />
von Tr<strong>an</strong>s-Personen gibt, die <strong>an</strong> den<br />
Universitäten studiert. Im Moment ist<br />
das noch die absolute Ausnahme.<br />
Wor<strong>an</strong> liegt das?<br />
Die Institutionen sind nicht vorbereitet<br />
auf Leute wie sie. Weder die Lehrer_innen<br />
noch die Schulleitung. Das Projekt<br />
richtet sein Augenmerk auf genau diese<br />
Problematik.<br />
Was passiert mit jungen Tr<strong>an</strong>s-Frauen,<br />
wenn ihnen der Zug<strong>an</strong>g zum Bildungssystem<br />
verweigert wird?<br />
Gerade auf dem L<strong>an</strong>d ist die Existenz<br />
der Tr<strong>an</strong>s-Frauen nach wie vor von<br />
einem Leben auf der Straße und in der<br />
Prostitution bestimmt. Und das von klein<br />
auf. Die meisten beginnen mit zehn oder<br />
elf Jahren. Deswegen ist es so wichtig,<br />
die Lehrer_innen in den Schulen fortzubilden,<br />
wie m<strong>an</strong> mit so einem jungen<br />
Menschen umgehen k<strong>an</strong>n, der bereits<br />
spürt, dass er <strong>an</strong>ders ist. Damit dieses<br />
Kind wiederum mit seiner Wesensart<br />
umzugehen lernt, ohne die Schule zu<br />
schmeißen, ausgeschlossen oder diskriminiert<br />
zu sein. Und ohne zu leiden.<br />
Denn das ist es, was uns allen passiert.<br />
Die Berührungsängste beginnen ja<br />
schon bei der Sprache. „Tr<strong>an</strong>s“ oder<br />
„travesti“ – welchen Begriff bevorzugst<br />
du selber?<br />
„Tr<strong>an</strong>s” – das ist neutraler. „Travesti” als<br />
Begriff ist dagegen sehr limitierend.<br />
Und zumindest hier in Argentinien ist die<br />
Bezeichnung „Travesti” zudem teilweise<br />
pejorativ besetzt. Nicht für mich persönlich,<br />
aber gerade umg<strong>an</strong>gssprachlich<br />
tr<strong>an</strong>s-aktivismus<br />
Plakat vom Solo-Kabarett-Programm von Julia Amore, 2009<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 29
tr<strong>an</strong>s-aktivismus<br />
Foto: Libertinus Yom<strong>an</strong>go<br />
30 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
wird es in vielen Kontexten so benutzt.<br />
Im kollektiven Bewusstsein wird mit<br />
„Travesti” vieles assoziiert, was überhaupt<br />
nichts oder sehr wenig mit der<br />
Realität zu tun hat. Zudem differenziere<br />
ich zwischen einer travesti und beispielsweise<br />
einer tr<strong>an</strong>ssexuellen Person. Tr<strong>an</strong>s<br />
als Überbegriff schließt alle mit ein:<br />
Travestis, Tr<strong>an</strong>s-Männer, Tr<strong>an</strong>s-Frauen,<br />
intersex und Personen, die sich inmitten<br />
dieses Prozesses befinden.<br />
Die Präsenz von Tr<strong>an</strong>s-Frauen ist in<br />
Argentinien sehr viel stärker als die<br />
von Tr<strong>an</strong>s-Männern. Wo sind die Tr<strong>an</strong>s-<br />
Männer? Gibt es weniger?<br />
Ich weiß nicht, ob es weniger gibt, aber<br />
sie sind auf jeden Fall weniger sichtbar.<br />
Wor<strong>an</strong> liegt das?<br />
Erstens, weil ein Teil der Selbstinszenierung<br />
der „Mariquita” oder „Maricona”<br />
genau der ist, dass alle sie <strong>an</strong>gucken<br />
und sehen, wer sie ist. Wenn eine Tr<strong>an</strong>s-<br />
Frau endlich den W<strong>an</strong>del vollzogen<br />
hat, d<strong>an</strong>n unterstreicht sie das optisch<br />
auch. Sie genießt es, nach außen hin zu<br />
zeigen, dass sie ist, was sie sein möchte,<br />
und macht, worauf sie Lust hat. Damit<br />
erzeugt sie allein schon optisch viel<br />
mehr Aufmerksamkeit als ein Tr<strong>an</strong>s-<br />
M<strong>an</strong>n. Denn was Styling und die g<strong>an</strong>ze<br />
Aufmachung <strong>an</strong>geht, sind die meisten<br />
Männer nun mal simpler und weniger<br />
vielfältig. Und ein Tr<strong>an</strong>s-M<strong>an</strong>n unterstreicht<br />
eben das. Aber es gibt definitiv<br />
sehr viele von ihnen. Nur für sie ist es<br />
noch schwieriger als für Frauen, weil<br />
das Problem der gesellschaftlichen Akzept<strong>an</strong>z<br />
in ihrem Fall noch größer ist.<br />
Wie sah denn deine eigene Schulzeit<br />
und Jugend aus?<br />
Mein Fall war speziell. Ich war l<strong>an</strong>ge<br />
Zeit ein etwas merkwürdig-<strong>an</strong>drogynes<br />
„Dazwischen” (grinst ironisch). Ich<br />
hatte Haare bis zu den Hüften, einen<br />
riesigen Lockenkopf, schwarz gefärbt,<br />
sehr rebellisch … (lacht). Und ich war<br />
„Juli”, verstehst du? In den Dokumenten<br />
st<strong>an</strong>d zwar noch Julio, aber ich<br />
war überall Juli. Was vor allem damit<br />
zusammenhing, dass ich eine moralische<br />
und fin<strong>an</strong>zielle Ver<strong>an</strong>twortung meinen<br />
Eltern gegenüber hatte. Da sie bereits<br />
ziemlich alt waren, musste ich für sie<br />
und das Haus aufkommen. Prostitution<br />
war für mich nie eine Option. Deswegen<br />
dachte ich: Dieses verkleidete,<br />
<strong>an</strong>drogyne Etwas finden die Leute<br />
stylish, und das k<strong>an</strong>n ich benutzen. Viele<br />
f<strong>an</strong>den mich nämlich unheimlich hip<br />
und modern, und ich bekam laufend<br />
Jobs in Modegeschäften usw. <strong>an</strong>geboten<br />
(lacht). Damit lief es eine g<strong>an</strong>ze Zeit<br />
l<strong>an</strong>g ziemlich gut. Ich hatte Arbeit,<br />
konnte gleichzeitig studieren und meine<br />
Ausbildung selbst fin<strong>an</strong>zieren.<br />
Hat es dir geholfen, dass du in dieser<br />
Zeit schon Theater gemacht hast?<br />
Ich weiß nicht, ob es geholfen hat. Das<br />
war eher schwierig. Ambivalent auf<br />
jeden Fall: Einerseits war da dieses<br />
unglaublich liberale Umfeld, wo alle<br />
offen und unkonventionell waren, auf der<br />
<strong>an</strong>deren Seite war es sehr schwer, vor<br />
allem mit den DozentInnen. Der Dozent,<br />
der dir hilft, eine Rolle zu entwickeln,<br />
verl<strong>an</strong>gt nun mal, dass du entweder<br />
M<strong>an</strong>n oder Frau bist, aber Möglichkeiten<br />
dazwischen gibt es nicht. Es war sogar<br />
ziemlich schwer, aber ich habe es durchgezogen<br />
und meinen Abschluss gemacht.<br />
Und wie wurde aus der <strong>an</strong>drogynen<br />
Styling-Ikone d<strong>an</strong>n Julia?<br />
Als meine Eltern starben, sagte ich mir:<br />
Ok, das war’s! Ich habe jetzt l<strong>an</strong>ge genug<br />
Röcke mit Hosen darunter getragen.<br />
Wozu die Hose? Aber das war auch das<br />
Einzige, was sich geändert hat. Ich hab<br />
mich nie operieren lassen. Das bisschen<br />
Busen und Hüften, das ich habe, ist Natur.<br />
Ich war schon immer so, wie ich heute<br />
bin. Die Leute, die mich seit Jahren kennen,<br />
sagen mir immer, dass ich mich im<br />
Grunde nie verändert habe. Das Einzige,<br />
was sich <strong>an</strong> mir verändert hat, ist der<br />
kleine Haken oben am O in meinem Namen,<br />
der nach unten gerutscht und zum A<br />
geworden ist: von Julio zu Julia.<br />
Du bist derzeit in zwei Stücken zu<br />
sehen: einmal in einer vergleichsweise<br />
konventionellen Frauenrolle in „Asesinas<br />
Anónimas“ (Deutsch: Anonyme<br />
Mörderinnen) von Jesús Gómez und<br />
d<strong>an</strong>eben als hochschw<strong>an</strong>gere, tr<strong>an</strong>ssexuelle<br />
Science-Fiction-Lesbe in<br />
„2035“ von Elisa Carricajo. Beeinflusst<br />
dein Status als Tr<strong>an</strong>s-Frau die<br />
Rollen<strong>an</strong>gebote, die du als Schauspielerin<br />
bekommst?<br />
Ich spiele schon meistens Frauenrollen.<br />
Wobei es bei den meisten Rollen<strong>an</strong>geboten<br />
tatsächlich immer wieder darum<br />
geht, die Nutte oder Tr<strong>an</strong>se oder beides<br />
in einem Stück zu spielen. Diese Art<br />
von Rollen nehme ich allerdings nicht<br />
mehr <strong>an</strong>. Es sei denn, es h<strong>an</strong>delt sich<br />
um ein gut begründetes, dramaturgisch<br />
ausgearbeitetes Projekt, das ich auch<br />
persönlich interess<strong>an</strong>t finde. Aber nur<br />
um das Klischee zu erfüllen: Nein, d<strong>an</strong>ke!<br />
Ich bin eine Frau wie jede <strong>an</strong>dere,<br />
von daher spiele ich auch Rollen wie<br />
jede <strong>an</strong>dere, in denen Gender-Fragen<br />
nicht berührt werden.<br />
Buenos Aires scheint sich im Moment<br />
zum Vorzeige-Schauplatz zu entwickeln,<br />
was Tr<strong>an</strong>sgender-Bel<strong>an</strong>ge in Lateinamerika<br />
<strong>an</strong>geht: Der Gesetzesvorschlag<br />
„Ley de identidad de género“<br />
ist eingebracht, im Dezember 2009<br />
wurde das mehrtägige Tr<strong>an</strong>s-Forum<br />
„Destravarte“ gegründet (vgl. <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong><br />
Nr. 3/<strong>2010</strong>), dein Integrations-Projekt<br />
in den Schulen geht in die nächste<br />
Etappe. Sind das punktuelle Erfolge,<br />
die längerfristig am Alltag der Tr<strong>an</strong>s-<br />
Personen nur wenig verändern, oder<br />
findet tatsächlich gerade ein gesellschaftlicher<br />
W<strong>an</strong>del statt?<br />
Es besteht nach wie vor das Problem<br />
der Akzept<strong>an</strong>z. Auch wenn es diesen<br />
g<strong>an</strong>zen Diskurs über gesellschaftliche<br />
Akzept<strong>an</strong>z gibt, den Mythos vom liberalen,<br />
offenen Denken und dass die Gesell-
schaft <strong>an</strong>geblich bereit für uns ist: Das<br />
ist eine Lüge, zumindest in Lateinamerika.<br />
Es fehlt <strong>an</strong> Empathie. Niem<strong>an</strong>d<br />
denkt dar<strong>an</strong>, dass er später mal eine<br />
Tr<strong>an</strong>s-Tochter haben könnte. Niem<strong>an</strong>d<br />
k<strong>an</strong>n sich vorstellen, einen Neffen zu<br />
haben, der tr<strong>an</strong>s ist. Und wenn es den<br />
Leuten d<strong>an</strong>n „passiert”, schlagen sie<br />
die Köpfe gegen die W<strong>an</strong>d, leiden,<br />
machen jede nur erdenkliche Therapie.<br />
Bis ihnen irgendw<strong>an</strong>n auffällt, dass es<br />
ihr Sohn ist, um den es geht. Und erst<br />
d<strong>an</strong>n fängt die wirkliche Akzept<strong>an</strong>z <strong>an</strong>:<br />
Wenn <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt wird, dass wir eine der<br />
Möglichkeiten sind, die das Leben bereithält,<br />
dass wir nicht unsichtbar sind,<br />
dass wir nun mal existieren. Diese Art<br />
der Akzept<strong>an</strong>z fängt im wahrsten Sinne<br />
des Wortes beim Einzelnen <strong>an</strong>.<br />
Wie beurteilst du die Arbeiten von<br />
Nicht-Tr<strong>an</strong>s-Leuten über Tr<strong>an</strong>s-Menschen?<br />
Das Interesse ist ja sehr groß:<br />
Künstler_innen, Sozialwissenschaftler_innen,<br />
sogar die Massenmedien –<br />
alle scheinen sich derzeit intensiv mit<br />
dem Thema zu beschäftigen.<br />
Schwierig. Hier in Argentinien und<br />
besonders in Buenos Aires k<strong>an</strong>nst du<br />
seit einigen Jahren ein Phänomen<br />
beobachten, das exemplarisch für<br />
die Konsumgesellschaft steht, in der<br />
ein Trend den nächsten ablöst: Wir<br />
„Travestis” sind gerade Mode! Das<br />
hat verschiedene Folgen, übrigens<br />
auch positive, aber die meisten sind<br />
eindeutig schädlich. Jedes neue<br />
argentinische Fernsehformat braucht<br />
im Moment zum Beispiel eine Art<br />
„Quoten-Tr<strong>an</strong>se”. Warum? Um sich zu<br />
amüsieren, sich lustig zu machen, sich<br />
dar<strong>an</strong> aufzugeilen. Gezeigt wird damit<br />
lediglich die bizarre, dunkle, schlechteste<br />
Seite von uns. Ein <strong>an</strong>gesehener<br />
Journalist hat kürzlich „einen Tag als<br />
Travesti” dokumentiert, als Frau verkleidet<br />
und mit versteckter Kamera.<br />
Als ob es darum ginge, sich als M<strong>an</strong>n<br />
oder Frau zu verkleiden.<br />
„Jedes neue argentinische Fernsehformat<br />
braucht im Moment eine Art ,Quoten-Tr<strong>an</strong>se‘.<br />
Warum? Um sich zu amüsieren, sich lustig zu<br />
machen, sich dar<strong>an</strong> aufzugeilen.“<br />
lexikon<br />
Was die Konsument_innen d<strong>an</strong>n wiederum<br />
mit der Realität gleichsetzen?<br />
Ich sage ja nicht, dass die Sexarbeit<br />
nicht einen wesentlichen Teil der Realität<br />
der meisten Tr<strong>an</strong>s-Frauen bestimmt.<br />
Aber genau gegen diesen Automatismus<br />
sollten wir vorgehen, dass für die<br />
meisten der Strich die einzige Option<br />
ist. Warum heißt tr<strong>an</strong>s sein automatisch,<br />
zur Prostitution verdammt zu sein?<br />
Ich habe daher zwei Ziele: Einerseits<br />
denen, die auf den Strich gehen, Alternativen<br />
aufzeigen und sie dabei unterstützen.<br />
Und auf der <strong>an</strong>deren Seite die<br />
Geschichte jeder einzelnen zu betrachten<br />
und zu differenzieren. Denn es gibt<br />
nicht die Travesti, sondern tausende von<br />
Einzelgeschichten. l<br />
Daphne Ebner studierte Dramaturgie und<br />
Ethnologie <strong>an</strong> der Universidad de Buenos<br />
Aires und in München. Sie schreibt zu den<br />
Themen Tr<strong>an</strong>s*Gender, Lateinamerika und<br />
tr<strong>an</strong>snationale Theaterentwicklungen.<br />
Die sp<strong>an</strong>ische Bezeichnung „Travesti“ ist weder mit dem<br />
deutschen Travestie-Begriff, der eine Kunstform bezeichnet,<br />
noch mit dem Wort „Tr<strong>an</strong>svestit“ gleichzusetzen (und wurde<br />
daher nicht übersetzt). Im argentinischen Alltagsgebrauch<br />
wird „travesti“ sehr häufig und in unterschiedlichsten Kontexten<br />
verwendet, meist in abwertenden und beleidigenden Zusammenhängen.<br />
Im Zuge von Selbstermächtigungsstrategien wird<br />
der Begriff von einigen Tr<strong>an</strong>s-Frauen bewusst eingesetzt, um ihn neu zu<br />
konnotieren. So bezeichnet sich z.B. „El Teje“ selbstbewusst als erste<br />
„Travesti“-Zeitung.<br />
„Mariquita“ oder „Maricona“ ist vom Schimpfwort „Maricón“ für homosexuelle<br />
Männer abgeleitet und wird auf Tr<strong>an</strong>s-Frauen übertragen,<br />
wobei im Machismo die Übergänge zwischen „feminin“, schwul und tr<strong>an</strong>s<br />
fließend und teilweise austauschbar sind. Ebenfalls teilweise als Selbstbezeichnung<br />
mit neuer Konnotierung in Gebrauch. Daphne Ebner<br />
leben mit kindern<br />
heim<br />
spiel<br />
Alice Ludvig<br />
Die „Grippe“<br />
Mein Sohn geht seit Ende Februar in eine Grippe. Ja, ich nenne<br />
die Krippe so, denn es h<strong>an</strong>delt sich um eine einzige Viren- und<br />
Bazillenschleuder. Wenn ich ihn morgens dort abliefere, k<strong>an</strong>n<br />
ich das Rasseln und Schnaufen in den Brustkörben der <strong>an</strong>deren<br />
Kinder hören. Er selbst hatte von Ende Februar bis Ende Mai<br />
einen sehr schlimmen Bronchialhusten. Erst die dritte Homöopathin<br />
konnte das lindern. Davor halfen weder Säuglingsinhalatoren<br />
noch herkömmliche Globuli. Ja, ich nenne die Krippe<br />
Grippe.<br />
Aber ohne sie wäre das Leben nur halb so schön. Er ist so<br />
wunderbar entsp<strong>an</strong>nt und müde, und wenn ich ihn frühmorgens<br />
hinbringe, jauchzt er schon beim Eing<strong>an</strong>gstor vor Freude. Worauf<br />
eigentlich? Ich habe keine Ahnung. Laut Fachliteratur sind<br />
Kleinkinder erst nach eineinhalb Jahren zu sozialen Kontakten<br />
außerhalb der engsten Familie fähig. Im Mai war er erst neun<br />
Monate alt, weit unter der Grenze. Kr<strong>an</strong>k sind Kinder d<strong>an</strong>n laut<br />
Lektüre übrigens im zweiten Lebensjahr durchschnittlich 19<br />
Mal. Darauf bin ich nun vorbereitet!<br />
Eines Morgens habe ich zum Beispiel bemerkt, dass seine Augen<br />
leicht gelblich verklebt waren. Ich habe das Sekret weggewischt<br />
und ihn in seine Grippe gebracht. Vielleicht ist das unver<strong>an</strong>twortlich,<br />
aber ich war überzeugt, dass die Damen dort viel mehr<br />
Erfahrung mit Kindern hätten, und wenn irgendetwas <strong>an</strong>steckend<br />
wäre, würden sie es sicher melden. Außerdem musste ich in<br />
die Arbeit. Ein guter Grund. Als ich ihn am Nachmittag wieder<br />
abholte, sah er g<strong>an</strong>z normal aus, vielleicht immer noch ein wenig<br />
verklebt. Nach zwei Stunden <strong>an</strong> der frischen Luft floss ihm der<br />
Eiter wie Tränen aus den Augen. Anscheinend wurde ihm auch in<br />
seiner Grippe das Sekret fortgewischt. Diese Augenentzündung<br />
dauerte eine volle Woche. Ich gebe immer noch der S<strong>an</strong>dkiste<br />
die Schuld, in die ich ihn gemeinsam mit einer Freundin am Vortag<br />
gesetzt hatte. Irgendwelche Bazillen halten sich dort sicher<br />
auch auf. Aber wer weiß das schon?<br />
Alice Ludvig ist Alleinerzieherin und lebt in Wien.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 31
<strong>an</strong>.riss kultur<br />
1950er jahre<br />
Lesben sind immer<br />
und überall<br />
Das QWIEN, Zentrum für<br />
schwul/lesbische Kultur<br />
und Geschichte, widmet<br />
sich einem Stück Frauengeschichte,<br />
das weitgehend<br />
unerforscht ist: lesbischem<br />
Leben in den 1950er Jahren.<br />
Frauenbilder aus dieser<br />
Zeit sind geprägt vom Wirtschaftswunder,<br />
technisch<br />
aufgerüsteten Küchen mit<br />
darin befindlichen braven<br />
Haus- und Ehefrauen – alles,<br />
was unter das Stichwort<br />
„miefig” fällt. Lesbisches<br />
Leben war zudem durch das strafrechtliche Verbot zur Heimlichkeit<br />
verdammt. Schriftliches, bildliches oder auch mündliches Quellenmaterial<br />
gibt es daher nur sehr spärlich.<br />
Das QWIEN will nun mit einem längerfristigen Projekt diese Geschichte<br />
wieder sichtbar machen. Am 17. <strong>November</strong> findet eine Vortrags- und<br />
Gesprächsver<strong>an</strong>staltung statt, die unterschiedliche Aspekte des lesbischen<br />
Lebens in den 1950ern beleuchten wird. Außerdem ist das Archiv<br />
des QWIEN auf der Suche nach Informationen über Frauenbeziehungen<br />
dieser Zeit. Wer dazu Material besitzt oder etwas zu erzählen hat, k<strong>an</strong>n<br />
sich – auch <strong>an</strong>onym – melden: QWIEN Archiv, Große Neugasse 29, 1040<br />
Wien; T: 01/9660110, archiv@qwien.at sylk<br />
„Wenn die Conny mit der Petra …“ Aspekte lesbischen Lebens in den 50er Jahren.<br />
17.11.<strong>2010</strong>, 19.00, Das Gugg, Heumühlgasse 14, 1040 Wien, mit Kirsten Plötz (D),<br />
Ines Rieder (A), Katharina Miko (A) u.a., www.qwien.at<br />
jubiläums-dating<br />
ArtNet wird Zehn<br />
Im Jahr 2000 gründeten Irene Knava, Alex<strong>an</strong>dra Steiner und Isabella<br />
Urb<strong>an</strong> die Org<strong>an</strong>isation ArtNet, um kunst- und kulturschaffende Frauen<br />
sichtbar zu machen und dadurch zu stärken. ArtNet ermöglicht es Frauen<br />
in Kulturberufen, sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen. Am<br />
4. <strong>November</strong> feiert ArtNet sein Zehnjähriges nun mit einem g<strong>an</strong>z besonderen<br />
Speed-Dating: 20 Kulturexpertinnen (unter ihnen Ulrike Heider-<br />
Lintschinger, Geschäftsführerin des T<strong>an</strong>zquartier Wien) stehen im Wiener<br />
brut bereit, um in 60 je halbstündigen Gesprächen Interessierte <strong>an</strong> ihren<br />
Erfahrungen und ihrem Wissen teilhaben zu lassen. „We got the power”,<br />
nennt sich die Ver<strong>an</strong>staltung – denn im Netzwerk liegt die Kraft. miak<br />
4.11., We got the Power – Ohne Frauen geht in der Kultur gar nichts!, 18–19.30, Einlass<br />
ab 17.00, brut im Konzerthaus, 1030 Wien, Lothringerstraße 20; Anmeldung unter office@<br />
audiencing.net ist unbedingt erforderlich. www.audiencing.net/artnet/we-got-the-power<br />
symposium<br />
Verrat – eine Untugend als Forschungsprojekt<br />
Viele PhilosophInnen und SchriftstellerInnen haben sich im Laufe der<br />
Geschichte Ged<strong>an</strong>ken über den „Verrat” gemacht, nicht zuletzt der<br />
marxistische Existentialist André Gorz in seinem Buch „Der Verräter”:<br />
32 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
„Verrat muss furchtlos vor möglicher Rache sein.”<br />
Auch das Frauen.Kultur.Labor thealit in Bremen widmet sich in seinem<br />
aktuellen Laboratorium diesem Thema. Im Oktober starteten diverse<br />
künstlerische Tests, um den Begriff genauestens zu <strong>an</strong>alysieren. Im Forschungsprojekt<br />
werden (entstehende) Projekte vorgestellt, Testversionen<br />
von Bewährungsproben am Publikum ausprobiert und zum konkreten eigenen<br />
Verrat im experimentellen Rahmen aufgefordert. Im Februar 2011<br />
wird weiter geforscht, mit einer Ausstellung und einem Symposium. miak<br />
www.thealit.de<br />
auszeichnung<br />
Goldenes Ehrenzeichen für Traude Kossatz<br />
„Meine Arbeit ist noch nicht beendet!”, sagte Traude Kossatz, Gründerin<br />
und künstlerische Direktorin des Wiener Figurentheaters LILARUM, als<br />
ihr das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich<br />
verliehen wurde. Nach über 30 Jahren künstlerischen Schaffens wurde<br />
ihr diese offizielle Anerkennung im Oktober zuteil.<br />
1939 geboren (s. auch Porträt in <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 7–8/2006), lernte Kossatz den<br />
Beruf der Uhrmacherin und w<strong>an</strong>dte sich später der Malerei zu. Die Beschäftigung<br />
mit bildender Kunst führte sie zum Entwerfen erster Schattenfiguren<br />
und Puppen, bis sie sich schließlich selbstständig machte und<br />
1980 das LILARUM gründete. Dieses funktionierte in den Anf<strong>an</strong>gstagen<br />
noch als W<strong>an</strong>derbühne, f<strong>an</strong>d einen ersten festen Spielort im 14. Wiener<br />
Gemeindebezirk und ist seit 1997 im 3. Bezirk <strong>an</strong>gesiedelt. Kossatz, die<br />
als Jugendliche nur heimlich ins Theater gehen konnte, darf sich heute<br />
durch ihre Pionierarbeit Direktorin von Wiens größtem Kindertheater<br />
nennen. Wir gratulieren! be<br />
www.lilarum.at<br />
ausstellung<br />
Die Geheimnisse der „Busenlosen“<br />
Was r<strong>an</strong>ken sich nicht alles für Legenden um die Amazonen: Ihr Söhne<br />
hätten sie umgebracht und sich den Busen abgeschnitten, um ihre Waffen<br />
besser h<strong>an</strong>dhaben zu können. Im Troj<strong>an</strong>ischen Krieg hätten sie mitgemischt,<br />
und die schöne Penthesilea habe gar dem Helden Achill den<br />
Kopf verdreht. Auch in der heutigen Zeit wird m<strong>an</strong> sie einfach nicht los:<br />
Angelina Jolie kämpft sich als Lara Croft durch allerlei abenteuerliche<br />
Settings, und modebewusste Frauen fühlen sich genötigt, Römers<strong>an</strong>dalen<br />
zu tragen. Einen eher wissenschaftlichen und faktentreuen Blick auf die<br />
„Geheimnisvollen Kriegerinnen” wirft derzeit das Historische Museum<br />
der Pfalz Speyer: Es zeigt Gräberfunde aus den Steppen zwischen Osteuropa<br />
und Sibirien, die von bewaffneten Frauen und Reiterkriegerinnen<br />
zeugen. Ein Begleitprogramm informiert d<strong>an</strong>eben umfassend über das<br />
Thema „Amazonen”. Wer braucht da noch Lara Croft? h<strong>an</strong><br />
Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen, bis 13. Februar 2011, Historisches Museum der<br />
Pfalz Speyer, 67346 Speyer, Domplatz 4, www.museum.speyer.de<br />
literatur<br />
Deutscher Buchpreis für Melinda Nadj Abonji<br />
Der Deutsche Buchpreis, der im Vorfeld der Fr<strong>an</strong>kfurter Buchmesse jährlich<br />
vergeben wird, geht heuer <strong>an</strong> die Schweizer Autorin Melinda Nadj<br />
Abonji. Sie erhält die Auszeichnung für ihren autobiografischen Rom<strong>an</strong><br />
„Tauben fliegen auf” – die Geschichte einer ungarischen Familie aus der
serbischen Vojvodina, die in die Schweiz ausw<strong>an</strong>dert und sich dort eine<br />
Existenz in der Gastronomie aufbaut. In einem Interview mit dem „Ö1”-<br />
Radiosender erläuterte die Autorin: „Es ist eine Schichtproblematik, die<br />
für mich in dem Buch eine große Rolle spielt. Es h<strong>an</strong>delt von Menschen,<br />
die sich hocharbeiten. Die die niedrigsten Arbeiten machen müssen, um<br />
überhaupt ihren Unterhalt zu verdienen.”<br />
Das Buch wurde bisher vor allem als „Migr<strong>an</strong>tInnen-Literatur” ausgezeichnet.<br />
Die Jury des Deutschen Buchpreises begründete ihre Wahl<br />
nun u.a. damit, dass der Rom<strong>an</strong> „das vertiefte Bild eines gegenwärtigen<br />
Europa im Aufbruch, das mit seiner Verg<strong>an</strong>genheit noch l<strong>an</strong>g nicht abgeschlossen<br />
hat”, zeichne. trude<br />
http://oe1.orf.at<br />
broschüre<br />
Die unverzichtbare Bibel für Freischaffende<br />
Die erste Auflage der Broschüre „Selbstständig – Unselbstständig – Erwerbslos”<br />
ist bereits vergriffen. Kein Wunder, gibt sie doch KünstlerInnen<br />
und <strong>an</strong>deren prekär Tätigen umfassend Auskunft über sozialrechtlichte<br />
Themen, Ver- und Absicherungslage. Die zahlreichen Änderungen der<br />
Arbeitslosenversicherung in den letzten Jahren z.B. führten zu einem<br />
Informationsdefizit, das oft gravierende Folgen haben k<strong>an</strong>n. Die vom Kulturrat<br />
Österreich verfasste Broschüre soll hier informieren und aufklären<br />
und enthält dementsprechend hilfreiche Sachinformationen von den<br />
zuständigen Abteilungen beim AMS, Sozialministerium (bm:ask) und bei<br />
der Sozialversicherungs<strong>an</strong>stalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA). Die<br />
neue Auflage wurde aktualisiert, um auf dem neuesten St<strong>an</strong>d durch den<br />
Paragraphen-Dschungel zu lotsen. h<strong>an</strong><br />
Download auf: http://kulturrat.at/agenda/ams/infoAMS<br />
auszeichnung<br />
Preis für DJ-Schule<br />
Die feministische Initiative „rubinia dj<strong>an</strong>es” k<strong>an</strong>n sich über den Schweizer<br />
Ch<strong>an</strong>cengleichheitspreis <strong>2010</strong> freuen, der von der Basler Regierung<br />
für besonders kreative und innovative Projekte zur Verbesserung der<br />
Ch<strong>an</strong>cengleichheit von Männern und Frauen in der Berufswelt vergeben<br />
wird. Die mit 20.000 Fr<strong>an</strong>ken dotierte Auszeichnung für die weltweit<br />
erste DJ-Schule für Frauen und Mädchen macht einerseits die Weiterentwicklung<br />
des Projekts möglich und wird <strong>an</strong>dererseits zur Erweiterung<br />
des Schweizer „DJ<strong>an</strong>e”-Netzwerks beitragen.<br />
Die 2002 von Mithras N. Leuenberger gegründete „rubinia dj<strong>an</strong>es<br />
Schule” stellt ambitionierten Mädchen und Frauen professionelles DJ-<br />
Equipment zur Verfügung, um ihnen erste Erfahrungen in der Kunst des<br />
Plattendrehens zu ermöglichen bzw. um ihr Können zu verfeinern. Außerdem<br />
dient der Treff als Kurs- und Übungslokal und soll die Vernetzung<br />
zwischen den Frauen fördern. Die Verleihung des Preises f<strong>an</strong>d am 27.<br />
Oktober in Basel statt. pix<br />
www.rubinia-dj<strong>an</strong>es.ch<br />
lebenslauf<br />
auch feministinnen altern<br />
Christi<strong>an</strong>e Erharter<br />
Automobilität<br />
Ich machte meinen Führerschein als bereits Erwachsene in Wien. Eine<br />
recht belastende Geschichte, da ich die Prüfung erst beim fünften (!)<br />
Anlauf best<strong>an</strong>d und auch nur deshalb, weil ich nach vier Misserfolgen<br />
weitere Fahrstunden in einer Fahrschule in meiner Heimatstadt auf dem<br />
L<strong>an</strong>d nahm und d<strong>an</strong>ach mit Ach und Krach durch die Prüfung kam. Das<br />
G<strong>an</strong>ze kostete mich nicht nur irre viel Geld und Nerven, sondern auch<br />
beinahe mein g<strong>an</strong>zes Selbstvertrauen. Früher dachte ich immer, dass<br />
wirklich jeder Depp Autofahren k<strong>an</strong>n und wer die Führerscheinprüfung<br />
nicht schafft, ein Vollkoffer ist.<br />
Mein erstes Auto war das alte meiner Eltern, mit dem ich noch ein Jahr<br />
l<strong>an</strong>g nach Übergabe durch die Gegend kurvte, bis es endgültig den Geist<br />
aufgab.<br />
Ob fin<strong>an</strong>zieller und ökologischer Vorbehalte sowie vernünftiger Argumente<br />
– das Öffi-Netz in Wien ist gut ausgebaut und alle Wege des<br />
Alltags fährt m<strong>an</strong> ohnehin mit dem Fahrrad – klappte es l<strong>an</strong>ge Zeit nicht<br />
mit dem eigenen Fahruntersatz. Jetzt aber besitze und teile ich seit über<br />
einem Jahr ein Auto mit meiner Partnerin. Und es fühlt sich tatsächlich<br />
sehr erwachsen <strong>an</strong>, wenn wir unsere Eltern bei ihren Wien-Besuchen<br />
durch die Gegend kutschieren oder L<strong>an</strong>dpartien mit Freundinnen samt<br />
ihren Freunden und Babys unternehmen, aber auch unabhängig und<br />
frei, wenn wir wie im Sommer mit dem besten Freund nach Kroatien<br />
auf Urlaub fahren. Er besitzt übrigens, wie die Mehrzahl der Männer in<br />
meinem FreundInnenkreis, keinen Führerschein.<br />
Unabhängig und frei fühlten sich auch Annemarie Schwarzenbach und<br />
Ella Maillart, als sie mit ihrem Ford von Genf nach Kabul fuhren, und<br />
vermutlich auch Bertha Benz, die als erster Auto fahrender Mensch in<br />
die Geschichte einging. Unternahm sie doch eine Überl<strong>an</strong>dfahrt mit dem<br />
von ihrem M<strong>an</strong>n Carl Benz konstruierten ersten Auto mit Benzinmotor.<br />
Dass Lady Di in einem Mercedes verunglückte und im Pariser Kr<strong>an</strong>kenhaus<br />
Salpêtrière starb, in dem Je<strong>an</strong>-Martin Charcot die Hysterie<br />
erforscht hat, ist aber eine g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Geschichte.<br />
Christi<strong>an</strong>e Erharter besitzt den Führerschein seit 1997 und fährt ca. 12.000<br />
Kilometer im Jahr mit dem Auto.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 33
wickelkunst<br />
Berühren verboten!<br />
Andrea Heinz hat sich von Judith Scotts Objektkunst einwickeln lassen.<br />
Judith Scott: Ohne Titel, 1991<br />
© Creative Growth Art Center Oakl<strong>an</strong>d, Fotos: Museum Gugging<br />
Judith Scott: Ohne Titel, 2005<br />
Bis 20.3.2011, „judith &<br />
shields.! – judith scott meets<br />
tribal art”, Museum im Art/<br />
Brut Center Gugging, 3400<br />
Maria Gugging,<br />
Am Campus 2, Di–So,<br />
10–17.00 (Winterzeit) bzw.<br />
18.00 (Sommerzeit),<br />
www.gugging.org<br />
34 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Selten schmerzt das Schild „Bitte<br />
nicht berühren” so sehr wie hier im<br />
Museum im Art/Brut Center Gugging.<br />
Die Arbeiten der 2005 mit 61 Jahren<br />
verstorbenen Judith Scott schreien<br />
geradezu d<strong>an</strong>ach, berührt zu werden:<br />
Meterweise Garn, Stoffreste, Bänder<br />
und Wolle in bunten Farben umhüllen<br />
Alltagsgegenstände, Holzstäbe, Plastikschläuche,<br />
Tonbänder, Regenschirme<br />
… bis daraus ein undefinierbares,<br />
märchenhaftes, weil geheimnisvolles<br />
Gebilde entsteht. Fl<strong>an</strong>kiert wird Scotts<br />
vor Lebendigkeit geradezu überbordende<br />
Objektkunst von Holzschildern aus<br />
Neuguinea: „judith scott meets tribal<br />
art.” „,Weibliche’ Wolle in den Händen<br />
einer Frau” trifft laut Begleittext auf<br />
„männliche” Objekte, die kriegerischgesellschaftlichen<br />
Zwecken dienen.<br />
Das lässt sich nun so sehen – oder so:<br />
M<strong>an</strong>chmal formen sich Scotts Objekte in<br />
weiblichen Rundungen. M<strong>an</strong>chmal mutet<br />
ihre k<strong>an</strong>tige und sperrige Form aber<br />
fast schon phallisch <strong>an</strong>. Mit H<strong>an</strong>darbeit<br />
und klassisch verst<strong>an</strong>dener Weiblichkeit<br />
hatte die Künstlerin, so darf vermutet<br />
werden, ohnehin nicht viel am Hut.<br />
Nichtsdestotrotz macht ihr Geschlecht<br />
sie zu einer Ausnahmeerscheinung:<br />
Sowohl in der Art Brut als auch in den<br />
Gugginger Räumen ist sie damit in der<br />
Minderheit. Eine doppelte Außenseiterposition,<br />
bedenkt m<strong>an</strong>, dass Art Brut im<br />
englischsprachigen Raum als „Outsider<br />
Art” bezeichnet wird.<br />
Isoliert. Die Außenseiterrolle nahm<br />
Judith Scott seit dem Tag ihrer Geburt<br />
ein: 1943 in Cincinnati, Ohio zur Welt<br />
gekommen, lebte sie bis zum Alter von<br />
siebeneinhalb Jahren bei ihren Eltern,<br />
zusammen mit ihrer Zwillingsschwester<br />
und den drei älteren Brüdern.<br />
Was selbstverständlich klingt, war<br />
alles <strong>an</strong>dere als das: Scott hatte das<br />
Down-Syndrom, und das Amerika der<br />
1940er Jahre verfuhr mit Menschen<br />
wie ihr nicht eben zimperlich. Als<br />
„unbelehrbar” eingestuft, lebte sie für<br />
die nächsten 36 Jahre in einem Heim.<br />
Dass Judith Scott taub war, wurde in all<br />
diesen Jahren nicht bemerkt. Ohne jede<br />
Möglichkeit sich auszudrücken, dürften<br />
die Anstaltsjahre für sie wie eine Isolationshaft<br />
gewesen sein.<br />
Erst 1986 nahm ihre Zwillingsschwester<br />
Joyce sie nach l<strong>an</strong>gen bürokratischen<br />
Querelen zu sich. Sie org<strong>an</strong>isierte<br />
die Aufnahme ihrer Schwester in das<br />
Creative Growth Art Center, ein Kunst-<br />
Zentrum für Menschen mit Behinderung.<br />
Dort lernte Scott in der Folge die<br />
Textilkünstlerin Sylvia Seventy kennen.<br />
Seventy brachte ihr bei, wie m<strong>an</strong> näht<br />
und Fäden mitein<strong>an</strong>der verknüpft. Vor<br />
allem aber zeigte sie ihr damit, wie sie<br />
sich artikulieren konnte.<br />
Weltberühmt. Mittlerweile ist der<br />
Name Judith Scott ein Begriff in der<br />
internationalen Kunstszene. Ihre Werke,<br />
bisweilen so groß wie die Künstlerin<br />
selbst, bringen bei Auktionen 15.000<br />
US-Dollar und mehr ein. Sie befinden<br />
sich in den Sammlungen von Museen<br />
in Paris und Prag, New York und<br />
Laus<strong>an</strong>ne, Baltimore und Chicago und<br />
werden weltweit ausgestellt. Judith<br />
Scott dürfte das wenig beeindruckt<br />
haben. Ohne lesen oder schreiben zu<br />
können, waren ihr akademische Kunstdiskurse<br />
völlig fremd. Dass ihr Schaffen<br />
der Art Brut der „unverbildeten Kunst”<br />
zugerechnet wird, bei der intellektuell<br />
übersättigte Stadtmenschen ihre Sehnsucht<br />
nach etwas „Ursprünglichkeit” zu<br />
stillen hoffen – es hätte sie wohl kaum<br />
interessiert. Ihre Hingabe galt einzig<br />
ihren Werken. Sie habe, so berichteten<br />
BeobachterInnen, die Außenwelt<br />
völlig vergessen, während sie wickelte,<br />
Gerne stibitze Judith Scott fremdes Eigentum,<br />
um es unter einem ihrer „Schmetterlingskokons“<br />
verschwinden zu lassen.<br />
verknüpfte und vernähte. „Judith bei<br />
der Arbeit zu betrachten, Zeuge der bedachten<br />
wiederholten Bewegung ihrer<br />
Hände zu sein, die ein ,Etwas’ entstehen<br />
lassen, die l<strong>an</strong>gsame Entwicklung eines<br />
,Dings’ zu verfolgen, ist nicht weniger<br />
faszinierend oder wesentlich, als die<br />
schrittweise Entstehung eines Spinnennetzes<br />
oder eines Schmetterlingskokons<br />
zu beobachten”, schreibt etwa der<br />
Kunsthistoriker John MacGregor, Autor<br />
von „Metamorphosis – The Fiber Art of<br />
Judith Scott”.<br />
Gerne stibitze Judith Scott auch fremdes<br />
Eigentum, um es unter einem ihrer<br />
„Schmetterlingskokons” verschwinden<br />
zu lassen. Ihre eigenen Werke hingegen<br />
durfte niem<strong>an</strong>d auch nur berühren – sie<br />
waren ihr Besitz, den sie eifersüchtig<br />
hütete. l
Dem Götzen Liebe<br />
den Garaus gemacht<br />
Das falsche Image des<br />
Alleinseins im „Alter” und die<br />
Bewältigung von Sinnlosigkeit<br />
im Allgemeinen:<br />
Ina Freudenschuß sprach mit<br />
der Berliner Musikerin und<br />
Autorin Christi<strong>an</strong>e Rösinger<br />
über ihr neues Solo-Album<br />
„Songs of L. <strong>an</strong>d Hate”.<br />
Kaum eine deutsche Pop-Musikerin<br />
weist eine stärkere künstlerische<br />
H<strong>an</strong>dschrift auf als Christi<strong>an</strong>e Rösinger.<br />
Dennoch konnte frau ihre Songs bisher<br />
ausschließlich im B<strong>an</strong>d-Format hören.<br />
Nun hat sich die Sängerin und Songwriterin<br />
zu ihrem Recht verholfen und ein<br />
Solo-Album veröffentlicht, das auf den<br />
vielversprechenden Titel „Songs of L.<br />
<strong>an</strong>d Hate” hört. Ihrem Idol aus frühester<br />
Kindheit, Leonard Cohen, gehuldigt,<br />
sagt schon der Titel aus, worum es auf<br />
dem neuen Album der bald 50-jährigen<br />
Musikerin geht: Liebe und vor allem<br />
die schreckliche, leidvolle Kehrseite<br />
dieser rom<strong>an</strong>tischen F<strong>an</strong>tasie, <strong>an</strong> der<br />
sich Rösinger ja bereits mit den Lassie<br />
Singers und später mit der B<strong>an</strong>d Britta<br />
künstlerisch abarbeitete. Der „Vergötzung<br />
von Liebe”, wie es die Berlinerin<br />
heute nennt, sagt sie jetzt also einmal<br />
mehr den Kampf <strong>an</strong>, ebenso wie dem<br />
Willen der Gesellschaft, Depression,<br />
Lethargie und Verzweiflung aus ihrer<br />
dauergrinsenden, konsumorientierten<br />
Mitte zu verb<strong>an</strong>nen.<br />
Musikalische Unterstützung bekommt<br />
sie dabei von Andreas Spechtl (Ja, P<strong>an</strong>ik),<br />
der Rösingers Songs größtenteils<br />
instrumental einspielte und arr<strong>an</strong>gierte.<br />
Ihre Stimme klingt auf der neuen,<br />
zurückhaltenden Produktion klarer, aber<br />
auch abgeklärter und rührender denn je,<br />
etwa wenn sie Songzeilen wie „Bist du<br />
einmal traurig und allein, gewöhn’ dich<br />
dar<strong>an</strong>, es wird bald immer so sein” zum<br />
Besten gibt.<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Du wirst nächstes Jahr 50.<br />
Nimmt die Missmutigkeit im Alter zu?<br />
Christi<strong>an</strong>e Rösinger: W<strong>an</strong>n beginnt<br />
denn „das Alter”? Ab dem Rentneralter,<br />
oder? Mit 49 oder 50 ist m<strong>an</strong> halt<br />
älter als 30 oder 35 oder 40, aber „das<br />
Alter” würde ich eher so in den letzten<br />
Lebensabschnitt legen. Wäre ich ein<br />
M<strong>an</strong>n, wäre ich jetzt in den besten Jahren.<br />
Und nein, die Missmutigkeit nimmt<br />
mit Ende 40 nicht zu, im Gegenteil, die<br />
Freiheit ist größer, die Laune steigt.<br />
Zu Lassie Singers Zeiten hieß es<br />
noch: „Liebe wird oft überbewertet“,<br />
heute bezeichnest du Liebe als „verachtenswürdig“.<br />
Was ist passiert?<br />
Das ist ja nur ein <strong>an</strong>derer stärkerer<br />
Ausdruck für dieselbe Sache. Es ist auch<br />
ein Schockbegriff für die Leute, die in<br />
unserer Paar-orientierten Gesellschaft<br />
die Vergötzung der Liebe immer weiter<br />
eintreiben.<br />
Im Lied „Sinnlos“ rufst du deine<br />
Hörerinnen dazu auf, sich dar<strong>an</strong> zu<br />
gewöhnen, allein zu sein. Das hört sich<br />
in seiner Radikalität schon fast wie<br />
Lebenshilfe für Depressive <strong>an</strong>.<br />
Also das Lied ist eher eine Persiflage<br />
auf so Beschwichtigungs-Songs, wie sie<br />
Foto: Staatsakt<br />
vor allem im Schlager und der Volksmusik<br />
vorkommen. Es ist eher bitterböse<br />
und zynisch gemeint.<br />
Davon abgesehen ist das „Alleinsein”<br />
etwas Positives, was m<strong>an</strong> sehr genießen<br />
k<strong>an</strong>n. Nur haben viele Menschen<br />
Angst davor. Und ein weiteres Klischee,<br />
nämlich dass das Alleinsein schlimmer<br />
ist, wenn m<strong>an</strong> nicht mehr jung ist,<br />
stimmt auch nicht. Ich war früher viel<br />
einsamer!<br />
Wie geht denn das „richtige“ Alleinsein?<br />
Wie es geht, ist schwer zu sagen, ich<br />
weiß nicht, ob m<strong>an</strong> das lernen k<strong>an</strong>n. Es<br />
ist eine Einstellung zu dir selbst. Das Alleinsein<br />
ist keine Bedrohung, m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n<br />
es genießen, allein mit sich zu sein. Es<br />
ist gut, Zeit mit sich zu verbringen, sich<br />
selbst genug zu sein, es ist eine Bereicherung,<br />
allein zu sein.<br />
Allein sind wir sowieso, allein geboren<br />
und sterben allein. Das ist Tatsache.<br />
Wir können von einer Beziehung in die<br />
<strong>an</strong>dere gehen, Kinder in die Welt setzen,<br />
Haustiere <strong>an</strong>schaffen, trotzdem sind wir<br />
allein.<br />
Viele deiner Songs stehen für das<br />
Recht auf Verbitterung ein. Warum?<br />
christi<strong>an</strong>e rösinger<br />
Christi<strong>an</strong>e Rösinger „Songs<br />
of L. <strong>an</strong>d Hate” (Staatsakt)<br />
www.christi<strong>an</strong>e-roesinger.de<br />
Das neue Buch von<br />
Christi<strong>an</strong>e Rösinger mit dem<br />
Arbeitstitel „Liebe wird<br />
oft überbewertet” wird im<br />
Oktober 2011 im Fischer<br />
Verlag erscheinen.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 35
christi<strong>an</strong>e rösinger<br />
36 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Wenn m<strong>an</strong> mal ordentlich verbittert ist<br />
und alles Scheiße findet und nix mehr<br />
erwartet, k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sich mit einer neuen<br />
Leichtigkeit den heiteren Seiten des<br />
Lebens hingeben!<br />
Kommen die Niedergeschlagenen in<br />
unserer Gesellschaft zu kurz?<br />
Ach, das ist so zwiespältig: Einerseits<br />
ist klar, dass alle immer depressiver<br />
werden. Die Depression gilt schon als<br />
Zivilisationskr<strong>an</strong>kheit des 21. Jahrhunderts,<br />
so wie die Mel<strong>an</strong>cholie im<br />
19. Jahrhundert. Andererseits wird<br />
verl<strong>an</strong>gt, dass m<strong>an</strong> immer so positiv und<br />
gut gelaunt durchs Leben geht.<br />
Laut Studien sind Frauen fast doppelt<br />
so oft von Depressionen betroffen wie<br />
Männer. Wor<strong>an</strong>, glaubst du, liegt das?<br />
Ich glaube, Frauen lassen sich eher beh<strong>an</strong>deln<br />
und sind daher statistisch besser<br />
erfasst. Männer werden gr<strong>an</strong>tig oder Alkoholiker,<br />
Frauen gehen zum Arzt oder<br />
zur Therapie. Wobei es erwiesen ist, dass<br />
Single-Frauen weniger depressiv sind als<br />
Frauen in einer Beziehung. Bei Männern<br />
verhält es sich umgekehrt. Viele Frauen<br />
lassen sich auch therapieren, weil sie<br />
unglücklich in der Beziehung sind, statt<br />
die Beziehung zu beenden.<br />
Die Last der – heterosexuellen –<br />
Beziehung haben Feministinnen in<br />
den 1970ern und 1980ern lautstark<br />
thematisiert. Heute scheint diese Problematik<br />
im feministischen Diskurs<br />
überhaupt nicht mehr vorzukommen.<br />
Ist da wirklich schon alles aufgearbeitet?<br />
Das ist ein großes Thema, mit dem ich<br />
mich gerade für mein nächstes Buch<br />
beschäftige. Die Problematik wird<br />
heute überhaupt nicht mehr thematisiert,<br />
denn in der vorherrschenden<br />
Paar-Ideologie darf das ja nicht sein,<br />
dass Beziehungen belastend sind. Da<br />
wird alles versucht, um die Beziehung<br />
zu retten, da mischen sich alle ein,<br />
AnthropologInnen, SoziologInnen, HirnforscherInnen<br />
und TherapeutInnen, um<br />
zu erklären, wie m<strong>an</strong> „richtig” liebt.<br />
Ein Zitat von Jill Tweedy aus „Die<br />
sogen<strong>an</strong>nte Liebe”: „Die Liebe ist für<br />
die Männer immer so praktisch gewesen,<br />
dass der Ged<strong>an</strong>ke nahe liegt, dass<br />
sie sie erfunden haben.” Leider hat es<br />
ja seit den Siebzigern und Achtzigern<br />
einige Backlashes gegeben. Heute sind<br />
Beziehung und Liebe wieder wichtiger<br />
als jemals zuvor.<br />
Aber es gibt schon noch die Stimmen,<br />
die diese Beziehungspflicht in Frage<br />
stellen, das sind die Frauen um die 50.<br />
Bei meinen Recherchen habe ich sehr<br />
viele Bücher von PsychologInnen und<br />
TherapeutInnen zum Thema „Beziehungen”<br />
gelesen, die aus ihrer Praxis<br />
berichten. Und m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n sagen, die<br />
Frau ab 50, die eine oder mehrere Ehen<br />
hinter sich hat, hat kein Interesse mehr<br />
<strong>an</strong> einer Beziehung zu einem M<strong>an</strong>n,<br />
sie freut sich nach den <strong>an</strong>strengenden<br />
Jahren der Familienfürsorge und<br />
Gefühlsarbeit, für sich zu sein, sich um<br />
ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern.<br />
Motto: 50 plus und endlich allein!<br />
Und es geht hier nicht um besonders<br />
problematische Beziehungen mit<br />
gewalttätigen Alkoholiker-Männern.<br />
Die g<strong>an</strong>z „normale” Beziehung ist für<br />
den M<strong>an</strong>n im Allgemeinen gesünder<br />
als für die Frau, sie kostet die Frau als<br />
Gefühlsarbeiterin sehr viel Nerven und<br />
Energie und nimmt ihr oft mehr als<br />
sie gibt.<br />
In den Medien, in Spielfilmen und<br />
Frauenzeitschriften hingegen wird immer<br />
wieder das Schicksal der armen<br />
älteren Frau, die leider ihren M<strong>an</strong>n<br />
nicht halten k<strong>an</strong>n, weil sie älter ist<br />
und er eine Jüngere hat, beklagt. Die<br />
gibt es bestimmt auch. Aber ich würde<br />
denken, die Mehrzahl der Frauen in<br />
meinem Alter können das Singledasein<br />
sehr genießen und wünschen sich nicht<br />
unbedingt eine Beziehung. Dieser Entschluss<br />
ist natürlich mit 50 einfacher<br />
zu fassen als in jüngeren Jahren. Da<br />
„Das Klischee, dass das Alleinsein schlimmer<br />
ist, wenn m<strong>an</strong> nicht mehr jung ist, stimmt auch<br />
nicht. Ich war früher viel einsamer!“<br />
ist ja d<strong>an</strong>n noch diese g<strong>an</strong>ze „Kinder<br />
– ja oder nein”-Frage offen usw. M<strong>an</strong><br />
muss schon ein paar Beziehungen<br />
gehabt haben, um darauf verzichten zu<br />
können.<br />
Zurück zu deinem Solo-Album: In<br />
einem der Songs stellst du fest, dass<br />
„alles so sinnlos“ sei. Was treibt eine<br />
da noch <strong>an</strong>, Musik zu machen?
Natürlich ist alles sinnlos. Aber wenn<br />
m<strong>an</strong> die Sinnlosigkeit erk<strong>an</strong>nt hat und<br />
keinen Sinn mehr sucht, k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong><br />
die Dinge gelassen nehmen wie sie<br />
kommen.<br />
Was mich <strong>an</strong>treibt Musik zu machen,<br />
k<strong>an</strong>n ich gar nicht genau sagen. Ich<br />
k<strong>an</strong>n auch zwischendurch mal ein Jahr<br />
l<strong>an</strong>g keinen Song schreiben. Trotzdem<br />
ist das Songschreiben halt mein Beruf,<br />
das, was ich am Besten k<strong>an</strong>n. Ich<br />
schreibe gerne Lieder, weil ich gerne<br />
auftrete und gerne mit meinen Liedern<br />
unterwegs bin. Und wenn mir jem<strong>an</strong>d<br />
sagt, dass er meine Lieder mag oder<br />
sie oft im Ohr hat oder dass ihn meine<br />
Lieder trösten, d<strong>an</strong>n ist das ein toller<br />
Moment und vielleicht eine Sekunde<br />
l<strong>an</strong>g weniger sinnlos als sonst.<br />
Du hast den Begriff der LoFi-Boheme<br />
erfunden und geprägt. Wenn du heute<br />
noch einmal tauschen könntest: Würdest<br />
du dich für den „9 to 5“-Job-<br />
Lebensentwurf entscheiden?<br />
Um Gottes Willen, vielleicht mal für<br />
drei Wochen oder so. Nein. Ich bin zurzeit<br />
sehr zufrieden mit meinem Leben.<br />
Die CD kommt raus, ich geh’ jetzt für<br />
ein paar Wochen als „writer in residence”<br />
<strong>an</strong> die Universität in Edinburgh.<br />
Im nächsten Jahr gibt es die Konzerte<br />
zur Platte, im Herbst erscheint mein<br />
Buch. Ich brauche keinen täglichen Job.<br />
Mit wem tauschst du dich heute musikalisch<br />
bzw. künstlerisch aus? Sind<br />
da viele Frauen deines Alters dabei?<br />
Ich bin meistens mit jüngeren Leuten<br />
zusammen, so zwischen 25 und 35.<br />
Ich hab auch ein paar Freundinnen in<br />
meinem Alter, aber die arbeiten auf<br />
<strong>an</strong>deren Gebieten. Leute in meinem<br />
Alter neigen leider zur Bequemlichkeit,<br />
bleiben lieber daheim bei<br />
Freund, Kind, Hund. Die Jüngeren sind<br />
flexibler, mit denen k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> besser<br />
ausgehen. Und musikalisch mach’ ich<br />
das neue Projekt mit Andreas Spechtl<br />
zusammen, der 26 ist. Auf Tour sind<br />
auch eine jüngere Gitarristin und<br />
Schlagzeuger dabei.<br />
Es gibt in der Musikszene wenige<br />
Frauen in meinem Alter. Fr<strong>an</strong>coise<br />
Cactus, Gudrun Gut, Michaela Meli<strong>an</strong><br />
fallen mir ein. Die mag ich alle, aber<br />
die machen g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Sachen.<br />
Siehst du dich mit deinen Erfahrungen<br />
als Teil einer bestimmten „Frauengeneration“?<br />
Eigentlich nicht. Ich hab mich immer<br />
azyklisch verhalten. Mit 20 ein Kind<br />
gekriegt, als die aus meiner Generation<br />
ihre Jugend auslebten. Mit 49 Oma<br />
„Heute sind Beziehung und Liebe wieder<br />
wichtiger als jemals zuvor. Aber es gibt schon<br />
noch die Stimmen, die diese Beziehungspflicht<br />
infrage stellen, das sind die Frauen um die 50.“<br />
geworden, während um mich herum<br />
die Frauen mit 40 oder 42 Mutter<br />
wurden …<br />
Mit deinem neuen Album referierst du<br />
gleich auf zwei honorige alte Männer<br />
der Rockmusik: Leonard Cohen und<br />
Bob Dyl<strong>an</strong>. Wie kam es dazu?<br />
Ich liebe Leonard Cohen schon seit ich<br />
zwölf bin. Und ich wollte immer einen<br />
Albumtitel mit „Songs of” haben. Die<br />
Idee mit dem Dyl<strong>an</strong>-Cover hatte Andreas<br />
Spechtl. Mir selbst bedeutet Dyl<strong>an</strong><br />
nicht so arg viel. Aber ich f<strong>an</strong>d es gut,<br />
die Geschlechterrollen auf dem Cover<br />
zu vertauschen. l<br />
Ina Freudenschuß ist Redakteurin bei<br />
dieSt<strong>an</strong>dard.at und derzeit in Familienkarenz.<br />
lesbennest<br />
the fabulous life of a queer femme in action<br />
denice<br />
List of dem<strong>an</strong>ds<br />
I know it is only <strong>November</strong> when you read this, but I thought that<br />
I will give you all enough time to be able to fulfill the christmas<br />
wishes from your favorite columnist. Lord knows that I deserve<br />
them. So, dear baby Cheesus, please bring me following:<br />
• Better education for the people in Vienna. Especially in religion,<br />
history, sociology <strong>an</strong>d gender studies. And while you’re at it:<br />
Please give them some solidarity <strong>an</strong>d toler<strong>an</strong>ce, too. If things still<br />
don’t ch<strong>an</strong>ge after this, please give them some new brains.<br />
• Some new fire <strong>an</strong>d sparks in Vienna’s queer nightlife. 100%<br />
shallowness <strong>an</strong>d not giving a shit about politics, mixed with some<br />
ironically me<strong>an</strong>t political <strong>an</strong>d sexist incorrectness is so 2007.<br />
I w<strong>an</strong>t some glamour with brains. Some glitter with empathy.<br />
Some seriousness with a twinkle in your eyes. Some irony that<br />
actually is funny <strong>an</strong>d not just patronizing.<br />
• A riot grrrl revival. We are currently running around with<br />
grunge checked shirts tied around our waists again, but where<br />
are the new Bikini Kills? I w<strong>an</strong>t a d<strong>an</strong>ce floor where everyone<br />
takes their tops off.<br />
• I wish for more fluent sexualities, genders <strong>an</strong>d desires. For<br />
people to actually ditch the dichotomies. Not only talk about it.<br />
• I w<strong>an</strong>t the queer theorists to go out <strong>an</strong>d get drunk <strong>an</strong>d silly, <strong>an</strong>d<br />
for the party p<strong>an</strong>ts to read a book.<br />
• The destruction of the artsy fartsy lookist hierarchy. I w<strong>an</strong>t to<br />
see the mice d<strong>an</strong>ce on the table while the cats are still in the<br />
room.<br />
• Some goddamn spont<strong>an</strong>eity. For people to pull that stick out off<br />
their asses <strong>an</strong>d use it to poke the sleepers awake.<br />
• Personally I need the following to have the strength <strong>an</strong>d motivation<br />
to join the new queer revolution: Better pay for my hard<br />
work, cool high heel boots made for people with chubby legs, a<br />
dedicated audience which follows me around, a big blueberry<br />
crunch cheese cake <strong>an</strong>d a neverending supply of blue Lucky<br />
Strikes.<br />
Denice tries hard not to f<strong>an</strong>tasize too much about being a revolutionary<br />
leader since it would go against her philosophy.<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 37
<strong>an</strong>.lesen<br />
Dis/abled<br />
Was bedeutet es, in einer sexistischen<br />
und rassistischen Gesellschaft<br />
behindert zu sein? Der Sammelb<strong>an</strong>d<br />
„Gendering Disability” geht der<br />
Bedeutung von „Behinderung” im<br />
Kontext von Mehrfachdiskriminierung<br />
nach und führt die Debatten auf<br />
neue Weise zusammen.<br />
Von Vina Yun<br />
Während in den letzten Jahren das Konzept der<br />
Intersektionalität in den deutschsprachigen Gender<br />
Studies einen regelrechten Hype erfahren<br />
hat, sind intersektionale Ansätze in den Disability<br />
Studies relativ neu. Das Konzept der intersektionalen<br />
Analyse wird im vorliegenden Sammelb<strong>an</strong>d<br />
„Gendering Disability” als Möglichkeit<br />
begriffen, sich der Komplexität von mehrfacher<br />
Diskriminierung <strong>an</strong>zunähern: Der B<strong>an</strong>d untersucht<br />
die wechselseitige Beziehung zwischen den<br />
Kategorien „Geschlecht” und „Behinderung”,<br />
geht aber zugleich den Verknüpfungen von „Dis/<br />
Ability” mit Sexualität, Ethnisierung und Klasse<br />
nach. In diesem Sinne stellt der B<strong>an</strong>d eine bisl<strong>an</strong>g<br />
wenig bearbeitete Schnittstelle von Gender<br />
und Disability Studies dar, die durch Erkenntnisse<br />
aus der Rassismus- und Migrationsforschung, der<br />
Postkolonialen Theorie sowie den Queer Studies<br />
weiter ausformuliert wird.<br />
Entl<strong>an</strong>g dieser multiplen Perspektive werden<br />
auch die (teilweise verschütteten) Verbindungen<br />
zwischen den Disziplinen neu gezogen: Denn<br />
sowohl die feministische Geschlechterforschung<br />
als auch die im <strong>an</strong>gloamerik<strong>an</strong>ischen Raum<br />
gewachsenen Disability Studies hinterfragen,<br />
ebenso wie Queer und Postcolonial Theory, mit<br />
ihrem kritischen Blick auf die kulturelle Konstruktion<br />
von Körpern hegemoniale Body Politics<br />
und dichotome Identitätsentwürfe (männlich/<br />
weiblich, behindert/nicht-behindert). Mehr noch<br />
machen die Beiträge im B<strong>an</strong>d die Parallelen<br />
zwischen der Konstruktion von „weiblichen” und<br />
38 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
„behinderten” Körpern sowie die Vergeschlechtlichung<br />
und Rassifizierung von Kr<strong>an</strong>kheit und<br />
Behinderung deutlich.<br />
In der Ausein<strong>an</strong>dersetzung um die Mehrdimensionalität<br />
von „Differenz” bzw. mehrfacher Diskriminierung<br />
geht es dabei sowohl um die „Dekonstruktion<br />
binärer Zuschreibungen als auch<br />
um die Problematisierung ihrer realen Effekte”,<br />
wie die Herausgeberinnen im Vorwort erklären.<br />
Multiple Diskriminierung bedeutet allerdings<br />
nicht einfach, dass sich die Differenzen „addieren”<br />
– so äußert sich mehrfache Ausgrenzung<br />
für Frauen (und <strong>an</strong>dere) mit Behinderung nicht<br />
einfach in der z.B. Potenzierung des Sexismus,<br />
sondern meist in der grundsätzlichen Negierung<br />
ihrer Sexualität.<br />
In Rückgriff auf diese Erfahrung fordert die<br />
Politikwissenschaftlerin Heike Raab in ihrem<br />
Artikel über Disability und Queerness, heteronormative<br />
Geschlechterordnung nicht nur <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d<br />
von Sexualität und Geschlecht zu denken,<br />
sondern auch Behinderung mit einzubeziehen:<br />
Denn „um Geschlecht zu dekonstruieren, muss<br />
m<strong>an</strong> erst über Geschlechtlichkeit verfügen,<br />
die (…) Menschen mit Behinderung oftmals<br />
verweigert wird.”<br />
Dass Behinderung mit <strong>an</strong>deren Differenzkategorien<br />
wie Geschlecht überhaupt zusammengedacht<br />
wird, ist vor allem ein Verdienst von<br />
Aktivist_innen aus der „Krüppel_innenbewegung”<br />
der 1980er Jahre, wie Mitherausgeberin<br />
Sw<strong>an</strong>tje Köbsell betont. In ihrem sehr lesens-<br />
Queers on Wheels auf der Regenbogenparade 2009, © Queers on Wheels<br />
werten Beitrag, der ins Thema „Behinderung,<br />
Geschlecht und Körper” einführt, zeichnet<br />
Köbsell u.a. die Entwicklung der (weiß dominierten)<br />
Behindertenbewegung im deutsch- und<br />
englischsprachigen Raum seit den 1970ern nach,<br />
die in der Diskussion über Behinderung das medizinische<br />
Modell erfolgreich durch ein soziales<br />
Modell ersetzte – nach dem Motto: „Behindert<br />
ist, wer behindert wird”. Behinderung ist demnach<br />
keine individuelle, natürliche Eigenschaft,<br />
die m<strong>an</strong> „besitzt”, sondern ein Prozess, der<br />
Menschen mit bestimmten Merkmalen gesellschaftliche<br />
Partizipation vorenthält.<br />
Mit dem erneuerten Fokus auf Körperpolitiken<br />
reklamieren Aktivist_innen den „behinderten”,<br />
eigenen Körper nun wieder in den Diskurs<br />
hinein. Mit der Einbindung aktivistischer Perspektiven<br />
– siehe z.B. die Beiträge von Christi<strong>an</strong>e<br />
Hutson zu „Ableism” und Sexismus aus<br />
Schwarzer Perspektive oder der Rückblick von<br />
Sigrid Arnade auf die Lobbyarbeit für die UN-<br />
Behindertenrechtskonvention – fasst dieser sehr<br />
empfehlenswerte Sammelb<strong>an</strong>d, erstmalig für<br />
den deutschsprachigen Raum, die politischen und<br />
theoretischen Debatten zusammen und bietet<br />
einen hervorragenden Einstieg in den aktuellen<br />
St<strong>an</strong>d der Disability Studies. l<br />
Jutta Jacob, Sw<strong>an</strong>tje Köbsell, Eske Wollrad<br />
(Hg.innen): Gendering Disability. Intersektionale<br />
Aspekte von Behinderung und Geschlecht<br />
Tr<strong>an</strong>script <strong>2010</strong>, 26,60 Euro
Am Abh<strong>an</strong>g l Bergliteratur<br />
wird zwar nur von Alpinist_innen<br />
als Genre geführt, wird<br />
aber dennoch unterschätzt,.<br />
Neu in der Liste ist der<br />
Rom<strong>an</strong> „Fallhöhe”, der ein<br />
(seltsamerweise ziemlich<br />
überschaubares) Klassentreffen<br />
in den Bergen zum Thema hat. 15 Jahre<br />
nach der Matura w<strong>an</strong>dern drei Frauen und zwei<br />
Männer gemeinsam in der Schweizer Heimat.<br />
Glücklich sind die Mittdreißiger nur auf den<br />
ersten Blick. Die allseits beliebte Marina hat<br />
ihre Potenziale verspielt und ist nicht aus dem<br />
Ort der Kindheit weggekommen. S<strong>an</strong>dra reist<br />
aus K<strong>an</strong>ada nach zehn Jahren zum ersten Mal<br />
wieder in die Schweiz. Ihre alte Jugendliebe<br />
hat seinen Traum vom Künstlerdasein nicht<br />
verwirklicht. Eveline ist voller Neurosen und<br />
hat ihrer ehemals besten Freundin Marina<br />
alte Konflikte nicht verziehen. Und Frido lebt<br />
als verheirateter Anwalt bürgerlich mit zwei<br />
Kindern. Die Nacht in der Berghütte gestaltet<br />
die Autorin Sabina Altermatt als kriminalistisch<br />
<strong>an</strong>gehauchtes Kammerspiel und lässt es richtig<br />
krachen: Der Alkohol bringt alte Verletzungen<br />
wieder <strong>an</strong>s Licht, Rückblicke zeigen die<br />
Entwicklung der desillusionierten Freund_innen.<br />
S<strong>an</strong>dra offenbart endlich den eigentlichen<br />
Grund ihrer Rückkehr: Sie möchte eine Sterbehilfeorg<strong>an</strong>isation<br />
aufsuchen. Und Marinas<br />
jugendlicher Sohn taucht in der Einöde auf mit<br />
der Absicht, endlich seinen Vater kennenzulernen.<br />
Die Autorin lässt die Leserin mit gekonnt<br />
klarer, nüchterner Sprache auf ihre Figuren<br />
blicken und zwischen Realismus und Resignation<br />
hin- und herschw<strong>an</strong>ken. Fiona Sara Schmidt<br />
Sabina Altermatt: Fallhöhe<br />
Limmat <strong>2010</strong>, 23,20 Euro<br />
Endlich absolut l Es wurde<br />
Zeit, dass in der von Klaus<br />
Theweleit herausgegebenen<br />
Reihe „absolute” über<br />
„Schlüsseldiskurse der<br />
Gegenwart” Frauen wieder<br />
mal sichtbar werden.<br />
Bisher widmete sich nur<br />
einer der 17 erschienen Bände einer Frau und<br />
Feministin, nämlich Simone de Beauvoir. Nun<br />
also ein B<strong>an</strong>d der wieder stark verdichtet, um<br />
sozusagen alles gut zu machen, zum Komplex,<br />
zum riesigen Feld, zur Herausforderung „Feminismus”.<br />
Das ist schon schön. Diese Kompilation<br />
feministischer Texte wurde zusammengestellt<br />
und kommentiert von Gudrun Ankele aus Wien,<br />
bek<strong>an</strong>nt geworden mit ihrem Perform<strong>an</strong>ce-Trio<br />
Schwestern Brüll. Die Erwartungen werden<br />
erfüllt, besser noch, die Leserin bekommt Unerwartetes<br />
unter die Nase gerieben und wird mit<br />
Verbindungen konfrontiert, die neugierig machen.<br />
So finden sich Valie Export und Olympe de<br />
Gouges gemeinsam im Abschnitt „Komplizierte<br />
Kollektive” oder Monique Wittig mit Kathleen<br />
H<strong>an</strong>nah/Bikini Kill im Kapitel „Exklusive<br />
Utopien”. Ankele stellt Pop-Autorin Virginie<br />
Despentes neben Judith Butler, Gustav oder die<br />
Guerrilla Girls neben Donna Haraway. Aber auch<br />
weniger bek<strong>an</strong>nte bzw. historische Texte wie beispielsweise<br />
von Mina Loy oder Helene Druskowitz<br />
sind hier zu lesen. Damit eröffnet das Buch<br />
unterschiedlichste Lesemöglichkeiten und bietet<br />
auch Nicht-so-Eingecheckten die Möglichkeit für<br />
einen Quereinstieg – bek<strong>an</strong>ntlich der lustvollste<br />
Weg, sich ein neues Terrain zu erobern.<br />
Karo Rumpfhuber<br />
Gudrun Ankele (Hg.in): absolute Feminismus<br />
or<strong>an</strong>ge press <strong>2010</strong>, 18,50 Euro<br />
(In) Freiheit denken l Dieses<br />
Buch hat das nicht unbescheidene<br />
Ziel, Geschlechterdifferenz<br />
neu zu denken,<br />
um „die derzeitigen Diskussionen<br />
über das Geschlecht<br />
als ‚soziale Konstruktion’<br />
(…) aus der Dichotomie<br />
von M<strong>an</strong>n und Frau (…), aus dem Dualismus<br />
von Biologie und Kultur, Natur und Gesellschaft<br />
<strong>an</strong>.lesen<br />
(…) [zu] erlösen”. Die Herausgebenden haben<br />
u.a. Textauszüge von Beauvoir über Butler<br />
bis Muraro eingeleitet, kommentiert und<br />
verknüpft. Es wird damit nicht nur eine Fülle<br />
von verstreuten und wieder zu entdeckenden<br />
Quellen dargeboten, sondern auch die Möglichkeit,<br />
sich einzelnen Autorinnen zu widmen,<br />
oder den verschiedenen Denkbewegungen<br />
nachzugehen. Das Elementare ist die Sichtung<br />
der vielschichtigen Bedeutungen des Begriffs<br />
der Differenz (wie Andersheit, Nichtidentität,<br />
Différ<strong>an</strong>ce, Alterität) sowie die Unterscheidung<br />
zwischen diskurslogischen Gewohnheiten, über<br />
die Geschlechter zu reden und in der Differenz<br />
sinnvoll zu sprechen.<br />
Ein Lehr- und Lernbuch für alle, die Unterschiede<br />
jenseits festgefahrener Grenzen<br />
philosophisch begreifen wollen, und für jene,<br />
für die das Gleichheitsideal ein gefälschtes ist.<br />
Denn erst die Freiheit der Anderen ermöglicht<br />
die eigene. Birge Krondorfer<br />
Anke Drygala, Andrea Günter (Hg.innen):<br />
Paradigma Geschlechterdifferenz. Ein philosophisches<br />
Lesebuch<br />
Ulrike Helmer <strong>2010</strong>, 30,80 Euro<br />
Fernes Dasein l „Ich habe<br />
mir beim Naschmarkt feine<br />
Sachen eingekauft. Hab heute<br />
Abend Gäste. Die Lampe,<br />
den Teppich, die Kommode,<br />
die Nähmaschine, die neuen<br />
Vorhänge”, erklärt Josi ihrem<br />
Sohn. Und das ist nicht<br />
mal gelogen: Denn die Protagonistin lebt,<br />
nachdem sich ihr M<strong>an</strong>n als schwul geoutet hat,<br />
alleine – <strong>an</strong> Einrichtungsgegenstände gerichtete<br />
Monologe sind <strong>an</strong> der Tagesordnung. Josi,<br />
die weiß, dass das Unglück – im Gegensatz<br />
zum Glück – immer öfter als einmal kommt,<br />
muss außerdem mit einer Krebsdiagnose<br />
und den Folgen leben: Wo früher ihre Brüste<br />
waren, sind nun Kreuze.<br />
Im Urlaub auf Hydra werden die Beziehungskonstellationen<br />
interess<strong>an</strong>t. Hier trifft Josi<br />
zum einen Max Lorber, der sie fasziniert, zum<br />
<strong>an</strong>deren die Familie Köhlmeier und somit ihre<br />
eigene Erfinderin: Denn die Autorin Monika<br />
Helfer ist die Ehefrau von Michael Köhlmeier,<br />
ihre gemeinsame Tochter Paula verunglückte<br />
2003 bei einer W<strong>an</strong>derung. Die Protagonistin<br />
Josi lernt nun die 12-jährige Paula kennen<br />
und freundet sich mit ihr <strong>an</strong>. Doch wie auch<br />
die Beziehungen zu allen <strong>an</strong>deren, bleibt diese<br />
Freundschaft ambivalent: mal nah, d<strong>an</strong>n wieder<br />
dist<strong>an</strong>ziert. Es ist ein ständiges Ringen für<br />
Josi, wie sie mit <strong>an</strong>deren umgehen soll, aber<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 39
<strong>an</strong>.lesen<br />
bonustrack: Clara Luzia<br />
m<strong>an</strong>chmal schafft sie es g<strong>an</strong>z gut. Wenn sie<br />
etwa Paula erklärt, „ich würde dir gern sagen,<br />
dass ich deine Freundin sein will, aber ich hatte<br />
es dir schon gestern sagen wollen, und da habe<br />
ich mich nicht getraut, weil ich mir gedacht<br />
habe, was mache ich, wenn sie nicht will”, d<strong>an</strong>n<br />
ist sie ihr für einen Moment g<strong>an</strong>z nah.<br />
Bettina Enzenhofer<br />
Monika Helfer: Bevor ich schlafen k<strong>an</strong>n<br />
Deuticke <strong>2010</strong>, 18,40 Euro<br />
Obsession l Hier regiert das<br />
Unbehagen! Lydia Mischkulnig<br />
erzählt von der Beziehung<br />
zweier Schwestern. Als<br />
Kinder noch unzertrennlich,<br />
ist Renate später von der<br />
jüngeren Marie regelrecht<br />
besessen. Nähern dürfte sie<br />
sich ihr nur noch auf 30 Meter, aber <strong>an</strong> Grenzen<br />
wird sich in diesem Rom<strong>an</strong> nicht gehalten.<br />
In einer eindrucksvollen, außergewöhnlichen<br />
Sprache werden die Geschehnisse ras<strong>an</strong>t vor<strong>an</strong>getrieben,<br />
ins Kriminalistische driften sie durch<br />
einen M<strong>an</strong>n, den Renate sehr begehrte, der<br />
40 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
jedoch Marie vorzog. Schwarzer Humor at its<br />
best, und immer begleitet von Hassliebe: „Sie<br />
hatte einen brill<strong>an</strong>ten Kopf, und dennoch konnte<br />
jeder Dahergelaufene ihn ihr so arg verdrehen.<br />
Diesen Schädel hätte m<strong>an</strong> doch längst abreißen<br />
müssen”, denkt Renate über Marie. Die Jagd<br />
hört nicht auf, und zwischendurch ist d<strong>an</strong>n nicht<br />
mal mehr klar, was eigentlich wirklich passiert<br />
ist. Bettina Enzenhofer<br />
Lydia Mischkulnig: Schwestern der Angst<br />
Haymon <strong>2010</strong>, 17,90 Euro<br />
Strafrecht gegendert l „Hat<br />
Strafrecht ein Geschlecht?”,<br />
fragt dieser Sammelb<strong>an</strong>d.<br />
Die Antwort darauf, es sei ein<br />
männliches, existiert seit den<br />
1990er Jahren. So wichtig die<br />
damalige fundierte Kritik <strong>an</strong><br />
der Überbewertung von Eigentumsdelikten<br />
im Gegensatz zur Unterbewertung<br />
von Vergewaltigungen ist – die zeitgenössische<br />
Analyse gräbt tiefer. Männer und Frauen werden<br />
aufgrund der männlichen und weiblichen<br />
Rollen, die sie spielen, vor dem Recht, das „für<br />
Jetzt ist sie also vorbei, die Tour, die mir in der letzten <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>-Ausgabe<br />
noch bevorst<strong>an</strong>d und mich schon im Vorfeld irrwitzig gestresst hat.<br />
Jetzt könnte m<strong>an</strong> meinen, der Stress sei<br />
vorbei, Wohlgefallen auf allen Seiten.<br />
Und ja, es könnte tatsächlich so sein,<br />
h<strong>an</strong>delte es sich nicht um mein Leben.<br />
Mein Leben ist nämlich jenes, das durch<br />
meine kreative und stets erfolgreiche<br />
Art der Problemfindung am Laufen gehalten<br />
wird. Ist ein Problem – oh nein,<br />
bewahre! – gelöst, bin ich flink und flexibel<br />
darin, sofort ein neues zu formulieren.<br />
Für diese tolle Strategie war die<br />
Tour natürlich ein Pool nicht enden wollender<br />
Gelegenheiten: Jeden Tag eine<br />
<strong>an</strong>dere Stadt, jeden Tag <strong>an</strong>dere, uns unbek<strong>an</strong>nte<br />
Menschen, jeden Tag das reine<br />
Ungewissen – da lässt sich im Vorfeld<br />
spekulieren, konjunktivieren und problematisieren,<br />
noch und nöcher!<br />
Nun gibt es aber den bereits in der<br />
letzten Kolumne erwähnten Kollegen<br />
Max – ein Sonnenschein, wie m<strong>an</strong> ihn sich prächtiger nicht ausdenken<br />
könnte –, der mit meiner Art der Lebenserschwernis gänzlich unvertraut<br />
alle gleich” sein will, ungleich beh<strong>an</strong>delt. In der<br />
richterlichen Milde für den „Beziehungstäter”<br />
etwa deutet sich eine „implizite Komplizenschaft<br />
von Männern in hegemonialen Positionen<br />
mit untergeordneten Männern auf Kosten<br />
des weiblichen Geschlechts” (Gerlinda Smaus)<br />
<strong>an</strong>. An diesen „untergeordneten Männern”<br />
richtet sich das Strafrecht aus. Sie innerhalb<br />
ihrer zugewiesenen Gender-Rolle zu disziplinieren,<br />
ist oberstes Ziel der Prävention. Bei<br />
Frauen wird eher die (verinnerlichte) soziale<br />
Kontrolle vorausgesetzt, die aus ihrer Gender-<br />
Rolle resultiert und sie tatsächlich viel weniger<br />
häufig Straftaten begehen lässt. In diesem<br />
Buch stellt sich das Strafrecht als repressive<br />
Institution dar, die geschlechtliche Arbeitsteilung,<br />
Hierarchisierung der Geschlechterrollen<br />
und Schichtzugehörigkeit ständig reproduziert:<br />
Deswegen, und nicht weil es „männlich” ist, ist<br />
es auch abzuschaffen. Sylvia Köchl<br />
Gaby Temme, Christine Künzel (Hg.innen):<br />
Hat Strafrecht ein Geschlecht? Zur Deutung<br />
und Bedeutung der Kategorie Geschlecht in<br />
strafrechtlichen Diskursen vom 18. Jahrhundert<br />
bis heute<br />
tr<strong>an</strong>script <strong>2010</strong>, 28,60 Euro<br />
Nichts, das kein Problem werden könnte!<br />
ist. Ich hoffte ja, auf der Tour ein bisschen was von seiner jugendlichen<br />
Leichtigkeit abbekommen zu können, zumal wir ja den Großteil der Zeit<br />
zusammengequetscht im engen Tourbus<br />
verbrachten und ich immer schon die<br />
Vorstellung hatte, dass sich die Grenzen<br />
von Menschen irgendwie verwischen und<br />
vermischen, sobald sich viele von ihnen<br />
auf kleinem Raum befinden.<br />
Aber es wäre ja nicht ich, wenn sich daraus<br />
nicht gleich das nächste Problem ergeben<br />
hätte. Statt mich also im Tourbus<br />
der Grenzen auflösenden Kraft hinzugeben,<br />
die mich <strong>an</strong> Maxens Sonnenschein<br />
hätte partizipieren lassen können, quälten<br />
mich Fragen wie: Stinke ich? Nehme<br />
ich zu viel Platz weg? Atme ich zu Raum<br />
einnehmend? Sabbere ich alles voll, sollte<br />
ich einschlafen? Wurde also nichts aus<br />
dem Good-Vibes-Übertritt von Max auf<br />
mich, stattdessen konnte ich meine Problematisierungs-Skills<br />
ins schier Bodenlose<br />
vertiefen. Aber wer weiß – es heißt<br />
ja immer, die Inspiration entspringt oft eher einem Unglücks- denn einem<br />
Glücksgefühl. Vielleicht also gerade noch Glück gehabt!<br />
Clara Humpel betreibt seit 2006 ihr Plattenlabel Asinella Records (Marilies Jagsch, Luise Pop, Bettina Koester, Clara Luzia, Mika Vember) und macht selbst<br />
unter ihren Vornamen Clara Luzia Musik.<br />
Illustration: Lina Walde, http://evaundeva.blogspot.com
Sophie Hassfurther © Markus Lackinger, www.jazzfoto.at<br />
Iba de gaunz oamen Leit hieß der<br />
B<strong>an</strong>d mit Mundartgedichten von<br />
Christine Nöstlinger, der erstmals<br />
1974 (noch unter einem <strong>an</strong>deren Titel)<br />
erschien. Die Schauspielerin Caroline<br />
Kocz<strong>an</strong> und Erich Meixner wählten für<br />
ihr Ensemble Bassena Social Club<br />
(Extraplatte) einige der Texte aus und<br />
vertonten sie. Herausgekommen sind<br />
nicht unbedingt Wiener Lieder, dafür<br />
kleine Alltagsszenen, die – da erfreulicherweise<br />
ohne Zeigefinger gemeint<br />
– selten positive Auswege aufzeigen.<br />
Aufs erste k<strong>an</strong>n d<strong>an</strong>n ein Lied wie „A<br />
Malea” g<strong>an</strong>z gemütlich herkommen,<br />
etwa wenn bedauert wird, dass die<br />
Ehefrau <strong>an</strong> einer Embolie verschieden<br />
ist. Dabei war die „Watschn” nicht<br />
schlimmer als sonst – und dass sie auf<br />
eine K<strong>an</strong>te gefallen ist, war sicher nicht<br />
<strong>an</strong> ihrem Tode schuld … Hier wechseln<br />
sich Lieder aus weiblicher und männlicher<br />
Perspektive ab, aber Nöstlinger<br />
hat bek<strong>an</strong>ntlich auch ein Herz für<br />
Kinder: Wie für jenes, das bald genauso<br />
wie der Vater nur mehr die Tischplatte<br />
<strong>an</strong>starren wird – der Optimismus spricht<br />
aber mehr aus der Musik als aus den<br />
Texten.<br />
Anna Zauner-Pagitsch spielt zahlreiche<br />
unterschiedliche Typen historischer<br />
Harfen. Für die Tripelharfe, einem<br />
chromatisch gestimmten Instrument,<br />
das ohne Pedale auskommt, hat sie<br />
Cembalo-Werke von Joh<strong>an</strong>n Sebasti<strong>an</strong><br />
Bach bearbeitet. Der im Vergleich<br />
zum Cembalo l<strong>an</strong>ge Nachhall lässt die<br />
bek<strong>an</strong>nten Stücke aus den „Englischen<br />
Suiten” in überraschenden Kl<strong>an</strong>glichtern<br />
erscheinen. Auf dem Album Bach<br />
auf der Harfe (Extraplatte) finden<br />
sich jedoch auch zwei kurze Miniaturen,<br />
die von der Harfenistin selbst stammen.<br />
Die Sp<strong>an</strong>nung zwischen moderner<br />
Kl<strong>an</strong>gsprache und historischem Instrument,<br />
das noch nicht der Ästhetik des<br />
homogenen Kl<strong>an</strong>gs frönt, entwickelt<br />
seinen eigenen Reiz.<br />
Saxophon und Klarinette – das ist<br />
keine ungewöhnliche Kombination.<br />
Die Salzburger Jazz-Saxophonistin<br />
Sophie Hassfurther musiziert auf<br />
ihrem Debütalbum mit dem türkischen<br />
Klarinettisten Oguz Büyükberber – der<br />
Titel Orient Express (Extraplatte) darf<br />
jedoch nicht dazu verführen, folkloristische<br />
Klänge zu erwarten, dafür f<strong>an</strong>tasievolles<br />
Spiel mit Formen, Melodien,<br />
Harmonien, Rhythmen. Und dies nicht<br />
nur ironiefrei: So gibt „Animal Farm”<br />
Raum für instrumentales und stimmliches<br />
Grummeln und Sirren, während<br />
z.B. „Sis” vor allem die Tiefe auslotet.<br />
Ein tiefgehender, nicht nur instrumentaler<br />
Dialog.<br />
Eine interess<strong>an</strong>te Platte mit Blockflötenmusik<br />
des 20. Jahrhunderts hat<br />
Leora Vinik mit der Pi<strong>an</strong>istin Liora<br />
Ziv-li eingespielt: Auf Modern Music<br />
Reizvolle<br />
Kl<strong>an</strong>gdialoge<br />
Was herauskommt, wenn Nöstlinger vertont wird,<br />
Klarinetten mit Saxophonen plaudern<br />
oder Bach auf die Harfe kommt,<br />
hat sich Regina Himmelbauer <strong>an</strong>gehört.<br />
for Recorder & Pi<strong>an</strong>o werden<br />
„Klassiker” wie H<strong>an</strong>s-Martin Linde,<br />
H<strong>an</strong>s Ulrich Staeps oder H<strong>an</strong>s Gál<br />
detailreich interpretiert. Das jüngste<br />
Werk in dieser Sammlung ist das<br />
irisierende „Glimpse of a Question from<br />
a dist<strong>an</strong>t Desert” (2007) der israelischen<br />
Komponistin Hagar Kadima. Die<br />
Sorgfältigkeit der Produktion zeigt sich<br />
auch am Booklet sowie einer zusätzlichen<br />
DVD, auf dem die Blockflötistin<br />
gleichsam „stille” Bilder zur Musik<br />
findet, wie etwa in der Betrachtung der<br />
Entstehung eines Bildes der Malerin<br />
Mirjam Walter, der Keramikerin Talma<br />
Tamari oder der Tänzerin Shimrit Gol<strong>an</strong>.<br />
Eine zurückhaltende, konzentrierte und<br />
geistvolle CD (zu beziehen über<br />
vinik@netvision.net.il).<br />
Die Mezzosopr<strong>an</strong>istin Magdalena<br />
Kožená zählt zu den Stars der Alte-<br />
Musik-Szene. Auf ihrem neuesten<br />
Album Lettere amorose (Deutsche<br />
Grammophon) hat sie auch die dramatische<br />
Szene „L’Eraclito amoroso”<br />
der frühbarocken Komponistin Barbara<br />
Strozzi (1619–1664) aufgenommen.<br />
Diese bewegende Klage über den<br />
Lamento-Bass ist wohl eine der düstersten<br />
Aufnahmen – erdenschwer und<br />
ausdrucksvoll, ohne in leere Theatralik<br />
zu verfallen. l<br />
<strong>an</strong>.kl<strong>an</strong>g<br />
Links:<br />
www.bassenasocialclub.at<br />
www.harfen.at/<strong>an</strong>na_zauner_pagitsch<br />
www.sophiehassfurther.com<br />
http://ce-acfp.co.tv/boxwoodeurope<strong>an</strong>-recorder<br />
www.kozena.cz<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 41
<strong>an</strong>.sehen<br />
... und alles funktioniert total schön<br />
© coop99 / AG Doku<br />
Menschen in weißen Overalls<br />
h<strong>an</strong>teln sich <strong>an</strong> Fensterbänken entl<strong>an</strong>g.<br />
Rufen ein<strong>an</strong>der unverständliche<br />
Dinge zu, lachen. Schließlich<br />
wird mit Erfolg <strong>an</strong> der Vorderfront<br />
der Wiener Kunstakademie ein<br />
riesiges Tr<strong>an</strong>sparent entrollt:<br />
„Reclaim (y)our education!” Die<br />
Besetzung beginnt. Die Kamera<br />
wackelt. It’s real.<br />
Brav nach aristotelischem Dramenaufbau<br />
wird die Geschichte<br />
der Proteste am Beispiel der<br />
Universität Wien erzählt, zusammengehalten<br />
durch die Kritik <strong>an</strong><br />
Leistungsdruck, Verschulung und<br />
ökonomischem Verwertungszw<strong>an</strong>g,<br />
die sich wie ein roter Faden<br />
durchzieht.<br />
Von einer Einführung in die Problematik<br />
des Bologna-Prozesses<br />
(Stimme aus dem Off: „Wie m<strong>an</strong><br />
als Student mitbekommt, dass alles<br />
l<strong>an</strong>gsam zerfällt”) geht es gleich<br />
weiter zur Audimax-Besetzung,<br />
auf die unmittelbar die Solidarisierung<br />
einer breiten Öffentlichkeit<br />
folgt – vor allem, so suggerieren<br />
die Kurzinterviews, aufgrund des<br />
hohen und ordnungsverliebten<br />
Org<strong>an</strong>isierungsgrades („Haltet<br />
eure Vokü sauber”, „Selbstver-<br />
42 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
<strong>an</strong>twortung”, „Fühl dich wie zu<br />
Hause, wasch ab!”). Die Bewegung<br />
professionalisiert sich, Arbeitsgruppen<br />
werden gebildet, Pressekonferenzen<br />
abgehalten, Sprecher_innen<br />
treten <strong>an</strong> und wechseln sich ab, das<br />
„Experiment Basisdemokratie”<br />
geht in die heiße Phase und „alles<br />
funktioniert” laut einer Studentin<br />
„total schön.”<br />
Die Klimax ist schließlich erreicht,<br />
wenn eine internationale<br />
Besetzungs-Vernetzung höchsten<br />
Grades hergestellt ist, die AG Doku<br />
von einer europäischen Stadt in die<br />
nächste jettet und Anti-Flag, Je<strong>an</strong><br />
Ziegler und Gustav sich die Audimax-Türklinke<br />
in die H<strong>an</strong>d geben.<br />
Ex-Wissenschaftsminister Joh<strong>an</strong>nes<br />
Hahn ist zu keinem Kompromiss<br />
bereit, Uni-Wien-Rektor Winkler<br />
erzählt verträumt von ’68, die<br />
Gruppe „Squatting Teachers”<br />
solidarisiert sich. Und d<strong>an</strong>n geht es<br />
auch schon wieder bergab. Erste<br />
Streitigkeiten stellen sich ein, Müdigkeit<br />
macht sich breit, über das<br />
Klimpern eines Audimax-Pi<strong>an</strong>isten<br />
brüllen sich zwei Besetzer_innen<br />
<strong>an</strong>, ein weißgekleideter Nikolaus<br />
geht vorbei. Der Hörsaal ist fast<br />
leer. Und das Drama darf d<strong>an</strong>n<br />
auch mit der Katastrophe enden:<br />
Die Held_innen sterben nicht (wie<br />
bei Aristoteles), sondern werden<br />
geräumt, in Wien und in allen<br />
solidarischen Städten, ein einsamer<br />
Student zwischen Bullenspalieren<br />
spielt in einem Kölner Hörsaal auf<br />
der akustischen Gitarre Bob Marleys<br />
„Redemption Song”. Da ist er<br />
endlich, der bis zu Minute 68 sehnlich<br />
erwartete Schauer. Schmalzige<br />
Nostalgie, Antonioni pack ein, wir<br />
machen uns die Musikvideos unserer<br />
Politisierung selbst.<br />
D<strong>an</strong>ach wabert es noch ein<br />
Weilchen weiter. Der „Hochschuldialog”<br />
wird zum Scheitern<br />
gebracht, Beatrix Karl wird neue<br />
Wissenschaftsministerin, und die<br />
Vorbereitungen zu den Bologna-<br />
Gipfel-Protesten gehen los. Ein<br />
Fazit wird formuliert: Die Protestbewegung<br />
war erfolgreich, weil<br />
Bildung zum Thema geworden ist.<br />
D<strong>an</strong>n, erstaunlich zynisch in diesem<br />
allzu freundlichen Film: Schwenk<br />
auf den Eignungstest zum Medizinstudium.<br />
Tausende Bewerber_innen<br />
lassen sich von Securitys durchchecken,<br />
bevor sie sich im übervollen<br />
Megahörsaal zur Prüfung<br />
niederlassen. Ende.<br />
Aus 900 Stunden Videomaterial<br />
hat die AG Doku* mit der Wiener<br />
Produktionsfirma Coop99 einen knapp<br />
85-minütigen Kinofilm über die<br />
Bildungsproteste im Herbst 2009<br />
geschnitten. Dabei kommt vieles vor<br />
und vieles zu kurz.<br />
Von Lisa Bolyos<br />
Der Authentizitätsfaktor der<br />
zahlreichen wackelnden Kameras,<br />
die immer g<strong>an</strong>z nah dr<strong>an</strong> sind am<br />
Geschehen, hat Charme und erlaubt<br />
auch unterschiedliche Blickwinkel<br />
auf die Bewegung und ihre viele<br />
kleinen Details. Widersprüche und<br />
Momente der aufregenden Politisierung,<br />
Fragestellungen jenseits<br />
von Bachelor und Master, jenseits<br />
von selbstbezüglicher Mittelschichtskritik<br />
<strong>an</strong> einem l<strong>an</strong>gweiligen<br />
Universitätssystem fallen der<br />
strengen Timeline aber zum Opfer.<br />
Ob es für eine Filmproduktion<br />
genügt, sympathisches Material<br />
chronologisch <strong>an</strong>ein<strong>an</strong>derzureihen<br />
– vielleicht ist das schon zu viel<br />
gefragt. „Wir wollten ja keinen<br />
Film machen, der über die Proteste<br />
reflektiert,” sagt Produzent Antonin<br />
Svoboda. Und das ist (leider)<br />
gelungen. l<br />
„#unibrennt – Bildungsprotest 2.0“<br />
(A <strong>2010</strong>) läuft seit 29.10. in den<br />
österreichischen Kinos.<br />
* Arbeitsgruppe Dokumentation, die aus der<br />
Bewegung unibrennt entst<strong>an</strong>d und in mehreren,<br />
unabhängigen Zusammenhängen die<br />
Proteste auf Video dokumentierte.
Redaktionsschluss Termine 12/10:<br />
02.11.<strong>2010</strong> termine@<strong>an</strong>schlaege.at<br />
fest<br />
musik<br />
5.11., ab 22.00, Wien<br />
Club Quote feat. Chicken Exit (HU),<br />
DJ C, Tomke & Vina Y.<br />
fl uc, 1020, Praterstern, www.fl uc.at<br />
13.11., 22.00, Wien<br />
10 Jahre LADYSHAVE, mit Electric<br />
Indigo u. irradiation, Kosten: 10/VVK<br />
8 Euro,<br />
brut im Künstlerhaus, 1010 Wien,<br />
Karlsplatz 5, T. 01/587 87 74,<br />
www.brut-wien.at,<br />
www.ladyshave.fi nearts.at<br />
20.11., 21.00, Wien<br />
Die Rosa Lila Villa wird 28, Geburtstagsfest<br />
in Kooperation mit MiGay,<br />
nähere Infos zu Redaktionsschluss<br />
noch nicht bek<strong>an</strong>nt, siehe unter<br />
www.villa.at<br />
Rosa Lila Villa, 1060 Wien, Linke<br />
Wienzeile 102, T. 01/586 81 50<br />
ab 17.11., Berlin, Wien u.a.<br />
M.I.A., Tourdaten: 17.11., Berlin,<br />
Columbiahalle; 28.11., München,<br />
Muffathalle; 29.11. Zürich, Rote<br />
Fabrik; 30.11., Wien, Gasometer<br />
bis 5.12., Salzburg u. Wien<br />
Bock auf Kultur <strong>2010</strong>, Benefi z-Festival<br />
zu Gunsten der Flüchtlingshelferin<br />
Ute Bock, Programm unter<br />
www.bockaufkultur.at<br />
film<br />
7.11., 18–23.00, Wien<br />
Laughing matters: Lesbische St<strong>an</strong>dup<br />
Comedy aus den USA, im Rahmen<br />
der Reihe „Das Patriarchat auslachen<br />
Humor als feministische Strategie”,<br />
für Frauen_Lesben_Tr<strong>an</strong>spersonen_<br />
Intersexpersonen<br />
Frauencafé, 1080 Wien, L<strong>an</strong>geg. 11,<br />
www.frauencafe.com<br />
19.11., 18.30, Wien<br />
Lesben im Postkommunismus,<br />
Filmscreening u. Diskussion, mit<br />
J<strong>an</strong>a Cvicova, H<strong>an</strong>a Museion, Anna<br />
Borgos, Dorottya Rédai (Budapest),<br />
Petra Galkova, Moderation: Nina<br />
Hechenberger u. Verena Fabris, auf<br />
Englisch u. Deutsch<br />
Frauenhetz – Feministische Bildung,<br />
Kultur und Politik, 1030 Wien,<br />
Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715<br />
98 88, www.frauenhetz.at<br />
29.11., 17–19.00, Wien<br />
Lesbischer Kultfi lm, für Lesben_Bisexuelle_Tr<strong>an</strong>s*<br />
zwischen 13 u. 20<br />
Jahren<br />
Lila Tipp Lesbenberatung – Beratungs-<br />
und Infostelle in der Rosa Lila<br />
Villa, 1060 Wien, Linke Wienzeile<br />
102, T. 01/586 81 50, www.villa.at<br />
bühne<br />
ab 17.11., 19.30, Wien<br />
Bunbury – The Import<strong>an</strong>ce of being<br />
earnest, von Oscar Wilde, eine Produktion<br />
von Theater SHOWinisten,<br />
mit: Lucy McEvil, Lilly Prohaska,<br />
Sus<strong>an</strong>na Knechtl u.a., Regie: Hubsi<br />
Kramer, weitere Termine: 20., 24.,<br />
27.11., 4., 8., 10.12., Kosten: 18/erm.<br />
12 Euro<br />
3raum Anatomietheater, 1030 Wien,<br />
Beatrixg. 11, T. 0650/323 33 77,<br />
www.3raum.or.at<br />
ab 27.11., 20.00, Wien<br />
Who shot the Princess? Boxstop<br />
Telenovelas, Erstaufführung, Konzept,<br />
Regie, Text, Sound: Gin/i Müller, mit<br />
Flor Edwarda Gurrola, weitere Termine:<br />
28., 29., 30.11., 1.12., Kosten:<br />
13/erm. 7 Euro<br />
brut im Künstlerhaus, 1010 Wien,<br />
Karlsplatz 5, T. 01/587 87 74, www.<br />
brut-wien.at,<br />
seminar<br />
workshop<br />
5.–7.11., Schw<strong>an</strong>berg<br />
I love my Vagina: Feminismus-<br />
Seminar für Einsteigerinnen ohne<br />
Vorkenntnisse, ver<strong>an</strong>staltet vom<br />
Feminismus-Stammtisch der Grünalternativen<br />
Jugend Steiermark, UKB:<br />
20 Euro, Fahrtkosten, Unterkunft u.<br />
Verpfl egung gratis,<br />
Anm. unter www.gaj-stmk.at<br />
ab 6.11., Wien<br />
Feminist/queer Radio-Grundkurs<br />
bei Radio ORANGE 94.0, Fokus<br />
auf queer/feministische Radioarbeit<br />
in Inhalt u. Form, Trainer_innen:<br />
Renate Strauss, Sushila Mesquita,<br />
Petra Y, Nino Jaeger, Termine:<br />
6.11., 10–18.00 Einführung; 11.11.,<br />
17–21.00, Akustisches Gestalten;<br />
12.11., 17–21.00, Recht; 16.11.,<br />
17–21.00, Live-Radio; Kosten: 34<br />
Euro, kostenlos f. Erwerbslose, Anm.<br />
bis 1.11. unter www.o94.at od. Tel.<br />
01/319 09 99<br />
ORANGE 94.0 – Das Freie Radio in<br />
Wien, 1200 Wien, Klosterneuburger<br />
Str. 1, T. 01/31 909 99, www.o94.at<br />
13.11., 10–21.00, Wien<br />
Wen DO – Feministische Selbstverteidigung<br />
für Frauen und Mädchen:<br />
„Eingreifen gegen Rassismus”, Kosten:<br />
20–120 Euro (Gehaltsstaffel),<br />
Informationen u. Anm. bis 3.11. unter<br />
T. 01/408 50 57<br />
FZ, 1090 Wien, Währingerstr. 59,<br />
Stiege 6, http://wolfsmutter.at/sistaz/<br />
wendo_wien/wendo.php<br />
16.11., 18.00, Wien<br />
Linux-Workshop, for ladyz* only<br />
w23, 1010 Wien, Wipplingerstr. 23,<br />
http://techbabbel.raw.at<br />
26.11., 16.30–19.30, Wien<br />
Wirtschaft <strong>an</strong>ders denken, Workshop<br />
mit Barbara Schöllenberger, kein<br />
Wirtschaftswissen od. Vorkenntnisse<br />
nötig, ab 20.00 Buchpräsentation<br />
mit den Autorinnen von „Wirtschaft<br />
<strong>an</strong>ders denken: Feministische Wirtschaftsalphabetisierung”,<br />
Anm. bis<br />
19.11., UKB: Spende<br />
Frauenhetz – Feministische Bildung,<br />
Kultur und Politik, 1030 Wien,<br />
Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715<br />
98 88, www.frauenhetz.at<br />
30.11., 18.00, Wien<br />
LaTeX-Workshop, for ladyz* only<br />
w23, 1010 Wien, Wipplingerstr. 23,<br />
http://techbabbel.raw.at/<br />
4. u. 5.12., 10–19.00, Wien<br />
Wen DO – Feministische Selbstverteidigung<br />
für Frauen und Mädchen:<br />
Grundkurs „Sich verteidigen und<br />
gegen Sexismus h<strong>an</strong>deln”, Kosten:<br />
20–120 Euro (Gehaltsstaffel), Informationen<br />
u. Anm. bis 24.11. unter T.<br />
01/408 50 57<br />
FZ, 1090 Wien, Währingerstr. 59,<br />
Stiege 6, http://wolfsmutter.at/sistaz/<br />
wendo_wien/wendo.php<br />
vortrag<br />
diskussion<br />
6.–7.11., Berlin<br />
Frauengesundheit, 17. Jahrestagung<br />
des Arbeitskreis Frauengesundheit<br />
in Medizin, Psychotherapie und<br />
Gesellschaft, Kosten: 30–100 Euro,<br />
6.11., 20.00: AKF-Frauenfest, UKB:<br />
25 Euro, Anm. f. die Tagung unter: T.<br />
030/86 393-316 od. buero@akf-info.<br />
de, Ort: Hotel Christophorus, 13587<br />
Berlin, Schönwalder Allee 26/3<br />
AKF, 10713 Berlin, Sigmaringer Str.<br />
1, T. 030/86 393-316,<br />
www.akf-info.de<br />
8.11., 19.00, Wien<br />
AsylwerberInnen und Obdachlose<br />
in Österreich heute: Die Frage<br />
nach Alternativen, im Rahmen der<br />
Reihe „Doppel-Porträt”, mit Ute<br />
Bock u. Cecily Corti, Moderation:<br />
Radov<strong>an</strong> Grahovac u. Peter Kreisky,<br />
<strong>an</strong>schließend Filmprojektion aktueller<br />
Projekte der Aktivistinnen u. Buffet<br />
Fleischerei Experimentaltheater,<br />
1070 Wien, Kircheng. 44, T. 01/524<br />
07 38, www.experimentaltheater.com<br />
ab 8.11., 19.00, Wien<br />
Ver<strong>an</strong>staltungsreihe „Culture of<br />
Control? Überwachung, Kontrolle und<br />
Subjektivierung”, Konzept u. Org<strong>an</strong>isation<br />
Ulrike Mayer u. Odin Kroeger, u.a.<br />
8.11.: Andrea Kretschm<strong>an</strong>n: Kontrollkulturen<br />
– Felder, Formen und AkteurInnen<br />
der Überwachung, 24.1.2011:<br />
Gundula Ludwig „Geschlecht und<br />
Heteronormativität überwachen”<br />
Depot, 1070, Breite Gasse 3,<br />
http://depot.or.at<br />
10.11., 18.30, Wien<br />
„Fin<strong>an</strong>zierungen & Kredite”, im<br />
Rahmen der Vortragsreihe „Frauen<br />
und Geld”, Vortragende: D<strong>an</strong>iela Orlik,<br />
UKB: 7 Euro, Anm. bis 7.11. bei elke.<br />
spitzer@prokonzept.at, T. 01/817 41 44<br />
Institut Frauensache, 1030 Wien,<br />
Obere Viaduktg. 24, T. 01/89 58 440,<br />
www.frauensache.at<br />
12.11, 18.00, Wien<br />
„Welches Wissen gegen die Krise?”<br />
– 25 Jahre BEIGEWUM, mit Brigitte<br />
Unger, Gundula Ludwig, Jörg Flecker,<br />
Karin Fischer, Moderation: Beat<br />
Weber, Fest nach der Diskussion<br />
1090 Wien, Albert Schweitzer Haus,<br />
Schwarzsp<strong>an</strong>ierstr. 13,<br />
www.beigewum.at<br />
12.11., 17–20.00, Neuenburg/<br />
Neuchâtel<br />
Bologna und Ch<strong>an</strong>cengleichheit, mit<br />
Helene Füger, Thea Weiss Sampietro,<br />
Cátia C<strong>an</strong>deias, Moderation: Julika<br />
Funk, ver<strong>an</strong>staltet vom Verein Feministische<br />
Wissenschaft Schweiz,<br />
Kosten: 20/erm. 10 CHF<br />
Universität Neuenburg, Raum RN.02<br />
im Gebäude der Geisteswissenschaften,<br />
2002 Neuenburg/Neuchâtel,<br />
Espace Louis-Agassiz 1,<br />
www.2unine.ch, www.femwiss.ch<br />
12.11., 15–17.00, Wien<br />
Notate zum Körperregime, mit Birge<br />
Krondorfer, Moderation: Gerlinde<br />
Mauerer<br />
Institut für Soziologie, 1010 Wien,<br />
Rooseveltplatz 2, www.frauenhetz.at<br />
13.11., 19.00, Wien<br />
Was Frauen arm macht, mit Gisela<br />
Notz, Moderation: Birge Krondofer<br />
Frauenhetz – Feministische Bildung,<br />
Kultur und Politik, 1030 Wien,<br />
Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715<br />
98 88, www.frauenhetz.at<br />
17.11., 18.30, Wien<br />
Beharrliche Leiblichkeit: Zur<br />
Vorgeschichte aktueller Embodiment-<br />
Debatten, mit Marlen Bidwell-Steiner<br />
Institut für Wissenschaft und Kunst,<br />
1090 Wien, Bergg. 17, T. 01/317 43 42,<br />
www.univie.ac.at/iwk<br />
22.11., 19.00, Wien<br />
Totgesagte leben länger – Die<br />
österreichische Frauenbewegung, im<br />
Rahmen der Reihe „Nachdrücklich<br />
vorbildlich: Auf den Spuren von<br />
Pionierinnen und Zukunftsfrauen”,<br />
Kosten: 10/erm. 7 Euro<br />
KosmosTheater, 1070 Wien,<br />
Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26,<br />
www.kosmostheater.at<br />
22.11., 19.00, Graz<br />
Burn-out: Wenn Frauen über ihre<br />
Grenzen gehen, mit Beate Kopp-<br />
Kelter, UKB: 8 Euro, Anm. erwünscht<br />
Frauengesundheitszentrum, 8010<br />
Graz, Jo<strong>an</strong>neumring 3, T. 0316/83 79 98,<br />
www.fgz.co.at<br />
25.11., 9.30–21.00, Garching<br />
Liesel Beckm<strong>an</strong>n Symposium <strong>2010</strong>:<br />
Gender in den Wirtschaftswissenschaften,<br />
Teilnahme kostenlos, nähere<br />
Informationen unter: T. 089/289 252<br />
98 od. lbs@tum.de<br />
Institute for Adv<strong>an</strong>ced Study der<br />
Technischen Universität München,<br />
85748 Garching, Lichtenbergstr. 2a,<br />
www.tum-ias.de<br />
3.12., 18.00, Berlin<br />
G(enuss)-Fläche und weibliche Ejakulation,<br />
Impulsgebung u. Erfahrungsaustausch,<br />
Kosten: 3 Euro, mit Dr. Laura Méritt<br />
Exklusivitäten, 10961 Berlin, Fürbringerstr.<br />
2, www.weiblichequelle.de<br />
ausstellung<br />
<strong>an</strong>.künden<br />
1.–30.11., in g<strong>an</strong>z Europa<br />
Europäischer Monat der Fotografi e,<br />
Österreich-Programm unter www.monatderfotografi<br />
e.at u- www.eyes-on.at<br />
Eyes On Infopoint im MUSA, 1010<br />
Wien, Feldererstr. 6–8, Di, Mi, Fr 11–<br />
18.00, Do 11–20.00, Sa 11–16.00,<br />
T.01/4000-84 00, www.musa.at<br />
5.11.–20.2., Wien<br />
Power Up: Female Pop Art, Künstlerinnen:<br />
Sister Corita, Kiki Kogelnik,<br />
Niki de Saint Phalle u.a., Kunsthalle<br />
Wie, Halle 1, 1070 Wien, Museumsquartier,<br />
Museumsplatz 1, tgl.<br />
10–19.00, Do 10–21.00, T. 01/521<br />
89 33, www.kunsthallewien.at<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 43
<strong>an</strong>.künden<br />
ElVira / www.bildergegengewalt.net<br />
9.11. –7.12., Wien<br />
Display, von Schönheitsdiktaten u.<br />
Schönheitsidealen, Künstlerinnen:<br />
Käthe Hager von Strobele, Maria<br />
Hahnenkamp, Ulrike Lienbacher, Mar-<br />
Jessica Lurie, Foto: Petra Cvelbar<br />
Herta Müller, Foto: Annette Pohnert,<br />
Carl H<strong>an</strong>ser Verlag<br />
44 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
16 Tage<br />
Seit seiner offiziellen Initiierung im Jahr<br />
1999 durch die Vereinten Nationen, die auf<br />
die Entführung und Ermordung der Schwestern<br />
Mirabal 1960 zurückgeht, wird der Internationale<br />
Tag gegen die Beseitigung von<br />
Gewalt <strong>an</strong> Frauen weltweit am 25. <strong>November</strong><br />
mit Aktionen und Ver<strong>an</strong>staltungen beg<strong>an</strong>gen.<br />
Der 25. <strong>November</strong> ist auch Startschuss für<br />
die „16 Tage gegen Gewalt <strong>an</strong> Frauen”. Der<br />
10. Dezember, der Internationale Tag der<br />
Menschenrechte, bildet den Abschluss dieser<br />
globalen Kampagne. Damit soll auf die Einhaltung<br />
der Menschenrechte für Frauen und<br />
Mädchen sowie die notwendige Stärkung von<br />
Frauenrechten im Allgemeinen aufmerksam<br />
gemacht werden.<br />
Programm Berlin: www.berlin.de/sen/frauen/<br />
oeff-raum/25_11/index.html, Wien: www.wien.<br />
gv.at/menschen/frauen/ver<strong>an</strong>staltungen/16gewalt.html,<br />
Zürich: www.16tage.ch, und <strong>an</strong>dere<br />
Städte in g<strong>an</strong>z Europa:<br />
www.un.org/depts/dhl/violence<br />
gret Wibmer, Eröffnung: 8.11., 19.00<br />
Fotogalerie Wien/WUK, 1090 Wien,<br />
Währingerstr. 59, Di–Fr 14–19.00,<br />
Sa 10–14.00, T. 01/408 54 62,<br />
www.fotogalerie-wien.at<br />
11.11.–24.11., Graz<br />
Frauen gegen Gewalt: Die kolumbi<strong>an</strong>ische<br />
Frauenorg<strong>an</strong>isation „Org<strong>an</strong>ización<br />
Femenina Popular”, Eröffnung:<br />
10.11., 17.00<br />
Women in Klezmer<br />
Zum siebten Mal bespielt das KlezMORE Festival<br />
Wien mit jüdischer Musik in all ihren Variationen,<br />
von zeitgenössischen Interpretationen bis hin zur<br />
Vielfalt traditioneller Formen. Mit Auftritten von<br />
u.a. Timna Brauer (A), Andrea P<strong>an</strong>cur (D), Jessica<br />
Lurie (USA) und Rodinka (FR) wird die Frauenquote<br />
auch hier gepusht. Voll koscher!<br />
6.–21.11., KlezMORE Festival Vienna,<br />
<strong>an</strong> verschiedenen Spielstätten, Festivalinfo<br />
T. 0676/521 91 04, www.klezmore-vienna.at<br />
Der kalte Schmuck<br />
des Lebens<br />
Unter diesem Titel wird der Literaturnobelpreisträgerin<br />
von 2009, Herta Müller, nun die erste<br />
umfassende Ausstellung gewidmet. Das Literaturhaus<br />
Berlin zeigt Originalm<strong>an</strong>uskripte und<br />
literarische Zeugnisse und bringt auf der Finissage,<br />
auf der der rumänischen Sängerin Maria<br />
T<strong>an</strong>ase gedacht wird, Müller sogar zum Singen.<br />
bis 21.11., Finissage am 17.11. mit Herta<br />
Müller u. S<strong>an</strong>dra Weigl & B<strong>an</strong>d, Literaturhaus<br />
Berlin, 10719 Berlin, Fas<strong>an</strong>enstr. 23, Di–Mi,<br />
Fr–So u. Feiertag 11–19.00, Do 11–21.00,<br />
T. 030/887 286-0, www.literaturhaus-berlin.de<br />
Frauendokumentations- und Projektzentrum,<br />
8010 Graz, Radetzkystr. 18,<br />
Mo, Di, Fr 10–13.00, MI 14–17.00, T.<br />
0316/82 06 28, www.doku.at<br />
bis 14.11., Maria Gugging<br />
mahn – maskulines? Männerbilder<br />
– die Abbildung des M<strong>an</strong>nes und<br />
„Männliches” in der Art Brut<br />
galerie gugging, 3400 Maria Gugging,<br />
Am Campus 2, T. 02243/87 087 381,<br />
www.gugging.org<br />
bis 17.11., Linz<br />
Marlen Haushofer: „Ich möchte<br />
wissen, wo ich hingekommen bin!”<br />
StifterHaus, Adalbert-Stifter-Platz<br />
1, 4020 Linz, T. 0732/77 20-1295,<br />
www.stifter-haus.at<br />
bis 21.11., Jena<br />
Louise Bourgeois: Skulpturen, Zeichnungen<br />
und Druckgrafik<br />
Städtische Museen Jena, Kunstsammlung,<br />
07743 Jena, Markt 7, Di<br />
u. Mi 10–17.00, Do 14–22.00, Sa<br />
u. So 11–18.00, T. 03641/4982-65,<br />
ww.kunstsammlung.jena.de<br />
bis 5.12., Wien<br />
Retrospektive Frida Kahlo<br />
B<strong>an</strong>k Austria Kunstforum, 1010 Wien,<br />
Freyung 8, Mo–So 10–19.00, Fr<br />
10–21.00, T. 01/537 33 26,<br />
www.b<strong>an</strong>kaustria-kunstforum.at<br />
bis 12.12., Wien<br />
Ana Torf: Album/Tracks B<br />
Generali Foundation, 1040 Wien,<br />
Wiedner Haupstr. 15, Di–So, feiertags<br />
11–18.00, Do 11–20.00, Vortrag<br />
Mieke Bal 2.12., 19.00, T. 01/504 98<br />
80, http://foundation.generali.at<br />
bis 13.12., Wien<br />
Das Theater mit dem Gender – 10<br />
Jahre KosmosTheater<br />
Jubiläumsausstellung, Konzept und<br />
Ausführung: Bettina Frenzel, geöffnet<br />
<strong>an</strong> Spieltagen, ab 90 min. vor Vorstellungsbeginn,<br />
Eintritt frei<br />
KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng.<br />
42, T. 01/523 12 26,<br />
www.kosmostheater.at<br />
bis 9.1., Fr<strong>an</strong>kfurt/Main<br />
Not in Fashion – Mode und Fotografie<br />
der 90er Jahre<br />
Museum für Moderne Kunst, 60311<br />
Fr<strong>an</strong>kfurt/Main, Domstr. 10, Di<br />
10–18.00, Mi 10–20.00, Do–So<br />
10–18.00, T. 069/212 304 47,<br />
www.mmk-fr<strong>an</strong>kfurt.de<br />
bis 30.1., Wien<br />
Valie Export: Zeit und Gegenzeit,<br />
Führungen durch die Künstlerin:<br />
3.11. 19–20.00, durch die Kuratorin:<br />
16.11., 17–18.00, Themenführung:<br />
17.11., 19–20.00, Diskussion<br />
„Wegbereiterin und Leitfigur”: 1.12.,<br />
19–20.00, Teilnahme kostenlos,<br />
Anm. unter public@belvedere.at<br />
Unteres Belvedere, Or<strong>an</strong>gerie, 1030<br />
Wien, Rennweg 6, tgl. 10–18.00, Mi<br />
10–21.00, T. 01/79 55 70,<br />
www.belvedere.at<br />
bis 31.1., Wien<br />
Sofia Goscinski: Disorders<br />
Kunsthalle Wien, photo wall & video wall<br />
1070 Wien, Museumsplatz 1, tgl.<br />
10–19.00, Do 10–21.00, T. 01/521<br />
89-0, www.kunsthallewien.at<br />
bis 6.2., München<br />
Tronies – Marlene Dumas und die<br />
Alten Meister<br />
Haus der Kunst, 80538 München,<br />
Prinzregentenstr. 1, Mo–So<br />
10–20.00, Do 10–22.00, T. 089/211<br />
27-115, www.hausderkunst.de<br />
bis 13.2., Speyer<br />
Amazonen – Geheimnisvolle Kriegerinnen<br />
Historisches Museum der Pfalz Speyer,<br />
67346 Speyer, Domplatz 4,<br />
T. 06232/13 25 0,<br />
www.museum-speyer.de<br />
bis 13.3., Wien<br />
Sus<strong>an</strong> Hefuna: 7xANA, Installationsserie<br />
im Rahmen des Projekts<br />
„MAPPING WIEN”<br />
Sigmund Freud Museum, 1090 Wien,<br />
Bergg. 19, tgl. 9–17.00, T. 01/319 15 96,<br />
www.freud-museum.at<br />
lesung<br />
10.11., 19.00, Wien<br />
Angelika Reitzer „Unter uns” u.<br />
Melinda Nadj Abonji „Tauben fliegen<br />
auf”, Einleitung u. Gespräch: D<strong>an</strong>iela<br />
Strigl u. Petra Messner, im Rahmen<br />
der Reihe „Textdialog: Familienmuster<br />
im W<strong>an</strong>del – Zerfließende<br />
Identitäten und starke Charaktere”<br />
Alte Schmiede, Literarisches Quartier,<br />
1010 Wien, Schönlaterng. 9,<br />
T. 01/512 44 46-74,<br />
www.alte-schmiede.at<br />
12.11., 20.00, Wien<br />
Slam b, Poetry Slam, mit Slam-Masterin<br />
Di<strong>an</strong>a Köhle, Anm. ab 19.00, für eigene<br />
Teilnahme mitzubringen: 2 selbst<br />
verfasste Texte zu jew. max. 5 min<br />
Literaturhaus Wien, 1070 Wien,<br />
Zieglerg. 26A, www.literaturhaus.at,<br />
www.slamb.at<br />
24.11., 20.15, Wien<br />
textstrom Poetry Slam, Moderation:<br />
Mieze Medusa, Special Guest: PEH,<br />
Anm. ab 19.30, für eigene Teilnahme<br />
mitzubringen: 2 selbst verfasste Texte<br />
zu jew. max. 5 min<br />
rhiz, 1080 Wien, Gürtelbogen 37,<br />
http://rhiz.org,<br />
www.miezemedusa.com<br />
3.12., 19.00, Wien<br />
Lydia Mischkulnig „Streifzug oder<br />
Moralischer Kater” u. Sabine Scholl<br />
„Euphorie und Schässburg-Gefühl”,<br />
Lesungen und Diskussion, im Rahmen<br />
der Reihe „mitSPRACHE unterwegs<br />
– Literarische Reportagen”<br />
Alte Schmiede, Literarisches Quartier,<br />
1010 Wien, Schönlaterng. 9, T.<br />
01/512 44 46-74,<br />
www.alte-schmiede.at<br />
aktivitäten<br />
jeden 1. Do, ab 18.00, Wien<br />
Offenes Plenum des Frauencafé<br />
Kollektivs<br />
Frauencafé, 1080 Wien, L<strong>an</strong>geg. 11,<br />
www.frauencafe.com<br />
jeden 1. Do, ab 18.30, Wien<br />
Plenum des FrauenLesbenMädchen-<br />
Zentrums<br />
1090 Wien, Währinger Str. 59/Stiege<br />
6, T. 01/408 50 57, http://fz-bar.<br />
wolfsmutter.com<br />
jeden Do u. Fr, 18–24.00, Wien<br />
Feministische Kneipe, für Frauen_Lesben_Tr<strong>an</strong>spersonen_Intersexpersonen<br />
Frauencafé, 1080 Wien, L<strong>an</strong>geg. 11,<br />
www.frauencafe.com<br />
Do, 16.30–18.30, Hamburg<br />
Das LesbenTreff-Café, für Lesben<br />
jeden Alters<br />
20357 Hamburg, Glashüttenstr. 2, T.<br />
040/24 50 02, www.lesbenvereinintervention.de
5.–7.11., Salzburg<br />
Herbst.T<strong>an</strong>z <strong>2010</strong> – t<strong>an</strong>zimpulse<br />
Salzburg. Workshop: Butoh, mit<br />
Yumiko Yoshioka, Anm. unter<br />
workshops<strong>2010</strong>@t<strong>an</strong>zimpulse.at u. T.<br />
0676/97 55 293<br />
t<strong>an</strong>z_house, ARGEkultur, 5020<br />
Salzburg, Ulrike-Gschw<strong>an</strong>dtner-Str. 5,<br />
www.t<strong>an</strong>zimpulse.at<br />
8. u. 22.11., zw. 17 u. 19.00, Wien<br />
Offener Abend zum Selbstgestalten,<br />
für Lesben_Bisexuelle_Tr<strong>an</strong>s*<br />
zwischen 13 u. 20 Jahren<br />
Lila Tipp Lesbenberatung – Die Beratungs-<br />
und Infostelle in der Rosa Lila<br />
Villa, 1060 Wien, Linke Wienzeile<br />
102, T. 01/586 81 50, www.villa.at<br />
25.11., Wien<br />
FrauenMädchenLesbenDemo <strong>an</strong>lässlich<br />
des Internationalen Tags gegen Gewalt<br />
<strong>an</strong> Frauen, Information u. Terminbek<strong>an</strong>ntgabe<br />
f. Vorbereitungstreffen unter<br />
lesbenfrauennachrichten@gmx.at<br />
Autonomos FrauenLesbenMädchen-<br />
Zentrum, 1090 Wien, Währingerstr. 59/<br />
Stiege 6, 2. Stock, T. 01/408 50 57,<br />
http://fz-bar.wolfsmutter.com<br />
beratung<br />
ab 1.11., 18–20.00, Hamburg<br />
Projektwerkstatt: Coming Out, für<br />
junge Lesben/Bisexuelle, weitere Termine:<br />
8., 15., 22., 29.11., Anm. unter<br />
jlz@lesbenverein-intervention.de<br />
Lesbenverein Intervention, 20357<br />
Hamburg, Glashüttenstr. 2,<br />
T. 040/43 04 624,<br />
www.lesbenverein-intervention.de<br />
Marta Carbayo „Won Wom<strong>an</strong> Show”, Foto: Chapitó<br />
jeden 2. u. 4. Sa, 14–18.00, Wien<br />
Frauen-Lesben-Theatergruppe, für<br />
Frauen und Mädchen jeden Alters,<br />
Infos: Regina Stierschneider, T.<br />
0664/186 06 13, regina@elektrobox.com<br />
FZ – Autonomes FrauenLesbenMädchenZentrum,<br />
1090 Wien, Währinger<br />
Str. 59/Stiege 6<br />
Do, 17.30–20.45, Wien<br />
SAPPHO – Psychotherapeutische<br />
Gruppe für lesbische und bisexuelle<br />
Frauen: Das zufriedene les-bi-sche Ich<br />
bin Ich, 14-tägig jeweils Do, Kosten: 48<br />
Euro pro Abend, Anm.: T. 01/585 69 66<br />
Beratungsstelle COURAGE, 1060<br />
Wien, Windmühlg. 15/1/7,<br />
www.courage-beratung.at<br />
ab 3.11., <strong>an</strong> verschiedenen Orten in<br />
Vorarlberg<br />
FEMAIL-Sprechtage, kostenlose u.<br />
vertrauliche Information u. Beratung<br />
zu Themen wie Beihilfen, Karenz,<br />
Wiedereinstieg, Bildung, Gesundheit,<br />
Trennung u. Pension, Sprechtage in<br />
den Regionen mit Claudia Bernard und<br />
Sevinç Kapaklı – Termine unter<br />
T. 05522/31002, www.femail.at<br />
ab 18.11., 18–21.00, Wien<br />
Jahres-Gruppe für Frauen im Aufbruch,<br />
Coaching, Begleitung u. Beratung für<br />
Themen wie Lebenspl<strong>an</strong>, Lebensbal<strong>an</strong>ce,<br />
Lebensentwürfe, Veränderungsprozesse,<br />
Leitung: D<strong>an</strong>iela Reiter, Termine:<br />
18.11., 16.12., 20.1., 17.2., 17.3.,<br />
28.4., 19.5., 16.6.2011, Kosten: 72<br />
Euro/Abend, max. 8 Teilnehmerinnen,<br />
Anm. u. Information: T. 0699/10 52 61<br />
47 od. d<strong>an</strong>iela.reiter@diereiter.at<br />
Seminarzentrum Lindengasse, 1070<br />
Wien, Lindeng. 30/12, www.diereiter.at<br />
Ansichten einer Clownin<br />
Mit oder ohne rote Nase treten sie wieder auf, die Clowns<br />
des internationalen „CLOWNIN”-Festivals in Wien, eines<br />
der insgesamt nur drei Clownfrauen-Festivals auf<br />
der g<strong>an</strong>zen Welt (neben Andorra und Rio de J<strong>an</strong>eiro). An<br />
neun Festivaltagen werden dem erwachsenen Publikum<br />
Stücke heimischer und internationaler Künstlerinnen gezeigt,<br />
darunter zwei Uraufführungen und zahlreiche österreichische<br />
Erstaufführungen. Das Festival wird durch<br />
einen theoretischen Diskurs und Workshops begleitet.<br />
26.11.–4.12., CLOWNIN – Das internationale Clownfrauenfestival<br />
<strong>2010</strong>, KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterngasse<br />
42, Eröffnung 26.11., Diskursabend<br />
29.11. u. Closing Party 4.12. bei freiem Eintritt,<br />
T. 01/523 12 26, www.kosmostheater.at, www.clownin.at<br />
radio<br />
fixtermine<br />
Mo 18–19.00, Wien<br />
Khorschid Kh<strong>an</strong>um – Die persischsprachige<br />
Frauensendung<br />
Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 1. Mo<br />
Mo 19–20.00, Kärnten<br />
Frauenstimmen – Glas zena<br />
Radio Agora 105.5 MHz (Dobrac),<br />
wöchentlich<br />
Mo 21–22.00, Schweiz<br />
K-Punkt Kalila – Feminine und<br />
feministische Themen<br />
K<strong>an</strong>al K 94.9 MHz (Aargau),<br />
Livestream auf http://k<strong>an</strong>alk.ch,<br />
wöchentlich<br />
Di, 13–14.00, Wien<br />
Globale Dialoge – Women on Air<br />
Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, wöchentlich<br />
Di, 18–19.00, Wien<br />
Weibertalk – Sendung des Autonomen<br />
FrauenLesbenZentrums Innsbruck<br />
Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 2. Di<br />
Di, 20–21.00, Deutschl<strong>an</strong>d<br />
Mrs. Pepsteins Welt – Feminismus-<br />
Allüren und Musik, Musik, Musik<br />
Radio Blau 99.2 MHz (Leipzig),<br />
www.mrspepstein.de, alle 4 Wochen<br />
Di, 21–22.00, Wien<br />
female:pressure – Feministisches<br />
Magazin zu Musik- und Clubkultur<br />
Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 2. Di<br />
Mi 18–18.30, Salzburg<br />
Frauenzimmer – Plattform für eine<br />
frauenspezifische Information<br />
Radiofabrik 107.5 MHz (Salzburg<br />
Stadt), wöchentlich<br />
Mi 18–19.00, Wien<br />
Bauch, Bein, Po – Die Sendung für<br />
die g<strong>an</strong>ze Frau<br />
Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 2. Mi<br />
Fr 18–19.00, Wien<br />
Radio UFF – Sendung des Unabhängigen<br />
FrauenForums<br />
Or<strong>an</strong>ge 94.0 MHz, jeden 1. Fr<br />
Fr 19–20.00, Oberösterreich<br />
SPACEfemFM Frauenradio<br />
Radio FRO 105.0 MHz (Linz), jeden<br />
1., 3. u. 4. Fr<br />
Ann Liv Young/Cinderella, Foto: Michael Guerrero<br />
Foto: Vina Yun<br />
Give me a grrr!<br />
Sa 18–19.00, Deutschl<strong>an</strong>d<br />
Rainbow City – Radio für Lesben und<br />
Schwule<br />
97.2 MHz (Berlin), Livestream<br />
auf www.radiorainbowcity.de,<br />
wöchentlich<br />
Sa 19–20.00, Steiermark<br />
Bertas Bücherstunde – Das feministische<br />
Literaturmagazin<br />
Radio Helsinki 92.6 MHz (Graz),<br />
jeden 4. Sa<br />
So, 19–20.00, Tirol<br />
Weibertalk – Sendung des Autonomen<br />
FrauenLesbenZentrums<br />
Innsbruck<br />
FREIRAD 105.9 MHz<br />
(Innsbruck),jeden 1. So<br />
Cindarella Story<br />
adv<strong>an</strong>ced<br />
<strong>an</strong>.künden<br />
Erklären die jungen Feministinnen die Zweite Frauenbewegung<br />
für tot? Warum nennen sie sich zumeist „Mädchen”<br />
oder „Girls” und nicht Frauen? Wer sind die Riot<br />
Grrrls, und welche Rolle spielt das Internet in Sachen<br />
Vernetzung? Diesen und <strong>an</strong>deren Fragen wird in einem<br />
Seminar auf dem Frauenferienhof Moin Moin mit Feministin,<br />
Aktivistin und Unternehmerin Steph<strong>an</strong>ie Mayfield<br />
nachgeg<strong>an</strong>gen.<br />
12.–14.11., Kosten: 199 Euro, Anm. unter www.frauenferienhof.de,<br />
Moin Moin Frauenferienhof Ostfriesl<strong>an</strong>d,<br />
26446 Friedeburg, Zum Lengener Meer 2,<br />
T. 04956/4956, www.steph<strong>an</strong>ie-mayfield.de<br />
Die Südstaaten-Cinderella Shelly (aka Starperformerin<br />
Ann Liv Young) ist so gar nicht nach<br />
den Gebrüdern Grimm: Sie pfeift auf Prince Charming,<br />
ist vielmehr fasziniert von weiblicher Macht<br />
und davon überzeugt, dass ihr kein Märchenprinz<br />
zu ihrem Glück fehlt. Shelly ist dreist, aufdringlich,<br />
schmuddelig, und versucht, sich „fit for feminism”<br />
zu machen. Nichts mit Schuhprinzessin!<br />
ab 11.11., Cinderella, österreichische Erstaufführung,<br />
mit Ann Liv Young u. Michael Guerrero,<br />
weitere Termine: 12.–14.11., Kosten: 13/<br />
erm. 7 Euro<br />
brut/Konzerthaus, 1030 Wien, Lothringerstr.<br />
20, T. 01/587 87 74, www.brut-wien.at,<br />
www.<strong>an</strong>nlivyoung.com<br />
<strong>November</strong> <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> l 45
zappho des monats<br />
46 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> gibt’s in folgenden Buchh<strong>an</strong>dlungen:<br />
Fachbuchh<strong>an</strong>dlung ÖGB 1010 Rathausstr. 21<br />
Kuppitsch 1010 Schottengasse 4<br />
Morawa 1010 Wollzeile 11<br />
Winter 1010 Rathausstr. 18<br />
Frick International 1010 Schulerstr. 1-3<br />
tiempo 1010 Joh<strong>an</strong>nesgasse 16<br />
Facultas 1010 Universitätsstr. 7<br />
Lhotzkys Literaturbuffet 1020 Taborstraße 28<br />
Buchh<strong>an</strong>dlung polycollege 1050 Reinprechtsdorferstr. 38<br />
phil 1060 Gumpendorferstr. 10-12<br />
Südwind 1070 Mariahilferstr. 8<br />
Tabak Trafik Brosenbauch 1070 Kaiserstr. 96<br />
und auch in vielen Städten in Deutschl<strong>an</strong>d.<br />
Vollständige Liste der Verkaufsstellen auf:<br />
www.<strong>an</strong>schlaege.at<br />
www.myspace.com/<strong>an</strong>.schlaege<br />
Vorschau auf die Dezember/Jänner-Ausgabe:<br />
Fat Feminism<br />
Neoliberale Körperpolitiken torten<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> tv<br />
8.11., 21.00<br />
auf OKTO<br />
webstream:<br />
www.okto.tv<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>-tv präsentiert:<br />
Zur Diskussionsreihe von<br />
SYNEMA „Frauen Arbeit Film”:<br />
Gespräche mit Brigitte Mayr<br />
u.v.m. über innovative Role-<br />
Models und neue Frauenbilder.<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>-Abopreise:<br />
Schnupperabo (3 Hefte): 10/12* Euro<br />
Jahresabo (10 Hefte): 35/ermäßigt 29/45* Euro<br />
Unterstützungsabo (10 Hefte): 43/53* Euro<br />
* Gültig für Europa, weitere Ausl<strong>an</strong>dspreise auf Anfrage.<br />
Weitere Infos unter abo@<strong>an</strong>schlaege.at oder auf<br />
www.<strong>an</strong>schlaege.at.<br />
Riedl 1080 Alser Str. 39<br />
Löwenherz 1090 Berggasse 8<br />
Südwind 1090 Schwarzsp<strong>an</strong>ierstr. 15<br />
Infoladen Infomaden 1110 Wiel<strong>an</strong>dgasse 2-4<br />
Infoladen Treibs<strong>an</strong>d 4040 Rudolfstr. 17<br />
Kulturverein Waschaecht 4600 Dragonenstr. 22<br />
Rupertusbuchh<strong>an</strong>dlung 5020 Dreifaltigkeitsgasse 12<br />
Wagnersche Buchhdlg. 6020 Museumstr. 4<br />
Amazone-Zentrum 6900 Brockm<strong>an</strong>ngasse 15<br />
Berta – Bücher & Produkte 8020 Siebenundvierzigergasse 27<br />
Hacek-Bücherei 9020 Paulitschgasse 5/7<br />
KBuch 9020 Universitätsstr. 90<br />
FRAUENHOTEL artemisia BERLIN<br />
Zimmer zum Wohlfühlen in Citylage. Ab 39,- Euro.<br />
Br<strong>an</strong>denburgische Str. 18, 10707 Berlin, T 0049 30 8738905<br />
artemisia@frauenhotel-berlin.de, www.frauenhotel-berlin.de
Gender Check –<br />
Narratives <strong>an</strong>d Exhibition<br />
Practices<br />
SymPoSium<br />
19./20. <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
Eine Initiative der<br />
Homöopathie<br />
für Frauen<br />
Dr. a Maria Pertiller<br />
Fachärztin für Allgemeinmedizin<br />
ÖAK-Diplom Homöopathie<br />
und Akupunktur<br />
und begleitende Krebstherapien<br />
Telefon und Fax: 01/416 54 56<br />
1140 Wien, Lützowgasse 8/4/3<br />
Ordination nach Vereinbarung<br />
keine Kassen
Jetzt<br />
abonnieren.<br />
Schnupperabo (3 Hefte): 10 / 12* Euro<br />
Jahresabo (10 Hefte): 35 (ermäßigt 29) / 45* Euro<br />
Unterstützungsabo (10 Hefte): 43 / 53* Euro<br />
* gültig für Europa, weitere Ausl<strong>an</strong>dspreise auf Anfrage<br />
Infos und Bestellungen unter abo@<strong>an</strong>schlaege.at oder auf www.<strong>an</strong>schlaege.at<br />
Start des Mentoring-<br />
Programms <strong>an</strong> der Uni Wien –<br />
Bewerbungsfrist jetzt!<br />
Die Abteilung Frauenförderung und Gleichstellung der Universität Wien lädt Postdoktor<strong>an</strong> dinnen<br />
und Habilit<strong>an</strong>dinnen der Universität Wien sowie Postdoktor<strong>an</strong>dinnen, die sich um<br />
eine Anstellung <strong>an</strong> der Universität Wien bewerben wollen, ein, sich für das<br />
Mentoring-Programm muv als Mentee zu bewerben. Das neue Programm läuft<br />
von März 2011 bis Jänner 2012. Die Bewerbungsfrist endet am 15. <strong>November</strong> <strong>2010</strong>.<br />
Bewerbungsunterlagen und weitere Infos:<br />
http://personalwesen.univie.ac.at/frauenfoerderung/mentoring/<br />
E-Mail: mentoring.frauenfoerderung@univie.ac.at<br />
<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> Nr. 11/10, 24. Jahrg<strong>an</strong>g, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M