Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge
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lese.zeichen<br />
40 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>dezember jänner <strong>2005</strong> <strong>2006</strong><br />
Das dritte Geschlecht<br />
Hijras, das Dritte Geschlecht in Indien,<br />
sind legendär: Die Verkörperung der<br />
Thesen Judith Butlers, der lebende Beweis,<br />
dass ein Leben jenseits binärer Geschlechterkategorien<br />
„problemlos“<br />
möglich ist. Eva Fels, Ethnologin und<br />
Obfrau der Tr<strong>an</strong>sgendervereinigung<br />
Tr<strong>an</strong>sX, hat sich auf die Suche nach dieser<br />
scheinbaren Alternative begeben.<br />
Zwei Monate l<strong>an</strong>g war sie in Indien, herausgekommen<br />
ist dabei eine Mischung<br />
aus wissenschaftlicher Untersuchung<br />
und Erlebnisbericht. Das macht das<br />
Buch einerseits gut lesbar, bisweilen<br />
schweift Fels aber zu weit in persönliche<br />
Episoden ab, und auch die Erzählung<br />
einer Unzahl <strong>an</strong> Mythen ist sicher<br />
nicht jedermenschs Sache. Aber das<br />
sind Pe<strong>an</strong>uts im Vergleich dazu, was das<br />
Buch zu bieten hat. Denn die LeserInnen<br />
bekommen eine Fülle <strong>an</strong> Informationen<br />
über Hijras geliefert. Wohltuend<br />
dabei: Eva Fels idealisiert nicht, sondern<br />
zeichnet ein sehr differenziertes Bild,<br />
das zeigt: So problemlos ist das Leben<br />
der Hijras wahrlich nicht. Als Betroffene<br />
hat Fels – und das macht eine Qualität<br />
des Buches aus – g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Zugänge<br />
zu Hijras, als <strong>an</strong>dere WissenschafterInnen<br />
vor ihr gefunden haben. Nicht nur,<br />
dass sie als „Schwester“ <strong>an</strong>ders aufgenommen<br />
wird. Sie stellt auch <strong>an</strong>dere<br />
Fragen, die sich u.a. aus ihrer eigenen<br />
Geschichte und der österreichischen Erfahrung<br />
ergeben. Ein Nebenprodukt ihrer<br />
Spurensuche über „die Anderen“ ist<br />
daher auch ein Bild über „das Eigene“,<br />
über den rigiden Umg<strong>an</strong>g der westlichen<br />
Gesellschaften mit geschlechtlichen<br />
Uneindeutigkeiten.<br />
Karin Eckert<br />
Eva Fels: Auf der Suche nach dem dritten Geschlecht.<br />
Bericht über eine Reise nach Indien und über die<br />
Grenzen der Geschlechter.<br />
Promedia, <strong>2005</strong>, 19,90 Euro<br />
Vergebliche Liebesmüh<br />
Wenn Traute Berssen erzählt, d<strong>an</strong>n bezirzt<br />
sie die Lesenden mit Stimmungen<br />
und hüllt sie in atmosphärisch dichte<br />
Formulierungen, lässt Gefühle der Akteurinnen<br />
und der Lesenden aus dem<br />
Ruder laufen. Wenn Traute Berssen erzählt,<br />
d<strong>an</strong>n schafft sie aber auch heftige<br />
Zäsuren in Form von Sprach- und Inhaltsplattheiten,<br />
die nach rosa-Herzchen-Gewürg<br />
klingen. Der Ablauf ist<br />
häufig so: Frau gleitet auf schönen Sätzen<br />
in eine Geschichte hinein. Ein witziger,<br />
origineller Plot blinzelt durch die<br />
Seiten – so sind z.B. Or<strong>an</strong>gen ver<strong>an</strong>twortlich<br />
für den Beginn einer Frauen-<br />
Liebesgeschichte („Zeit der Or<strong>an</strong>gen“).<br />
Und in „Die alte Pretty Bell“ erfreut eine<br />
die skurril <strong>an</strong>mutende Hauptfigur.<br />
Schwenk: Frauen-Beziehung; die muss<br />
da rein, koste es was es wolle, und sie<br />
sticht zu mit dem Kitschfinger, das es<br />
weh tut (z.B. „Bei Woolworth sagt m<strong>an</strong><br />
nicht Pardon“). Feine Töne und Nu<strong>an</strong>cen<br />
werden überrollt und lassen eine<br />
mit dem schalen „Nicht schon wieder!“<br />
zurück. Der thematischen Klammer<br />
„Lesbische Beziehung“ hätte es bei diesen<br />
Erzählungen vielleicht gar nicht<br />
bedurft, die Texte würden teilweise<br />
auch ohne funktionieren. So aber<br />
bleibt der schale Geschmack vergeblicher<br />
Liebesmüh.<br />
Petra Öllinger<br />
Bitte hier Frauenzimmer-<br />
Inserat reinstellen<br />
Traute Berssen: In Rot und Moll. Erzählungen.<br />
Ulrike Helmer Verlag, <strong>2005</strong>, 13,30 Euro<br />
Ch<strong>an</strong>cenlos in Berlin<br />
„In Berlin vielleicht“ hätte vielleicht ein<br />
großartiger Rom<strong>an</strong> werden können –<br />
die Story würde es jedenfalls hergeben.<br />
Deutschl<strong>an</strong>d am Ende des 19. Jahrhunderts:<br />
Lene ist ein Mädchen der unter-<br />
sten Schicht, musste schon mit fünf Jahren<br />
am Bauernhof arbeiten. Mit 14 geht<br />
sie in die große Stadt, weil dort ja <strong>an</strong>geblich<br />
alles besser ist. Aber hungern<br />
und schuften bis zum Umfallen muss<br />
sie auch in Berlin. Wie ch<strong>an</strong>cenlos uneheliche<br />
Töchter ebenso ch<strong>an</strong>cenloser<br />
Mütter damals waren, wird über weite<br />
Teile sehr deutlich. Während die aufkeimende<br />
ArbeiterInnenbewegung ihre –<br />
noch verbotenen – Versammlungen abhält,<br />
bekommt Lene eine nach der <strong>an</strong>deren<br />
über den Schädel gezogen. Schließlich<br />
steht sie mit Baby, ohne Kindsvater<br />
und völlig mittellos auf der Straße. Hier<br />
nimmt die Geschichte eine eigenartige<br />
Wendung und der Schluss hat fast etwas<br />
von einem Groschenrom<strong>an</strong>-Happy-<br />
End. Natürlich: Auch die Geschichte einer<br />
Lene muss nicht immer katastrophal<br />
enden, aber die zwischendurch spürbare<br />
historische Bedeutung des Rom<strong>an</strong>s geht<br />
durch diese Verklärung verloren.<br />
Vielleicht sollte frau das letzte Kapitel<br />
einfach auslassen, d<strong>an</strong>n ist das Buch<br />
durchaus zu empfehlen.<br />
Gabi Horak<br />
Gabriele Beyerlein: In Berlin vielleicht.<br />
Thienem<strong>an</strong>n <strong>2005</strong>, 16,90 Euro<br />
Die besondere Tochter<br />
Viola Roggenkamp hat ein Buch über eine<br />
Tochter geschrieben. Erika M<strong>an</strong>n ist<br />
dieses Buch gewidmet, der mutigen Kabarettistin<br />
und ihrer größten Rolle als<br />
Tochter, die als „herrliches Kind“ ihres<br />
Vaters deutsch und als Tochter ihrer<br />
Mutter eine Jüdin ist. Sie erscheint in einer<br />
Tradition, deutsch und jüdisch zu<br />
sein und so zu tun, als wäre dies beides<br />
kein Problem. Es war aber eines. Homosexuell<br />
zu sein war keines. Nicht in der<br />
Familie M<strong>an</strong>n. „Das Homosexuelle war<br />
nicht heimlich und nicht wirklich heikel.