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Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge

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<strong>an</strong>.kl<strong>an</strong>g<br />

Angie Reed: „XYZ Frequency“<br />

Sampler: „Grlz – Women Ahead<br />

Of Their Time“<br />

Maximum Joy: „Unlimited<br />

(1979-83)“<br />

As Mercenarias: „O Começo Do<br />

Fim Do Mundo“<br />

Madonna: „Confessions On A<br />

D<strong>an</strong>ce Floor“<br />

38 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>dezember jänner <strong>2005</strong> <strong>2006</strong><br />

Winter, was heißt hier Winter?<br />

Platten, die das Herz – auch von Beschenkten – wärmen, eine Empfehlung<br />

von Sonja Eism<strong>an</strong>n und Ute Hölzl<br />

Eines muss m<strong>an</strong> Madonna lassen:<br />

Nach jahrzehntel<strong>an</strong>ger Karriere als<br />

eine der größten weiblichen Popstars<br />

wird sie immer noch nicht<br />

müde, für jedes neue Album eine<br />

neue öffentliche Persona für sich zu kreieren.<br />

Für ihre neue Platte „Confessions On<br />

A D<strong>an</strong>ce Floor“ darf es also die rotgefärbte<br />

Disco-Diva sein, die in den Glitzersound<br />

der 1970er eintaucht. Dass sie damit wieder<br />

einmal auf einen Zug aufspringt, den<br />

l<strong>an</strong>ge vor ihr schon <strong>an</strong>dere, eher im Untergrund<br />

werkende ElektronikerInnen ins<br />

Rollen gebracht haben, tut ihrem Unternehmen<br />

keinen Abbruch, denn wie wurde<br />

es vor kurzem so schön <strong>an</strong> <strong>an</strong>derer Stelle<br />

gesagt:Wenn ein Hype scheinbar schon<br />

so richtig durch ist, kommt Madonna,<br />

setzt sich drauf und macht erst recht ein<br />

amtliches Massenphänomen daraus. Sie<br />

ist damit mitnichten die Trendsetterin, die<br />

viele so gerne in ihr sehen wollen, sondern<br />

eine geschickt kalkulierende Shopperin<br />

auf dem Markt der potenziellen Hits, wie<br />

auch ihre jetzige Zusammenarbeit mit<br />

Jacques Lu Cont von Zoot Wom<strong>an</strong> und Les<br />

Rhythmes Digitales beweist. Die Songs<br />

auf „Confessions“ sind glatt und perfekt<br />

produzierter Elektropop, der mit 1980er-<br />

Styles, Mainstream-House und Neosynthpop<br />

mindestens genauso flirtet wie mit<br />

der Glamourzeit der 1970er. Die Texte, die<br />

sich bis auf die umstrittene Hymne auf<br />

Rabbi „Isaac“ um b<strong>an</strong>ale Boy-Meets-Girl-<br />

Rom<strong>an</strong>tik drehen, nimmt m<strong>an</strong> der gestählten,<br />

47-jährigen Business- und Familienfrau<br />

allerdings nicht mehr so g<strong>an</strong>z ab –<br />

aber um emotionale Authentizität ging es<br />

bei der sich stets als w<strong>an</strong>delbare Popschimäre<br />

inszenierenden Kunstfigur sowieso<br />

noch nie.<br />

Deutlich weniger glatt, dafür umso<br />

lustiger geht es bei der zweiten Platte von<br />

Angie Reed zu, die sich wieder ironisch<br />

grinsend in trashigen Schweinitäten<br />

suhlt. Der Opener von „XYZ Frequency“,<br />

„Hustle A Hustler“, der sich adhoc als veritabler<br />

Ohrwurm entpuppt, legt mit dem<br />

Slog<strong>an</strong> „There’s nothing wrong with your<br />

ding dong“ gleich ordentlich Schmunzeltempo<br />

vor. In „Bend the truth in the confession<br />

booth“ wird mit sparsamsten musikalischen<br />

Mitteln das Leben einer gescheiterten<br />

Nonne beschrieben, die beim<br />

H<strong>an</strong>ky-P<strong>an</strong>ky mit einer <strong>an</strong>deren Geistlichen<br />

erwischt wird und d<strong>an</strong>n bis nach<br />

Paris vagabundiert, wo „I became a situationist,<br />

<strong>an</strong>d every night I got pissed“. Im<br />

Vergleich zum Vorgänger ist das Album<br />

stärker einer Lo-Fi-Gitarrenästhetik denn<br />

einer Elektronik-Pose verbunden, hat damit<br />

aber einige roh-schöne Knaller zu bieten,<br />

deren waghalsige Texte ein verschmitztes<br />

Mitgrölen herauszufordern<br />

scheinen.<br />

Dass Frauen nicht nur heute, sondern<br />

schon vor über zw<strong>an</strong>zig Jahren unkonventionelle<br />

Musik performt und damit<br />

Musikerinnen wie Chicks on Speed<br />

maßgeblich beeinflusst haben, beweisen<br />

drei neue Platten mit altem Material.<br />

Auf dem Sampler „Grlz – Women Ahead<br />

Of Their Time“ sind heute zu Unrecht vergessene<br />

Künstlerinnen oder B<strong>an</strong>ds mit<br />

weiblicher Beteiligung aus der kreativen<br />

Postpunk-Ära Ende der 1970er, Anf<strong>an</strong>g der<br />

1980er vertreten.„Mind Your Own Bussiness“<br />

von Delta 5 kennt frau vielleicht in der<br />

Version der Chicks on Speed – das Original<br />

besticht durch eine zwei-Bass-Rhythmussektion,<br />

die die B<strong>an</strong>d aus Leeds auch einzigartig<br />

und schnell zu einer der bestimmenden<br />

B<strong>an</strong>ds von New Wave machte.<br />

Der rauhe Sound der B<strong>an</strong>ds, Streusel von<br />

Jazz, Reggae und Funk stammen aus einer<br />

Zeit, in der viel möglich war, das musikalische<br />

Feld war durch Punk aufgerissen, frei<br />

für wilde Experimente, wie etwa die Coverversion<br />

von „I heard it through the grapevine“<br />

von den großartigen Slits zeigt.<br />

Als Mitglied zweier verschiedener B<strong>an</strong>ds<br />

mit dabei ist die damals erst 17-jährige<br />

Neneh Cherrie.<br />

Eine der hier gefeaturten B<strong>an</strong>ds,<br />

Maximum Joy, k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> auf der kurz<br />

nach Grlz fertig gestellten Sammlung<br />

„Unlimited (1979-83)“ in aller Ausführlichkeit<br />

wieder entdecken und sich <strong>an</strong><br />

der ungezügelten Lust am Experiment<br />

mit spitzen Schreien, kreischenden Blasinstrumenten<br />

und groovenden Basslines<br />

erfreuen.<br />

„O Começo Do Fim Do Mundo“<br />

bringt uns hingegen eine B<strong>an</strong>d und damit<br />

eine Untergrundszene nahe, von der<br />

die meisten von uns First-Worlders bis<br />

jetzt keinen blassen Schimmer hatten:<br />

As Mercenarias aus São Paulo, eine vierköpfige<br />

Frauen-Punkb<strong>an</strong>d, die in den<br />

1980ern fernab aller Bossa-Klischees treibende<br />

Postpunk- und Hardcore-Songs<br />

schrubbten, die sich hörbar <strong>an</strong> Vorbildern<br />

wie The Slits, Joy Division, Nina Hagen<br />

und Dead Kennedys orientieren. ❚

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