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Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge

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verändert. „Spill“, ben<strong>an</strong>nt nach einem<br />

Videoeffekt, zeigt ein Gespräch über<br />

die Ökonomie der Kunst, das Richard<br />

Serra, Robert Smithson und N<strong>an</strong>cy Holt<br />

Anf<strong>an</strong>g der 1970er-Jahre im privaten<br />

Rahmen geführt haben. Seth zeigt diese<br />

Diskussion, lässt dabei den Bildschirm<br />

von einer mä<strong>an</strong>dernden Blase<br />

durchw<strong>an</strong>dern und packt ihn in einen<br />

Umzugskarton.<br />

Perform<strong>an</strong>ce, Bild und Publikum. Ist die Frage<br />

nach der Notwendigkeit der Medialisierung<br />

von Perform<strong>an</strong>ces in sämtlichen<br />

Werken übersprungen bzw. klar<br />

mit ja be<strong>an</strong>twortet, unterscheiden sie<br />

sich doch deutlich hinsichtlich des<br />

Argwohns gegenüber diesen Medien.<br />

Und auch hinsichtlich des Status, den<br />

diese Medialisierungen selbst haben.<br />

So können Ortegas und Guzmáns „Remakes“<br />

als klare Absage <strong>an</strong> Authentizität<br />

und realitätsnahe Abbildung performativer<br />

Kunst gelesen werden.<br />

Gleichzeitig sind es die Videos selbst,<br />

die als Kunst präsentiert werden, die<br />

gefilmte Perform<strong>an</strong>ce ist zweitr<strong>an</strong>gig.<br />

Die Dokumente, die Jo<strong>an</strong> Jonas Aktionen<br />

zeigen, sollen diese hingegen<br />

bestmöglich vermitteln. Ihre Vielzahl<br />

zeugt von dem Wunsch, das performative<br />

Ereignis aus vielen Perspektiven<br />

einzuf<strong>an</strong>gen und die Bilder stehen<br />

auch als autonome Werke letztlich uneingeschränkt<br />

im Dienste der verg<strong>an</strong>genen<br />

Perform<strong>an</strong>ce.<br />

Diese beiden Positionen verdeutlichen<br />

die Entwicklung recht gut, die<br />

von der Diskussion um das Dokumentarische<br />

in der Kunst in jüngster Zeit<br />

genommen wurde. L<strong>an</strong>ge Zeit diente<br />

die Beschäftigung mit dem Dokumentarischen<br />

einzig dazu, jedwede Möglichkeit<br />

objektiver Dokumentation zu<br />

verabschieden. Derzeit ist verstärkt eine<br />

Rückkehr zum singulären Ereignischarakter<br />

performativen Geschehens<br />

zu beobachten. Die Theoretikerin Erika<br />

Fischer-Lichte ist wohl die prominenteste<br />

Vertreterin dieser Strömung. Und<br />

scheinbar knüpft sie direkt <strong>an</strong> Perform<strong>an</strong>cekünstlerInnen<br />

wie Jo<strong>an</strong> Jonas<br />

<strong>an</strong>, die den Körper wieder „zu einem<br />

buchstäblichen und nicht metaphorischen<br />

Agenten für die Umsetzung von<br />

Bedeutung“ 1 machen wollte. Der Körper<br />

wird zum Zeichen, dessen Bedeutung<br />

in der und durch die Perform<strong>an</strong>ce<br />

selbst festgelegt wird. Adressiert wird<br />

das unmittelbar <strong>an</strong>wesende Publikum,<br />

das durch seine Interpretation zum<br />

Co-Performer wird.<br />

Werk oder Wahrheit. Bei dem die Ausstellung<br />

begleitenden Symposium betont<br />

vor allem der Kunsthistoriker Christi<strong>an</strong><br />

J<strong>an</strong>ecke diesen Paradigmenwechsel:<br />

Das Sp<strong>an</strong>nungsverhältnis zwischen<br />

Bild und Perform<strong>an</strong>ce wurde in der<br />

Perform<strong>an</strong>cetheorie von der Beziehung<br />

zwischen Perform<strong>an</strong>ce und ZuschauerIn<br />

abgelöst. Jedoch nur, um d<strong>an</strong>ach<br />

ihrerseits zum Bild zurückzukehren,<br />

denn auch der/die beteiligte<br />

ZuschauerIn braucht schließlich das<br />

Dokument, um nachher sagen zu können<br />

„Ich war dabei.“<br />

Babette M<strong>an</strong>golte sieht ihre Aufgabe<br />

als experimentelle und dokumentierende<br />

Filmemacherin und Fotografin<br />

von Perform<strong>an</strong>ces darin, in erster Linie<br />

diese ZuschauerIn zu sein. Und die<br />

herrschende Atmosphäre möglichst<br />

unvoreingenommen mithilfe eines Gespürs<br />

für den richtigen Moment und<br />

Ausschnitt zu tr<strong>an</strong>sportieren.<br />

Dass die Mitarbeit des/der DokumentaristIn<br />

bei der Bedeutungsproduktion<br />

medialisierter Perform<strong>an</strong>ces<br />

aber erheblich gewichtiger ist, darauf<br />

verweist Michaela Pöschl in ihrem<br />

Vortrag „Otto Muehl, Kurt Krenn: Angespritzte<br />

Ärsche und Arschlöcher“<br />

am Beispiel der von Kurt Krenn gefilmten<br />

Materialaktion „Mama und<br />

Papa“ von Otto Muehl. Zwischen den<br />

beiden entbr<strong>an</strong>nte ein Streit um die<br />

Urheberschaft des Sk<strong>an</strong>dalösen dieser<br />

Aktion. Muehl wollte seine Arbeit<br />

„wirklichkeitsgetreu“ wiedergegeben<br />

sehen, Krenn beharrte darauf, erst<br />

durch seine Schnittdramaturgie die<br />

<strong>an</strong> sich „scheißl<strong>an</strong>gweilige“ Aktion<br />

provozierend gemacht zu haben. Für<br />

Pöschl ist Muehls Glaube <strong>an</strong> eine<br />

„Wahrheit“ seiner Werke, die ungeschnitten<br />

und unabhängig von jeder<br />

Rezeption bestehen soll, auch symptomatisch<br />

für seinen Einsatz nackter<br />

Frauenkörper. Er setze den Körper von<br />

Frauen als „natürliche Wahrhaftigkeit“<br />

ein, der keiner Interpretation bedarf.<br />

Und genau dadurch verhinderte<br />

er wahrscheinlich, dass die von Lora<br />

S<strong>an</strong>a vertretenen Frauen ihre eigenen<br />

Deutungen der Aktionen einbringen<br />

konnten. Ihre Motivation, als Ausgeschlossene<br />

sichtbar zu werden. ❚<br />

lesben.nest<br />

Anahita<br />

(Tr<strong>an</strong>s)Gendermainstreaming...<br />

aktion.perform<strong>an</strong>ce<br />

Foto:Archiv<br />

In der zugegeben recht blauäugigen Annahme, Gender<br />

Mainstreaming sollte (dem Namen folgend) eine Selbstverständlichkeit<br />

sein, gerade <strong>an</strong> den Unis, lauschte ich<br />

vor einigen Tagen dem Vortrag von Barbara Hey. In ihrem<br />

Kurzreferat erläuterte die sympathische Leiterin der Koordinationsstelle<br />

für Geschlechterstudien, Frauenforschung<br />

und Frauenförderung die Definition, Interventionstypen<br />

und Ebenen von Gender Mainstreaming auch<br />

für ZuhörerInnen ohne fachliche Vorkenntnis. Die nachfolgende<br />

heftige „Stammtischdiskussion“ wurde durch<br />

ihre ruhige und wissenschaftliche Art auf ein sehr <strong>an</strong>genehmes<br />

Niveau gehoben, sodass ich doch noch mit einem<br />

beruhigten Gefühl beschwingt nach Hause gehen<br />

konnte. Ich musste <strong>an</strong> diesem Tag nämlich noch ein ödes<br />

Elterntreffen durchstehen und da hat mich die Realität<br />

gleich wieder von der harten Breitseite erwischt...<br />

Ein wahres Wechselbad der Gefühle also, frau kennt das<br />

wahrscheinlich als (Co-)Mutter. Aber ich hab zum Glück<br />

gute FreundInnen, die immer schön brav daheim im<br />

Bücherregal auf mich warten! Daher schnappte ich mir<br />

den B<strong>an</strong>d: „Barbara Hey, (Hg.in): Que(e)rdenken. Weibliche/männliche<br />

Homosexualität und Wissenschaft, Studienverlag<br />

1997“ und mein Abend war gerettet. Nachdem<br />

ich meine Frau l<strong>an</strong>g genug mit meiner (Buch-)Freundin<br />

betrogen hatte, versuchte ich zu schlafen, aber die Ged<strong>an</strong>ken<br />

zu Gender Mainstreaming ließen mich nicht los.<br />

So im Bett sinnierend, kamen d<strong>an</strong>n abstruse, mir aber<br />

doch nicht völlig kontraproduktiv erscheinende Überlegungen.<br />

Das Konzept frech weitergedacht – weil der Ansatz<br />

beruht auf der Erfahrung, dass es in der Gesellschaft<br />

keine geschlechtsneutralen Entscheidungen gibt, also<br />

alle H<strong>an</strong>dlungen oder Unterlassungen von Frauen/Männern<br />

für eben diese gemacht werden – müssten in Zukunft<br />

konsequenterweise per definitionem (gender =<br />

Geschlecht im rein sozialen und nicht biologischen Kontext)<br />

auch Tr<strong>an</strong>sgender-Personen überall, also in der Politik,<br />

der Wirtschaft, der Uni und der Gewerkschaft miteinbezogen<br />

werden, oder?!<br />

dezember jänner <strong>2005</strong> <strong>2006</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 37

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