Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge
Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge
Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Schwester ein eigenes Unternehmen auf<br />
die Beine. D.J.:„War ich ein Unfall?“ Rose<strong>an</strong>ne:„Nein,<br />
D.J., du warst eine Überraschung.“<br />
[...] D.J.:„Oh. Und war Darlene<br />
ein Unfall?“ Rose<strong>an</strong>ne:„Nein. Darlene<br />
war ein Desaster.“<br />
Und was eine selbstbewusste Frau<br />
wie Rose<strong>an</strong>ne von Männern hält, bringt<br />
sie selbst am besten zum Ausdruck:<br />
Chrystal:„Und wie magst du deine<br />
Marshmallows, Rose<strong>an</strong>ne?“ Rose<strong>an</strong>ne:<br />
„Wie Männer, außen knusprig und am<br />
Ende einer Gabel aufgespießt.“<br />
These zwei: Lesben sind Fußballerinnen,<br />
die abends gern ein kleines Kind (vorzugsweise<br />
männlichen Geschlechts) essen<br />
und dazu Bier direkt aus der Flasche<br />
trinken.<br />
Das Leben in einer heterosexuell dominierten<br />
Gesellschaft ist <strong>an</strong> sich<br />
schon kein Zuckerschlecken. Noch viel<br />
schwieriger hat es Ellen erwischt, die<br />
sich in der „Puppy Episode“ endlich<br />
als lesbisch outet – in der Serie genauso<br />
wie im wahren Leben. Doch Ellen<br />
wäre nicht Ellen, wenn sich nicht<br />
das große mediale Echo, das dem mutigen<br />
und bemerkenswerten Outing<br />
entgegen schlägt, in ihre Serie ironisch<br />
umdeuten würde:<br />
Audrey:„Also, wie sollen wir dich<br />
jetzt nennen – homosexuell oder lesbisch?“<br />
Ellen:„Nenn mich einfach Ellen.“<br />
Wie es des weiteren um Ellens Essgewohnheiten<br />
bestellt ist, k<strong>an</strong>n <strong>an</strong> dieser<br />
Stelle leider nicht be<strong>an</strong>twortet werden,<br />
für eine Frauenfußballm<strong>an</strong>nschaft<br />
(sic!) hätte sie sich aber auf jeden Fall<br />
schon qualifiziert: Paige:„Ich k<strong>an</strong>n immer<br />
noch nicht glauben, dass Ellen lesbisch<br />
ist.“ Spence:„Naja, ich habs schon<br />
vor einer Weile vermutet. Ich meine, sie<br />
konnte immer schneller rennen als ich,<br />
weitere Bälle werfen, schneller auf einen<br />
Baum klettern...“ Joe: „Ist dir vielleicht<br />
schon mal der Ged<strong>an</strong>ke gekommen,<br />
dass du schwul bist?“<br />
Witzig, pointiert und selbstironisch<br />
sieht Ellen selbst ihr Schicksal<br />
und lässt sich auch durch gesellschaftliche<br />
Vorurteile und Schwierigkeiten<br />
nicht aus dem Tritt bringen.<br />
Vielmehr schafft sie es, sich selbst<br />
nicht so ernst zu nehmen und dennoch<br />
ihre Ziele zu verwirklichen.<br />
Durch ihren Witz schafft sie genau jene<br />
Identifikationsflächen, die Frauen,<br />
ob homo- oder heterosexuell, bisl<strong>an</strong>g<br />
im Fernsehen vorenthalten wurden.<br />
These drei: Alte Frauen haben keinen<br />
Sex, keine Freunde und keinen Job. Ihr einziges<br />
Vergnügen ist ihr Haustier.<br />
Vorweg sei eines gleich gesagt: Das<br />
einzige Haustier, das die Golden Girls in<br />
der Blüte ihres Lebens bei sich beherbergen,<br />
ist der „alte Affe“ Sophia, die Mutter<br />
von Dorothy. Dafür aber bringen die goldenen<br />
Klassiker, die seit Jahrzehnten<br />
den Bildschirm bevölkern, etwas <strong>an</strong>deres<br />
sehr genau auf den Punkt:Weibliche Solidarität<br />
und Unterstützung hilft. Wirklich.<br />
Bl<strong>an</strong>che:„Sophia, ich brauche dich“.<br />
Sophia:„Bl<strong>an</strong>che, du warst schon eine<br />
starke und unabhängige Frau, l<strong>an</strong>ge bevor<br />
ich hierher kam.“ Rose:„Ich brauche<br />
dich auch, Sophia.“ Sophia:„Rose, du<br />
brauchst nicht mich, sondern den Zauberer<br />
von Oz.“<br />
Auch wenn die „Girls“ es in Wirklichkeit<br />
insgesamt auf locker 200 Jahre bringen,<br />
so lassen sie sich durch Vorschriften,<br />
wie „alte“ Frauen zu sein haben,<br />
nicht durchein<strong>an</strong>der bringen. Zumindest<br />
Dorothy arbeitet mit großem Engagement<br />
als Lehrerin, und auch die etwas<br />
dusselige, aber liebenswürdige Rose versieht<br />
ihren Dienst zumindest einige Folgen<br />
l<strong>an</strong>g in einer Fernsehstation. Auch<br />
mit fünfzig, sechzig oder auch siebzig ist<br />
das Leben für Frauen noch l<strong>an</strong>ge nicht<br />
vorbei, sondern gewinnt erst in dieser<br />
Zeit <strong>an</strong> Reife und Süße, die vorher durch<br />
doppelte und dreifache Belastungen<br />
nicht spürbar war, leben die Damen<br />
größtenteils ohne Männer – bis auf<br />
Bl<strong>an</strong>che:„Sophia, wenn ich diese Perlenkette<br />
hier so in meinem Dekolleté drapiere,<br />
wirke ich d<strong>an</strong>n wie eine sexhungrige<br />
Schlampe, die dringend einen M<strong>an</strong>n<br />
ins Bett bekommen will?“ Sophia:„Ja.“<br />
Bl<strong>an</strong>che:„Gut!“<br />
These vier: Geschiedene Frauen sind<br />
psychische Wracks, die keinen Spaß mehr<br />
am Leben haben.<br />
Insgesamt bringt es das dynamische<br />
Duo Cybill und ihre beste Freundin<br />
Mary<strong>an</strong>ne auf drei Scheidungen, zwei<br />
Kinder und <strong>an</strong> die 50.000 versoffene<br />
Wodka-Flaschen. Dennoch würde ihnen<br />
im Leben nicht einfallen, bloß wegen<br />
einigen unfähigen und idiotischen Männern<br />
zu Hause zu sitzen und Trübsal zu<br />
blasen – her mit der Welt, was sie auch<br />
kosten mag! Und so lachen, trinken und<br />
schauspielern sich die zwei Freundinnen<br />
durch das Leben, mit all seinen – mitunter<br />
ärgerlichen – Konsequenzen: Mary<strong>an</strong>ne:„Ich<br />
hätte gerne einen Wodka<br />
Martini mit zwei Oliven.“ Kellnerin:„Wir<br />
haben leider keine Bar.“ Mary<strong>an</strong>ne:<br />
„Wir befinden uns doch hier auf der<br />
Erde, oder?“<br />
Aber Mary<strong>an</strong>ne und Cybill zimmern<br />
sich ihre Weltordnung selbst und lassen<br />
sich weder von unfähigen Barkeepern<br />
noch von pubertierenden Töchtern ins<br />
Boxhorn jagen. Da das Duo schon länger<br />
nicht mehr auf den Mattscheiben deutscher<br />
oder österreichischer Sender erschienen<br />
ist, werden sie wohl endlich<br />
geschafft haben, was sie sich schon l<strong>an</strong>ge<br />
vorgenommen haben: Cybill:„Hast du<br />
das gehört? Gratis Käsekuchen. Wir ziehen<br />
hier her.“<br />
These fünf: Frauen haben keinen Humor,<br />
können nicht über sich selbst lachen<br />
und werden auf jeden Fall von Männern<br />
überrundet.<br />
Falsch. G<strong>an</strong>z falsch. Auch wenn hier<br />
der Platz bei weitem nicht ausreicht, um<br />
all die schillernden, spaßigen, selbstbewussten<br />
und einfach großartigen Frauen,<br />
die die Fernsehwelt zu bieten hat, zu<br />
porträtieren, so soll hier nochmal mittels<br />
verstärktem Name-Dropping darauf hingewiesen<br />
werden, dass auch das reaktionäre<br />
Medium, dem sich feministisch<br />
bewusste Frauen immer und immer wieder<br />
gegenüber sehen, Platz und Nischen<br />
bietet, in denen Frauen sich austoben<br />
können: Ob Eddy und Patsy in „Absolutely<br />
Fabulous“ den Punk auch mit über<br />
vierzig noch hochleben lassen und sich<br />
jeden Tag ausgiebig selbst feiern, ob die<br />
moderne und kulturinteressierte N<strong>an</strong>a in<br />
„Suddenly Sus<strong>an</strong>“ eine Lebensweisheit<br />
<strong>an</strong> den Tag legt, von der sich nicht nur<br />
alle Männer, sondern auch viele Frauen<br />
noch etwas abschauen können, ob Carrie<br />
den „King of Queens“ bei ihrem<br />
Vorhaben, keine Kinder bekommen zu<br />
wollen, nicht einmal ignoriert oder die<br />
großartige Kirstie Alley in „Veronicas<br />
Closet“ zeigt, dass Frauen <strong>an</strong> der Spitze<br />
eines Unternehmens nicht zwingend<br />
verhärmt und frustriert sein müssen<br />
und sich Lois in „Malcolm mittendrin“<br />
kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn<br />
sie für ihre Rechte und Bedürfnisse<br />
eintritt.<br />
Sie alle zeigen, dass das Leben<br />
mehr zu bieten hat als die Aufopferung<br />
für eine Familie und die ewige Suche<br />
nach dem „Traumm<strong>an</strong>n“ nicht der einzige<br />
Lebensinhalt für Frauen sein muss.<br />
Sie nehmen sich frech einfach mehr<br />
vom Leben – so wie wir alle. ❚<br />
desasterthesen<br />
dezember jänner <strong>2005</strong> <strong>2006</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 35