29.06.2013 Aufrufe

Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge

Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge

Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Fo t o s : B r i t t a S t ro j<br />

geheimsacheleben<br />

32 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>dezember jänner <strong>2005</strong> <strong>2006</strong><br />

Lebenszeit<br />

Eine Ausstellung über lesbisches und schwules Leben in<br />

Österreich, über offene Sinnlichkeit und geheimes<br />

Begehren bricht das Schweigen. Von Jenny Unger<br />

Eine Ausstellung ist. Die beste<br />

Freundin einpacken, sie<br />

dazu überreden, mit dir hinzugehen<br />

und d<strong>an</strong>n: deine<br />

Geschichte finden – die letzten<br />

zehn Jahre in der Lesbenszene<br />

(mehr oder weniger, das ist egal) –<br />

und <strong>an</strong>dere finden, solche, die du<br />

kennst, solche, die du einmal gek<strong>an</strong>nt<br />

hast, welche, die du vielleicht noch<br />

nicht kennst, aber kennen lernen<br />

wirst. Solche, die große Ideale waren<br />

und dir heute noch Angst einflößen,<br />

wenn sie dir gegenüber stehen und<br />

dir in die Augen starren. Angst vor ihnen<br />

haben, weil sie alles k<strong>an</strong>nten, weil<br />

sie jeden und jede k<strong>an</strong>nten, weil sie<br />

damals schon zehn Jahre mit dabei<br />

waren, im Club2 gestrickt haben, das<br />

Plakat entworfen haben, die Ver<strong>an</strong>staltung<br />

initiiert haben, weil von ihnen<br />

die Sammlung scharfer Messer<br />

hier zu sehen ist, weil sie auf einem<br />

Bild hier zu finden sind und du nicht.<br />

Eingeschüchtert sein, weil ihr Bücherregal<br />

schon vor zehn Jahren so aussah,<br />

wie deines heute; und eingeschüchtert<br />

sein, weil sie all die Diskussionen<br />

schon geführt haben, die<br />

für dich so neu sind – aber das ist<br />

auch schon zehn Jahre her!<br />

Gut, auf einem Bild bist du nicht,<br />

es ist auch keines da, das du gemacht<br />

hast, aber den Flyer hast du auch und<br />

das <strong>an</strong><strong>schläge</strong> Heft mit dem ausgebleichten<br />

Rot, das hast du auch, und<br />

diese Dykes sind <strong>an</strong> dir auf ihren Bikes<br />

vorbeigefahren und ein Foto von diesem<br />

Tr<strong>an</strong>sparent klebt in deinem Album.<br />

Zufällig hast du damals auch<br />

die Barbara Karlich Show gesehen<br />

und diesen einen Sessel, der jetzt hier<br />

in der Ausstellung steht, auch. Und<br />

mit diesem Gefühl lässt du d<strong>an</strong>n die<br />

STADT hinter dir, änderst deinen Blickwinkel<br />

und betrachtest dich von<br />

draußen. Draußen, das ist da, wo die<br />

sind, die nicht drinnen sind. Da sind<br />

die, die dich beschreiben, dich vermessen,<br />

die dir sagen, wie du bist. Die<br />

Recht für dich schreiben und Grenzen<br />

für dich setzen, die dir deine Kr<strong>an</strong>kheit<br />

bescheinigen und die, die für deine<br />

Rettung einen Gott oder mehrere<br />

<strong>an</strong>flehen und die, die dich auf die<br />

Bühne bringen. Aber g<strong>an</strong>z selten die,<br />

die dich g<strong>an</strong>z gewöhnlich sein lassen,<br />

und die, die dich selten wirklich finden.<br />

Du willst weg von diesem LABOR,<br />

weg von dieser Fremdbestimmung.<br />

Du willst sein wie du bist und verziehst<br />

dich in deine Lebenswelt im<br />

Geheimen. Geheim nicht für dich.<br />

Du nimmst Teil, du bist Teil. Geheim<br />

und versteckt nur für die, die drau<br />

ßen sind. So war es für dich, aber im<br />

SPIEGEL wird dir klar, warum doch geheim:<br />

das B<strong>an</strong>gen um die eigene Existenz,<br />

die Angst denunziert zu werden,<br />

die Angst vor Gericht zu stehen,<br />

die Angst vor Hausdurchsuchungen<br />

und polizeilicher Kontrolle, wo dein<br />

Innerstes zum Äußersten wird, wo du<br />

entblößt und gedemütigt wirst. Doch<br />

der Spiegel ist ehrlich und zeigt dir,<br />

dass auch du demütigen k<strong>an</strong>nst, dass<br />

auch du Täterin sein k<strong>an</strong>nst. Er zeigt,<br />

dass du das Hakenkreuz tragen<br />

k<strong>an</strong>nst oder den rosa Winkel und dass<br />

Medizin, die du verfolgst auch dich<br />

verfolgen k<strong>an</strong>n. Hier beißt sich die<br />

Katze in den Schw<strong>an</strong>z. Hier willst du<br />

schnell raus.<br />

Wahrnehmungslabor. Die LEIDENSCHAFT<br />

ist dein Rettungs<strong>an</strong>ker. Mit der Kunst<br />

k<strong>an</strong>nst du wieder lachen und lieben<br />

und staunen und dich abwenden, deine<br />

Ahninnen suchen, den Gärtner in<br />

Bildern finden und wieder die Fährte<br />

auf das Bek<strong>an</strong>nte legen, das dich am<br />

Anf<strong>an</strong>g eingesogen hat. Beinsteinsche<br />

Fotografie reißt dich ebenso mit, wie<br />

das homorientalische Doppelportrait

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!