<strong>an</strong>.sage Beruf Sexarbeiterin Moralfreie Ansichten zu einem Berufsst<strong>an</strong>ds liefern Emilija Mitrovic von der deutschen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und Elisabeth von Dücker, Kuratorin einer Ausstellung zu Sexarbeit in Hamburg Emilija Mitrovic Etwa 400.000 Frauen arbeiten in Deutschl<strong>an</strong>d in der Prostitution, schätzt die Bundesregierung. Bis zu 1,2 Millionen Männer nehmen täglich die sexuellen Dienstleistungen von Prostituierten in Anspruch. Der Umsatz im Wirtschaftssektor Prostitution wird auf 14,5 Mrd. Euro jährlich geschätzt. Das entspricht nahezu dem Umsatz der Karstadt Quelle AG mit 15,2 Mrd. oder der MAN AG mit 15,0 Mrd. Euro, k<strong>an</strong>n in der Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“ nachgelesen werden. Die Zahlen zeigen: Prostitution ist in vielerlei Hinsicht eine gesellschaftlich relev<strong>an</strong>te Größe. Trotzdem bleibt der Bereich in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch ein Tabuthema. Die Tabuisierung und Diskriminierung der Prostitution führt dazu, dass die Arbeitsbedingungen in diesem Wirtschaftssegment unkontrolliert und damit zw<strong>an</strong>gsläufig schlecht bis menschenunwürdig sind. Die gesellschaftliche Doppelmoral im Umg<strong>an</strong>g mit Prostitution macht es den Frauen – wie auch den wenigen männlichen Prostituierten – schwer, öffentlich zu diesem Arbeitsplatz zu stehen. Das Prostitutionsgesetz (ProstG), das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, sollte die Situation der Sexarbeiterinnen verbessern. Es regelt die zivilrechtlichen, arbeits- und sozialrechtlichen Beziehungen zwischen den Prostituierten und deren Kunden und Arbeitgebern. Die Frauen können sich jetzt unter der Berufsbezeichnung „Prostituierte“ offiziell kr<strong>an</strong>ken- und rentenversichern, sie können Löhne einklagen und sich gewerkschaftlich org<strong>an</strong>isieren. Die Ergebnisse einer Studie der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zum Arbeitsplatz Prostitution zeigen aber, dass eine Novellierung des Prostitutionsgesetzes in Deutschl<strong>an</strong>d nötig ist. Und außerdem Aufklärungsarbeit, um gegen Unwissenheit sowie die vorherrschende Doppelmoral <strong>an</strong>zugehen. Nur so k<strong>an</strong>n die Gesellschaft den Sexarbeiterinnen Ch<strong>an</strong>cengleichheit bieten. Aus der Studie ergeben sich Konsequenzen für die gewerkschaftliche Arbeit. ver.di setzt sich konkret für die Rechte und soziale Besserstellung von Sexarbeiterinnen ein – auch wenn sie nicht Gewerkschaftsmitglied sind. Ein wichtiger Schritt zum Schutz vor Ausbeutung ist der Muster-Arbeitsvertrag, den es seit April 2004 gibt. Weitere Vorhaben, die die Sexarbeiterinnen unterstützen sollen, sind die Rechtsberatung und Rechtsschutz für Prostituierte, Steuerberatung, Gesundheitsberatung, Ausstiegsprojekte, aber auch Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit sowie Lobbyarbeit im politischen Raum. Und auch wenn Prostitution keine Arbeit wie jede <strong>an</strong>dere ist: Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter müssen die gleichen Rechte haben wie jedeR <strong>an</strong>dere auch. Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, www.arbeitsplatz-prostitution.de ❚ 24 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>dezember jänner <strong>2005</strong> <strong>2006</strong> Elisabeth von Dücker Im Jahr vier des Prostitutionsgesetzes in Deutschl<strong>an</strong>d widmet sich eine große kulturgeschichtliche Ausstellung dem Phänomen Sexwork. Der Begriff geht auf die amerik<strong>an</strong>ische Prostituiertenbewegung um 1970 und ihre Forderung nach rechtlicher und sozialer Gleichstellung zurück. Prostitution ist zwar gesellschaftliche Realität. In Deutschl<strong>an</strong>d ist sie seit 2002 nicht mehr sittenwidrig, Frauen und Männer im Sexgewerbe können seitdem sozialversichert arbeiten. Doch vielen Menschen fällt es schwer, Prostitution als Arbeit, erst recht als Beruf zu betrachten. Eine moralische Wertung gerät ihnen zur Abqualifizierung derjenigen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten wollen oder müssen. Arbeit – das meint doch etwas Honoriges, so die l<strong>an</strong>dläufige Haltung, und dies passe nicht zur Vorstellung vom Betriebssystem Prostitution. Prostitution ist eine traditionsreiche Dienstleistung. Wie keine <strong>an</strong>dere Arbeit wurde sie Jahrhunderte l<strong>an</strong>g tabuisiert, stigmatisiert, reglementiert, verfolgt. Dennoch ist sie zu allen Zeiten nachgefragt. Und es ist Zeit nachzufragen, Mythen von Realem zu trennen und die sexuellen DienstleisterInnen, die vorwiegend Frauen und ca. zur Hälfte Migr<strong>an</strong>tInnen sind, zu Wort kommen zu lassen. Zeit ist es auch, Prostitution als Teil unserer Gesellschaftsform und Lebensweise darzustellen. Denn die Verhältnisse, in denen wir leben und arbeiten, sind prostitutiver Natur. „Wir sind alle käuflich und werden gekauft“, so der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch. Das führt mitten in die Ausstellung: Sie ist ein erster Versuch, Sexarbeit <strong>an</strong>ders <strong>an</strong>zuschauen, ohne den voyeurhaften Blick oder die Festlegung auf die Opferperspektive. Gezeigt wird, um welche Tätigkeiten es beim sexuellen Tauschgeschäft geht, wer die Jobs macht, wie die Arbeitsbedingungen sind. Sozusagen ein Blick auf Sexarbeit backstage: vom Straßenstrich bis zum SM-Studio, von der Terminfrau über die Wirtschafterin bis zum Concierge, von der selbstständigen bis zur fremdbestimmten Arbeit, vom Puffkoller bis zum Burnout im Sexgewerbe, von der eingereisten Sexarbeiterin bis zur geschleusten. Bilder und Trugbilder, Fremd- und Eigenbilder, Klischees und Mythen sind hier zu besichtigen – was und wer macht eine Frau zur Prostituierten, w<strong>an</strong>n ist ein M<strong>an</strong>n männliche Hure, wie funktioniert die gesellschaftliche Zuschreibung? Zentrale Themen sind unter <strong>an</strong>derem Arbeit und die Prostituiertenbewegung, die Gesundheitsprävention, Recht und Sitte, die Geschichte mit Beispielen aus der NS-Zeit, sexualisierte Gewalt, die Kunden, gleichgeschlechtliche Prostitution sowie künstlerische Positionen. bis 7.5.<strong>2006</strong>, im Museum der Arbeit in Hamburg, www.museum-der-arbeit.de ❚
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