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Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge

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ner und Betrogene – nur in die weibliche<br />

Psyche konnte ich mich nicht hineinversetzen,<br />

so sehr ich mich auch<br />

bemühte. Daher überließ ich das<br />

Schreiben von weiblichen Solonummern<br />

immer meinen Kollegen, meist<br />

dem Peter Wehle, dem nichts Menschliches<br />

fremd war.“<br />

Link zur Gesellschaft. Als Ursache für die<br />

R<strong>an</strong>dstellung von Kabarettistinnen<br />

k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> die seit 1950 wieder verstärkt<br />

wirksamen konservativen Geschlechterideale<br />

und -normen geltend machen.<br />

Immer noch waren die klassischen Rollenbilder,<br />

die den M<strong>an</strong>n als im Beruf<br />

stehend und für die Außenwelt zuständig,<br />

die Frau als brave Hausfrau und in<br />

der Innenwelt der Familie verhaftet definierten,<br />

in den Hinterköpfen der Gesellschaft<br />

vorh<strong>an</strong>den. Der künstlerischen<br />

Welt der Bühne haftete im Besonderen<br />

ein verruchtes Image <strong>an</strong>, das<br />

sich nur äußerst schwer mit dem traditionellen<br />

Rollenbild der „Hausfrau und<br />

Mutter“ in Einkl<strong>an</strong>g bringen ließ. Dies<br />

äußerte sich in der Praxis etwa darin,<br />

dass es „ehrbaren Frauen“ vielfach von<br />

vornherein nicht erlaubt war, auf die<br />

Bühne zu steigen. So berichtet Gerhard<br />

Bronner, dass eine Schauspielerin, die<br />

er für das Programm „Blattl vor’m<br />

Mund“ engagieren wollte, „aus persönlichen<br />

Gründen nicht auftreten“<br />

konnte – ihr M<strong>an</strong>n war dagegen.<br />

Die Bastion fällt. Da der Druck der patriarchalisch<br />

strukturierten Gesellschaft<br />

groß und Alternativen spärlich waren,<br />

fügte Frau sich im Kabarett überwiegend<br />

stillschweigend ihrem Schicksal,<br />

was in den meisten Fällen zu einer Anpassung<br />

der weiblichen Ensemble-Mitglieder<br />

<strong>an</strong> männliche Kriterien und<br />

Maßstäbe führte. Doch mit den ausklingenden<br />

1970er Jahren sollte alles<br />

<strong>an</strong>ders kommen. Was bisher als selbstverständlich<br />

galt, wurde nun plötzlich<br />

zum Gegenst<strong>an</strong>d massiver Kritik. Denn<br />

vor dem Hintergrund der in allen Gesellschaftsbereichen<br />

beobachtbaren<br />

Frauenem<strong>an</strong>zipation zeichnete sich ein<br />

Vordringen von Frauen in die bis dato<br />

männlich dominierte Kleinkunstszene<br />

ab. Mitte der 1980er Jahre konstatierte<br />

m<strong>an</strong> in verschiedenen Zeitungen bereits<br />

einen „Auftakt für eine neue Ära“.<br />

Und wie ein Zitat aus der Zeitschrift<br />

„P<strong>an</strong>orama“ zeigt, herrschte spätestens<br />

im Jahr 1989 m<strong>an</strong>cherorts die Meinung<br />

vor, dass die „Männerdomäne Kabarett“<br />

gefallen war:„Und wieder muss so<br />

m<strong>an</strong>cher überzeugter Macho resignierend<br />

feststellen, dass eine weitere<br />

männliche Bastion von den Frauen erobert<br />

worden ist: das Kabarett. Galt das<br />

Brettl doch seit seiner Gründung fast<br />

durchgehend als männliche Domäne:<br />

Frauen waren vor allem als ‚Sexy-girl’<br />

oder als Dummerl gefragt, meist als<br />

Kombination von beidem. Zur Zeit aber<br />

blühen sie auf wie die Veilchen im<br />

Frühling, die Frauenkabaretts.“<br />

Beeinflusst durch die zunehmend<br />

stärker werdende Frauenbewegung,<br />

beg<strong>an</strong>nen feministische Künstlerinnen,<br />

ihre Stellung im Kulturbetrieb in<br />

Verbindung mit ihrer Weiblichkeit bewusst<br />

zu hinterfragen und die traditionelle<br />

Rollenverteilung im Kabarett entschieden<br />

von sich zu weisen. Kabarettgruppen<br />

wie „Chin & Cilla“ oder die<br />

„Menubeln“, sowie Solokabarettistinnen<br />

wie etwa Marie-Thérèse Escrib<strong>an</strong>o<br />

schrieben ihre Texte nunmehr größtenteils<br />

selbst, was natürlich auch eine<br />

Verlagerung der thematischen<br />

Schwerpunkte in den Kabarettprogrammen<br />

nach sich zog. Nun wurden<br />

Themen aus allen Bereichen des feministischen<br />

Diskurses verarbeitet. Die<br />

B<strong>an</strong>dbreite reichte dabei von der Ausein<strong>an</strong>dersetzung<br />

mit gesellschaftlichen<br />

Rollenbildern und mit (sexueller)<br />

Gewalt gegen Frauen, über die Kritik<br />

<strong>an</strong> traditionell männlich besetzten Institutionen<br />

wie der katholischen Kirche<br />

oder dem Bundesheer, bis zu den<br />

neuen Gen- und Reproduktionstechnologien.<br />

Fo t o : I n g r i d B ö h m<br />

Chin & Chilla<br />

Fo t o : T h e r e s a Zo t t e r<br />

Minderheitenprogramm mit Auszeichnung.<br />

Damit hatten die Kabarettistinnen<br />

durchaus Erfolg, was m<strong>an</strong> auch dar<strong>an</strong><br />

sieht, dass „Chin & Cilla“ 1987 den<br />

„Österreichischen Kleinkunstförderungspreis“<br />

erhielten und Irene S. im<br />

Jahr 1989 und den „Menubeln“ 1990<br />

die renommierte Kabarettauszeichnung<br />

„Salzburger Stier“ zugesprochen<br />

wurde. Dennoch waren die Künstlerinnen<br />

von einem, nennen wir es „exotischen<br />

Flair“ umgeben. Sie wurden –<br />

aufgrund ihres Geschlechts – immer<br />

noch als Ausnahmen in der Kabarettszene<br />

wahrgenommen, wie die folgende<br />

Kritik, die 1985 im „Kurier“ publiziert<br />

worden ist, zeigt. Dort war zu<br />

lesen:„Für Robert Lembkes heiteres<br />

Beruferaten ‚Was bin ich’ wären Barbara<br />

Klein und Krista Schweiggl ein<br />

heißer Tipp. Üben sie doch einen Beruf<br />

aus, in dem nur unwesentlich<br />

mehr Frauen vertreten sind als bei<br />

den Wiener Philharmonikern: sie sind<br />

Kabarettistinnen.“<br />

Nach einem Abflauen des feministischen<br />

Kabaretts Mitte der 1990er<br />

Jahre und dem Rückzug eines Großteils<br />

der in den 1970ern und 1980ern<br />

aktiven Kabarettistinnen, findet m<strong>an</strong><br />

heutzutage wieder einige junge<br />

Künstlerinnen, die ihren Platz in der<br />

Kabarettszene be<strong>an</strong>spruchen und versuchen,<br />

Netzwerke zu bilden – so etwa<br />

die Gruppe „Ladies Night“. Dennoch:<br />

der Weg zu völliger Gleichberechtigung<br />

ist noch l<strong>an</strong>g und steinig –<br />

auch, wenn im Kabarett gegenwärtig<br />

mehr Frauen tätig sind, als bei den<br />

Wiener Philharmonikern. ❚<br />

forumwissenschaft<br />

Auswahlbiografie:<br />

Asen, Barbara:„Lachen, worüber ei-<br />

nem der Humor vergehen könnte“.<br />

Eine Geschlechtergeschichte des<br />

österreichischen Kabaretts zwischen<br />

1950 und 1990,<br />

Dipl. Arb., Salzburg <strong>2005</strong>.<br />

Damy<strong>an</strong>ovic, Eva: Kabarettistinnen.<br />

Ein historischer Rückblick und eine<br />

Best<strong>an</strong>dsaufnahme der gegenwärtigen<br />

Situation mit Schwerpunkt auf<br />

Österreich, Dipl. Arb., Wien 1996.<br />

Fink, Iris: Von Travnicek bis Hinterholz<br />

8. Kabarett in Österreich ab 1945.<br />

Von A bis Zugabe, Styria 2000.<br />

Geiger, Brigitte/Hacker, H<strong>an</strong>na:<br />

Donauwalzer Damenwahl. Frauenbewegte<br />

Zusammenhänge in Österreich,<br />

Promedia-Verl.-Ges. 1989.<br />

Kotthoff, Helga [Hg.]:<br />

Das Gelächter der Geschlechter.<br />

Humor und Macht in Gesprächen<br />

von Frauen und Männern,<br />

Fischer Verlag 1988.<br />

Links:<br />

Österreichisches Kabarettarchiv<br />

in Straden:<br />

http://www.kabarettarchiv.at<br />

Kabarett in Österreich:<br />

http://www.kabarett.at/ oder<br />

http://www.kabarett.cc<br />

dezember jänner <strong>2005</strong> <strong>2006</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 23

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