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Dezember 2005/Jänner 2006 (PDF) - an.schläge

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Fo t o : A rc h i v<br />

wissenschaftforum<br />

Barbara Asen ist Marie-<br />

Andessner-Stipendiatin und schreibt<br />

gerade <strong>an</strong> ihrer Disseration mit dem<br />

Titel „Endlich eine Frau mit Humor.<br />

Feministisches Kabarett und Frauenkabarett<br />

im deutsch-österreichischen<br />

Vergleich“.<br />

22 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>dezember jänner <strong>2005</strong> <strong>2006</strong><br />

Freche Mäuler<br />

Der l<strong>an</strong>ge Weg von Sexobjekt zur em<strong>an</strong>zipierten Kabarettistin – ein Stück österreichischer<br />

Kabarettgeschichte von 1950-1980 wird von Barbara Asen nachgezeichnet<br />

M<strong>an</strong> kennt das Kabarett allgemein<br />

als eine überaus gesellschaftskritische<br />

und sehr unbequeme<br />

Kunstform, die Intoler<strong>an</strong>z<br />

gegenüber einzelnen<br />

Bevölkerungsgruppen stets zu tadeln<br />

wusste. Doch auch innerhalb des Kleinkunstbetriebes<br />

war nicht immer alles<br />

eitel Wonne.<br />

Das österreichische Kabarett erlebte<br />

nach den Schrecken des Zweiten<br />

Weltkrieges und den Mühen des Wiederaufbaus<br />

in den 1950er Jahren ein<br />

gelungenes Comeback. Vor allem die<br />

Namen Gerhard Bronner, Helmut<br />

Qualtinger und Georg Kreisler – auch<br />

als „Triade des Wiener Kabaretts“ bek<strong>an</strong>nt<br />

– wurden und werden immer<br />

wieder im Zusammenh<strong>an</strong>g mit diesem<br />

Aufschwung im Kabarettbetrieb gen<strong>an</strong>nt.<br />

Sie stellten ein produktives Zentrum<br />

in der Kleinkunstszene dar und<br />

bildeten zusammen mit dem „Simpl“<br />

die kabarettistischen Pole im Wien der<br />

1950er Jahre. Mit Blick auf diese beiden<br />

Ensembles schuf m<strong>an</strong> im Nachhinein<br />

sogar den Begriff der „Goldenen Zeit<br />

des Wiener Kabaretts“.<br />

Zweierlei Maß. Doch etwas wurde dabei<br />

vergessen: Kabarettisten waren zwar ab<br />

den 1950er Jahren so produktiv wie selten<br />

zuvor – der Frauen<strong>an</strong>teil in der Kabarettszene<br />

ist im Gegensatz dazu bis heute<br />

sehr gering. Kabarettistinnen waren<br />

(bzw. sind) aber nicht nur zahlenmäßig<br />

eine R<strong>an</strong>derscheinung; vor allem in den<br />

1950ern und 1960ern unterschieden sich<br />

auch ihre Arbeitsbereiche beträchtlich<br />

von denen der Kollegen. Denn während<br />

letztere das Schreiben der Kabaretttexte<br />

übernahmen, trugen Kabarettistinnen<br />

wie Louise Martini oder Cissy Kr<strong>an</strong>er diese<br />

auf der Bühne vor. Sie fungierten als<br />

Darstellerinnen, Ch<strong>an</strong>sonnieren und „optischer<br />

Aufputz“ und wurden sehr häufig<br />

auf unpolitische Rollen wie die verführerische<br />

Femme Fatale oder die unschuldige<br />

und brave Hausfrau reduziert. Zwar<br />

war es durchaus üblich, dass Männer auf<br />

der Bühne st<strong>an</strong>den und ihre Texte spielten;<br />

der umgekehrte Fall – Frauen, die<br />

Texte schrieben – war jedoch nicht denkbar.<br />

Louise Martini, die im Jahr 1956 als<br />

Schauspielerin zum Ensemble um Qualtinger,<br />

Bronner und Kreisler stieß, war<br />

sich, wie sie in ihrer Autobiografie<br />

schreibt, der „Unverrückbarkeit“ der geschlechtsspezifischen<br />

Arbeitsteilung<br />

durchaus bewusst:„Qualtinger und Merz<br />

schrieben die Prosatexte [...], Gerhard<br />

Bronner und Georg Kreisler [...] komponierten<br />

und texteten ebenso wie Peter<br />

Wehle. Sie alle st<strong>an</strong>den auch auf der<br />

Bühne. [...] Dass ich auch schreiben sollte,<br />

st<strong>an</strong>d nicht zur Debatte. Ich weiß nicht,<br />

ob ich es überhaupt gekonnt hätte, aber<br />

auch wenn, hätten die Männer es nicht<br />

zugelassen.“<br />

Dies brachte aber auch Probleme<br />

mit sich, denn was sollte m<strong>an</strong> unternehmen,<br />

wenn ein Text ausnahmsweise aus<br />

weiblicher Perspektive erscheinen sollte?<br />

Oder besser gesagt:Wenn er zumindest<br />

den Anschein erwecken sollte, er beziehe<br />

die weibliche Sichtweise mit ein. Gerhard<br />

Bronner berichtet uns in seinem Erinnerungsbuch<br />

„Die goldene Zeit des Wiener<br />

Kabaretts“ davon, wie m<strong>an</strong> solche Fälle<br />

ohne großen Aufw<strong>an</strong>d löste:„Ich konnte<br />

mich beim Schreiben einer musikalischen<br />

Solonummer in alle möglichen und unmöglichen<br />

Personen hineindenken, in<br />

Halb- und G<strong>an</strong>zstarke, in Politiker und deren<br />

Söhne, in G’scheite und Blöde, in Gau

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