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September 2000 (PDF) - an.schläge

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Helga P<strong>an</strong>kratz<br />

M<strong>an</strong>che lieben’s heiß<br />

Ausgerechnet unter der Überzeile „Good News“<br />

stimmte Helmut A. G<strong>an</strong>sterer im profil Nr. 30 vom<br />

24. Juli einen Grabges<strong>an</strong>g <strong>an</strong>, zum Thema „Das<br />

Schweigen der Emma – die seltsame Stille der Frauenbewegung“.<br />

Ein Text, der bei so gut wie jeder<br />

Feministin zumindest Kopfschütteln auslösen mußte. Daß<br />

m<strong>an</strong>che es nicht beim Kopfschütteln bewenden ließ, sondern<br />

auch schriftlich reagiert hat, zeigten in der Folgenummer<br />

des „profil“ zahlreiche Leserinnenbriefe und eine<br />

passende Replik von Elfriede Hammerl.<br />

Auch ich habe den Kopf geschüttelt. Aber ich war skeptisch,<br />

ob G<strong>an</strong>sterers Text öffentlichen Protest und die unbezahlte<br />

PR, die das gleichzeitig immer auch bedeutet, wirklich<br />

verdient hat. Ob nicht schweigendes Hinweggehen <strong>an</strong>gemessen<br />

sei, und die gar nicht so sehr versteckten Intentionen<br />

seines – zugegeben, von rauhem Chauvi-Charme gekennzeichneten<br />

– Flirt-Spiels durch eine kalte Schulter<br />

besser durchkreuzt werden könnten. – So wie ich den Text<br />

verst<strong>an</strong>den habe, ist er ja in erster Linie ein Aufruf (fast Hilferuf)<br />

<strong>an</strong> Feministinnen, ihm wieder einen Reiz zu bieten, den<br />

er so sehr vermißt: Unsere Glut und Hitzigkeit und Feurigkeit<br />

urgiert der M<strong>an</strong>n, und beklagt sich über unsere „Kälte“ – wobei<br />

er sogar so weit geht, Todessymbolik <strong>an</strong>klingen zu lassen.<br />

Da wir wissen, daß wir alles <strong>an</strong>dere als tot sind, k<strong>an</strong>n das<br />

durchaus auch als ein dramatisierendes Lamento darüber<br />

gelten, daß feministische Frauen heutzutage – gegenüber<br />

Männern a la G<strong>an</strong>sterer – g<strong>an</strong>z schön „cool“ bleiben können.<br />

Auf die Frage,„was will der M<strong>an</strong>n mit diesem Text?“<br />

f<strong>an</strong>d ich auch nach mehrmaligem Lesen seiner widersprüchlichen<br />

Ansammlung von Unkenrufen und Bewertungsnoten<br />

immer wieder nur diese eine Antwort: Unter<br />

dem Motto „Liebt mich oder haßt mich, aber laßt mich nicht<br />

unbeachtet im Winkerl stehen“, Frauen provozieren will er.<br />

Seinen Narzißmus sollen sie bedienen. Sich mit ihm und<br />

seinem Text beschäftigen. Selbst wenn sie seinen Text bloß<br />

zerpfücken sollten und ihn, den Verfasser,„per e-mail prügeln“<br />

(Originalzitat G<strong>an</strong>sterer), zu welchem Zweck sogar<br />

seine private e-mailadresse am Ende seines Kommentars zu<br />

finden war!! – Und zwar interessieren ihn für dieses Spiel<br />

nicht irgendwelche Frauen, sondern g<strong>an</strong>z besonders jene,<br />

die widerspenstig sind, schwierig, kurz: Feministinnen.<br />

Auf den G<strong>an</strong>sterer-Text inhaltlich ernsthaft einzugehen<br />

ist bei der Oberflächlichkeit und Sprunghaftigkeit, die er<br />

vorlegt, etwas zu viel verl<strong>an</strong>gt. Es scheint ein echter Bauchschuß-Text<br />

zu sein: ein Schnellschuß aus dem Bauch heraus,<br />

für den ich keine <strong>an</strong>dere realistische Erklärung finde, als daß<br />

ihm fad im Kopf war, und er schnell etwas absondern und<br />

dem profil mailen mußte, g<strong>an</strong>z ohne Recherche-Aufw<strong>an</strong>d –<br />

vielleicht unter großem Zeitdruck.<br />

Hat er diesen Text im Halbschlaf geschrieben? Ist er<br />

kr<strong>an</strong>k? Überarbeitet? Geht es ihm nicht gut? fragt sich die<br />

Leserin unwillkürlich: Oder wurde die Stringenz erst beim<br />

Redigieren zerstört? Sinnentstellend zusammengestrichen?<br />

Oder sind gar beim Layout g<strong>an</strong>ze Sätze herausgeflogen<br />

und der Inhalt dadurch einer verstehen- und nachvollziehen<br />

wollenden Logik nicht mehr zugänglich? – Ich weiß<br />

es nicht.<br />

Die linguistische und auf den psychologischen Symbolgehalt<br />

eingehende Analyse bringt da viel mehr. Und sie<br />

führt mich auch zur Überzeugung, daß cool bleiben nicht<br />

gleichbedeutend damit ist, stillzuhalten und sich unwidersprochen<br />

Frechheiten bieten zu lassen:<br />

Es ist nicht schweigend zu tolerieren, wenn einer sich<br />

einer Sprachsymbolik bedient, in der „zänkische Drachen“<br />

für die Feministinnengeneration der siebziger- und achtziger<br />

Jahre steht, und Initiativen, die mittlerweile auch im Internet<br />

feministischen Raum geschaffen haben, als „Web-<br />

Sekten“ abget<strong>an</strong> werden.<br />

Passend zu der von spöttelndem Tonfall nur unzureichend<br />

kaschierten Haßliebe, die sich in solchem Vokabular<br />

m<strong>an</strong>ifestiert, gelten die Sympathiebekundungen den geopferten<br />

und sich selbst aufopfernden Frauen aus verg<strong>an</strong>genen<br />

Epochen: verbr<strong>an</strong>nte Hexen, Suffragetten, die sich einsperren<br />

und erschlagen ließen. Unter den Lebenden stilisiert<br />

er besonders liebevoll „alleinverdienende und alleinerziehende<br />

Mütter“ zu „stillen Heldinnen“, die „im Regen<br />

stehen“, als prädestinierte Objekte seiner männlichen Fürsorge.<br />

Die gegenwärtige Frauenbewegung hingegen ist ihm<br />

„zu schwach“. Und er erklärt uns auch, warum:„Weil den<br />

Frauen die Freunde fehlen“.<br />

Eine Frauenbewegung, die einen Freund wie diesen hat,<br />

braucht überhaupt keine Feinde mehr. ❚<br />

<strong>an</strong>.spruch<br />

september <strong>2000</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 05

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