September 2000 (PDF) - an.schläge
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lese.zeichen<br />
40 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>september <strong>2000</strong><br />
Unterwegs<br />
„Sie wollte eine Zukunft und sie trug<br />
ein Bild von sich, noch undeutlich und<br />
fern, <strong>an</strong>ders als das der <strong>an</strong>deren.“<br />
Kerschbaumers dritter im Wieser-Verlag<br />
erschienener Rom<strong>an</strong> „Fern“, beginnt<br />
acht Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
mit einer Zwischenstation der jungen<br />
Barbarina in Tirol: nach einem Aufenthalt<br />
in Engl<strong>an</strong>d und vor der Reise, die sie<br />
als Kindermädchen in die Tosk<strong>an</strong>a führt.<br />
Scharfe Beobachtungsgabe und erstaunlich<br />
große moralische Autonomie<br />
zeichnen die noch nicht einmal zw<strong>an</strong>zig<br />
Jahre alte Barbarina während ihres Unterwegs-Seins<br />
aus. Im ländlich älplerischen<br />
Österreich, wo sie eine bettlägerige<br />
alte Frau pflegt und einen heimlichen<br />
Liebhaber hat ebenso wie später in Florenz,<br />
wo sie als „Kindsmagd“ gegen geringes<br />
Entgelt Grafenkinder hütet, und<br />
sich – vereinnahmt vom ihr aufgetragenen<br />
Wäschewaschen – die Zeit zum<br />
Lesen von Büchern und zur Besichtigung<br />
der Kunstschätze der Stadt regelrecht<br />
stehlen muß. Wohl bliebe sie eine „Komplizierte“<br />
für die meisten ihrer Mitmenschen,<br />
<strong>an</strong>statt ihnen „Komplizin“ zu sein,<br />
falls diese sich die Mühe machten, sich<br />
näher mit ihr zu befassen.<br />
Es gibt Bücher, die sind für den der<br />
Tretmühle des Alltags geplagten Geist<br />
ein müheloses „Divertimento“. Für „Fern“<br />
empfiehlt sich aber, die entsprechende<br />
Mußestimmung schon im vorhinein mitzubringen.<br />
Das soll nicht heißen, daß die<br />
Lektüre „<strong>an</strong>strengend“ sei! Vielmehr ist<br />
eine gewisse Aufnahmebereitschaft von<br />
Vorteil, um dem poetischen Niveau gerecht<br />
zu werden: sich dem Fluß von Farben,<br />
Formen und Vokabeln, der Sprachund<br />
Sprachen-Lust genußvoll hinzugeben,<br />
während der Begleitung Barbarinas<br />
auf ihrem Unterwegs-Sein.<br />
Marie Thérèse Kerschbaumer: Fern.<br />
Rom<strong>an</strong>. Wieser Verlag <strong>2000</strong>, ats 278,–<br />
kk<br />
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Helga P<strong>an</strong>kratz<br />
Frauenzimmer<br />
Macht der Zuschreibungen<br />
Im Oktober 1999 trafen sich in Köln<br />
Denkerinnen aus fünf Kontinenten, um<br />
50 Jahre nach dem Erscheinen von<br />
Simone de Beauvoirs „Das Andere<br />
Geschlecht“ über deren Erbe zu debattieren.<br />
„M<strong>an</strong> wird nicht als Frau geboren,<br />
m<strong>an</strong> wird es“ war der Titel der Konferenz,<br />
die von Alice Schwarzer initiiert<br />
wurde. Im Vorwort stellt sie d<strong>an</strong>n auch<br />
fest, daß alle Autorinnen des Buches, im<br />
Gegensatz zu der <strong>an</strong>deren theoretischen<br />
Strömung der Differenzialistinnen,<br />
zu den feministischen Universalistinnen<br />
zu zählen sind. Diese propagieren<br />
ihrerseits die Notwendigkeit einer<br />
Ausein<strong>an</strong>dersetzung über die Zuweisung<br />
der Geschlechterrollen als Instrument<br />
der Machtausübung. Das Stellen<br />
dieser Machtfrage unterscheide die<br />
Universalistinnen, auch Gleichheitsfeministinnen<br />
gen<strong>an</strong>nt, von den Differenzialistinnen,<br />
und so sind mehrere<br />
Beiträge im B<strong>an</strong>d der Macht und im besonderen<br />
der (Sexual)Gewalt als Machtinstrument<br />
gewidmet. Autorinnen sind<br />
unter <strong>an</strong>derem Rosa Logar, Geschäftsführerin<br />
der Wiener „Interventionsstelle<br />
gegen familiäre Gewalt“, Schriftstellerin<br />
Marlene Streeruwitz, CDU-Politikerin Rita<br />
Süssmuth, Literaturwissenschaftlerin<br />
Benoite Groult, Elisabeth Badinter und<br />
viele mehr. Sie erörtern die Frage „Wie<br />
aktuell ist Simone de Beauvoir?“ und<br />
sind immer wieder bemüht, die Dimensionen<br />
Rassismus, Antisemitismus und<br />
Fundamentalismus in ihre Überlegungen<br />
miteinzubeziehen. Zum Schluß treten<br />
Margaret A. Simons und Kate und<br />
Edward Fullbrook den Beweis <strong>an</strong>, daß<br />
Beauvoirs philosophische Ideen die Entwicklung<br />
von Je<strong>an</strong> Paul Sartres Existenzialismus<br />
wesentlich beeinflußt haben,<br />
wenn nicht sogar begründet. Diese<br />
bahnbrechenden Ged<strong>an</strong>ken wurden jedoch<br />
automatisch und selbstverständlich<br />
dem Philosophen zugeschrieben.<br />
Simons bereitet zur Zeit die Herausgabe<br />
von Simone de Beauvoirs frühen Tagebüchern<br />
vor, die den Grundstein für ihre<br />
Philosophie enthalten – l<strong>an</strong>ge bevor sie<br />
die Bek<strong>an</strong>ntschaft mit Sartre machte.<br />
Alice Schwarzer (Hg.): M<strong>an</strong> wird nicht als Frau geboren<br />
Gabi Horak<br />
50 Jahre nach dem „Anderen Geschlecht“ ziehen Schriftstellerinnen<br />
und Politikerinnen gemeinsame Bil<strong>an</strong>z: Wo stehen die Frauen heute?<br />
Kiepenheuer & Witsch <strong>2000</strong>, ats 145,–<br />
Loch im Waldviertel<br />
Tausende WaldviertlerInnen mußten in<br />
der NS-Zeit ihre Höfe verlassen, damit<br />
in dem Gebiet um Allensteig ein Truppenübungsplatz<br />
errichtet würde. Ähnlich<br />
den slowenischen Bäuerinnen und<br />
Bauern in Kärnten fragten sich die Menschen<br />
„Warum gerade hier, warum gerade<br />
wir?“ Der Befehl war lapidar:„Im<br />
Auftrag des Reiches haben sie innerhalb<br />
von sechs Wochen Ihren Hof zu räumen.<br />
Ihr Grund wird zu dem von den<br />
Experten berechneten Preis abgelöst<br />
werden. Über ihr bewegliches Eigentum<br />
dürfen sie frei verfügen. An den bestehenden<br />
Bauten darf nichts verändert<br />
werden.“ Umsiedlungsgehöfte wurden<br />
teils auf enteignetem jüdischen Grundbesitz<br />
errichtet. Im Waldviertel erwartete<br />
m<strong>an</strong> sich wenig Widerst<strong>an</strong>d, da ein<br />
nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung<br />
nationalsozialistisch gesinnt war.<br />
Auch nach dem Krieg wurde das Gebiet<br />
nicht wieder besiedelt. Es wurde 1957<br />
<strong>an</strong> das Österreichische Bundesheer<br />
übergeben. Ein rot schraffierter Fleck<br />
auf der L<strong>an</strong>dkarte kennzeichnet heute<br />
jenes militärische Sperrgebiet, das von<br />
AnrainerInnen verächtlich als „Loch im<br />
Waldviertel“ bezeichnet wird. Valie<br />
Export gestaltete ihr Denkmal als<br />
Skulptur, die halb am Wasser liegt.<br />
„L<strong>an</strong>dschaftsmesser“ nennt sie die Metallfläche,<br />
die ähnlich einem Messer einen<br />
Einschnitt in die L<strong>an</strong>dschaft reißt.<br />
…die feministische Buchh<strong>an</strong>dlung<br />
kk<br />
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