29.06.2013 Aufrufe

September 2000 (PDF) - an.schläge

September 2000 (PDF) - an.schläge

September 2000 (PDF) - an.schläge

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

q<br />

Schulfrauen und Mädchen<br />

Im Milena-Verlag erschienen dieses Jahr zwei Bücher, die sich beide im<br />

weitesten Sinn mit Mädchenbildung ausein<strong>an</strong>dersetzen. Während der von<br />

Maria-Luise Botros und Ruth Devime herausgegeben B<strong>an</strong>d auf Erfahrungen<br />

mit dem Konzept der freien Schule basiert, untersucht Meike Lauggas<br />

die Entstehungsgeschichte des Begriffs „Mädchen“. Von Ilse M. Seifried<br />

Wenn Frauen ausziehen und<br />

freie Schulen gründen ...<br />

Das Buch versammelt zw<strong>an</strong>zig<br />

Beiträge von Frauen, die der<br />

„freien Schule“ in unterschiedlichster<br />

Weise verbunden sind. Frauen,<br />

die sie gründeten, Frauen, die dort unterricht(et)en,<br />

Frauen, die ihre Töchter<br />

dem Projekt <strong>an</strong>vertrauten, ehemalige<br />

Schülerinnen sowie Dachverb<strong>an</strong>dsbzw.<br />

Org<strong>an</strong>isationsfrauen, die das Spektrum<br />

der innovativen Lern- und Lebensform<br />

rückblickend betrachten.<br />

Der W<strong>an</strong>del des Selbstverständnisses<br />

vom Opfer (die verschwiegene<br />

Leistung von Frauen in der männlichen<br />

Geschichtsschreibung) zu Akteurinnen<br />

(Wir wissen, daß die Welt ist, was wir<br />

Frauen daraus machen) k<strong>an</strong>n nachvollzogen<br />

werden. „Wir haben etwas daraus<br />

gemacht“, schreibt Ruth Devime im<br />

Vorwort. Und so ist der vorliegende<br />

B<strong>an</strong>d als „Akt der Selbstautorisierung,<br />

der Selbstbemächtigung und der<br />

Selbstbeschreibung“ zu verstehen.<br />

Von etwa zwei Millionen SchülerInnen<br />

in Österreich werden ungefähr 700<br />

in freien Schulen unterrichtet. Durch Erfahrungen<br />

mit der Regelschule und mit<br />

der freien Schule sind die Vergleiche bezogen<br />

auf Rahmenbedingungen, Grenzen<br />

und Möglichkeiten aufschlußreich.<br />

Subjektive Erfahrungsberichte, individuell<br />

formulierte Einschätzungen<br />

und St<strong>an</strong>dpunkte geben nicht nur ei-<br />

nen interess<strong>an</strong>ten historischen Ein- und<br />

Überblick in und auf die eigeninitiativen<br />

Frauen, sondern werfen neue Fragen<br />

auf und führen damit einen Schritt<br />

in die Zukunft. Für Maria-Luise Botros<br />

steht fest: Eine Struktur, die viel Schutz<br />

und Halt gegeben hat, k<strong>an</strong>n sich in ihr<br />

Gegenteil verkehren. Hier wäre es gut,<br />

weiter zu denken und auch selbstkritisch<br />

zu sein.<br />

Wenn von Mädchen die Rede ist...<br />

Meike Lauggas stellte sich in ihrer<br />

mit dem Gabriele Poss<strong>an</strong>er-Preis ausgezeichneten<br />

Diplomarbeit, die ihrem<br />

Buch zugrunde liegt, unter <strong>an</strong>derem folgende<br />

Fragen: In welchen Kontexten<br />

kommt der Begriff „Mädchen“ vor? Welchen<br />

Stellenwert hatte/hat er? Wie kam<br />

es zur Bildung von Wort und Figur? Welcher<br />

Bedarf bewirkte die Etablierung<br />

des Wortes „Mädchen“, das eine weibliche<br />

Person meint, das jedoch grammatikalisch<br />

sächlichen Geschlechts ist?<br />

Die Suche nach einer Antwort führt<br />

zu einem Mosaikstein der Frauengeschichte<br />

und – die Suche lohnt sich<br />

wirklich! Meike Lauggas folgte dem<br />

Wort zum Text, von Texten zu Diskursen<br />

und Mentalitäten.<br />

Der trockene Buchtitel „Mädchenbildung<br />

bildet Mädchen“ bringt die<br />

sp<strong>an</strong>nende Forschungsarbeit leider<br />

nicht zum Ausdruck, in der m<strong>an</strong>chmal<br />

das Detektivische vordergründig mitschwingt.<br />

Ist es vielleicht keine Beliebig-<br />

keit, elf Schreibweisen für Mädchen in<br />

k.k. Akten des 18. Jh. zu verwenden? Und<br />

warum bietet das Wort Mädchen eine<br />

solche B<strong>an</strong>dbreite <strong>an</strong> Metonymien, was<br />

macht es dafür so geeignet? Im Tuxertal<br />

ist „Madl“ auch ein Kosewort für eine<br />

kleine Kuh. „Mädchen“ ist auch ein<br />

Pfl<strong>an</strong>zenname.<br />

Konsequenterweise geht die Autorin<br />

der Fragestellung nach, ob es eine<br />

Unterscheidung zwischen Mädchen<br />

und Frauen gibt bzw. stellt fest, daß die<br />

Nicht- Unterscheidung Tradition und<br />

Hintergründe hat. Völlig außer Acht gelassen<br />

bleiben jedoch die Bezüge zu der<br />

„Magd des Herrn“ in der katholischen<br />

Kirche.<br />

Lauggas zieht den Bogen bis zur<br />

Gegenwart über die Arbeiten von<br />

Senta Trömel-Plötz und Luise Pusch,<br />

Gerd Br<strong>an</strong>tenberg und dem Wiener<br />

Verein WörterINNENspiegel bis zur<br />

Virginia-Woolf-Schule. Was ist unter<br />

Koragogik und Femagogik zu verstehen<br />

und was ist zu den girls, Riot<br />

Grrrls, girl-groups, Girlys und der Görls-Culture<br />

zu sagen und wo besteht<br />

ein Zusammenh<strong>an</strong>g mit dem Konzept<br />

des „affidamento“?<br />

Es soll <strong>an</strong> dieser Stelle nicht vorweggenommen<br />

werden, zu welchen<br />

Querverbindungen und Ergebnissen<br />

Meike Lauggas schließlich kommt. Nach<br />

der Lektüre weiß die Leserin, wenn von<br />

Mädchen die Rede ist... ❚<br />

lese.zeichen<br />

Frauen, die auszogen und freie<br />

Schulen gründeten.<br />

Hg. von Maria-Luise Botros und<br />

Ruth Devime<br />

Milena <strong>2000</strong>, ats 289,–<br />

Meike Lauggas: Mädchenbildung<br />

bildet Mädchen.<br />

Eine Geschichte des Begriffs und der<br />

Konstruktionen.<br />

Milena <strong>2000</strong>, ats 254,–<br />

september <strong>2000</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 39

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!