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September 2000 (PDF) - an.schläge

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In erster Linie sind es geistes- und<br />

kulturwissenschaftliche Disziplinen, aus<br />

denen sie Arbeiten <strong>an</strong>nimmt:„Das sind<br />

meine Wissenschaftsgrenzen“. Das<br />

Wahrnehmen der eigenen Grenzen war<br />

auch der Grund, warum das Projekt von<br />

Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> in eine Praxisgemeinschaft<br />

integriert war. Zum Konzept gehört ein<br />

interdisziplinärer Austausch mit Supervisorinnen<br />

und feministischen Therapeutinnen.<br />

„Ich bin keine Therapeutin,<br />

aber ich weiß, daß es oft auch g<strong>an</strong>z heikle<br />

Übergänge gibt“, erklärt Gudrun<br />

Perko das Prinzip ihres Coachings mit<br />

der Option, Studentinnen <strong>an</strong> ihre qualifizierten<br />

Kolleginnen weiter zu verweisen.<br />

Bisher war sie allerdings noch nie<br />

„in der Verlegenheit, weitervermitteln<br />

zu müssen“.<br />

Geschlechterdifferenz. „Profundus“ war<br />

grundsätzlich in erster Linie für Frauen<br />

gedacht, doch es kristallisierte sich<br />

ohnehin schnell heraus, wer das Angebot<br />

der professionellen außeruniversitären<br />

in Anspruch nimmt:„Es war<br />

bisl<strong>an</strong>g noch kein M<strong>an</strong>n hier!“<br />

Es bestehen gewisse Schwellenängste,<br />

den Weg in ihr Institut zu<br />

finden, weiß Gudrun Perko. Es ist das<br />

Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit,<br />

wenn eine Studentin feststellt, daß sie<br />

sich von außerhalb Unterstützung holen<br />

muß und will:„Es dauert d<strong>an</strong>n relativ<br />

l<strong>an</strong>ge, bis m<strong>an</strong> sagen k<strong>an</strong>n: Ich hab<br />

zwar eine universitäre Betreuung, aber<br />

die ist mir zu wenig, und das heißt<br />

nicht, daß ich unfähiger bin als <strong>an</strong>dere.“<br />

Hinzu kommen Fragen und Selbstzweifel,<br />

mit denen Frauen öfter als<br />

Männer konfrontiert sind: Ist das jetzt<br />

wissenschaftlich? Trau ich mir das zu?<br />

Bin ich klug genug? Die Selbstverständlichkeit,<br />

mit der Männer <strong>an</strong> (wissenschaftliches)<br />

Arbeiten her<strong>an</strong>gehen, fehle<br />

den meisten Frauen, bestätigt Andrea<br />

Schaffar. Gudrun Perko ortet die Ursache<br />

dafür in unterschiedlichen<br />

Sozialisationserfahrungen und Erfahrungen<br />

der Geschlechterdifferenz. „Ich<br />

denke auch, daß es dabei im Sinne eines<br />

Coachings Unterstützungsformen<br />

gibt, die das relativ schnell auflösen“,<br />

berichtet sie aus ihrer Praxis. Ihr geht<br />

es auch immer darum, das Erarbeiten<br />

eines wissenschaftliches Themas, das<br />

Schreiben einer Abschlußarbeit, als<br />

„lustvolles“ Forschen erfahrbar zu machen,<br />

und nicht als jahrel<strong>an</strong>gen Leidensweg.<br />

So treffe sie mitunter auf<br />

Studentinnen, die sich g<strong>an</strong>z am Ende<br />

ihres Studiums befinden, doch <strong>an</strong> der<br />

Hürde Diplomarbeit scheitern, nicht<br />

zuletzt weil sie die individuelle Betreuung<br />

seitens der Universität als m<strong>an</strong>gelhaft<br />

erleben. „Es gibt schließlich auch<br />

Methoden, die da heißen: M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n<br />

Betreuungspersonen wechseln, m<strong>an</strong><br />

k<strong>an</strong>n Institute wechseln“, zeigt Gudrun<br />

Perko auf.<br />

Zusätzliche Barrieren auf dem Weg<br />

zu einem erfolgreichen Uni-Abschluß<br />

ergeben sich gerade für Studentinnen,<br />

die zu feministischen Themen arbeiten<br />

wollen. Frauenforschung bzw. Gender-<br />

Studies k<strong>an</strong>n frau in Österreich nur als<br />

Fächerkombination <strong>an</strong> der Uni inskribieren,<br />

also als „Zweitfach“ neben<br />

einem – zumindest auf dem Papier<br />

existierenden – Schwerpunktfach. In<br />

diesem „Erstfach“ muß d<strong>an</strong>n auch die<br />

Diplomarbeit geschrieben werden, nach<br />

den Regeln und Methoden dieser Disziplin.<br />

Das k<strong>an</strong>n bei Studentinnen, deren<br />

persönlicher Schwerpunkt jedoch in der<br />

feministischen Wissenschaft liegt, zu<br />

Verunsicherungen führen, schildert<br />

Gudrun Perko ihre Beobachtungen.<br />

Mindestens ein Drittel der Arbeiten, die<br />

sie betreut, hat einen feministischen<br />

Schwerpunkt. Die Studentinnen würden<br />

innerhalb bestimmter Fachgebiete<br />

zusätzlich mit den Zweifeln seitens der<br />

ProfessorInnen konfrontiert:„Na ja, interdisziplinär,<br />

von allem etwas, das ist ja<br />

doch nicht so g<strong>an</strong>z wissenschaftlich.“<br />

Margit Wolfsberger hat die Erfahrung<br />

gemacht, daß die meisten betreuenden<br />

ProfessorInnen <strong>an</strong> den einzelnen streng<br />

nach Disziplinen aufgeteilten Instituten<br />

„von feministischer Theorie oder Fragestellung<br />

keine Ahnung“ haben. Andrea<br />

Schaffar hat sich nicht nur deshalb<br />

bewußt gegen ein feministisches Diplomarbeitsthema<br />

entschieden, sondern<br />

auch „weil universitätsintern Frauen<br />

sehr gerne in diesem Eck festgenagelt<br />

werden“ und in ihrer weiteren wissenschaftlichen<br />

Laufbahn aus dieser<br />

Ecke nur mehr schwer herauskommen.<br />

Daß meine Diplomarbeit natürlich<br />

trotzdem den Aspekt gender enthält,<br />

versteht sich von selbst.“ Doch welchen<br />

Weg soll frau nun tatsächlich einschlagen,<br />

um bei ihrer Diplomarbeit oder<br />

Dissertation ausreichend betreut zu<br />

werden und dabei im Idealfall noch<br />

Spaß dar<strong>an</strong> zu haben?<br />

Wissenschaftspolitik. Unter Studentinnen,<br />

Tutorinnen und Wissenschafterinnen<br />

herrscht Einigkeit darüber, daß die Zukunft<br />

der Betreuung in einer Kombination<br />

von Angeboten liegen wird: Das außeruniversitäre<br />

Coaching k<strong>an</strong>n die universitäre<br />

Betreuung nicht ersetzen, doch<br />

wesentlich entlasten und neue Möglichkeiten<br />

des wissenschaftlichen Arbeitens<br />

eröffnen.„Ich wüßte nicht, wie die Betreuung<br />

von Seiten der Uni intensiviert<br />

werden könnte“, gibt Margit Wolfsberger<br />

zu bedenken. Das ständig wachsende<br />

Bedürfnis nach vermehrter und vor allem<br />

individueller Betreuung seitens der<br />

Studierenden erklärt daher die im Steigen<br />

begriffene Anzahl privater Initiativen<br />

und Arbeitsgemeinschaften, die auch als<br />

Gegenstrategie zur beobachteten Vereinzelung<br />

zu verstehen sind. Grundsätzlich<br />

sei die private Vernetzung positiv zu beurteilen,<br />

resümiert Andrea Braidt vom<br />

Verb<strong>an</strong>d feministischer Wissenschafterinnen,<br />

doch es sei „politisch problematisch“,<br />

weil eine Leistung, die eigentlich<br />

von den Universitäten erbracht werden<br />

sollte, ausgelagert wird:„auch fin<strong>an</strong>ziell<br />

ausgelagert“. Die offizielle Betrachtung<br />

und Diskussion des Themas läßt auf sich<br />

warten, obwohl der interne Prozeß der<br />

Umorg<strong>an</strong>isation längst begonnen hat.<br />

„Dieses Thema ist eines, das wissenschaftspolitisch<br />

ist und geführt werden<br />

muß“, fordert deshalb Gudrun Perko.<br />

„Profundus“ fin<strong>an</strong>ziert sich völlig selbständig<br />

und ohne Zuschüsse:„Ich war einmal<br />

kurz in Verh<strong>an</strong>dlungen mit dem<br />

Ministerium, aber es gibt das, was ich<br />

mache, de facto nicht, das heißt auch,<br />

daß es dafür keine Stellen gibt, die das<br />

fin<strong>an</strong>zieren würden.“ Nicht zuletzt <strong>an</strong>gesichts<br />

der gepl<strong>an</strong>ten (wirtschaftlichen)<br />

Autonomie der Universitäten wäre es<br />

notwendig, die m<strong>an</strong>gelnde universitäre<br />

Betreuung von Studentinnen zu thematisieren<br />

und fin<strong>an</strong>zielle Mittel für die<br />

Förderung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb<br />

bereitzustellen – auch im außeruniversitären<br />

Bereich. ❚<br />

diplomarbeit<br />

september <strong>2000</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 37

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