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September 2000 (PDF) - an.schläge

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F<strong>an</strong>ni Niemi-Junkola, eine finnische<br />

Künstlerin, wird eine Single-Ch<strong>an</strong>nel-<br />

Installation mit dem Titel „Gi<strong>an</strong>ts“ zeigen,<br />

in der zwei etwa 30jährige Frauen<br />

in Je<strong>an</strong>s und T-Shirts in einer sehr rauhen,<br />

kargen L<strong>an</strong>dschaft vor dem Hintergrund<br />

des Meeres mitein<strong>an</strong>der ringen.<br />

Der Sound ist ihr Keuchen, die physischen<br />

Geräusche dieses Kampfes, Wind<br />

und das Meeresrauschen im Hintergrund.<br />

„Gi<strong>an</strong>ts“, die Gig<strong>an</strong>tInnen oder<br />

RiesInnen, besteht eigentlich nur aus<br />

einem Bild, das mit einer leichten Untersicht<br />

gefilmt ist und d<strong>an</strong>n ein<br />

bißchen größer als lebensgroß projiziert<br />

wird. Niemi-Junkola inszeniert ein<br />

Bild, das m<strong>an</strong> eigentlich so nicht kennt,<br />

das eigentlich so in der Ikonographie<br />

der Massenmedien, z.B. im Actionfilm,<br />

nicht vorgesehen ist – diese Art eines<br />

essentialistisch männlichen Ringkampfes,<br />

ausgeführt von zwei Frauen, eine<br />

gegen die Geschlechterstereotypien<br />

besetzte Szene. Und dazu die Größe:<br />

Die zwei Frauen nehmen diesen riesigen<br />

medialen Bildraum ein. Das gibt es<br />

g<strong>an</strong>z selten, und wenn, d<strong>an</strong>n sieht es<br />

oft mehr nach einer Karikatur des<br />

Weiblichen aus.<br />

Eine <strong>an</strong>dere Arbeit ist das Video<br />

„Cle<strong>an</strong>ing You“ von Uli Aigner (A). Sie<br />

stellt ihren voll bekleideten M<strong>an</strong>n in eine<br />

Badew<strong>an</strong>ne und beginnt, ihn von<br />

Kopf bis Fuß abzubrausen und abzuseifen.<br />

Am Ende steigt er aus der W<strong>an</strong>ne<br />

und sie föhnt ihn wieder trocken.<br />

Dies ist im übrigen eine Arbeit<br />

(lacht), die fast schon aggressive<br />

Verständnislosigkeit beim Testpublikum<br />

hervorgerufen hat. Ich schätze die Arbeit<br />

von Uli Aigner sehr und finde es interess<strong>an</strong>t,<br />

daß sie diese Aggression auslöst.<br />

Aigner spielt natürlich g<strong>an</strong>z unverschämt<br />

mit der Zuschreibung des Mütterlichen,<br />

daß Frauen nach wie vor für<br />

Reproduktionsarbeit und damit für das<br />

Waschen, für das Sorgen – auch für den<br />

eigenen Ehem<strong>an</strong>n – zuständig gemacht<br />

werden, und ironisiert diese. Erwähnen<br />

muß m<strong>an</strong> noch, daß Uli Aigner bei<br />

„Cle<strong>an</strong>ing You“ das Bild m<strong>an</strong>ipuliert und<br />

konstruiert, indem sie am oberen Bildr<strong>an</strong>d<br />

einen weißen Balken einsetzt, der<br />

die Köpfe zum Teil abdeckt. Dies ist ein<br />

g<strong>an</strong>z einfacher medialer, künstlerischer<br />

Eingriff, mit dem sie darauf hinweist, daß<br />

es sich um einen projizierten Raum h<strong>an</strong>delt,<br />

den sie uns bietet, um ein inszeniertes<br />

und beschnittenes Videobild.<br />

Im Zusammenh<strong>an</strong>g mit widerständige,<br />

feministischen Strategien<br />

arbeitest du auch mit dem Begriff der<br />

Idiosynkrasie.<br />

Das Idiosynkratische läßt sich beschreiben<br />

mit einer Art „Überempfindlichkeit“<br />

und bezeichnet für mich eine<br />

Essenz des Individuellen, mit der m<strong>an</strong><br />

sich überhaupt noch irgendwie selbst<br />

als Person verorten oder begreifen k<strong>an</strong>n<br />

in der Welt. Dabei taucht die Frage auf,<br />

wie sehr das KünstlerInnen-Subjekt in<br />

den Videos durchscheinen muß, um z.B.<br />

die Eigenschaft einer solchen Bildproduktion<br />

als Kunst auszumachen – eine<br />

individuelle AutorInnenschaft, die in<br />

den Massenmedien ausgelöscht ist.<br />

Diese Überempfindlichkeit ist<br />

auch eine feministische Befindlichkeit,<br />

Zuschreibungen und Marginalisierungen<br />

zu bemerken. Und da<br />

kommen wir wieder zur Repräsentationskritik,<br />

denn Idiosynkrasie ist ein<br />

Aufmerksamkeitsfokus, mit dem sich<br />

die KünstlerInnen Massenmedien<br />

<strong>an</strong>schauen und Genderkonstruktionen<br />

wahrnehmen.<br />

Im Bereich multimedialer Installationen<br />

und Video tauchen derzeit auffällig<br />

viele Arbeiten von Frauen wie<br />

Shirin Neshat, Eija-Liisa Ahtila, Sam<br />

Taylor-Wood, Gilliam Wearing, Pipilotti<br />

Rist u.a. auf. Inwieweit siehst auch du<br />

hier ein Phänomen? Oder ist es vielmehr<br />

eine Erzählung, eine Konstruktion, ein<br />

neuer medialer Spot?<br />

Je mehr ich darüber nachdenke<br />

und je mehr ich mich damit befasse,<br />

desto mehr glaube ich, daß es eine Konstruktion<br />

ist. Am Anf<strong>an</strong>g war da so etwas<br />

wie die Beobachtung eines Phänomens:<br />

tolle Videoinstallationen von<br />

Künstlerinnen. Doch ich glaube, es ist<br />

eine Reaktion der immer noch zutiefst<br />

patriarchalisch geprägten Kunstwelt/szene,<br />

daß m<strong>an</strong> erstaunt ist, daß es so<br />

viele Frauennamen gibt in einem bestimmten<br />

Genre. Eigentlich ist es ein<br />

simpler Effekt: In den meisten Großausstellungen,<br />

Kunstzeitschriften dominieren<br />

nach wie vor so stark die<br />

Männer, daß m<strong>an</strong> glaubt, es würde sich<br />

um ein g<strong>an</strong>z spezifisches Phänomen<br />

h<strong>an</strong>deln, wenn ein paar Frauen auch<br />

gute Arbeiten abliefern. ❚<br />

videokunstkultur<br />

Ein Aufmerksamkeitsfokus, mit<br />

dem die Künstlerinnen Genderkonstruktionen<br />

durchschauen.<br />

Arbeiten von: Ulli Aigner (A):<br />

Cle<strong>an</strong>ing you<br />

Foto links<br />

F<strong>an</strong>ni Niemi-junkola (FIN): Gi<strong>an</strong>ts<br />

Foto mitte<br />

Sabine Jelinek (A): Heldinnen<br />

Foto rechts<br />

. Video als weibliches<br />

Terrain<br />

27. Oktober–10. Dezember <strong>2000</strong><br />

L<strong>an</strong>desmuseum Jo<strong>an</strong>neum<br />

Graz/steirischer herbst <strong>2000</strong>.<br />

http://www.steirischerherbst.at<br />

Zur Ausstellung erscheint ein<br />

Katalog mit Bild- und Textmaterial<br />

zu den KünstlerInnen sowie Essays<br />

von Ruth Noack (D/A), Stella Rollig<br />

(A), Yvonne Volkart (CH) und Anna<br />

Harding (GB).<br />

september <strong>2000</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 31

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