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themapatriotismus q Kein schöner Land Ausgrenzung nach außen und Anpassungsdruck nach innen sind Charakteristika von Nationalstaaten. Seit Februar 2000 rücken die „kleinen Männer“ in Österreich wieder zusammen und Parolen wie „nationale Kraftanstrengung“ sind vermehrt zu hören. Was steht hinter der heraufbeschworenen Gemeinsamkeit? Von Ursula Hermann und Cornelia Kogoj, Fotos von Magdalena Blaszczuk 16 an.schlägeseptember 2000 „Wie ein Mann wollen wir uns mit fliehenden Fahnen an das Vaterland anschließen, in dera großen Zeit, sind wir doch umgerungen von lauter Feinden.“ 1 Karl Kraus hat in dieser Szene seiner „Letzten Tage der Menschheit“ einen Menschentyp beschrieben, der sich in Österreich seit Februar 2000 wieder zu Wort meldet: den Patri(di)oten. Sie scheinen wieder ein Vaterland bekommen zu haben und wissen wieder, wer sie sind. Jetzt rücken sie zusammen, die kleinen Männer auf der Straße und in der Politik. Sie kennen sich aus und wissen vor allem wieder, wer oder was gut und böse ist. Und so sind in den österreichischen Sprachgebrauch seit Februar 2000 „patri(di)otische Worte“ geflossen. „Nationaler Schulterschluß“,„zu-rechtrücken“,„Vernaderung“,„schiefes Bild“, „nationale Kraftanstrengung“,„die EU 14 und wir“... und auch die bis zum Erbrechen herbeizitierte „demokratisch gewählte Regierung“ humpt und dumpt durchs Land. Die militärische Etymologie unterstreicht diese durch und durch „vaterländisch-männliche“ Sicht der Dinge. Die ideologische Grundlage des „Nationalen Zusammenrückens“ läßt sich mit Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“, Dritter Aufzug auf den Punkt bringen:„Oh gutes Land! O Vaterland! (...) O nehmt Euch sein, nehmt Euch des Landes an!“ – Dem „wahren Patrioten“ kommen dabei auch heute noch die Tränen. Dieser
Schwall Österreichischen Nationalgehabes muß zu denken geben, denn das Einschwören auf „gemeinsame Verantwortung“ und „gemeinsame Ziele“ hat in Österreich Tradition. Österreich-Ideologie. Während des Ersten Weltkriegs wurde erstmals intensive Propaganda mit der „Heimatfront“ betrieben. Frauen und Kinder sollten „ihren Beitrag“ zum großen nationalen Sieg beisteuern. Nach 1918 suhlten sich die rechtsextremen und konservativen Parteien in der „Dolchstoßlegende“, der irrtümlichen Annahme, daß dieser Krieg hätte gewonnen werden können, wenn „das Volk“ – „die Heimatfront“ – nur wie „ein Mann“ hinter der Armee gestanden wäre. Mit Februar 1934 setzte sich endgültig der Austrofaschismus durch, dessen „Österreich-Ideologie“ als Überlebensstrategie propagiert, nichts anderes war als althergebrachte Tradition der ideologischen Nivellierung gesellschaftlicher Gegensätze und der Druck sich anzupassen oder ausgegrenzt (verhaftet) zu werden. Die Zeit von 1934 bis 1938 stellt ein dunkles Kapitel Österreichischer Geschichte dar: Die ÖVP hat die christlich-soziale Parteigeschichte offenbar nie aufgearbeitet. Noch immer gibt es unverhohlene Verehrung des „Märtyrers“ Dollfuß (sein Portrait hängt wie allseits bekannt in den ÖVP Parlamentsklubräumen). Durch alle Parteien hindurch gibt es keine öffentlich deklarierte Distanz zur Zeit des Austrofa- schismus, bis heute bestehende Kontinuitäten werden verdrängt. Auch im Austrofaschismus wurden die „Heimat“ und das „Vaterland“ beschworen: Das „einig christlich-konservativ-ständestaatliche“ Österreich gegen die anderen. Und der faschistische Anführer des Staates war der Oberpatriot. Die „vaterländische Front“ wurde zur Einheitsbewegung deklariert, politische Parteien verboten oder aufgelöst. Hier läßt sich beobachten, wie gut sich Patriotismus und Faschismus ergänzen. Nationale Gemeinschaft. Mit Februar 2000 wird nun wieder die Strategie der einheitlichen Nation, des nationalen Schulterschlusses propagiert. Und wieder sollen Ungleichheiten zwischen Frau und Mann, arm und reich oder jung und alt durch die beschworene „nationale Gemeinschaft“ verdeckt werden. Interessanterweise besinnt sich gerade die „Europapartei ÖVP“ nun ihrer „vaterländischen Tradition“ und redet DEM ÖsterreichER wieder einmal ein:Wir wählen, wen wir wollen! Und damit beginnt der erste Akt der „opera buffa“. Sanktionen, die sich gegen diese Regierung richten, werden als Sanktionen gegen Österreich verkauft. Von der „demokratisch gewählten Regierung“ wurde (zumindest am Anfang) gesprochen und somit der parteipolitische Entscheidungsprozeß der Regierungsbildung DEM WählER untergejubelt. Tatsächlich aber hat der Regierungspoker um den Kanzler mit dem eigentli- chen Wahlergebnis wenig zu tun, denn die drittstärkste Partei stellt den Regierungschef. Erstmals seit 1945 wird die strafrechtliche Verfolgung von österreichischen ParlamentarierInnen gefordert, die sich kritisch zu Österreich äußern und somit dem vermeintlichen „Österreich-Image“ schaden. FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer findet den Vorschlag zumindest überlegenswert. FP- Klubobmann Peter Westenthaler verwendet schon fast täglich den Begriff der „Vernaderung“. Der Gipfel aktueller patri(di)otischer Politik ist die Abhaltung einer Volksabstimmung. Die Österreichische Bevölkerung soll sechs (Suggestiv)Fragen mit einem patri(di)otischem „Ja“ beantworten. Hauptinhalt sind die Sanktionen, die es dieser Regierung erst ermöglichten den nationalen Schulterschluß zu propagieren. Daß diese Volksabstimmung nicht ganz so gut ankommt, weiß die Regierung mittlerweile. Deshalb wird nicht lange gezögert und ein neuerliches Zusammenrücken wird propagiert: Gemeinsames Sparen für ein sogenanntes „Null-Defizit“. Eine nationale Kraftanstrengung wird gefordert. Damit WIR keine Schulden mehr haben. „Gemeinsam“ ist das neue Zauberwort. As a woman I have no nation. Wie „gemeinsam“ alles gemeint ist, zeigt die Sprache dieser Regierung sehr deutlich. Neben DEM WählER und DEM ÖsterreichER soll anscheinend niemand sonst patriotismusthema Der ÖsterreichER ist ein gemütlicher Patron. Doch wehe, wird er ungemütlich! 1) Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit. Frankfurt am Main 1986. S 45f. september 2000an.schläge 17
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