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Deutsche Altertumskunde

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3. Die Urgermanen. B. Kulturverhältnisse. § 9. Gelände und Siedelung. 73<br />

deutschlands (S. 29 ff.) ist es fast unbegreiflich, wie man die Urgermanen als<br />

Nomaden bezeichnen konnte. Denn nirgends haben Nomaden in einem<br />

Waldland gewohnt, sondern waldfreie, weiträumige Weideplätze beansprucht. i)<br />

Nun wäre es ganz unrichtig, wollte man gleich den antiken Autoren 2) Urdeutschland<br />

sich als undurchdringliches Waldgebiet vorstellen; denn der<br />

Urwald hat unser Landschaftsbild niemals beherrscht (S. 30). Aber Laubwald<br />

und Kiefernwald sind bei uns üppig gediehen und Waldgrenze wurde<br />

unsere wichtigste Kulturgrenze. Doch war Deutschlands Norden niemals<br />

ein monotones Waldgebiet. •^) Freien Ausblick gewährten die lichten Wasserflächen<br />

der Binnenseen und des Ozeans. Die Seen wurden aber von den<br />

Indogermanen nicht mehr wie von den Präneolithikern als Wohnung ge-<br />

wählt;*) sie dienten vielmehr als die großen Speisekammern einer Fischerei<br />

treibenden Bevölkerung, die auf dem trockenen Ufer der Wasserflächen und<br />

auf ihren Eilanden sich niederließ.^) Unzugänglich blieb das Meer und die<br />

Marsch; solange der unsichere Boden des Watt, halb Meer halb Land,<br />

regelmäßig überflutet wird, ist die Meeresküste nur auf natürlichen Erhebungen<br />

bewohnbar (Caesar 6, 31). Das gleiche gilt von den das Meeresland<br />

der Marschen umsäumenden Mooren; auch die Moordistrikte Binnen-<br />

deutschlands, die einen sehr altertümlichen Landschaftstypus darstellen,<br />

können nur schwach besiedelt gewesen sein. Wie Meer, Marsch und Moor«)<br />

waren die in der norddeutschen Tiefebene verbreiteten sumpfigen Flußniederungen'')<br />

wenig begehrt, wurden aber gleich dem Wald und dem Moor<br />

als gefährliche Verkehrshindernisse und darum als natürlicher Grenzschutz<br />

der Wohnplätze willkommen geheißen.**)<br />

1) R. MucH, Zeitschr. f. d. Altert. 36, 97.<br />

R. Gradmann, Geograph. Zeitschr. 7, 373.<br />

E. Hahn, Haustiere S. 132 ff.<br />

bäume S. 486 ff.<br />

Hoops, Wald-<br />

2) Livius9,35f. Mela3,3. Ammianl5,4.<br />

ä) terra aliquanto specie differt Tacitus<br />

Germ. c. 5.<br />

•*) Es gibt keine neolithischen Pfahlbauten<br />

(S. 44) in Nordeuropa (S.Müller,<br />

<strong>Altertumskunde</strong> 1, 202); am nächsten kommt<br />

ihnen der im Moor von östergötland<br />

(Schweden) angelegte Wohnplatz (Mannus2,<br />

109 ff.). Was man in Mecklenburg als Pfahlbau<br />

ansah, ist der Zeitstellung nach zweifelhaft<br />

und vereinzelt (vgl. Beltz, Vorgeschichte<br />

von Mecklenburg S. 14 f. nebst Anm.; Jahrbücher<br />

64, 145. 154 ff. Vorgesch. Altertümer<br />

S. 1 19 ff.), erst in Mitteldeutschland sind Pfahlbauten<br />

nachgewiesen (J. Vonderau, Pfahlbauten<br />

im Fuldatal. Erste Veröffentlichung<br />

des Fuldaer Geschichtsvereins, 1899); über<br />

Ostpreußen vgl. Zeitschr. f. Ethnolog. 37, 953 f.<br />

*) Die Siedelungen liegen nicht an der<br />

offenen See (A. Kall, Die deutsche Küste<br />

als Siedelungsgebiet, Diss. Kiel 1907).<br />

*) Für „Meer" haben die Germanen, die<br />

sich zu passionierten Seefahrern entwickelten<br />

(Idg. Forsch. 24, 321), ein ihnen eigentüm-<br />

liches Sonderwort: anoxd. haf, ags. hoef, afries.<br />

hef, mnd. haf, mhd. hab Haff (davon abgeleitet<br />

mhd. habe, habene, mnd. haven<br />

Hafen); daneben besteht der idg. gemeineuropäische<br />

Ausdruck: got. marei, anord.<br />

marr, ags. mere, afries. mar, and. ahd. meri<br />

Meer (: \?it mare, air. muir < mori, Ut.mäns,<br />

aslav. morje, vgl. griech. nhjfWQii Vollmeer,<br />

Flut); dazu steht im Ablaut nd.moor, mhd.<br />

abd. muor, and. ags. mör, anord. mceri; nutzbarer<br />

Meeresboden, der namentlich von den<br />

Viehzüchtern bevorzugt wird, heißt mit einem<br />

von „Meer" abgeleiteten Ausdruck ags. /w^rsc,<br />

mnd. mersch, marsch, dän. marsk oder got.<br />

fyn, afüts. fenne,<br />

fani, anord. fen, ags. fenn :<br />

and. feni (endi that mör Ahd. Gl. 4, 302, 17),<br />

ahd. fenna ( : aind. pankas Schlamm, preuß.<br />

/7fl«rt^fln Bruch, gall.flrtfl/wpaludem) = Moorland<br />

unter dem Marschboden, das als Weide<br />

dient; beachte: venit ad quandam solitudinem<br />

que usitato nomine fene dicitur (Geschichtsquellen<br />

von Münster 4, 249); Luchund<br />

Fenngebiete der Mark Brandenburg,<br />

Hohes Venn u. a.<br />

^) ahd. talaseiga, mhd. seige : mnd. sik<br />

(Niederung) : mhd. seicht; ahd. bruoh, mnd.<br />

brök (sumpfiges Land) : ags. bröc, engl, brook<br />

Bach; ags. horh, afnes. höre, and. horu, ahd.<br />

horo, mhd. hör {horwes), mnd. hör, har<br />

(beachte Ortsnamen wie Marburg, Harrie)<br />

Morast; vgl. Sitzungsber. d. Berliner Akad.<br />

1910, 787 ff. (Etymologisches über Sumpf etc.j.<br />

») E. Hoffmann, Ostdeutsche Stadtlagen,<br />

Kieler Diss. 1907.

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