Deutsche Altertumskunde

1. Nordeuropäische Urzeit. § 3. Bevölkerung. 43
worden; die Bevölkerung, die sie erzeugt hat, darf man in Ermangelung
eines anderen Namens Paläolithiker nennen. Diese Paläolithiker sind es
vielleicht gewesen, die seit dem Rückgang der Gletscher sich wie die
Pflanzen und die Tiere in Europa nach Norden hin ausgebreitet haben und
zwar zu einer Zeit, da nicht mehr das frühpaläolithische Mammut, sondern
das Rentier der Repräsentant der Fauna war. Die früheste Besiedelung, die
wir in Norddeutschland feststellen können, ist an Geräten kenntlich, die
aus dem Geweih des Ren hergestellt sind.^) Überbleibsel aus einem älteren
und einem jüngeren Paläolithikum wurden in der Nähe von Taubach (bei
Weimar), 2) Krölpa (bei Ziegenrück), Lindental (bei Gera), 3) Wildscheuer
(a. d. Lahn),4) Andernach (am Rhein),^) in den Rübeländer Höhlen (am
Harz),6) bei Calbe und Arneburg (Provinz Sachsen),') bei Westeregeln
(Kreis Wanzleben) und Thiede (bei Wolfenbüttel)«) gefunden. Von diesen
Orten besitzen wir Geräte aus Hörn, Knochen und Zähnen der Rentierzeit;
vornehmlich aber Feuersteingeräte, die so hergestellt wurden, daß man
von rohen Steinknollen Splitter und Späne abschlug, bis eine ungeschliffene,
aber den Zwecken der Geräte dienliche Form des Gesteins erzielt wurde.
In Nordeuropa sind Feuersteingeräte dieser Stilart gleichfalls gefunden ;3)
sie sind aber chronologisch anders zu beurteilen als die paläolithischen (oder
präneolithischen) Ablagerungen Mitteleuropas, weil sie von Erzeugnissen
einer anderen Technik, von neueren Errungenschaften der Paläolithiker
begleitet werden, als da sind Pfeile (Jagdwaffen) und irdene Waren (Keramik).
Mögen daher die Paläolithiker Mitteleuropas auf den Spuren ihres
Lieblingstieres, des Ren, über das jungfräuliche Land des deutschen Nordens
sich verteilt haben, so geschah dies doch erst, als die Blütezeit des mitteleuropäischen
Paläolithikum vorüber war. Die ältesten Stationen des Menschen
in Nordeuropa stammen aus dem Ende der Kiefernzeit und aus dem Anfang
der Eichenzeit. Nun ist bemerkenswert, daß im norddeutschen Küstenbezirk
(Schleswig-Holstein, Dänemark) nur noch vereinzelte Reste des Ren-
tiers gefunden werden, i") Nennt man also die Rentierzeit Mitteleuropas
paläolithisch,!!) so gebührt der folgenden Übergangszeit^^) und der neu-
ansetzenden Reihe menschlicher Gerätschaften ^ 3) eine neue stilgeschichtliche
Bezeichnung; wir wollen das Endstadium des Paläolithikum in Nordeuropa
präneolithisch nennen. Dies Präneolithikum entspricht der ausgehenden
Ancylus- und der sich vorbereitenden Litorinazeit der Ostsee (S. 26)^4),
ist die ältere Steinzeit des Nordens, darf aber durchaus nicht mit
1) Mannus 1, 23 f.; vgl. S. 41 ff. (Ren- 1
') Verhandl. 1886, 125. 34. Jahresber. d.
tierzeichnungen). Prähistor. Zeitschr. 2, 39 ff. I altmärk. Vereins S. 151. Beiträge z. Geschichte,
') G. Eichhorn, Die paläolithischen Landes-u.Volkskunded.Altmark2,245ff.3,lff.
FundevonTaubach, Jena 1909; vgl. Prähistor. *) Nehring, Tundren undSteppen.BerUn
Zeitschr. 1, 10 ff. 1890; vgl. Zeitschr. f. Ethnol. 1907, 718. 1908.
') Regel, Thüringen 2, 388 ff. Prähistor. 543. 1909, 503. Prähistor. Zeitschr. 1, 23 ff
Zeitschr. 1,7; vgl. Mannus 2, 174. Götze, «) Mainzer Zeitschr. 3 (1908), 44 ff.
Altertümer Thüringens S.XIff.263.281 f. 287. Mannus 3, 171 ff.
*) H0ERNEsS.74.Prähist.Zeitschr.2,241ff. I
i») Aarbeger 1896, 305. 1903, 299.
'") Bonn.Jahrb.86,1 ff. Prähistor. Zeitschr. 1
")
„Madelaine'-periode Frankreichs.
I
l,16ff. 344. Zu Cob lenz vgl. Bonn. Jahrb. *') ,Ancylien" Frankreichs (noch keine
116,344. Tongefäße).
8) Blasius, Beiträge z.Anthropol. Braun- **) ,Le Campignien" der Franzosen,
schweigs (1898) S. 1 ff. ") Geograph. Zeitschr. 16, 197.
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