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Deutsche Altertumskunde

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3. Germania. B. Kulturverhältnisse. § 80, Handelsverkehr und Sprache. 475<br />

den schon genannten Händlerbegriffen (S.467f.) bewahrt die gotische Sprachtiberlieferung<br />

sehr altertümliche lateinische Ausdrücke; sind diese den Angel-<br />

sachsen noch mit den Kontinentalgermanen gemeinsam und durch die westgermanische<br />

Konsonantendehnung, hochdeutsche Lautverschiebung und<br />

Umlaut einerseits, durch das Fehlen der jüngeren vulgärlateinischen Merkmale<br />

andererseits gekennzeichnet, so ist gute Gewähr dafür vorhanden, daß<br />

die betreffenden Lehnwörter der ältesten Schicht angehören und daß ihre<br />

Aufnahme dem 1— 3. Jahrh. n. Chr. zugeschrieben werden darf.i) Dies gilt<br />

wenn überhaupt so für die militärischen Fachausdrücke des römischen<br />

Heerwesens, der Garnisonen und der von den römischen Soldaten geleisteten<br />

technischen Arbeiten oder ihnen unentbehrlich gewordenen Einrichtungen. 2)<br />

Ihrer bedienten sich selbstverständlich die zahlreichen deutschen Mannschaften<br />

und Truppenteile, die im Solde der Caesaren standen, und von<br />

ihnen werden sie in den allgemeinen Sprachgebrauch ihrer Landsleute übergegangen<br />

sein. 3) Echte Gebilde der römischen Epoche sind nun aber auch<br />

diejenigen deutschen Wortformen, die wie die damalige Keramik durch ihre<br />

Konturen und Ornamente, so durch ihre Suffixe die römische Grundlage<br />

verraten, aber durch ihr deutsches Stammwort nachdrücklich an die Nationali-<br />

sierung der frisch erworbenen Besitztümer gemahnen.-*)<br />

^) Pauls Grundr. P, 347 ff..<br />

*) Caesar > got. kaisar, ags. cäsere, and.<br />

kisur, ahd. keisar; milites > ahd. milizza,<br />

militare > got. militon; annona > got. anno,<br />

uilla > ahd. wila, mhd. wile, nhd. weil (Dorf)<br />

Wörter und Sachen 2, 42 ff.; uicus > ags. and.<br />

wie, &\\±wich; colonia > Cöln; castellum ><br />

ahd. and. kastei (nhd. kassel, kessel); castra ><br />

ags. ceastre (engl, ehester); innerhalb des<br />

Kastells erregte das Militärgefängnis (RLÖ.<br />

3, 124 ff.) die Aufmerksamkeit: carcer > got.<br />

karkara, ags. cearcern, and. ahd. karkari<br />

(Kerker); uallum > ags. weall, and. ahd. wo//;<br />

murus > ags. and. mär, ahd. müra (Steinmauer);<br />

sträta > ags. straft, ahits.strete, mnd.<br />

sträte, nl. straat, ahd. sträzza (Straßburg =<br />

Straßenkastell S. 241); platea > got. plapja<br />

(Straße); astracuni > a\\^.astrih,estrih{^s{nc\\);<br />

plastrum > and.plastar, ahd.phlastar{Püas\eT),<br />

palus > ags. and. päl, ahd. phäl, mhd. phäl<br />

[päl pdl S. 378) vgl. Ahd. Gl. 2. 685, 67. 726, 26<br />

pilarium > and. pileri, ahd. pfiilari (Pfeiler);<br />

postis > and. /;o5/ (Pfosten) ; porta > ags. port,<br />

and.porta, ahd. p/zor^a ; porticus > ahd. phorzih;<br />

ItntsXxa > ahd. fenstar; tegula > and.<br />

tegel, ahd. ziagal; scindula > and. skindula,<br />

ahd. scintala; aquaeductus > mhd. aducht;<br />

puteus > and. piitti, ahd. phuzzi Ahd. Gl. 1,<br />

540; uiuarium > ahd. w/o'ar/ (Weiher) ; parricus<br />

> ags. pearruc, ahd. pherrih (Pferch); *spicarium<br />

{horreum) > and. spikeri Speicher;<br />

meta > nd.mite (Heuschober); molina > ahd.<br />

mulin Mühle; coquina > ags. cycene, ahd.<br />

cuhhina Küche; horologium > ahd. orlei;<br />

milia (passuum) > ags. mil, ahd. mila Meile.<br />

3) Vgl. Germ. c. 30, oben S.415 Anm.3.<br />

*) Eine Hauptgruppe wird durch Ab-<br />

;<br />

leitungen deutscher Wörter mittels des lat.<br />

Suffixes -arius, are gebildet; es sind entweder<br />

Bezeichnungen für neue (römische)<br />

Gewerbe wie z. B. lat. lanarius > got. wullareis<br />

(Tuchwalker) oder Bezeichnungen für<br />

neue (römische) Gerätschaften, deren man sich<br />

bei gewerblicher Tätigkeit bediente S. 497 f.;<br />

vgl. z.B. für das römische Gartenmesser (AhV.<br />

3, 3, 4. Zeitschr. f. Ethnolog. 1900, 210): ahd.<br />

and. gertari, gerdari{h\\>\it); für die römische<br />

Wage (AhV. 5, 263. ORL 11,8,95. IV, 40, 35):<br />

ahd. *seigari, mhd. seigiere (mnd. punder);<br />

für den röm Kamm (S. 501) mhd. strcelcere<br />

(vgl. strählen); ferner etwa mhd. liuhtcere (got.<br />

liikarnastaps, ahd. kerzistaf) Leuchter, mnd.<br />

sptker, mhd. spicher (Spieker, Nagel) ; mnd.<br />

kesser (Ketscher, Kescher) oder mhd. veitner<br />

(Fischnetz) u. a. Der ursprüngliche Typus<br />

dieser produktiven Reihe liegt vor in einer<br />

alten Bildung wie got. waggari (Kopfkissen),<br />

ahd. wangari, ags. won^^ere < \at. puluinare<br />

(Wilmanns, <strong>Deutsche</strong> Grammatik 2, 283 ff.)<br />

oder wie bandalari Fahnenträger Prokop,<br />

bell. got. 1, 18, 29 ff.<br />

Ahnliches mag mit den lat. Suffixen -ellum,<br />

illum ; -ula {spinula S. 485), -ila vorgegangen<br />

sein (vgl. lat. scamellum > ags. sceamol, and.<br />

ahd. scamil Schemel); es ist einerseits lat.<br />

flagellum entlehnt als ahd. //^j^// (Flegel), aber<br />

daneben steht ags. perscel, ahd. driscil Drischel<br />

(Dreschflegel); vgl. die römischen Entlehnungen<br />

(S. 473 f.) ahd. wurfil (Würfel) und<br />

sluzzil (Schlüssel, anord. lykill). And. wirdil,<br />

mhd. wirtel (Spinnwirtel; Zeitschr. f. d. Wortforsch.<br />

1,67) gehört vielleicht auch hierher,<br />

eher noch ags. -^eaflas, ahd. gabala für die<br />

Mistgabel (AhV. 5, 264), bezw. für die mehr-

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